Qualitätsregelkarte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Regelkarte)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Qualitätsregelkarte (QRK) oder kurz Regelkarte (engl. „[quality] control chart“, wobei „chart“ eigentlich nicht „Karte“, sondern vielmehr „Schaubild“ oder „Datenblatt“ bedeutet) wird im Qualitätsmanagement zur Auswertung von Prüfdaten eingesetzt. Das Ziel ist die Bewertung von Prozessen hinsichtlich ihrer zeitlichen Qualitätskonstanz (Prozessstabilität). Wenn sich der Prozess signifikant ändert, wird durch die Qualitätsregelkarte signalisiert, in welche Richtung die Veränderung stattfindet (Vergrößerung der Qualitätsstreuung und/oder Änderung der Lage des Qualitätsmerkmals). Dazu werden statistische Stichprobenkennwerte (z. B. Stichprobenmittelwert und Stichprobenstandardabweichung des Qualitätsmerkmals) und Warn-, Eingriffs- und Toleranzgrenzen grafisch dargestellt.[1]

Qualitätsregelkarten sind wesentliche Werkzeuge für die statistische Prozesslenkung zur Optimierung von Produktions- und Serviceprozessen.

Arten von Regelkarten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundsätzlich unterscheidet man Regelkarten nach der Art der zu untersuchenden Merkmale in Regelkarten für variable Merkmale und Regelkarten für attributive Merkmale.

Regelkarten für variable Merkmale

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Regelkarten für variable Merkmale zählen u. a.

Prozessregelkarten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Prozessregelkarte ist eine Regelkarte, die nicht von vorgegebenen Grenzwerten ausgeht. Die obere und untere Warngrenze sowie die obere und untere Eingriffsgrenze werden aus den vorhandenen Prozessdaten berechnet; sie spiegeln nicht den Toleranzbereich wider, sondern nur die beobachtete Häufigkeitsverteilung der mit dem jeweiligen Schaubild überwachten Stichprobenkenngröße.[3] Die Warn- und Eingriffsgrenzen werden periodisch basierend auf den jüngsten Prozessdaten neu berechnet. Die auf Prozessregelkarten gesammelten Prozessdaten bilden die Grundlage für die Prozessfähigkeitsuntersuchung, in der die Häufigkeitsverteilung des beobachteten Merkmals mit dem Toleranzbereich verglichen wird.

Die wesentlichen Prozessregelkarten sind:

Prozessregelkarten englische Herleitung Graphische Darstellung (Chart) der mathematisch auch
ImR-Karte Individual and moving Range Einzelwerte über deren gleitender Spannweite XmR-Karte
Xbar-Karte X with bar (= Querstrich) Mittelwerte als Einzelwerte X-quer-Karte
XbarR-Karte Xbar and R Mittelwerte über deren Spannweite X-quer-R-Karte
XbarS-Karte Xbar and S Mittelwerte über deren Standardabweichung X-quer-S-Karte
EWMA-Karte Exponentially Weighted Moving Average exponentiell gewichteten, gleitenden Mittelwerte
CUSUM-Regelkarte Cumulative SUM Kumulative Summen
Drei-Wege-Karte Three-way chart[4] Interaktionen von drei unterschiedlichen Einflussgrößen
z-Karte z-chart Z-Diagramm[5]

Regelkarten dienen auch der Analyse von Lage und Streuung.

Annahmeregelkarten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Annahmeregelkarte ist eine Regelkarte, bei der die Eingriffs- und Warngrenzen über vorgegebene Toleranzgrenzwerte berechnet werden. Die Toleranzgrenzwerte geben an, welche Abweichungen bei einem Produkt maximal vorhanden sein dürfen, um noch brauchbar zu sein. Die Verwendung von Annahmeregelkarten steht im Widerspruch zum Prinzip der ständigen Verbesserung.[6]

Regelkarten für attributive Merkmale

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wesentlichen attributiven Regelkarten sind:

Attributive Regelkarten englische Herleitung Graphische Darstellung (Chart) der Stichprobenumfang mathematisch
p-Karte Proportions Proportionen, z. B. Anteil fehlerhafter Einheiten in einer Stichprobe variabel
np-Karte number of proportions Anzahl Proportionen, z. B. Anzahl fehlerhafter Einheiten in einer Stichprobe konstant
c-Karte Anzahl Ereignisse, z. B. Anzahl Fehler innerhalb eines konstanten Ereignisbereiches konstant
u-Karte Unit Anteile bzw. Ereignisse, z. B. Fehler pro untersuchter Einheit variabel

Warngrenzen und Eingriffsgrenzen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grenzwerte in Qualitätsregelkarten werden durch horizontale, durch Farbe bzw. Linienstärke hervorgehobene Linien dargestellt. Man unterscheidet zwischen Warn- und Eingriffsgrenzen, die jeweils oberhalb bzw. unterhalb des als optimal definierten Mittelwertes des zu steuernden Prozesses liegen.

Bezeichnung DE Abkürzung DE Bezeichnung EN Abkürzung EN Linienart unten
Obere Eingriffsgrenze OEG Upper control limit UCL rote, fette Strichlinie
Obere Warngrenze OWG Upper warning limit UWL rote, dünne Strichlinie
Mittelwert Middle value grüne Volllinie
Untere Warngrenze UWG Lower warning limit LWL rote, dünne Strichlinie
Untere Eingriffsgrenze UEG Lower control limit LCL rote, fette Strichlinie
Qualitätsregelkarte

Der Abstand der beiden Warngrenzen (±) sowie der beiden Eingriffsgrenzen (±) vom Mittelwert ist gleich groß, wobei folgende Zusammenhänge gelten, wenn die Messwertverteilung der gaußschen Normalverteilung gehorcht:

UWG bis OWG 95,45 % Mittelwert ± 2 Sigma der Häufigkeitsverteilung der dargestellten Stichprobenkenngröße
UEG bis OEG 99,73 % Mittelwert ± 3 Sigma der Häufigkeitsverteilung der dargestellten Stichprobenkenngröße

Der elfte Messpunkt (fünfte von rechts) in der gezeigten Regelkarte liegt oberhalb der oberen Warngrenze. Wenn eine Eingriffsgrenze überschritten wäre, so wäre es möglich, dass der Prozess an dieser Stelle außer Kontrolle geraten ist. In knapp 3 von ca. 1000 Fällen wird aber aus statistischen Gründen die Eingriffsgrenze überschritten (bei dem oben definierten 3-Sigma-Bereich), ohne dass dies zwangsläufig bedeutet, dass der Prozess oder seine Parameter sich verändert haben (). Bei Übersteigen der Warngrenzen sind mögliche, unbeabsichtigte Veränderungen im Prozess zu suchen und ggf. geeignete Abstellmaßnahmen zu ergreifen, um den Prozess wieder in seinen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen. So kann der Prozess im Idealfall korrigiert werden, noch bevor dieser außer Kontrolle gerät und möglicherweise fehlerhafte Teile produziert werden.

Entscheidungsregeln

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Fällt ein Kennwert z innerhalb der Warngrenzen an (UWG < z < OWG), dann ist keine Störung zu vermuten.
  • Fällt ein Kennwert z zwischen Warn- und Eingriffsgrenzen an (UEG < z ≤ UWG oder OWG ≤ z < OEG), dann ist der Verdacht auf Vorliegen einer Störung gegeben. Man entnimmt deshalb sofort eine weitere Stichprobe.
  • Fällt ein Kennwert außerhalb der Eingriffsgrenzen an (z ≤ UEG oder z ≥ OEG), dann wird eine Störung vermutet und eingegriffen. Welche Maßnahmen getroffen werden müssen, hängt davon ab, welche Kenntnisse über den zu regelnden Prozess und die Art der angezeigten Störung vorhanden sind.

Toleranzgrenzen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Toleranzgrenzen (Oberer Grenzwert (OGW) und Unterer Grenzwert (UGW)) werden auf Prozessregelkarten grundsätzlich nicht eingezeichnet, da sie für einzelne Merkmalswerte gelten und nicht für die auf den Regelkarten dargestellten Kenngrößen (Stichprobenmittelwerte, Stichprobenspannweiten usw.).

Indikator für den Prozess

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Qualitätsregelkarte ist auch ein Indikator für den Prozess an und für sich. Bei der Auswertung einer Qualitätsregelkarte unterscheidet man zwischen zufälligen und systematischen Einflüssen. Zufällige Einflüsse führen zu einer Streuung der Prüfdaten auf der Qualitätsregelkarte, sie sind bedingt durch Einflussfaktoren wie kleine Temperaturschwankungen oder Werkstoffbeschaffenheit und sind als normaler, immer vorhandener Teil des Prozesses zu betrachten. Systematische Einflüsse können zu einer langsamen Verschiebung der Prüfdaten auf der Qualitätsregelkarte oder auch zu plötzlichen, drastischen Prozessveränderungen führen; sie sind bedingt durch besondere Einflussfaktoren wie Werkzeugverschleiß oder fehlerhaft eingestellte Maschinen.

Indikator für das Produkt

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verlauf der Messpunkte der untersuchten Teile zeigt die Qualität der Teile aus der Stichprobe. Daraus lässt sich auf die Qualität der Gesamtmenge der Teile schließen.

Auswerten von Regelkarten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Systematische Abweichungen unterliegen Gesetzmäßigkeiten. Aus dem Verlauf der Messpunkte auf der Qualitätsregelkarte lässt sich auf diese Gesetzmäßigkeiten zurückschließen.

So spricht man von einem „Trend“, wenn mindestens sieben Messpunkte eine nahezu lineare Steigung in Richtung einer Grenze zeigen. Möglicherweise liegt ein stark zunehmender Werkzeugverschleiß vor, der bald eine Überschreitung der Eingriffs- bzw. Warngrenze verursacht.

Ein „Pattern“ (Gesetzmäßigkeit) ist ein nicht zufälliger Kurvenverlauf, z. B. das periodische „Schwingen“ um die Mittelwertlinie. Es kann Temperaturschwankungen bedeuten, die in der Fertigung mal größere, mal kleinere Teile verursachen.

Man spricht von einem Durchlauf (oder „Run“), wenn sich 7 eingezeichnete Punkte ober- bzw. unterhalb der Mittelwertlinie befinden. In diesem Fall hat sich der Prozessmittelwert wahrscheinlich verschoben. Dieser kann z. B. anzeigen, dass eine Werkzeugschneide einen Schaden erlitten hat und die Teile von nun an größer bzw. kleiner fertigt.

Die Eingriffsgrenzen sind also nicht die einzigen Anzeichen für potenzielle Probleme; die Anordnung der Messpunkte ist ebenfalls zu beachten. Liegen mehr als 90 % der eingezeichneten Punkte im mittleren Drittel des Bereichs zwischen den Eingriffsgrenzen oder weniger als 40 % der Punkte in diesem Drittel, ist ebenfalls davon auszugehen, dass ein systematischer (nicht zufälliger) Einfluss vorliegen könnte.

Commons: Qualitätsregelkarten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Edgar Dietrich, Alfred Schulze: Statistische Verfahren zur Maschinen- und Prozessqualifikation. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Carl Hanser Verlag, München / Wien 2009, ISBN 978-3-446-41525-6.
  • Hans-Joachim Mittag: Qualitätsregelkarten. Carl Hanser Verlag, München u. a. 1993, ISBN 3-446-17661-6.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Dietrich, Schulze (2009), S. 219.
  2. Beispiel einer Shewhart-Regelkarte
  3. QS-9000, SPC-Leitfaden
  4. Three-way chart example (PDF; 2,0 MB) Boeing
  5. Z-Diagramm im ISI glossary of statistical terms
  6. Dietrich, Schulze (2009), S. 271