Kelter

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Baumkelter im Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz an der Mosel
Historische Weinpresse im Weingut Gvaot Olam (Israel, 9./8. Jahrhundert vor Christus)

Eine Kelter (von lateinisch calcatorium, deutsch Fußtretung, nach der anfangs üblichen Arbeitsweise, das Pressgut barfüßig zu zerstampfen) ist eine Presse zur Gewinnung von Frucht- und Obstsäften, auch als Vorstufen von Wein und vergorenem Most. In Südtirol, der Ostschweiz,[1] Südbaden und Schwaben ist der Name Torkel oder Torgg(e)l verbreitet; in der Schweiz[2] und in Südwestdeutschland heißt sie Trotte. Um den hohen Pressdruck zu erzeugen, werden unterschiedliche mechanische Umsetzungsverfahren (wie etwa Hebel oder Gewindespindeln) und Antriebsverfahren (Muskelkraft von Tier und Mensch; inzwischen in der Regel elektrische Energie) benutzt. Moderne Keltern arbeiten zum Pressen mit Druckluft und/oder Unterdruck.

Verallgemeinert stehen die Bezeichnungen Kelter, Torkel und Trotte auch für ein Press- oder Kelterhaus, den Raum oder das Gebäude, in dem die Presse steht.

Wort- und Sachgeschichte

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Kelter im Schloss Salem von 1706 mit etwa 11 m langem „Torkelbaum“
Manuelle Traubenpresse beim Hof Kofler auf Zeslar (Ansitz Rundenstein) in Gries-Quirein bei Bozen

Keltern, althochdeutsch calc(a)tura, ist eine Entlehnung von lateinisch calcātūra ‚das Keltern‘, einer Nebenform zu lateinisch calcātōrium „Kelter“, das wiederum vom lateinischen Verb calcāre „treten“ abgeleitet ist. Das landschaftlich verbreitete Wort Torkel, Torggel oder Torggl kommt von althochdeutsch torkul, torkula, das aus frühromanisch torcula „Presse“ entlehnt ist, welches seinerseits von torquere „drehen“ abgeleitet ist. Schweizerisch und südwestdeutsch Trotte stammt von althochdeutsch trota, einer Ableitung vom althochdeutschen Wort trotōn ‚keltern, treten‘, das wiederum eine Lehnübersetzung des gleichbedeutenden lateinischen calcāre ist.[3] In Südwestdeutschland bezeichnet der Begriff „Kelter“ oder „Torkel“ die Baumkelter, während sich der Begriff „Trotte“ auf die Spindelkelter bezieht.

Keltern bezeichnet das Pressen von Weintrauben oder anderen Früchten. Die Früchte liegen meist in bereits zerkleinerter Form als Maische vor, um die Saftgewinnung zu erleichtern. Oft wird keltern auch synonym für die Weingewinnung im Allgemeinen verwendet („Wein wird gekeltert“, das heißt hergestellt). Über Jahrhunderte wurden Weinbeeren ausgepresst, indem die Maische mit den Füßen gestampft wurde. Die Römer verwendeten dann hölzerne Hebelpressen, sogenannte Kelterbäume oder Baumkeltern. Später wurden Spindelkeltern verwendet, wie sie modernisiert auch heute noch in Gebrauch sind. Diese Spindelkeltern werden inzwischen durch pneumatisch betätigte Keltern ersetzt, bei denen also Druckluft verwendet wird, um eine Membran aus Kunststoff gegen das Pressgut zu drücken. Diese Membran ist dabei in einer tankförmigen Presstrommel montiert („Tankpresse“), die in unterschiedlichen Bauweisen ausgeführt werden kann:

  • Bei der offenen Bauweise ist die gesamte Trommel rundum mit Schlitzen versehen, durch die der ausgepresste Saft fließen kann. Sie bietet deshalb eine sehr große Filterfläche.
  • Bei der halboffenen Bauweise ist nur ein Teil der Trommel geschlitzt. Die Filterfläche ist deshalb kleiner als bei der offenen Bauform. Dafür kann die Membran einfacher ausgeführt werden.
  • Die geschlossene Bauform wurde entwickelt, um auch unter Sauerstoffabschluss pressen zu können. Zur Ableitung des Saftes sind innenliegende Saftkanäle notwendig.

Inzwischen existieren auch Keltern, die das Pressgut durch Unterdruck an die Saftkanäle ziehen („Vakuumtankpresse“). Bei kleineren Keltern, zum Beispiel für den Hobbybereich, wird auch Wasser für das „Aufblasen“ der Pressmembrane verwendet. In diesem Fall ist die Pressmembrane meist aus Gummi.

Plan dreier Baumkeltern in der Kelter von Gemmrigheim (Baden-Württemberg), frühes 19. Jahrhundert
Arbeitsweise der Baumkelter

Nördlich der Alpen wurden die Baumkeltern vermutlich direkt von den Römern übernommen; möglich ist jedoch auch eine Wiederbelebung des Kelterbaumes im Rahmen der frühmittelalterlichen Klosterkultur. Die Tatsache, dass viele Bauteile einer Baumkelter lateinische Bezeichnungen tragen, lässt keinen Schluss über deren zeitliche Übernahme im südwestdeutschen Raum zu. Allerdings gibt es bereits in mittelalterlichen Handschriften Abbildungen von Baumkeltern, die fast unverändert bis ins 20. Jahrhundert als Traubenpressen eingesetzt wurden. Wenn die Baumkelter entsprechend groß war, konnte man damit einen Pressdruck erzeugen, der dem moderner Pressen kaum nachstand.

Zur Bedienung waren mehrere Kelterknechte erforderlich. Zunächst „öffnete“ man den Kelterbaum, indem der schwere Stein auf den Boden gesenkt wurde. Dann schütteten die Kelterknechte die Trauben auf den Presstisch und bedeckten ihn mit Balken, um den Druck gleichmäßig zu verteilen. Der vorab ohne Druck ablaufende Saft, der „Vorlass“, ergab den besten Wein. War er abgelaufen, dann drehten die Kelterknechte den schweren Stein am einen Ende des Kelterbaums nach oben, indem sie das Gewinde an der Spindel nach oben bewegten.

Baumkelter in der Burg Rocca d’Angera Italien

Der Stein hing nun frei in der Luft und drückte die schweren Stämme des Kelterbaums nach unten. War der Saft gepresst, musste der Baum erneut geöffnet werden. Mit Hilfe einer Axt zerteilte man den Trester und schichtete ihn neu auf, damit der Pressvorgang wiederholt und so die Saftausbeute erhöht werden konnte. Erst wenn der Trester weitgehend trocken war, endete das Pressen. Allerdings schüttete man häufig noch Wasser auf den Trester und presste dann noch einmal. Der wässrige Traubensaft wurde zu Wein vergoren und als Haustrunk verbraucht. In manchen Gegenden wurde der frisch gepresste Most „unter der Kelter“ verkauft, also von den Weingärtnern nicht eingelagert.

Das Keltern von weiteren Obstsorten vollzog sich weitestgehend gleich, nur größere und stabilere Früchte wie beispielsweise Äpfel und Birnen mussten vorher zerkleinert werden.

Bereits im 14. Jahrhundert sind Baumkeltern auch in schriftlichen Quellen erwähnt. Vielleicht standen die Baumkeltern anfänglich im Freien, aber spätestens in der Frühen Neuzeit errichtete man Gebäude um sie, damit man die Trauben bei jedem Wetter pressen konnte. Die älteste bekannte Baumpresse im deutschsprachigen Raum steht im Weinschlössl Godfried Steinschaden in Engabrunn (Weinbaugebiet Kamptal in Österreich). Den Pressbaum ziert die Jahreszahl 1564. Die Baumpresse befand sich ursprünglich im Göttweiger Lesehof zu Engabrunn. In den Gegenden mit intensivem Weinbau sind die Kelterhäuser nicht selten die größten historischen Gebäude am Ort – abgesehen von den Kirchen –, größer als Rathäuser oder Bürgerhäuser. Um die Ordnung in den Kelterhäusern aufrechtzuerhalten, erließen die Herrschaften Kelterordnungen, die in den Lagerbüchern oder Urbaren aufgezeichnet sind. Oft waren die Herrschaften für den Unterhalt der Keltern verantwortlich und bekamen dafür einen Teil des gepressten Traubensaftes als Gegenleistung.

Im Weinbaumuseum Metzingen in Baden-Württemberg gibt es das weltweit größte Ensemble von Kelterhäusern. Auf einem ursprünglich am Rande der Stadt gelegenen Platz stehen heute noch sieben Kelterhäuser, die heute anders genutzt werden. Im Weinbaumuseum ist noch ein Kelterbaum von 1655 zu sehen. Mit den eingemeindeten Orten Neuhausen an der Erms, wo ebenfalls ein Kelterbaum aus dem frühen 17. Jahrhundert erhalten ist, und Glems befinden sich in der Stadt zehn ehemalige Keltern. Nur in einer Kelter in Neuhausen werden heute noch Trauben gepresst.

Die Keltern mit ihren Kelterbäumen wurden zum Teil bis in die 1960er Jahre benutzt und erst dann durch elektrische Pressen verdrängt. In den Kelterhäusern waren zumeist mehrere Kelterbäume untergebracht. Nachdem diese nicht mehr gebraucht wurden, baute man die meisten ab, so dass nur noch wenige funktionsfähige Baumkeltern als historische Kulturdenkmale erhalten sind. Überflüssige Kelterhäuser brach man ebenfalls ab oder erhielt sie als markante Gebäude, indem man sie umnutzte. So werden die sieben Kelterhäuser auf dem Platz in Metzingen heute als Festkelter, Wein- und Obstbaumuseum, Verkaufsraum der Weingärtnergenossenschaft, Restaurant, Obstlager, Stadtbibliothek und Marktkelter genutzt.

Die ersten mechanischen Keltern erzeugten den zum Pressen nötigen Druck mit Hilfe einer Spindel. Diese Spindelkeltern genannten Spindelpressen benötigen deutlich weniger Platz als Baumkeltern. Wie aus den Abbildungen ersichtlich, bestanden bei den ersten Modellen sowohl Rahmen wie auch Spindel aus Holz. Aus Gründen der Haltbarkeit wurde der Werkstoff im Laufe der Zeit durch Metall ersetzt.

Moderne Keltermaschinen

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Moderne Keltermaschinen funktionieren mit Druckluft und automatischer Steuerung.

Kelterhäuschen von Tres Salts bei Talamanca, Katalonien

Zu den originellsten Kelterbauten zählen die runden und überdachten Kelterbottiche oder Keltertröge (katalanisch tines oder spanisch lagares) aus dem frühen 19. Jahrhundert im Nordwesten Kataloniens (zum Beispiel bei El Pont de Vilomara i Rocafort und Talamanca). Diese im äußeren rustikal und altertümlich aussehenden, siloähnlichen Bauwerke (Fotos und Infos → Weblink) waren im Innern bis etwa zur halben Höhe mit großen Steingutkacheln ausgekleidet. Sie stammen noch aus der Zeit vor der Reblauskrise, standen unmittelbar am Rand der Weinfelder und dienten der unverzüglichen Weiterverarbeitung (Kelterung und Gärung) der gelesenen Trauben. Manchmal hatten die Rundbauten einen kleinen hausartigen Vorbau, in dem Arbeitsgeräte aufbewahrt wurden und der oft als Umkleideraum vor und nach dem Keltern diente.

Keltertag im Freilichtmuseum Roscheider Hof

In Südtirol war das Törggelen im Anschluss an die Traubenlese schon seit geraumer Zeit ein festliches Ereignis. Im Zuge der Rückbesinnung auf traditionelle Qualitätsbegriffe bei der Weinherstellung in der Zeit um 1990 entstanden auch in deutschen Wein- oder Mostgegenden Kelterfeste beziehungsweise Keltertage. Dabei werden Weintrauben oder Obst öffentlich gekeltert, das Ergebnis kann dann an Ort und Stelle verkostet werden. Typischerweise werden dazu handbetriebene Spindelpressen benutzt. Eine Besonderheit sind die rekonstruierten römischen Keltern an der Mosel. In diesen wird bei Kelterfesten die Maische traditionell mit den Füßen gestampft.

  • Eberhard Fritz: Die Verbesserung des Weinbaus in Württemberg unter König Wilhelm I. (1816–1864). Silberburg-Verlag, Tübingen u. a. 1994, ISBN 3-87407-179-0.
  • Robert Fritz: Die Arbeit im Jahreslauf eines Weingärtners in alter Zeit. In: Schwäbische Heimat. Nr. 44, 1993, ISSN 0342-7595, S. 352–363 (mit ausführlicher Beschreibung der Funktionsweise einer Baumkelter).
  • Karl-Josef Gilles: Neuere Forschungen zum römischen Weinbau an Mosel und Saar (= Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier. Nr. 11). Rheinisches Landesmuseum, Trier 1995, ISBN 3-923319-33-9.
  • Michael Matheus, Lukas Clemens: Keltertechnik in karolingischer Zeit. In: Friedhelm Burgard, Christoph Cluse, Alfred Haverkamp (Hrsg.): Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit. Beiträge zur mittelalterlichen und geschichtlichen Landeskunde (= Trierer historische Forschungen. Bd. 28). THF – Verlag Trierer Historische Forschungen, Trier 1996, ISBN 3-923087-27-6, S. 255–265.
  • Michael Matheus, Lukas Clemens: Weinkeltern im Mittelalter. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter. 800 bis 1200. Tradition – Innovation. Ein Handbuch. Gebr. Mann, Berlin 1996, ISBN 3-7861-1748-9, S. 133–136.
  • Karl Heinz Stocker: Der Kelterbau im Stromgebiet des Neckars. Verlag am Klosterthor, Maulbronn 1990, ISBN 3-926414-01-4.
  • Franz Olck: Calcatorium. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1337–1340.
Commons: Wine presses – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kelter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Schweizerisches Idiotikon, Band XIII, Spalte 1573, Artikel Torggel I (Digitalisat).
  2. Schweizerisches Idiotikon, Band XIII, Spalte 1534, Artikel Trotten I (Digitalisat).
  3. Alle drei etymologischen Erklärungen nach Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin/Boston 2012, s vv.