Friedrich Wöhler

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Friedrich Wöhler, Lithographie von Rudolf Hoffmann, 1856
Friedrich Wöhler, Stich
Grabmal für Friedrich Wöhler auf dem Stadtfriedhof Göttingen (Aufnahme 2009)

Friedrich Wöhler (* 31. Juli 1800 in Eschersheim (heute Stadtteil von Frankfurt am Main); † 23. September 1882 in Göttingen) war ein deutscher Chemiker. Er ist unter anderem bekannt durch die Harnstoffsynthese, welche ihm 1828 gelungen war.

Wöhler erhielt am 8. August 1800 in Frankfurt am Main seine christliche Taufe.[1] 1814 bis 1820 besuchte er das Städtische Gymnasium in Frankfurt. Ab 1820 studierte Wöhler Medizin in Marburg und Heidelberg, ab 1821 auch Chemie bei Leopold Gmelin, der bei Wöhler das Interesse für dieses Fach geweckt hatte. 1823 schloss er sein Medizinstudium in Heidelberg mit Promotion ab und konzentrierte sich fortan nur noch auf die Chemie. Gmelin war so beeindruckt von Wöhlers experimentellem Geschick bei der Isolierung von Dicyan und Cyanursäure, dass er ihm ein 1823 bis 1824 erfolgtes Praktikum bei dem renommierten Chemiker Jöns Jakob Berzelius in Stockholm vermittelte.

Von 1825 bis 1831 war er Lehrer an der Berliner Gewerbeschule, wo ihm für die Entdeckung der Harnstoff-Synthese am 21. August 1828 auf königlichen Erlass[2] der Titel eines Professors verliehen wurde. Am 5. Dezember 1826 ersuchte ihn der Bürgermeister von Berlin, für die Schüler ein Compendium der Chemie zu verfassen;[3] zu dieser Zeit bearbeitete er bereits die Übersetzungen der Lehrbuchreihe von Berzelius.

1831 bis 1836 übte er eine Lehrtätigkeit an der Höheren Gewerbeschule (polytechnische Lehranstalt) in Kassel aus. Erst nach dem Tod von Friedrich Stromeyer erhielt Wöhler 1836 seinen ersten Ruf auf eine akademische Position an einer Universität. Es war der Lehrstuhl für Chemie und Pharmazie[4] der Georg-August-Universität Göttingen.

Friedrich Wöhler starb 1882. Sein Grabmal befindet sich auf dem Stadtfriedhof Göttingen (Abt. E 4, nahe am Haupteingang an der Kasseler Landstraße).

Wöhler gilt als Pionier der organischen Chemie wegen seiner Synthese von Oxalsäure durch Hydrolyse von Dicyan 1824[5] und von Harnstoff aus Ammoniumcyanat am 22. Februar 1828.[6] Diese Synthesen eröffneten das Feld der Biochemie, da zum ersten Mal Stoffe, die bisher nur von lebenden Organismen bekannt waren, aus „unbelebter“ Materie künstlich erzeugt werden konnten. Diese In-vitro-Synthesen wurden zunächst von den Chemikern kaum wahrgenommen. Mit zunehmendem Erfolg der Chemiker auf dem Gebiet der organischen Synthesechemie sah man aber Wöhlers Synthese als Beginn dieses Zweiges der Chemie an, womit sich rund um die Harnstoffsynthese geradezu ein „Schöpfungsmythos“ der organischen Chemie entwickelte, der bis heute in vielen Chemielehrbüchern, aber auch historischen Darstellungen zu finden ist. Die damit verbundene These, Wöhler habe mit seiner Synthese die Theorie des Vitalismus widerlegt, also die Anschauung, dass eine transzendente Lebenskraft (vis vitalis) zur Erzeugung organischer Stoffe unabdingbar sei, trifft jedoch nicht zu. Richtig ist vielmehr, dass mit der Harnstoff-Synthese der Anstoß für weitere Untersuchungen gegeben wurde und so das Konzept der Lebenskraft für die Chemie zusehends bedeutungslos wurde. Seine Oxalsäure-Synthese aus Dicyan fand lange Zeit überhaupt keine Beachtung.

Schon ein Jahr zuvor, 1827, hatte er eine Reduktionsmethode zur Herstellung von reinem Aluminium entwickelt (Wöhler-Prozess);[7] mit dem gleichen Verfahren gelang ihm 1828 die Isolierung von Beryllium und Yttrium sowie 1856 die Darstellung von kristallinem Silicium.

Wöhler war eng befreundet mit Justus von Liebig, mit dem zusammen er um 1830 in Gießen die Radikaltheorie begründete. Mit dieser konnte erstmals die große Vielfalt organisch-chemischer Verbindungen systematisch erklärt werden (siehe auch Geschichte der Substitutionsreaktion).

Schüler von Wöhler wie Ernst Schulze legten mit ihren pflanzenchemischen Untersuchungen einen weiteren Grundstein zur Etablierung der Biochemie als einen eigenen Wissenschaftszweig und zählen heute gemeinsam mit Wöhler zu deren Begründern (siehe auch Biochemie).

Besondere kulturhistorische Dokumente sind die Briefwechsel zwischen ihm und befreundeten Wissenschaftlern.[8]

Wöhler ist auch bekannt als Entdecker der Synthese von Calciumcarbid (1862, identifizierte auch dessen Hydrolyseprodukt Ethin), von Benzoesäure aus Benzaldehyd und von Hydrochinon aus Chinon. Ferner gelang ihm die Isolierung von Nickel aus Nickelarsenid.

Wöhler wurde am 31. Juli 1800 als Sohn des Tierarztes, Agrarwissenschaftlers und Pädagogen August Anton Wöhler und dessen Ehefrau Anna Catharina geb. Schroeder in Eschersheim (heute Frankfurt-Eschersheim) geboren. Sein Geburtshaus, Alt-Eschersheim 71, steht heute unter Denkmalschutz.

Wöhler war seit seiner Hochzeit 1830 in Kassel mit Franziska Wöhler (* 25. September 1811; † 11. Juni 1832) verheiratet. Nach ihrem Tod bei der Geburt des zweiten Kindes 1832 heiratete er in Kassel Julie Pfeiffer (* 13. Juli 1813; † 1. Dezember 1886). Er hatte sechs Kinder (zwei aus erster und vier aus zweiter Ehe). Seine Tochter Sophie heiratete den Geheimen Regierungsrat und Oberbürgermeister der Stadt Göttingen Georg Merkel (1829–1898).[9]

Brief an Berzelius 1828: „Ich kann, so zu sagen, mein chemisches Wasser nicht halten und muss ihnen sagen, daß ich Harnstoff machen kann, ohne dazu Nieren oder überhaupt ein Thier, sey es Mensch oder Hund, nöthig zu haben. Ich fand, daß immer wenn man Cyansäure mit Ammoniak zu verbinden versucht, eine kristallisierte Substanz entsteht, die … weder auf Cyansäure noch Ammoniak reagiert …., und es bedurfte nun weiter Nichts als einer vergleichenden Untersuchung mit Pisse-Harnstoff, den ich in jeder Sicht selbst gemacht hatte, und dem Cyan-Harnstoff. Wenn nun … kein anderes Produkt als Harnstoff entstanden war, so mußte endlich … der Pisse-Harnstoff genau dieselbe Zusammensetzung haben, wie das cyansaure Ammoniak. Und dies ist in der That der Fall …“[10]

Literarische Tätigkeiten

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Als Dank für den Aufenthalt bei Jöns Jakob Berzelius fertigte Wöhler in den Jahren 1825–1841 von 13 schwedischen Bänden des „Lehrbuchs für Chemie“ die deutschen Übersetzungen an.

  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 1.1 (2. Aufl. 1825), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 2.1 (1. Aufl. 1826), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 2.2 (1. Aufl. 1826), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 3.1 (1. Aufl. 1827), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 3.2 (1. Aufl. 1828), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 4.1 (1. Aufl. 1831), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 4.2 (1. Aufl. 1831), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 5 (3. Aufl. 1835), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 6 (3. Aufl. 1837), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 7 (4. Aufl. 1838), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 8 (3. Aufl. 1839), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 9 (3. Aufl. 1840), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Chemie, Bd. 10 (3. Aufl. 1841), übersetzt von F. Wöhler
  • Lehrbuch der Tierchemie. Deutsch von F. Wöhler. Reutlingen 1832

Wöhler half auch seinem Freund Liebig, als dieser 1837 personelle Engpässe in der Redaktion der Annalen der Chemie und Pharmacie bekam.

Herr Professor Dr. Wöhler in Göttingen hat sich auf meine Bitte entschlossen, von jetzt an thätigen Antheil an der Redaction der Annalen zu nehmen. [Liebig-Zitat aus dem Vorwort des Bands 26 (1838)]

Bis kurz vor seinem Tode verlegten sie gemeinsam diese damals einzigartige Fachzeitschrift.

Als 1868 in Berlin von Adolf von Baeyer die Mitgliederzeitschrift Chemische Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft zu Berlin vorgestellt wurde, gehörten „die Herren Liebig, Wöhler und Bunsen“ bereits zu den Ehrenmitgliedern dieser Gesellschaft. 1877 wurde Wöhler für ein Jahr zum Vorstand gewählt.

Weitere Schriften (Auswahl):

  • Grundriß der organischen Chemie. Braunschweig 1840; 13. Aufl. 1882.
  • Beispiele zur Übung der analytischen Chemie. 1849.
  • Die Mineralanalyse in Beispielen. 1861.
Gedenktafel am Geburtshaus in Alt-Eschersheim.
Friedrich-Wöhler-Denkmal (1890) in Göttingen
50-Pf-Sondermarke der Deutschen Bundespost (1982)

Ehrendes Gedächtnis

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  • John H. Brooke: Wöhler’s Urea and its Vital Force? A verdict from the Chemists. In: Ambix. 15, 1968, ISSN 0002-6980, S. 84–114.
  • August Wilhelm von Hofmann: Zur Erinnerung an Friedrich Wöhler. Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Bd. 15, 3126 - 3292 (1882), Biographie (PDF 8,3 MB).
  • George B. Kauffman, Steven H. Chooljian: Friedrich Wöhler (1800–1882), on the Bicentennial of his Birth. In: The Chemical Educator. 6, 2001, ISSN 1430-4171, S. 121–133.
  • Robin Keen: The Life and Work of Friedrich Wöhler (1800–1882) (= Edition Lewicki-Büttner 2). Bautz, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-224-X (Zugleich: London, Univ. College, Diss., 1976).
  • Arthur KötzWöhler, Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 43, Duncker & Humblot, Leipzig 1898, S. 711–717.
  • Douglas McKie: Wöhler’s synthetic Urea and the rejection of Vitalism: a chemical Legend. In: Nature. 152, 1944, S. 608–610.
  • Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Wöhler, Friedrich. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1501.
  • Peter J. Ramberg: The Death of Vitalism and the Birth of organic Chemistry. Wöhler’s Urea Synthesis and the disciplinary Identity of organic Chemistry. In: Ambix. 47, 1967, S. 170–215.
  • Wilhelm Rothert: Allgemeine Hannoversche Biografie, Band 2: Im Alten Königreich Hannover 1814–1866; Hannover: Sponholtz, 1914, S. 500–504
  • Georg Schwedt: Der Chemiker Friedrich Wöhler (1800–1882). Eine biographische Spurensuche. Frankfurt am Main, Marburg und Heidelberg, Stockholm, Berlin und Kassel, Göttingen. HisChymia-Buchverlag u. a., Seesen u. a. 2000, ISBN 3-935060-01-7.
  • Johannes Uray: Die Wöhlersche Harnstoffsynthese und das wissenschaftliche Weltbild. Analyse eines Mythos (= Universität Graz. Reihe Habilitationen, Dissertationen und Diplomarbeiten. Bd. 22). Graz, Leykam 2009, ISBN 978-3-7011-0096-5 (Zugleich: Graz, Univ., Diplomarbeit, 2005).
  • Johannes Uray: Die Wöhlersche Harnstoffsynthese und das wissenschaftliche Weltbild. Analyse eines Mythos. In: Mensch, Wissenschaft, Magie. 27, 2010, ISSN 1609-5804, S. 121–152.
  • Johannes Uray: Mythos Harnstoffsynthese. In: Nachrichten aus der Chemie. 57, 2009, ISSN 1439-9598, S. 943–944.
  • Johannes Valentin: Friedrich Wöhler (= Große Naturforscher 7, ISSN 0072-7741). Wissenschaftliche Verlags-Gesellschaft, Stuttgart 1949.
  • Friedrich Wöhler: Jugend-Erinnerungen eines Chemikers. Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft zu Berlin, Achter Jahrgang, Teil 1 (1875, Januar – Juli), S. 838 – 852, autobiographischer Bericht von seinem Aufenthalt in Schweden 1823–24 (Digitalisat).
Commons: Friedrich Wöhler – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Friedrich Wöhler – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Datensatz auf Ancestry
  2. Sternstunden der frühen Chemie S. 226Berlinchronik 1828
  3. 1826 Ersuchen des Berliner Bürgermeisters an den Chemielehrer Wöhler
  4. Universität Göttingen
  5. Burchard Franck: 250 Jahre Chemie in Göttingen. In: Hans-Heinrich Voigt (Hrsg.): Naturwissenschaften in Göttingen. Eine Vortragsreihe. Vandenhoeck + Ruprecht Gm, Göttingen 1988, ISBN 3-525-35843-1 (Göttinger Universitätsschriften. Band 13), S. 72 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche und eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Friedrich Wöhler gelingt Harnstoffsynthese auf br.de
  7. Huber, M.J (2008): Struktur, Stabilität und Funktionalisierung metalloider Aluminiumcluster Cuvillier Verlag.
  8. Briefwechsel Wöhler-Liebig, 1829–1873 Briefwechsel Wöhler-Berzelius 1838–1848
  9. Adolf Baring: Die Familie Baring, insbesondere die hannoversche Linie, mit 22 Abbildungen und einer Wappentafel in: Deutsches Rolandbuch für Geschlechterkunde, herausgegeben vom "Roland" Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde E.V., 1. Band, Dresden 1918, S. 65.
  10. Chemie heute, Schroedel Verlag, Klasse 9/10. Kapitel 3: Chemie der Kohlenwasserstoffe. Exkurs Seite 64, ISBN 978-3-507-86192-3.
  11. Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Friedrich Wöhler (mit Bild) bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 12. Februar 2016.
  12. Verzeichnis der ehemaligen Mitglieder seit 1666: Buchstabe W. Académie des sciences, abgerufen am 16. März 2020 (französisch).
  13. Mindat – Wöhlerite
  14. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Friedrich Wöhler. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 10. August 2015 (russisch).
  15. Eintrag zu Wohler, Friedrich (1800 - 1882) im Archiv der Royal Society, London
  16. Mitgliedseintrag von Friedrich Wöhler (mit Bild) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 28. Dezember 2015.
  17. DER ORDEN POUR LE MERITE FÜR WISSENSCHAFT UND KÜNSTE, Die Mitglieder des Ordens, Band I (1842–1881), S. 254, Gebr.-Mann-Verlag, Berlin, 1975.
  18. Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002. (PDF-Datei) Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 24. April 2020.
  19. Das Wöhler-Denkmal in Göttingen, Digitalisat auf Gallica
  20. Alfred Oberdiek: Göttinger Universitätsbauten, 2002, S. 53
  21. Wöhlerstr. in Leverkusen
  22. Adressbuch Bundesstadt Bonn 2000/2001, S. IVu-35.
  23. Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5 doi:10.3372/epolist2018.