Großer Preis von Frankreich 1938

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Der XXXII. Große Preis von Frankreich (XXXII Grand Prix de l’Automobile Club de France)[1] fand am 3. Juli 1938 auf dem Circuit de Reims-Gueux in Frankreich statt. Als Grande Épreuve zählte das Rennen zur Grand-Prix-Europameisterschaft 1938 und wurde nach den Bestimmungen der geänderten Internationalen Grand-Prix-Formel (i. W. Rennwagen bis 3 Liter Hubraum mit Kompressor und bis 4,5 Liter Hubraum ohne Kompressor; Mindestgewicht 850 kg; Renndistanz mindestens 500 km) über 64 Runden à 7,826 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 500,86 km entsprach.

Sieger wurde Manfred von Brauchitsch auf einem Mercedes-Benz W 154.

1936 und 1937 war der Grand Prix de l’ACF angesichts der Aussichtslosigkeit des Erfolgs einer einheimischen Rennwagenmarke als Sportwagenrennen ausgetragen und mit Talbot, Delahaye und Bugatti von drei französischen Herstellern dominiert worden. Für 1938 waren aufgrund des neuen Reglements die dabei verwendeten Motoren – Saugmotoren bis maximal 4,5 Liter Hubraum – nun auch als Alternative zu den auf 3 Liter Hubraum begrenzten Kompressormotoren für die Grand-Prix-Klasse zugelassen. In Verkennung der wahren Leistungsunterschiede zwischen den beiden Kategorien wagte der französische Automobilclub ACF damit die Rückkehr in die höchste Motorsportkategorie. Als Austragungsort wurde erstmals seit 1932 wieder der schnelle Dreiecksstraßenkurs von Reims-Gueux gewählt.

Bereits im Training wurde jedoch schnell klar, dass die neuen Mercedes-Benz-W-154-Silberpfeile mit dem Erfolgstrio Rudolf Caracciola als amtierendem Europameister, Manfred von Brauchitsch und Hermann Lang kaum etwas zu befürchten haben würden. Der Rennstall der Auto Union war nach dem tödlichen Unfall seines einzigen Weltklassefahrers Bernd Rosemeyer bei einem Rekordversuch zu Jahresbeginn ebenso im Hintertreffen wie das Alfa-Romeo-Team. Alfa Romeo hatte nach dem Weggang von Tazio Nuvolari im Anschluss an das Rennen von Pau, wo sein Wagen im Training Feuer gefangen hatte, ebenfalls keinen Top-Fahrer mehr.

Im Gegensatz zu Alfa Romeo, wo man sich angesichts der vorangegangenen Fehlschläge – neben der Begebenheit in Pau war beim Rennen in Tripolis bei einem Unfall Eugenio Siena ums Leben gekommen und auch der neue Spitzenfahrer Giuseppe Farina in den tödlichen Unfall des ungarischen Piloten László Hartmann verwickelt gewesen – stellte sich das Team der Auto Union zumindest der Konkurrenz und war für den schnellen Kurs mit seinen langen Geraden sogar mit zwei Stromlinienrennwagen nach Art der 1937 beim Avusrennen eingesetzten Fahrzeuge angereist. Die bisherigen Reserve- und Nachwuchsfahrer Rudolf Hasse und Hermann Paul „H.P.“ Müller waren damit jedoch überfordert und hatten schon im Training zwei schwere Unfälle. Fürs Rennen wurden daher zwei Interimsmodelle – Auto-Union-Typ-C-Chassis[2] aus dem Vorjahr mit dem neuen V12-Motor des Auto Union Typ D – eingesetzt und der verletzte Müller durch Christian Kautz ersetzt.

Doch auch diese Maßnahmen änderten nicht allzu viel; denn noch vor Ablauf der ersten Rennrunde schieden beide Auto-Union-Rennwagen nach Fahrfehlern ihrer Piloten bereits aus. Auch Jean-Pierre Wimilles einzigen Bugatti und dem SEFAC von Eugène Chaboud war kein längerer Verbleib beschieden, sodass die drei Mercedes-Fahrer ab diesem Zeitpunkt praktisch für das gesamte Rennen unter sich waren, abgesehen von den beiden Talbot-Sportwagen von Philippe Étancelin und René Carrière, die aber vom Führungstrio im Durchschnitt alle sechs Umläufe einmal überrundet wurden.

Angesichts dieser Umstände hob Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer die vorab festgelegte Stallorder für seine drei Fahrer auf, um dem Publikum wenigstens ein Mindestmaß an Spannung zu bieten. Caracciola lag zunächst in Führung, doch als an seinem Auto ein Zylinder ausfiel und auch Lang wegen Blasenbildung in der Kraftstoffzufuhr einen längeren Boxenstopp einlegen musste, kam von Brauchitsch ab der zweiten Rennhälfte nach vorn und konnte bis zum Ende von Caracciola und Lang nicht mehr eingeholt werden. Einziger weiterer Teilnehmer in der Wertung war Carrière, der mit seinem Talbot mit zehn Runden Rückstand den vierten Platz belegte.

Der Fonds de Course

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Um die französische Automobilindustrie im Kampf gegen die staatlich geförderten deutschen und italienischen Rennställe zu unterstützen, war schon 1935 mit dem Fonds de Course ein aus öffentlichen Sammlungen und den Gebühren für die Vergabe von Rennlizenzen finanzierter nationaler Fonds eingerichtet worden, dessen Mittel in Höhe von etwa einer Million Francs nun zur Auszahlung kamen. Voraussetzung für die Zuteilung war, dass ein Fahrzeug des betreffenden Herstellers auf der Rennbahn von Linas-Montlhéry über eine Distanz von 200 km eine um 2 % bessere Durchschnittszeit als der letzte Grand-Prix-Sieger an diesem Ort, Louis Chiron 1935 auf Alfa Romeo, erzielte. Außerdem war die Teilnahme am diesjährigen Grand Prix von Frankreich Pflicht.

In der Zwischenzeit war der Leistungsstand der internationalen Grand-Prix-Konstruktionen jedoch sprunghaft gestiegen und außerdem hatte es um die Verteilung der Mittel aus dem Fonds im Vorfeld einige Konflikte gegeben. Obwohl die Ecurie Bleue, der Rennstall des in Frankreich ansässigen US-amerikanischen Rennfahrerehepaars Laury und Lucy O’Reilly Schell, mit einem umgebauten Sportwagenmodell vom Typ Delahaye 145 zu Saisonbeginn zwei Siege in internationalen Rennen feiern konnte – darunter in Pau sogar einen sensationellen Erfolg über Mercedes-Benz – und außerdem mit dem Modell 155 bei Delahaye auch einen Monoposto-Rennwagen in Auftrag gegeben hatte, ging das Team bei der Vergabe der Fördergelder leer aus. Aus Protest zogen die Schells die Teilnahme am französischen Grand Prix umgehend zurück und siedelten mit ihrem Team später nach Monte Carlo um, um fortan unter monegassischer Lizenz anzutreten.

Stattdessen wurde, offenbar in Erinnerung an frühere „Verdienste“ um den Grand-Prix-Sport, der Fonds zwischen Bugatti und Talbot aufgeteilt. Bei Talbot handelte es sich im Prinzip nur noch um ein Rumpf-Unternehmen, das der britisch-italienische Unternehmer Anthony Lago aus der Konkursmasse des früheren Sunbeam-Talbot-Darracq-Konzerns herausgekauft hatte und das weit entfernt von den Möglichkeiten operierte, die 1927 zum Gewinn der Automobil-Weltmeisterschaft geführt hatten. Obwohl das angekündigte Grand-Prix-Modell niemals über das Entwurfsstadium hinauskam und Philippe Étancelin wie auch René Carrière im Grand Prix mit älteren Talbot-T150C-Sportwagenmodellen antreten mussten, kamen dafür 600.000 Francs zur Auszahlung. Immerhin war Carrière neben dem siegreichen Mercedes-Trio der einzige Fahrer, der das Rennen – wenn auch mit zehn Runden Rückstand – in Wertung beenden konnte.

Auch das Grand-Prix-Team von Bugatti war, nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens, nur noch ein Schatten früherer Erfolge. Das „neue“ Grand-Prix-Modell Bugatti Type 59/50B3 war im Grunde nur ein vom Zwei- zum Einsitzer umgerüsteter Bugatti Type 59 mit neuem Leichtmetallmotor, aber nahezu unverändertem Fahrwerk, das mit Starrachsen und Seilzugbremsen schon 1933 bei seinem Erscheinen technisch veraltet war. Dennoch genügte dies, um das Komitee zur Auszahlung von 400.000 Francs aus dem Fonds de Course zu überzeugen, und nach dem beschämenden Auftritt von Jean-Pierre Wimille, der mit dem einzigen verfügbaren Modell in Reims schon in der ersten Runde mit einer gebrochenen Ölleitung aufgeben musste, war Bugatti fortan auf den Grand-Prix-Strecken nicht mehr zu sehen.

Die Aussichten auf staatliche Fördergelder hatten schließlich auch den SEFAC noch einmal auf den Plan gerufen, ein schon 1935 gescheiterter Versuch eines französischen Nationalrennwagens. Der Wagen war damals bei seinem ersten und seitdem einzigen Auftritt beim französischen Grand Prix auffallend langsam und sein Gewicht lag weit über dem zulässigen Maximum, so dass eine Rennteilnahme unmöglich schien. Nun stellte sich heraus, dass das Auto mit seinem aufgeladenen 3-Liter-Motor unter die Bestimmungen der neuen Rennformel fiel – das vorgeschriebene Mindestgewicht von 850 kg stellte kein größeres Problem dar – so dass es zur Teilnahme am Großen Preis von Frankreich 1938 kam und Eugène Chaboud immerhin eine volle Runde zurücklegen, bevor er das Auto mit einem Defekt abstellen musste.

Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
Dritte Französische Republik Automobiles Talbot 02 Dritte Französische Republik Philippe Étancelin Talbot-Lago T150C/T26SSa Talbot-Lago T26 4.5L I6
04 Dritte Französische Republik René Carrière
06 Fahrer nicht benannt DNA
Dritte Französische Republik Automobiles Delage 08 Dritte Französische Republik Joseph Paul DNAb Delage „145“c Delage/Delahaye 145 4.5L V12
08 Dritte Französische Republik Robert Mazaud DNAd
Dritte Französische Republik Société d’Etude et de Fabrication d’Automobiles de Course 10 Dritte Französische Republik Eugène Chaboud SEFAC SEFAC 2.8L 2 x V4 Kompressor
Italien 1861 Officine A. Maserati 12 Italien 1861 Achille Varzi DNA Maserati 8CTF Maserati 8CTF 3.0L I8 Kompressor
14 Italien 1861 Carlo Felice Trossi DNA
Deutsches Reich NS Auto Union AG 16 Schweiz Christian Kautze Auto Union Typ C/Df Auto Union 3.0L V12 Kompressor
18 Deutsches Reich NS Rudolf Hasse
20 Deutsches Reich NS Hermann Paul Müller DNSg
Deutsches Reich NS Ulrich Bigalke RES
Dritte Französische Republik Automobiles E. Bugatti 22 Dritte Französische Republik Jean-Pierre Wimille Bugatti T59/50B3 Bugatti Type 50B3 3.0L I8 Kompressor
Deutsches Reich NS Daimler-Benz AG 24 Deutsches Reich NS Rudolf Caracciola Mercedes-Benz W 154 Mercedes-Benz M 154 3.0L V12 Kompressor C
26 Deutsches Reich NS Manfred von Brauchitsch
28 Deutsches Reich NS Hermann Lang
Vereinigtes Konigreich Richard Seaman RES
Dritte Französische Republik Écurie Bleue 30 Dritte Französische Republik René Dreyfus DNAh Delahaye 145 Delahaye 145 4.5L V12
32 Italien 1861 Gianfranco Comotti DNAh
34 Fahrer nicht benannt DNAh
a 
Auf 4,5 Liter Hubraum vergrößerter Motor „T26“ im Chassis „T150C“.
b 
Ursprünglich als Fahrer gemeldet war Joseph Paul, der jedoch bei einem Rennen in Brooklands mit dem Auto schwer verunglückte und dann verletzungsbedingt durch Mazaud ersetzt werden sollte.
c 
Motor baugleich mit dem 4,5-Liter V12 aus dem konzerninternen „Schwestermodell“ Delahaye 145. Offizielle Typbezeichnung unbekannt.
d 
Auto war nach Pauls Unfall in Brooklands noch nicht wieder rennfertig.
e 
Nahm als Ersatz für den verletzten Müller am Rennen teil.
f 
Hasse und Müller nahmen das Training zunächst mit zwei neu aufgebauten Stromlinienrennwagen auf. Nach zwei schweren Unfällen wurden für das Rennen zwei Vorjahresmodelle mit den neuen Motoren aufgebaut.
g 
Nach Trainingsunfall verletzungsbedingt nicht am Start.
h 
Team aus Protest gegen den Veranstalter nicht angetreten.

Startaufstellung

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2 1
Deutsches Reich NS von Brauchitsch
2:40,7 min
Deutsches Reich NS Lang
2:39,2 min
3
Deutsches Reich NS Caracciola
2:41,9 min
5 4
Deutsches Reich NS Hasse
2:50,9 min
Schweiz Kautz
2:43,0 min
6
Dritte Französische Republik Carrière
2:57,0 min
8 7
Dritte Französische Republik Chaboud Dritte Französische Republik Étancelin
3:00,7 min
9
Dritte Französische Republik Wimille
Pos. Nr. Fahrer Konstrukteur Runden Zeit Ausfallgrund EM-Punkte
1 26 Deutsches Reich NS Manfred von Brauchitsch Deutsches Reich NS Mercedes-Benz 64 3:04:38,5 h 1
2 24 Deutsches Reich NS Rudolf Caracciola Deutsches Reich NS Mercedes-Benz 64 + 1:40,8 min 2
3 28 Deutsches Reich NS Hermann Lang Deutsches Reich NS Mercedes-Benz 63 + 01 Runde 3
4 04 Dritte Französische Republik René Carrière Dritte Französische Republik Talbot 54 + 10 Runden 4
DNF 02 Dritte Französische Republik Philippe Étancelin Dritte Französische Republik Talbot 38 Motor 5
DNF 10 Dritte Französische Republik Eugène Chaboud Dritte Französische Republik SEFAC 2 Mechanik 7
DNF 16 Schweiz Christian Kautz Deutsches Reich NS Auto Union 0 Unfall, Hinterachse 7
DNF 22 Dritte Französische Republik Jean-Pierre Wimille Dritte Französische Republik Bugatti 0 Ölleitung 7
DNF 18 Deutsches Reich NS Rudolf Hasse Deutsches Reich NS Auto Union 0 Unfall 7

Schnellste Rennrunde: Deutsches Reich NS Hermann Lang (Mercedes-Benz), 2:45,1 min = 170,6 km/h

Commons: Automobilsport 1938 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den „großen“ Stadt-zu-Stadt-Rennen der Anfangsjahre zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt. Diese Nummerierung wurde auch nach der 1968er Umbenennung des Grand Prix de l’ACF zum Grand Prix de France durchgängig weiter fortgeführt.
  2. Die Typenbezeichnung der Auto-Union-Rennwagen wurde von Fachautoren erst nachträglich zur Unterscheidung der einzelnen Modelle eingeführt.