Bestrafung im Grab

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Die Bestrafung im Grab[1] (arabisch عذاب القبر, DMG ʿaḏāb al-qabr) ist ein Konzept in der islamischen Religion, beruhend auf dem Glauben, dass es nach dem Tod ein weiteres (bewusstes) Leben gebe, welches bis zum Tag der Auferstehung zunächst im Grab (ḥayāt al-barzaḫ) fortgesetzt würde. Aus diesem Glauben entwickelte sich die Lehre, dass es zwei Abrechnungen für jeden Menschen gibt: Die Abrechnung und Bestrafung im Grab und die große Abrechnung am jüngsten Gericht.

Islamische Sichtweise auf das Leben nach dem Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wurde der Verstorbene begraben und haben seine Angehörigen die Grabstätte verlassen, kommen zwei Engel Munkar und Nakīr, setzen ihn aufrecht und befragen ihn über seinen Glauben.[2] Die Gläubigen werden die Fragen problemlos beantworten können, die Ungläubigen jedoch nicht. Die Engel schlagen diese dann mit eisernen Peitschen, bis der Verstorbene so zu schreien anfängt, dass es alle Lebewesen hören können – außer Menschen und Dschinn. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wie lange diese Bestrafung anhält, ob bis zum Grab der Auferstehung, oder ob diese schon vorher enden könne. Einen grünen Zweig auf das Grab zu legen kann dem Verstorbenen Linderung bei der Bestrafung verschaffen.[3] In zahlreichen Überlieferungen jedoch fehlt die Erwähnung von Engeln gänzlich; dort wird nur die Bestrafung selbst erwähnt. Die beiden Todesengel Munkar und Nakīr werden im Quran nicht erwähnt. Die Anzahl der Engel in den Überlieferungen entwickelte sich von zunächst gar keiner Erwähnung, dann wurde ein Engel erwähnt und schließlich zwei, die dann als die beiden genannten Engel identifiziert wurden.

In anderen Ahadith werden noch weitere Details über das Leben im Grab und die Bestrafung dort überliefert. Engel der Barmherzigkeit kämen über die Gläubigen, die sich in einem Garten des Paradieses befänden und in diesem wie Vögel herumfliegen könnten, während zu den Ungläubigen, die sich in einer Grube des Höllenfeuers befänden, Engel der Strafe kämen. Außerdem würde das Grab für die Gläubigen weit und geräumig gemacht, während es für die Ungläubigen schmal und eng sei.[4]

Erwähnung in der Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem im 8. Jahrhundert entstandenen Werk Fiqh al-akbar I. des islamischen Gelehrten Abu Hanifa wird die Bestrafung im Grab nur rudimentär abgehandelt. Das Werk Wassiyat Abi Hanifa des gleichen Autors, welche die Lehren der islamischen Orthodoxie im 9. Jahrhundert repräsentiert, erwähnt das Verhör durch die beiden Engel Munkar und Nakīr im Grab. Im Fiqh al-akbar II wird dieses Thema noch detaillierter abgehandelt.[4]

Glaube und Praxis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Glaube an die Bestrafung ist, wie die Erwähnung in den Werken Abu Hanifas zeigt, in der islamischen Orthodoxie ein elementarer Glaubensbestandteil, dennoch gibt es einige Gruppen, die sie ablehnen: Darunter fallen einige extreme Schiiten, einige Muʿtazilis oder ihre Vorstellungen weichen von denen des orthodoxen Islam ab. Der Glaube an eine Bestrafung im Grab existiert auch im Judentum und weist starke Parallelen zu den Glaubenslehren des Islam auf.[4]

Erwähnung im Koran[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es findet sich keine explizite Erwähnung der Bestrafung im Grab im Quran, jedoch durchaus Hinweise darauf. So heißt es in mehreren Ayat:[5][6]

„Aber wie (wird es sein) wenn die Engel sie (dereinst) abberufen, wobei sie ihnen ins Gesicht und auf das Hinterteil schlagen?“

Sure 47 im Vers 27

, oder auch:

„Wenn du (doch) sehen würdest (dereinst am Tag des Gerichts) wenn die Engel diejenigen, die ungläubig sind, abberufen, wobei sie ihnen ins Gesicht und auf das Hinterteil schlagen und (zu ihnen gesagt wird) Ihr bekommt (jetzt) die Strafe des Höllenbrandes zu spüren.“

Sure 8 im Vers 50

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • E. Sell, The Faith of Islam, London 1880, S. 145
  • Mouradgea d'Ohsson, Tableau de L'Empire othoman, Paris 1787, Band I, S. 46
  • A.J. Wensinck, The Muslim Creed, Cambridge 1932, Hauptverzeichnis, s. v. Punishment, and Munkar and Nakir; commentary on the Wasiyyat Abi Hanifa, Haydarabad 1321–22

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zur Bedeutung des Begriffs ʿaḏāb siehe auch: Hans Wehr: Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 5. Ausgabe, Wiesbaden: Harrassowitz (1985), S. 823
  2. Ṣaḥīḥ Muslim, Buch 53, Hadith 85
  3. Sahīh al-Buchārī, Buch 23 Hadith 130
  4. a b c A. J. Wensinck und A. S. Tritton ‘ʿAdhāb al-ḳabr’ in: Encyclopaedia of Islam. New Edition, Band 1, Brill: Leiden (1986), S. 187
  5. Ansicht auf der Website von Corpus Coranicum (Abgerufen am 28. Juni 2023)
  6. Hier wird nur eine Auswahl angegeben. Für weitere Details, bitte in der angegebenen Literatur nachschlagen