Kammer für Außenhandel

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Die Kammer für Außenhandel (KfA) war eine Organisation der am Warenexport beteiligten Betriebe (Außenhandelsbetriebe) und Organe der DDR.

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da sich der Abschluss staatlicher Handelsabkommen – insbesondere mit westlichen Staaten – für die DDR als schwierig erwies, wurde aus dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel heraus am 14. November 1952 in Ost-Berlin die Kammer für Außenhandel gegründet. Die allgemeine Dienstaufsicht über die KfA oblag zwar dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (bis 1967) bzw. dem Ministerium für Außenhandel, die KfA war jedoch formal eine „gesellschaftliche Organisation“ der Außenhandelsbetriebe, Kombinate, Exportbetriebe und der am Außenhandel beteiligten Organe der DDR.

Funktion und Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hauptaufgabe der KfA bestand zunächst in der Herstellung von Kontakten zu Wirtschaftspartnern im westlichen Ausland und im Abschluss von Handelsabkommen unterhalb der Regierungsebene (sogenannte Kammerabkommen) mit westlichen Staaten. Mit der Errichtung von Handels- und Kammervertretungen im westlichen Ausland, aber auch in den Entwicklungsländern versuchte die DDR der diplomatischen Blockade durch die Hallstein-Doktrin zu begegnen und „solche Arbeitsbedingungen zu erreichen, die denen in diplomatischen Vertretungen möglichst nahe kamen“[1]. Bis Anfang der 1970er Jahre gelang es der DDR über die Kammervertretungen in einer Vielzahl von Staaten stabile (handels-)politische Kontakte herzustellen und eine Grundstruktur zu schaffen, auf der – im Zuge der internationalen Anerkennung der DDR – die DDR ab 1972 rasch Botschaften einrichten und die normale diplomatische Tätigkeit aufnehmen konnte.

Für die Ausgestaltung der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern kam der KfA zunächst nur wenig Bedeutung zu. Mit dem Einsetzen der Anerkennungswelle, die die Kammervertretungen in den westlichen und Entwicklungsländern als Ersatz für diplomatische Vertretungen überflüssig machte, wandelte sich die Situation. Die DDR war fortan bestrebt, die Kontakte zu den Handelskammern der RGW-Staaten zu intensivieren und einen Beitrag zur „sozialistischen ökonomischen Integration“ zu leisten.

Auflösung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Präsidium der KfA fasste im Juni 1990 den Beschluss, die Kammer bis Ende August 1990 aufzulösen.

Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das höchste Organ der KfA war die Mitgliederversammlung, die das Präsidium, den Präsidenten, die Vizepräsidenten und die Revisionskommission der KfA wählte.

Die KfA unterhielt ein Handelsschiedsgericht zur Beilegung von wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten in der Abwicklung des Außenhandels[2] sowie Bezirksdirektionen in den einzelnen Bezirken der DDR.

Schiedsgericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Schiedsgericht bei der Kammer für Außenhandel (kurz SG-KfA) bestand von 1954 bis 1990. Präsidenten waren ab 1956 Heinz Such, ab 1959 Osmar Spitzner, ab 1968 wieder Such und ab 1973 Heinz Strohbach. Eine prozessuale Rahmenvorschrift bildete die Verordnung über das schiedsgerichtliche Verfahren (SGVO).[3] Gegenüber Vertragspartnern aus RGW-Staaten handelte es sich um ein gesetzliches Schiedsgericht („Zwangsarbitrage“),[4] und sachlich kam das Einheitsrecht des RGW zur Anwendung (ALB/RGW[5] und ähnliche Vorschriften). Gegenüber westlichen Vertragspartnern bildete es den institutionellen Rahmen für ein vertragliches („echtes“) Schiedsgericht; materiell fanden (sofern kollisionsrechtlich DDR-Recht berufen war)[6] zunächst HGB und BGB, ab 1976 das Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge (GIW)[7] Anwendung. Die Schiedssprüche wurden auch im westlichen Ausland vollstreckt.[8] 1973 kam es zu einem Schiedsverfahren zwischen der Unitechna Außenhandelsgesellschaft mbH und einem US-amerikanischen Unternehmen.[9]

Entscheidungssammlung: Aus der Spruchpraxis des Schiedsgerichts bei der Kammer für Außenhandel der Deutschen Demokratischen Republik (1954–1984, ZDB-ID 1181718-5).

Im März 1990 erfolgte eine Umbenennung in Schiedsgericht Berlin. Mit Auflösung der Kammer für Außenhandel wurde die Vereinigung zur Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (VFS) zum Träger bestimmt. Nach der Wiedervereinigung konnte das Schiedsgericht Berlin jedoch nicht an die Stelle des Schiedsgerichts bei der Kammer für Außenhandel treten: vertragliche Schiedsvereinbarungen zugunsten des SG-KfA traten nach § 1033 Nr. 1 ZPO a. F. außer Kraft,[10] und auch die gesetzliche Zuständigkeit konnte nicht auf das Schiedsgericht eines privaten Vereins übertragen werden.[11] 1994 wurde die VFS mit der DIS zusammengeführt.[12]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kammer gab zahlreiche Publikationen heraus, wie DDR-Wirtschaftsumschau, DDR-Export, Handbuch der Außenwirtschaft und Handelspartner DDR.

Präsidenten der KfA[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnliche Einrichtungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Land Jahr Kammer Schiedsgericht Ort[13]
Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 1954 Kammer für Außenhandel (KfA) Schiedsgericht Berlin, Schadowstraße 1b
Sowjetunion Sowjetunion 1932[14] Торгово-промышленная палата (ТПП) СССР
Handels- und Industriekammer der UdSSR
Внешне-торговая арбитражная комиссия
Außenhandels-Schiedskommission
Moskau, ul. Kuibyschewa 6
Polen Polen 1949 Polska Izba Handlu Zagranicznego
Polnische Kammer für Außenhandel
Kolegium Arbitrów
Schiedsrichterkollegium
Warschau, ul. Trebacka 4
Tschechoslowakei ČSSR 1952 Československá obchodní komora
Tschechoslowakische Handelskammer
Rozhodčí soud
Schiedsgericht
Prag 7, Argentinska 38
Ungarn Ungarn 1953? Magyar Kereskedelmi Kamara
Ungarische Handelskammer
Választottbíróság
Schiedsgericht
Budapest, Kossuth tér 6–8
Rumänien Rumänien 1953 Camera de Comerţ a RSR
Handelskammer der SRR
Comisia de arbitraj
Schiedskommission
Bukarest, Blvd. N. Balcescu 22
Bulgarien Bulgarien 1952 Българска търговска палата
Bulgarische Handelskammer
Външнотърговска арбитражна комисия
Außenhandels-Schiedskommission
Sofia, Blvd. A. Stambolijski 11a
Mongolei Mongolei 1960 Монголын үндэсний танхим
Mongolische Nationale Handelskammer
Гадаад худалдааны арбитр[15]
Außenhandelsarbitrage
Ulaanbaatar, Nairamdal-Straße 24
Kuba Kuba 1976? Cámara de Comercio de la República de Cuba
Handelskammer der Republik Kuba
Corte de Arbitraje de Comercio Exterior
Schiedsgericht für Außenhandel
Havanna, Vedado, Calle 21 No. 661
Jugoslawien Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien 1946 Савезна привредна комора
Bundeswirtschaftskammer
Спољнотрговинска арбитража
Außenhandelsarbitrage
Belgrad, Knez Mihailova 10
Albanien Albanien 1959 Dhoma e Tregtisë
Handelskammer
Arbitrazhi i Tregtisë së Jashtme
Außenhandelsarbitrage
Tirana, 6 Rruga e Kavajës
China Volksrepublik China 1954 中国国际贸易促进委员会 – Chinesisches Komitee
zur Förderung des internationalen Handels
对外贸易仲裁委员会
Außenhandels-Schiedskommission
Beijing, Xicheng, 2 Huapichang Hutong
Korea Nord Nordkorea 1955 북한 국제 무역 진흥 위원회 – Koreanisches Komitee
zur Förderung des internationalen Handels
Außenhandels-Schiedskommission Pjöngjang, Chung-guyŏk, Chungsŏng-dong

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kammer für Außenhandel. In: Bundesministerium des Innern (Hrsg.): DDR-Handbuch. 3. und erw. Aufl. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1984, S. 706f.
  • Kammer für Außenhandel. In: Andreas Herbst, Winfried Ranke und Jürgen Winkler (Hrsg.): So funktionierte die DDR. Band 1: Lexikon der Organisationen und Institutionen. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag 1994, S. 464f.
  • Ingrid Muth: Die DDR-Außenpolitik 1949–1972. Inhalte, Strukturen, Mechanismen. 2. Auflage. Ch. Links Verlag, Berlin 2001, passim.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ingrid Muth: Die DDR-Außenpolitik 1949–1972. Inhalte, Strukturen, Mechanismen. 2. Auflage. Ch. Links Verlag, Berlin 2001, S. 82f.
  2. KfA-Statut 1974 § 5
  3. vom 18. Dezember 1975 (GBl. I 1976 Nr. 1 S. 8)
  4. vgl. auch Moskauer Konvention vom 26. Mai 1972 (GBl. I Nr. 13 S. 220)
  5. Allgemeinen Bedingungen für die Warenlieferungen zwischen den Organisationen der Mitgliedsländer des RGW (zuletzt GBl. II 1989 Nr. 4 S. 41)
  6. vgl. Rechtsanwendungsgesetz vom 5. Dezember 1975 (GBl. I Nr. 46 S. 748; trans-lex.org)
  7. GBl. I 1976 Nr. 5 S. 61 (trans-lex.org)
  8. siehe etwa Schweizer Bundesgericht, BGE 93 I 265 (1967)
  9. Der Spiegel 3/1973 und 4/1973; Eastern Europe Report 1973 S. 42
  10. BGHZ 125, 7 (Memento des Originals vom 18. August 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jurion.de (1994)
  11. BGHZ 128, 380 (Memento des Originals vom 19. August 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jurion.de (1995) bei Anhängigkeit vor Wiedervereinigung; BGH-Urteil vom 26. März 1998 (VII ZR 123/96) (Memento des Originals vom 11. September 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jurion.de bei Anhängigkeit nach Wiedervereinigung
  12. Désirée Cimmino: Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten (2008), S. 57, Fn. 173
  13. Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Auflage 1990, S. 528 f.; Die allgemeinen Lieferbedingungen des RGW 1968 in der Spruchpraxis sozialistischer Aussenhandelsschiedsgerichte, 1975, S. 403
  14. Постановление о внешне-торговой арбитражной комиссии при Всесоюзной торговой палате (1932); Harry Fellhauer: Der Aussenhandelskaufmann und die Schiedsgerichte, 1959, S. 67
  15. Гадаад худалдааны арбитрын тухай хууль (1995), Төрийн мэдээлэл 1996 №1/44/