Líadain

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Líadain (im englischen Sprachraum oft Liadain) ist die Hauptfigur der im 7. Jahrhundert in Irland handelnden Liebesgeschichte Comracc Líadaine ocus Cuirithir (Das Zusammentreffen von Líadain und Cuirithir).[1] Die Geschichte kann eine reale Person als Inspiration haben, einen Beleg dafür gibt es nicht. Die Geschichte wurde im 9. Jahrhundert oder frühen 10. Jahrhundert in altirischer Sprache geschrieben.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Comracc Líadaine ocus Cuirithir wurde von Kuno Meyer 1902 editiert und ins Englische übersetzt.[1] Danach geht die Geschichte so:

Líadain, eine gefeierte Dichterin aus Corkaguiney im heutigen County Kerry, ist auf Tournee im nördlich gelegenen Connacht. Dort trifft sie Cuirithir mac Doborchu (oder Cuirithir von Connacht), ebenfalls ein Dichter, in den sie sich verliebt. Cuirithir drängt darauf, dass sie sich vereinen. Ein gemeinsamer Sohn würde sicher berühmt werden. Líadain widersteht dem aber. Sie will nicht, dass ihre Reiseplanung und Engagements deswegen unterbrochen werden. Stattdessen schlägt sie Cuirithir vor, dass er danach Connacht verlassen und sie bei sich in ihrem Haus besuchen könnte. Sie schlafen in der Nacht miteinander und trennen sich am nächsten Tag.

Als Cuirithir endlich im Süden bei Líadain eintrifft, ist sie eine Nonne. Es bleibt unklar, ob dies eine Entscheidung aus religiösen Gründen oder zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit gewesen ist. Später wird beschrieben, dass die Eile, mit der sie den Schleier genommen hatte, Cuirithir das Herz gebrochen hat. Das Paar sucht geistlichen Beistand bei Cummaíne Fota (irischer Abt, Bischof, bl. ca. 591–661/662) und Líadain und Cuirithir gehen die wechselseitige Verpflichtung einer anmchairde (Amicitia) ein.

Die beiden leben als Mönch und Nonne getrennt und von Cummaíne Fota beaufsichtigt. Sie dürfen auch nur zu verschiedenen Zeiten umhergehen. Beide sehnen sich aber nach körperlicher und emotionaler Nähe und Líadain bittet Cummaíne um einen Aufschub ihrer Trennung. Das wird unter der Bedingung, dass ein Novize der Gemeinschaft als Wächter zwischen ihnen schläft, gewährt. Es klappt aber anscheinend nicht, denn Cuirithir wird an einen anderen Ort versetzt und geht dann innerhalb Irlands auf Pilgerreise. Líadain macht sich auf die Suche nach ihm. Als Cuirithir hört, dass Líadain nach ihm sucht, sticht er in See um seine Pilgerreise in fernen Ländern fortzusetzen. Sie sehen sich nie wieder. Líadains Gefühle für Cuirithir lassen nie nach und sie stirbt am Ende an gebrochenem Herzen. In ihrem poetischen Selbstgespräch zeigt sich, dass sie zwar ihre Entscheidung getroffen hat und dazu steht, die Reue aber tiefgreifend ist:

Cen áinius
in chaingen dorigenus:
an rocharus rocráidius

Ba mire
ná dernad a airer-som,
manbad oman ríg nime.

Ní bú amlos
dó-sum in dul dúthracair
ascnam sech péin hi pardos.

Becc mbríge
rocráide frim Cuirithir:
fris-seom ba mór mo míne.

Mé Líadain
rocharussa Cuirithir:
is firithir adfiadar.

Gair bása
hi coimthecht mo Chuirithir:
frissom ba maith mo gnássa.

Céol caille
fomchanad la Cuirithir
la fogur fairce flainne.

Doménainn
ní cráidfed frim Chuirithir
do dálaib cacha ndénainn.

Ní chela!
ba hésom mo chrideṡerc,
cía nocharainn cách chenae.

Deilm ndegae
rotethainn mo chridesae,
rofess nícon bíad cenae.

Joyless
The bargain I have made!
The heart of him I loved I wrung.

‘Twas madness
Not to do his pleasure,
Were there not the fear of the King of Heaven.

To him the way he has wished
Was great gain,
To go past the pains of Hell into Paradise.

‘Twas a trifle
That wrung Curithir’s heart against me:
To him great was my gentleness.

I am Liadain
Who loved Curithir:
It is true as they say.

A short while I was
In the company of Curithir:
Sweet was my intimacy with him.

The music of the forest
Would sing to me when with Curithir,
Together with the voice of the purple sea.

Would that
Nothing whatever of all I might do
Should wring the heart of Curithir against me!

Conceal it not!
He was the love of my heart,
If I loved every other.

A roaring flame
Dissolved this heart of mine,
However, for certain it will cease to beat.

Comracc Líadaine ocus Cuirithir (Übersetzung von Kuno Meyer)[2]

Interpretation und Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literarisch stehen der ausdrucksstarken Poesie der wörtlichen Rede und der Selbstgespräche kurze Prosasätze mit kargen Informationen gegenüber. Líadain ist die Hauptfigur der Erzählung über die Spannung zwischen Verpflichtungen und Liebe füreinander. Sie spricht weit mehr der Zeilen im Text als Cuirithir. Sie ist diejenige, die von konkurrierenden Wünschen geplagt und gezogen wird. Sie will alles haben und kann es nicht, was eine durchaus zeitüberdauernde Lebenserfahrung ist. Wir bekommen auch ein starkes Gefühl für ihr Talent als Dichterin, eine Gabe, die sie nicht vergeuden wollte, und tatsächlich ist es ihr Ruhm, nicht der ihres Partners, der in der irischen Literaturgeschichte erhalten geblieben ist.[3][4]

Der Text hat Bedeutung für die Stellung der Frauen im frühmittelalterlichen Irland. “Comracc Líadaine ocus Cuirithir is a particularly important example in the discussion of medieval Irish attitudes towards women, since in this tale the expected pattern of the sexually unstable woman who ruins the man’s career is reversed, and Líadain is shown to be the wiser and stronger of the two.”[5]

Judy Chicago widmete ihr eine Inschrift auf den dreieckigen Bodenfliesen des Heritage Floor ihrer Installation The Dinner Party. Die mit dem Namen Liadain beschrifteten Porzellanfliesen sind dem Platz mit dem Gedeck für Hrotsvit zugeordnet.[6]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Umfangreiche Primär- und Sekundärliteratursammlung auf Comrac Líadaine ocus Cuirithir. CODECS (Collaborative Online Database and e-Resources for Celtic Studies), A. G. van Hamel Foundation for Celtic Studies, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  • Digitale Version der Ausgabe von Kuno Meyer: Comrac Líadaine ocus Cuirithir. CELT: Corpus of Electronic Texts, Department of History, University College Cork, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  • Literarische Textanalyse in Daniel Donovan Brielmaier: Selves and Subjectivities in Medieval North Atlantic Verse. Dissertation, Centre for Medieval Studies, University of Toronto, 2018, S. 177–183 (utoronto.ca [PDF]).
  • Sprachanalyse unter Patrizia de Bernardo Stempel, Caren Esser, Jonathan Slocum: Old Irish Online, Lesson 5. Linguistic Research Center, University of Texas at Austin, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Kuno Meyer (Hrsg. und Übersetzer): Liadain and Curithir: An Irish Love-Story of the Ninth Century. D. Nutt, London 1902 (archive.org).
  2. Kuno Meyer (Hrsg. und Übersetzer): Liadain and Curithir: An Irish Love-Story of the Ninth Century. D. Nutt, London 1902, S. 23+25 (archive.org).
  3. Hannah Zdansky: Love and Commitments in Early Medieval Ireland: The Account of Líadain and Cuirithir. Medieval Studies Research Blog des Mittelalterinstituts der University of Notre Dame, South Bend, Indiana, 18. Oktober 2018, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  4. Thomas Owen Clancy: Women Poets in Early Medieval Ireland: Stating the Case. In: Christine Meek und Katharine Simms (Hrsg.): ‘The fragility of her sex’? Medieval Irishwomen in their European context. Dublin 1996, S. 43–72.
  5. Rebecca Mary Shercliff: A Critical Edition of Tochmarc Ferbe with Translation, Textual Notes and Literary Commentary. Dissertation, University of Cambridge, Department of Anglo-Saxo, Norse and Celtic, 2018, S. 190 (cam.ac.uk [PDF]).
  6. Brooklyn Museum: Liadain. In: brooklynmuseum.org. Abgerufen am 14. November 2020.