Sinus-Jugendstudie

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Die Sinus-Jugendstudie (eigentlicher Titel der Reihe „Wie ticken Jugendliche?“) ist eine qualitativ-empirische Untersuchung der Lebenswelten und (Alltags-)Soziokulturen von Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren in Deutschland. Das Sinus-Institut untersucht also ausschließlich Menschen, die in Deutschland auch rechtlich (im Sinn des § 1 des Jugendschutzgesetzes) als „Jugendliche“ gelten.

Die Studienreihe „Wie ticken Jugendliche?“ wird vom Sinus-Institut seit 2008 alle vier Jahre durchgeführt. Die forschungsleitenden Fragen zur Untersuchung der jugendlichen Lebenswelten lauten dabei: Wie leben und erleben Jugendliche ihren Alltag? Wie nehmen sie die gegenwärtigen Verhältnisse in Deutschland und in der Welt wahr? An welchen Werten orientieren sie sich? Welche Lebensentwürfe verfolgen sie?

Daneben werden in jeder Studie neue inhaltliche Schwerpunkte gesetzt.[1] Beispielsweise standen 2012 die Themen Berufsorientierung und Politik im Vordergrund, 2016 die Themen Nation, kritischer Konsum und Mobilität und 2020 die Themen Zukunft, Schule, Gesundheit, Sport, Politik und die Corona-Krise.

Die Sinus-Jugendstudie richtet sich an Beschäftigte in der Jugendarbeit und -bildung sowie an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft sowie an die interessierte Öffentlichkeit.[2][3][4][5] In der Praxis wird sie als Handbuch für die Zielgruppenarbeit eingesetzt, in der Wissenschaft gilt sie als Referenzwerk.[6]

Sinus-Modell für jugendliche Lebenswelten („Jugendmilieus“)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sinus-Jugendstudie hat den Anspruch, die soziokulturelle Vielfalt der jugendlichen Lebenswelten in Deutschland systematisch einzufangen und modellhaft zu den „Sinus-Lebenswelten u18“ zu verdichten. Diese Verdichtung orientiert sich am Ansatz der Sinus-Milieus.

Der Sinus-Jugendstudie liegt ein qualitatives Forschungsdesign zugrunde, das narrative Einzelinterviews sowie offene Selbstausfüller-Fragebögen und Fotodokumentationen der Wohnwelten Jugendlicher kombiniert.

Das daraus entstandene Modell ist wie folgt aufgebaut:

  • In der vertikalen Achse ist der nächste angestrebte Schulabschluss abgebildet, der in Deutschland in hohem Maß mit dem sozialen Hintergrund des Elternhauses korreliert.[7]
  • Die horizontale Achse markiert die lebensweltspezifischen Werthaltungen untergliedert in drei dominante Wertefelder: „Absicherung“ (Abschnitt A), „Bestätigung und Benefits“ (Achsenabschnitt B) und „Charisma“ (Achsenabschnitt C). Neben diesen gruppenspezifischen Werten sind in dem Modell auch universelle Werte, auf die sich fast alle Jugendlichen verständigen: soziale Geborgenheit (Familie, Freunde, Treue) und soziale Werte (Altruismus, Toleranz) sowie Leistung und Selbstbestimmung.

Im Ergebnis dokumentiert die Sinus-Jugendstudie 2020 die folgenden jugendlichen Lebenswelten:

SINUS-Modell für die Lebenswelten der 14-17-Jährigen (Studie 2020). Das Modell verdichtet die soziokulturelle Vielfalt der jugendlichen Lebenswelten in Deutschland entlang zweier Dimensionen (angestrebte Bildung und normative Grundorientierung) (vgl. Sinus-Milieus).
Lebenswelt Kurzbeschreibung
Traditionell-Bürgerlich Die bescheidenen, natur- und heimatorientierten Familienmenschen mit starker Bodenhaftung
Adaptiv-Pragmatische Der leistungs- und familienorientierte Mainstream mit hoher Anpassungsbereitschaft
Prekäre Die um Orientierung und Teilhabe bemühten Jugendlichen mit schwierigen Startvoraussetzungen und Durchbeißermentalität
Konsum-Materialisten Die freizeit- und familienorientierte untere Mitte mit ausgeprägten markenbewussten Konsumwünschen
Experimentalisten Die spaß- und szeneorientierten Nonkonformisten mit Fokus auf Leben im Hier und Jetzt
Postmaterielle Weltgewandte, bildungsnahe Teenage-Bohemiens mit ausgeprägtem Gerechtigkeitsempfinden
Expeditive Die erfolgs- und lifestyle-orientierten Networker auf der Suche nach neuen Grenzen und unkonventionellen Erfahrungen

Studie 2008[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Sinus-Milieustudie U27 wurden erstmals die Lebenswelten von katholisch getauften Kindern (9–13 Jahren), Jugendlichen (14–19 Jahren) sowie jungen Erwachsenen (20–27 Jahren) in einer Pilotstudie untersucht. Thematische Schwerpunkte waren Wertorientierungen, Vergemeinschaftung, Engagement, Sehnsüchte und Zukunftsentwürfe sowie religiöse und kirchliche Einstellungen.[8]

Die Sinus-Jugendstudie 2008 wurde im Auftrag des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend und des Bischöflichen Hilfswerks Misereor durchgeführt.

Studie 2012[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Sinus-Jugendstudie 2012 wurde erstmals ein spezifisches Lebenswelt-Modell für Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren entwickelt. Thematische Schwerpunkte dieser Studien waren Zukunftsvorstellungen, Vergemeinschaftung, Medien, Schule und Lernen, berufliche Orientierung, gesellschaftliches und politisches Interesse, Glaube, Religion und Kirche sowie Engagement.[9]

Die Sinus-Jugendstudie 2012 wurde im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Bischöflichen Medienstiftung der Diözese Rottenburg-Stuttgart, des Bischöflichen Hilfswerks Misereor und des Südwestrundfunks (SWR) durchgeführt.

Studie 2016[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sinus-Jugendstudie 2016 setzte thematische Schwerpunkte auf digitale Medien und digitales Lernen, Mobilität, Nachhaltigkeit, Liebe und Partnerschaft, Glaube und Religion, Geschichtsbilder, Nation und nationale Identität sowie Flucht und Asyl.

Die Sinus-Jugendstudie 2016 wurde im Auftrag der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der VDV-Akademie (Verband-Deutscher-Verkehrsunternehmen-Akademie) durchgeführt.

In der Sinus-Jugendstudie 2016 wurde u. a. der Begriff Neo-Konventionalismus verwendet.[10] Typisch sei demnach für die Generation Z das Nichtabgrenzen gegenüber der Elterngenerationen.[11] Jugendliche der Generation Z orientieren sich demnach am Lebensstil der Eltern.[12]

Studie 2020[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sinus-Jugendstudie 2020 setzte thematische Schwerpunkte auf Berufswahlprozesse, Wohlbefinden und Partizipation in der Schule, Gesundheit, Sport, Politik und die Corona-Krise.

Die Sinus-Jugendstudie 2020 wurde im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, der BARMER, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, dem Deutschen Fußball-Bund, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, der Deutschen Sportjugend und der DFL Stiftung durchgeführt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marc Calmbach, Bodo Flaig, James Edwards, Heide Möller-Slawinski, Inga Borchard, Christoph Schleer: Wie ticken Jugendliche? 2020 : Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn 2020. ISBN 978-3-7425-0531-6
  • Marc Calmbach, Silke Borgstedt, Inga Bochard, Peter Martin Thomas, Bodo Flaig: Wie ticken Jugendliche? 2016 : Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Springer, Wiesbaden 2016. ISBN 978-3-658-12532-5.
  • Marc Calmbach, Peter Martin Thomas, Inga Borchard, Bodo Flaig: Wie ticken Jugendliche? 2012 : Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 27 Jahren in Deutschland. Verl. Haus Altenberg, Düsseldorf 2011. ISBN 978-3-7761-0278-9.
  • Wippermann, Carsten, Sinus Sociovision GmbH Heidelberg: Wie ticken Jugendliche? : Sinus-Milieustudie U27. Verl. Haus Altenberg, Düsseldorf 2008. ISBN 978-3-88916-285-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Borgstedt, Silke, 1975-, Borchard, Inga., Thomas, Peter Martin, 1969-, Flaig, Berthold Bodo, 1948-: Wie Ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten Von Jugendlichen Im Alter Von 14 Bis 17 Jahren in Deutschland. Springer Verlag, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-12532-5, S. 18.
  2. Luisa Jacobs: Jugendliche: Sieben Mal deutsche Jugend. In: Die Zeit. 26. April 2016, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 15. März 2018]).
  3. Generation Mainstream. Abgerufen am 15. März 2018.
  4. Matthias Kaufmann: Sinus-Studie: Deutschlands brave Jugend. In: Spiegel Online. 26. April 2016 (spiegel.de [abgerufen am 15. März 2018]).
  5. Bundeszentrale für politische Bildung: Neue SINUS-Jugendstudie: Die Jugend rückt zusammen | bpb. Abgerufen am 15. März 2018.
  6. Klaus Hurrelmann: Vorwort. In: Borgstedt, Silke, 1975-, Borchard, Inga., Thomas, Peter Martin, 1969-, Flaig, Berthold Bodo, 1948- (Hrsg.): Wie Ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten Von Jugendlichen Im Alter Von 14 Bis 17 Jahren in Deutschland. Springer Verlag, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-12532-5, S. 9.
  7. Burkhard Jungkamp, Marei John-Ohnesorg: Soziale Herkunft und Bildungserfolg. (PDF) Friedrich-Ebert-Stiftung, abgerufen am 15. März 2018.
  8. Wippermann, Carsten, Sinus Sociovision GmbH <Heidelberg>: Wie ticken Jugendliche? : Sinus-Milieustudie U27. Verl. Haus Altenberg, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-88916-285-4, S. 11.
  9. Calmbach, Marc.: Wie ticken Jugendliche?: 2012 : Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Haus Altenberg, Düsseldorf 2012, ISBN 978-3-7761-0278-9, S. 21.
  10. Marc Calmbach, et al.: Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. 2016 Springer S. 475
  11. NZZ
  12. Süddeutsche Zeitung