Oleg Petrowitsch Orlow

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Oleg Petrowitsch Orlow (russisch Олег Петрович Орлов, englisch Oleg Orlov; * 7. April 1953 in Moskau, Sowjetunion) ist ein sowjetischer bzw. russischer Biologe und Menschenrechtsaktivist. Er ist (Stand 2021) Leiter des Rechtszentrums der Menschenrechtsorganisation Memorial. Memorial wurde von Friedensnobelpreisträger Sacharow in den 1980ern gegründet und am 28. Dezember 2021 in Russland aufgelöst.[1] Im Oktober 2022 wurde ihr – gemeinsam mit ähnlichen Organisationen in der Ukraine und Belarus – der Friedensnobelpreis zuerkannt. Orlow hatte sich gegen den Ukrainekrieg ausgesprochen und wurde am 27. Februar 2024 wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ zu 2,5 Jahren Haft im Straflager verurteilt.[2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oleg Orlow wuchs in der Familie eines regimekritischen Ingenieurs in Moskau auf. Er studierte zunächst Agrarwissenschaften, danach Biologie an der Lomonossow-Universität Moskau. Anschließend war er am Institut für Pflanzenphysiologie an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau tätig.

1988 nahm Orlow an der Gründung der Initiativgruppe für die Organisation Memorial teil, die die Verbrechen des Stalinismus aufarbeiten wollte. Er wurde einer ihrer führenden Vertreter. 1990 wurde er Mitarbeiter in der Abteilung für Menschenrechte im neu gewählten Obersten Sowjet der Russischen Föderation und Vertrauter des Menschenrechtsbeauftragten des russischen Präsidenten, Sergei Kowaljow.

In den folgenden Jahren beobachteten sie die Situation in den Nordkaukasusrepubliken Tschetschenien, Inguschetien und anderen kritisch und erstellten mehrere Berichte über die Menschenrechtsverletzungen dort.

2004 wurde er Mitglied des Menschenrechtsrates beim russischen Präsidenten. 2006 gab er diese Funktion aus Protest gegen die mangelnde Aufarbeitung des Mordes an der Journalistin Anna Politkowskaja wieder auf. 2007 wurde er bei Nasran in Inguschetien mit anderen Beobachtern entführt und körperlich misshandelt.

Im Jahr 2009 bezeichnete Orlow den Präsidenten Tschetscheniens Ramsan Kadyrow als Mörder der Memorial-Mitarbeiterin Natalja Estemirowa.[3] Die darauffolgenden Prozesse gegen diese Äußerungen endeten 2012 mit einem Freispruch.[4]

Am 10. April 2022 veranstaltete er einen Ein-Mann-Protest gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine auf dem Roten Platz in Moskau. Er hielt ein Plakat in die Höhe, auf dem zu lesen war: „Unsere Weigerung, die Wahrheit zu wissen, und unser Schweigen machen uns zu Mitschuldigen an Verbrechen.“ Der Protest wurde auf Video aufgezeichnet, bevor die Polizei ihn festnahm und abführte. Laut Memorial war es bereits die vierte Festnahme Orlows in jüngster Zeit. Am selben Tag kam es zu weiteren Festnahmen in Moskau und anderen Städten.[5]

Am 21. März 2023 wurde gegen Orlow ein Strafverfahren eingeleitet. Nach Angaben von Memorial wird er wegen „öffentlicher Aktivitäten zur Diskreditierung der russischen Streitkräfte in der Ukraine“ strafrechtlich verfolgt.[6] Am 2. Februar 2024 wurden Orlow und fünf weitere Menschen wegen ihrer Kriegskritik vom russischen Justizministerium zu „Auslandsagenten“ erklärt.[7]

Am 16. Februar 2024 wurde gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet.[8] Am 27. Februar 2024 wurde Orlow zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Orlow hatte sich während des Prozesses für nicht schuldig bekannt.[9] Verschiedene internationale Beobachter, darunter die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, stuften das Verfahren gegen Orlow als Scheinprozess ein.[10]

Am 15. März 2024 teilte Memorial mit, dass Oleg Orlow im Haftzentrum, in dem er mit 10 Männern in einer kleinen Zelle lebe, ein Formular zur Unterschrift vorgelegt wurde, in dem er sich bereit erklären solle, an Russlands „spezieller Militäroperation“ in der Ukraine teilzunehmen. Ob das als persönliche Schikane oder im Zuge allgemeiner Anwerbungsversuche im Gefängnis geschah, konnte noch nicht geklärt werden.[11]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2009 nahm er für Memorial den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments[12] und den Victor-Gollancz-Preis der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) entgegen.[13]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Oleg Orlow Presseschau-Absätze, Perlentaucher, 2014

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Russland: Oberster Gerichtshof verbietet Memorial. In: sueddeutsche.de, 28. Dezember 2021, abgerufen am 28. Februar 2024.
  2. Armee diskreditiert: Zweieinhalb Jahre Lagerhaft für russischen Menschenrechtler. Kronen Zeitung, Print, 28. Februar 2024, S. 5.
  3. Elke Windisch: Porträt Oleg Orlow, Vorsitzender von Memorial: „Wir sind mitschuldig“. In: Tagesspiegel. 18. Juli 2009, abgerufen am 22. März 2023.
  4. Vera Ammer: Rechtssicherheit in Russland – der Fall Orlov. In: memorial.de. 25. Januar 2012, abgerufen am 22. März 2023.
  5. fek/wit/muk/tfb/dpa/AFP/AP/Reuters: Tschernobyl laut ukrainischer Behörde von russischen Soldaten bestohlen. In: Der Spiegel. 10. April 2022, abgerufen am 21. März 2023.
  6. Strafverfahren gegen Mitglied von Memorial in Russland. In: tagesschau.de. 21. März 2023, abgerufen am 21. März 2023.
  7. Moskau stuft Bürgerrechtler Orlow als "Auslandsagent" ein. In: tagesschau.de. Abgerufen am 2. Februar 2024.
  8. Neuer Prozess gegen Menschenrechtler Orlow. In: tagesschau.de. 17. Februar 2024, abgerufen am 17. Februar 2024.
  9. Calum MacKenzie: Menschenrechtler verurteilt - Russland: Oleg Orlow muss wegen Kriegskritik ins Straflager. In: srf.ch. 27. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  10. Russland: Gericht verurteilt Menschenrechtler in Scheinprozess | Human Rights Watch. 27. Februar 2024, abgerufen am 27. Februar 2024.
  11. Russian rights group says jailed leader, 70, was asked to fight in Ukraine war. In: Reuters. 15. März 2024, abgerufen am 15. März 2024.
  12. Oleg Orlow zur Verleihung des Sacharow-Preises. In: memorial.de. Abgerufen am 22. März 2023.
  13. Tschetschenischer Präsident zwingt Victor-Gollancz-Preisträger Oleg Orlow vor Gericht. In: gfbv.de, Gesellschaft für bedrohte Völker. 11. November 2009, abgerufen am 22. März 2023.