Wikipedia:Wikimedia Deutschland/Community-Portal/Über WMDE/Neulingsgewinnung/Forschung/Mentoring in der Wikipedia

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Mentoring in der deutschsprachigen Wikipedia: Bedarfe und Herausforderungen[Quelltext bearbeiten]


Mentoring-Systeme im offline Leben, und vor allem in beruflichen Kontexten und schulischen Kontexten, sind weit verbreitet und prinzipiell als hilfreiche Strukturen für die Einführung neuer Mitglieder oder Mitarbeitenden anerkannt. Auch online Communities haben solche Strukturen für sich etabliert.

Wir vermuten eine große Bedeutung von Mentoring-Programmen bei der Einbindung von neuen Mitgliedern in die deutschsprachige Wikipedia, und sehen gleichzeitig eine hohe Belastung bei denjenigen, die solche Mentoring-Aufgaben übernehmen.

Somit stellt sich für uns die Frage: Mit welchen Herausforderungen haben die Mentor*innen zu kämpfen und welche Änderungen können eine Verbesserung bedeuten?

Um uns der Beantwortung der Frage zu nähern, wurde relevante Literatur gesichtet und vier semi-strukturierte Interviews mit Wikipedia-Aktiven durchgeführt, die die Betreuung von Neuen übernehmen. Das Projekt wurde im August 2020 beendet.

Mentoring in der deutschsprachigen Wikipedia[Quelltext bearbeiten]

In der deutschsprachigen Wikipedia formierten sich seit 2007 erste Ideen von festen Ansprech- und Betreuungspersonen für Neulingen. Das „Mentorenprogramm“ war zwischenzeitlich als „Tutorenprogramm“ oder „Adoptier-Programm“ bekannt und bietet seit 2010 die Möglichkeit einen „Wunschmentor“ auszuwählen.

Neben dieser offiziellen Möglichkeit Mentoring in der Wikipedia in Anspruch zu nehmen, bestehen vermutlich auch inoffizielle Mentoring-Beziehungen (wie in anderen online Communities auch üblich) zwischen neuen und langjährigen Aktiven. Da die Fragestellung nicht auf das „Mentorenprogramm“ fokussiert, sondern Mentoring allgemein betrachtet, werden auch solche informellen Mentoring-Verhältnisse betrachtet.

Vorgehensweise[Quelltext bearbeiten]

Neben einer Literaturrecherche zu den Aspekten Funktionen, Hürden und Handlungsempfehlungen von/für Mentoring in Online Communities, wurden mit einem qualitativen Forschungsansatz 4 leitfadengestützte Interviews mit Aktiven durchgeführt, die Neulinge in der Wikipedia auf die ein oder andere Art betreuen.

Die Interviewpersonen sollten sich dabei möglichst in gewissen Merkmalen unterscheiden (Geschlecht, langjährige Mitarbeit, Mitglied Mentorenprogramm) um möglichst viele unterschiedliche Aspekte und Abläufe (siehe Prozess des Mentorings) herausarbeiten zu können.

Ergebnisse der Analyse[Quelltext bearbeiten]

Was macht gutes Mentoring aus?[Quelltext bearbeiten]

Im Laufe der Analyse konnten gewisse Faktoren für ein motivierendes und erfolgreiches Mentoring identifiziert werden.

Personenbezogene Faktoren

Für Mentor*innen scheint es wichtig gewisse Eigenschaften zu haben, um motiviert und erfolgreich ihre Mentoring-Aufgaben auszuführen. Optimalerweise handelt es sich um flexible, empathische und geduldige Mentor*innen.

Die Überschneidung von thematischen Interessen zwischen Mentor*innen und Mentees wirkt sich auf beide Parteien positiv und motivierend aus. Außerdem können Inhalte besser vermittelt werden und das Sichten der Beiträge der Mentees einfacher erledigt werden.

Die Zusammenarbeit mit interessierten, motivierten und geeigneten Mentees ist enorm wichtig um die Belastung niedrig und die Motivation hoch zu halten bei Mentor*innen. Als ungeeignet gelten zum Beispiel User*innen, die kein Interesse an einer langfristigen Mitarbeit in der Wikipedia haben.

Aufgabenbezogene Faktoren

Die Mentoring-Beziehung muss die Möglichkeit für Mentees und für Mentor*innen bieten etwas zu lernen, um die Wissbegier der meisten Mentor*innen bedienen zu können.

Da viele Mentoring-Beziehungen informell und nicht in einer etablierten Struktur, wie zum Beispiel dem Mentorenprogramm, existieren, sehen sich die Interviewpersonen nicht als „Mentor*innen“. Nichtsdestotrotz übernehmen sie traditionelle Aufgaben des Mentorings. Wichtig ist es also, dass man Mentoring niedrigschwellig und „neben der eigentlichen Arbeit“ betreiben kann.

Für die Mentor*innen ist es wichtig zu sehen, dass ihre Anstrengungen im Mentoring Wirkung zeigen und eine Lernkurve beim Mentee zu sehen ist. Das Ausbleiben einer Lernkurve kann zum Einen daran liegen, dass Mentees schlichtweg keine Lernerfolge haben, oder aber auch, dass diese Lernkurve nicht sichtbar ist für Mentor*innen.

Prozess des Mentorings in der deutschsprachigen Wikipedia[Quelltext bearbeiten]

Herausforderungen beim Mentoring[Quelltext bearbeiten]

Eine große Herausforderung stellt für die Mentor*innen dar, die richtigen Mentees zu finden, die sich für eine langfristige Mentoring-Beziehung eignen.

Anstatt dessen haben Mentor*innen es oft mit Neulingen zu tun, die sich nicht für ein langfristiges Engagement in der Wikipedia interessieren oder eignen:

  • User mit kommerziellen Interessen
  • User mit Spezialinteresse (Single Purpose Accounts)
  • User, die nicht enzyklopädisch arbeiten können oder wollen
  • User, die die grundlegenden Regeln der Wikipedia nicht kennen bzw. verstehen
  • User ohne Talent zum Schreiben

Handlungsempfehlungen[Quelltext bearbeiten]

Basierend auf den Ergebnissen der Analyse der Interviews und der Literatur, konnten Bereiche identifiziert werden, die für den Erfolg von Mentoring essentiell zu sein scheinen. Bei der Konzipierung von möglichen Unterstützungsangeboten für Mentoring, könnten das also Bereiche sein, die relevant sein könnten:

  • Erste Schritte Mentees: Um die Motivation der Mentor*innen hoch zu halten und die Belastung gering, sollten Mentees sich gewisse Inhalte selbst angeeignet haben, insbesondere Grundprinzipien der Wikipedia und Grundlagen des Kommunizieren. Onboarding-Angebote von Wikimedia Deutschland sollten entsprechend angepasst sein, dass diese Inhalte vermittelt werden bevor eine Weiterleitung ins „Mentorenprogramm“ passiert.
  • Kommunikation: Die Kommunikation passiert im Moment anlassbezogen und bei konkreten Bedarf des Mentees. Möglicherweise kann Mentoring effektiver sein, wenn die Kommunikation zwischen Mentees und Mentor*innen stetiger und regelmäßiger passiert.
  • Auswahl Mentees: Ein wiederkehrender Punkt in der Analyse der Interviews und der Literatur war ein gutes Matching von Mentor*innen und Mentees. Das betrifft zunächst die thematischen Interessen. Wie wir an den Motivatoren des Mentoring sehen, kann dies aber auch ein gendered issue sein: Frauen betreuen Frauen, um für eine höhere Quote dieser in der Community zu sorgen. Dieser Aspekt des Mentorings hat eine besonders hohe Relevanz, da dieser Punkt ein hohes Frustrationspotential für die Mentor*innen hat, wenn es nicht gut läuft.

Da in der Wikipedia – wie im Hintergrund beschrieben – verschiedene Mentoring-Beziehungen mit unterschiedlichem Grad an Organisation bestehen, können diese Bereiche für manche diese Beziehungen relevant sein und für anderen nicht.

Außerdem sollten Lösungen gesucht werden, um die Motivation von Single Purpose Accounts (User, die ein spezielles Ziel haben, wie zum Beispiel den Artikel des Großvaters zu aktualisieren, und darüber hinaus kein Interesse an der langfristigen Mitarbeit haben) richtig zu kanalisieren ohne die Mentor*innen mit der Betreuung solcher Accounts zu belasten. Da es sich hierbei weniger um einen komplexen Prozess des Onboardings handelt, wäre zum Beispiel ein automatischer Assistent denkbar, der die Möglichkeit gibt, das Anliegen auszuwählen („Bild austauschen“, „Artikel zu Person xy aktualisieren“) und dieses Anliegen dann begleitet Schritt-für-Schritt durchführen lässt.
Wir freuen uns wie immer über Feedback und Ideen auf der Diskussionsseite.

Hinweis zur Verwendung des Begriffs Mentor*innen: Jenseits des binären Mann-Frau-Systems wird von einer Vielzahl geschlechtlicher Identitäten ausgegangen. Mit der Verwendung dieser Form soll versucht werden, ein breiteres Spektrum von Geschlechtern abzubilden.