İdil Baydar

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
İdil Baydar, 2019
Als Jilet Ayse, August 2016
Baydar 2020 in einem Online-Video der Partei Die Linke mit Döner-T-Shirt

İdil Nuna Baydar (* 30. April 1975 in Celle)[1][2] ist eine deutsche Kabarettistin und Schauspielerin. Ihre Kunstfiguren, die Berlinerin Gerda Grischke sowie Jilet Ayşe, eine 18-jährige Kreuzberger Türkin, wurden über YouTube[3] bekannt.

Baydars Eltern sind türkische Einwanderer, die sich kurz nach Baydars Geburt trennten. Sie wuchs bei ihrer alleinerziehenden Mutter in Celle auf und besuchte eine Waldorfschule in Benefeld, die sie verließ, als sie mit 16 Jahren nach Berlin zog.[4]

Zehn Jahre später holte sie das Abitur nach.[5]

Heute lebt sie als Schauspielerin in Berlin-Kreuzberg und arbeitet dort auch für Jugendeinrichtungen.

Baydars YouTube-Kanal, auf dem sie seit 2011 selbstgeschriebene und selbstgespielte Stücke zum Thema Integration präsentiert, machte sie überregional bekannt.[3]

Im Fernsehen war sie in Kabarett- und Comedysendungen wie StandUpMigranten (EinsPlus), NightWash (Einsfestival), Pufpaffs Happy Hour (3sat), Die Anstalt (ZDF) und Ladies Night (WDR) zu sehen.

2015 hatte sie eine feste Rolle in der RTL-Fernsehserie Block B – Unter Arrest. Von 2012 bis 2014 war Baydar als Jilet Ayşe mit der Show Isch schwöre ... auf Bild.de auf Sendung.[6] 2014 hatte ihr Kabarett-Soloprogramm Deutschland, wir müssen reden! in Berlin Premiere.

Am Hamburger Schauspielhaus trat sie 2017 im Stück Am Königsweg von Elfriede Jelinek in der Inszenierung von Falk Richter auf.

Seit 2019 hatte sie mit ihrem Kollegen Ingmar Stadelmann einen eigenen Podcast namens "IIS', der bis Dezember 2022 acht Staffeln hervorbrachte. Ab März 2023 lief die neunte und letzte Staffel. Am 6. Oktober 2023 wurde seitens Stadelmann ein sechs Minuten langes Statement veröffentlicht, das das Ende des Podcasts verkündete.

Rezeption und Kritik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reportagen in überregionalen Zeitungen und Radiosendern beschäftigten sich mit ihrer Person und ihrer Arbeit.[7][1][8] Die Zeitschrift Emma bezeichnet sie als „die zurzeit größte Zumutung der deutschen Comedy-Szene: die vulgäre, hemmungslose Jilet Ayse. Ihre Erfinderin kennt beides: Waldorf- und Rütlischule. Heute ist die Tochter türkischer Eltern die polternde Übertreibung aller Migranten-Klischees.“[9]

2021 wurde sie in der Welt und vom Deutschen Journalistenverband für ein Clubhouse-Gespräch kritisiert, an dem unter anderem Arafat Abou-Chaker teilnahm, ein hochrangiges Mitglied des Berliner Abou-Chaker-Clans. Sie stimmte darin einem Kommentar zu, der Stigmatisierung von Clan-Kriminalität mit der Verfolgung von Juden in der Zeit des Nationalsozialismus gleichsetzte. Abou-Chaker sprach von „Sippenhaft“. Beide distanzierten sich am nächsten Tag von einem Vergleich mit dem Holocaust.[10][11][12] Der Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel bezeichnete die Aussagen als Verschwörungstheorien, die Berliner Grünen-Fraktion kündigte an, sie wolle vor einer weiteren Zusammenarbeit das Gespräch mit Baydar suchen.[13][14]

Morddrohungen von Rechtsextremen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Baydar erhielt Anfang 2019 Morddrohungen als Reaktion auf ihre Äußerungen zum Thema Rassismus und Diskriminierung von Migranten. Diese wurden ihr nach eigenen Angaben per SMS geschickt und mit „Obersturmbandführer“ unterschrieben.[15] Nachdem bekannt wurde, dass sie am 17. November 2019 die zentrale Rede auf der Kundgebung zum Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992 halten sollte, erhielt sie erneut Morddrohungen. Teilweise waren die Drohungen mit NSU 2.0 unterschrieben.[16] Zuvor waren von hessischen Polizeicomputern personenbezogene Daten über Idil Baydar abgerufen worden.[17] Die Computerzugriffe erfolgten vom 4. Revier des Polizeipräsidiums in Wiesbaden[18] sowie vom 3. Revier in Frankfurt am Main.[19] Idil Baydar hat nach eigener Auskunft bis 2020 achtmal Anzeige bei der Polizei erstattet, achtmal wurde das Verfahren ergebnislos eingestellt.[16]

Commons: İdil Baydar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Jonas Rest: Die Ghettobraut aus Neukölln. Frankfurter Rundschau, 4. Juni 2012, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 12. Mai 2014.@1@2Vorlage:Toter Link/archiv.berliner-zeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  2. Philipp Peyman Engel: Wir haben mehr gemeinsam, als uns trennt. Jüdische Allgemeine, 7. Mai 2014, abgerufen am 12. Mai 2014.
  3. a b Idil Baydar. In: youtube. Abgerufen am 12. Mai 2014.
  4. Ayse aus der Waldorfschule welt.de, 2. September 2012
  5. Jilet Ayşe ist die prollige Neuköllner Göre tagesspiegel.de, 2. September 2013
  6. Idil Baydar gorki.de
  7. Joanna Itzek: Porträt einer besonderen Berliner Göre. Die Schwester der Integrationsnutte. TAZ.de, 8. März 2012, abgerufen am 12. Mai 2014.
  8. Johannes Nichelmann: Ich bin voooll sauer! Die drei Gesichter der Idil Baydar. Deutschlandfunk, 7. August 2012, abgerufen am 12. Mai 2014.
  9. Idil Baydar: Der Alptraum. In: www.emma.de. 1. Juni 2016, abgerufen am 28. Oktober 2021.
  10. Alexander Nabert: Clubhouse: Wenn Kabarettistin İdil Baydar Arafat Abou-Chaker zustimmt. In: DIE WELT. 4. Februar 2021 (welt.de [abgerufen am 4. Februar 2021]).
  11. Social Media - DJV beklagt Hetze gegen Journalisten bei Diskussion auf Clubhouse. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Februar 2021; abgerufen am 4. Februar 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de
  12. Remmo, Abou-Chaker und Baydar vergleichen Kampf gegen Clankriminelle mit Holocaust. Abgerufen am 5. Februar 2021.
  13. Grüne wollen vor weiterer Zusammenarbeit Gespräch mit Idil Baydar suchen. Abgerufen am 5. Februar 2021.
  14. Johannes Boie: Idil Baydar: Wo bleibt die Kritik? In: DIE WELT. 6. Februar 2021 (welt.de [abgerufen am 6. Februar 2021]).
  15. hessenschau de, Frankfurt Germany: Idil Baydars Aussage im "NSU 2.0"-Prozess: Zeugin als Anklägerin. 5. Mai 2022, abgerufen am 5. Juli 2022 (deutsch).
  16. a b Deutschlandfunk: Drohschreiben aus Amtsstuben. Die Polizei: Dein Feind oder Helfer? Diskussionssendung mit Idil Baydar, Kabarettistin, Adressatin von Droh-Schreiben; Michael Kuffer, CSU, Mitglied im Innenausschuss des Deutschen Bundestags; Jörg Radek, stv. Vorsitzender Gewerkschaft der Polizei; Am Mikrofon: Christine Heuer am 20. Juli 2020, ab 10:05 Uhr
  17. VOR „MÖLLNER REDE“: MORDDROHUNGEN GEGEN KABARETTISTIN İDIL BAYDAR. In: isdonline.de. 11. November 2019, abgerufen am 28. Oktober 2021.
  18. Ewald Hetrodt, Katharina Iskandar: Innenministerium und LKA sind sich weiter uneins. FAZ, 15. Juli 2020.
  19. Jan Bielicki: Botschaften von Neonazis: Was man über die Drohungen im Namen des „NSU 2.0“ weiß. Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2020
  20. „Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz“ der Initiative Hauptstadt Berlin e. V. Initiative Hauptstadt Berlin, abgerufen am 10. Juli 2016.
  21. Gewinner Stuttgarter Besen 2016 (Memento des Originals vom 27. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.swr.de, SWR, abgerufen am 28. Mai 2016
  22. First Ladies - Der WDR Kabarettistinnenpreis. 24. Oktober 2019, abgerufen am 14. November 2019.