Alfred Schellenberg (Kunsthistoriker)

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Alfred Gustav August Schellenberg (* 21. Mai 1888 in München; † 18. Februar 1957 in Düsseldorf) war ein deutscher Kunsthistoriker, Sippenforscher, Genealoge und Autor. Jeweils zeitweise war er Lehrer an der Breslauer Kunstgewerbeschule, Direktor des Nationalmuseums Warschau, Syndikus beim Bund deutscher Architekten und Ausstellungsleiter der Breslauer Messe AG.

Schellenberg war Autor des Schlesischen Wappenbuchs.

Alfred Schellenberg wurde als Sohn des Architekten Emil Gustav Schellenberg (1854–1916) und dessen Frau Luise Auguste (1857–1915) geboren. Er entstammte damit der Familie Schellenberg. Er hatte vier Geschwister, von denen zwei bereits im Kindesalter starben. Sein Vater hatte ein Baugeschäft in München und war in leitenden Funktionen Architekt in Tübingen (1892), Stuttgart (1896) und Stolberg (1899).[1]

Alfred Schellenberg absolvierte sein Abitur im Jahr 1909 in Helmstedt und studierte anschließend in Breslau, Freiburg und Berlin Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik. Im Jahr 1919 wurde er in Berlin promoviert.

Sein Studium wurde durch den Ersten Weltkrieg in die Länge gezogen, als er in Belgien und Frankreich in Kämpfe involviert war. Dafür erhielt er im Jahr 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse, 1917 das Braunschweiger Verdienstkreuz und 1919 das silberne Verwundetenabzeichen. Später kehrte er nach Breslau zurück. Er verfasste fortan Beiträge für die Schlesische Zeitung, die Schlesischen Monatshefte, die Schlesische Heimat und den Oberschlesier. Um 1929 befasste er sich mit Bildstickerei und empfing ein Stipendium von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, womit er durch Europa reisen konnte. Im Jahr 1930 veröffentlichte er seine Forschungsergebnisse über Bildstickerei. In den Jahren 1931 bis 1933 war er Syndikus beim Bund Deutscher Architekten und Ausstellungsleiter bei der Breslauer Messe AG. Im Jahr 1932 bereitete er die Gerhart-Hauptmann-Ausstellung im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau vor.

Wohl in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre trat er der NSDAP bei, wobei sein Parteiausweis den 1. August 1935 als sein Eintrittsdatum verzeichnet, als eigentlich eine Aufnahmesperre bestand. Unter seinem Ausweisfoto steht der 20. September 1938. Sein nationalsozialistisches Engagement beschränkte sich jedoch auf Genealogie, Heraldik und sog. Sippenkunde. Er veröffentlichte in dieser Zeit das Schlesische Wappenbuch, Der Sippenforscher und Beiträge im Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete, davon in letzterem zu nennen, im Jahr 1937, sein wohl federführendes Werk über den im Jahr 1674 geschaffenen Breslauer Ratsherrenteppich, der sich seit dem Jahr 1910 im Breslauer Museum befindet.[2]

In der Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens rezensierte Schellenberg 1936 das antisemitische Werk Die Juden in Deutschland,[3] herausgegeben vom Institut zum Studium der Judenfrage, das Kapitel wie Juden als Träger der Korruption und Die Kriminalität und rassische Degeneration der Juden enthält. Er befand die Publikation, deren Absicht es sei, „die Schuld des Judentums gegenüber dem deutschen Volk aufzuzeigen“, sei ein „Buch der Tatsachen“ und kam abschließend zu dem Urteil, dies mache es möglich, auch beim „Gegner […] das Verständnis zu wecken, warum unsere Politik gerade so und nicht anders die Judenfrage im Interesse einer gesunden Zukunft des deutschen Volkes lösen mußte“.[4]

Schellenberg war zufolge seines Entnazifizierungsgutachtens, das sein Schüler Heinrich Kiefer im Jahr 1947 anfertigte, vom Schlesischen Landeskulturverwalter Alfred Buchwald zum NSDAP-Beitritt überredet worden. Berichte deuten an, dass Schellenberg mit der „nationalsozialistischen Kunstdoktrin“ nicht einverstanden gewesen war. Er war von der Schlesischen Zeitung entlassen worden, nachdem er im Jahr 1936 „aus politischen Gründen“ bereits seine Lehrstelle an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe verloren hatte. Seiner Entlassung aus der Schlesischen Zeitung war eine „üble Presshetze“ gegen Schellenberg vorausgegangen. Angeblich griff er durch seine Artikel die nationalsozialistische Kunstpolitik an.

Auf die persönliche Einladung Fritz Arlts hin ging Schellenberg Anfang 1940 nach Warschau, wo er mit dem Aufbau des Sippenamts beauftragt wurde. Außerdem war er in die Forschung der Abteilung für Innere Verwaltung des Distriktes Warschau involviert. Im ersten Jahr seines Amtes war er mit der Bevölkerungsstatistik und der Feststellung der Grenzen des Warschauer Distrikts beauftragt. Außerdem sollte er die verschollenen Kirchenbücher aufspüren. Auf eigenen Wunsch hin wurde er aber als Kulturreferent in das Stadtschulamt versetzt. Er hatte nun die Aufsicht über alle städtischen Museen, Bibliotheken und Archive.

Im Juni 1941 beauftragte ihn Kajetan Mühlmann mit dem Aufbau der Gruppe Nord, einer der zwei Gruppen der Kulturangelegenheiten im Generalgouvernement. Im weiteren Jahresverlauf wurde er Leiter des Amtes für Pflege alter Kunst, einschließlich der Außenstelle dieses Amtes für Lublin und Radom. Mühlmann war insgesamt Schellenbergs Vorgesetzter, mit dem er sich absprechen musste.

Schellenberg beaufsichtigte Restaurierungen einiger Gebäude und erstellte ein Verzeichnis Warschauer Baudenkmäler einschließlich der Umgebung. Er setzte sich gegen die Verwendung alter Glocken für die Rüstungsindustrie ein. Sein Versuch, das Museum für Stadtgeschichte wiederzueröffnen, war nicht erfolgreich. Wissenschaftlich hatte er sich nun auf die Warschauer Werke Andreas Schlüters konzentriert.

Im Jahr 1944 veröffentlichte Schellenberg zusammen mit Karl Grundmann eines seiner wichtigsten Werke, über die deutsche Architekturgeschichte in Warschau. Er beschrieb die Stadt als einen „der wichtigsten Eckpfeiler mitteleuropäischer Kultur im Osten“. Dabei bemerkte er die nach seinen Worten Slawisierung deutsch- oder germanischstämmigen Kulturguts in Warschau nach der Gründung der Zweiten Polnischen Republik (1918), vernachlässigte aber nicht die italienischen Einflüsse in der Architektur Warschaus.

Im Herbst 1944 wurde Schellenberg vom Warschauer Aufstand und der Zerstörung Warschaus durch die deutsche Besatzung erschüttert. 80 Prozent der Innenstadt wurden zerstört. Für Schellenberg waren die barbarischen Zerstörungen der deutschen Soldaten, die auch das Nationalmuseum für ihre Unterkunft plünderten, nicht nachvollziehbar, wie sich Stanisław Lorentz erinnerte. So richteten sie sich beispielsweise mit den historischen Gobelins Lager ein, Schellenberg versuchte erfolglos, sie davon abzuhalten. Anfang November 1944 beaufsichtigte Schellenberg die Evakuierung des Museums.

Um die Jahreswende 1944/45 floh er mit seiner Familie nach Deutschland, wo sie nach Beverungen a. d. Weser zogen. Nach seinem Antrag an den Entnazifizierungsausschuss am 6. Januar 1947 wurde zu seiner Entlastung u. a. festgestellt, dass Schellenberg im Nationalsozialismus kein Aktivist gewesen sei, zum Parteieintritt gedrängt worden wäre und ständig Schwierigkeiten mit der Partei gehabt habe. Ab dem Jahr 1952 lebte er mit seiner Familie in Düsseldorf. Er starb fünf Jahre darauf am 18. Februar 1957.

Posthume Beschreibung durch Lorentz

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Sein einstiger Weggefährte Stanisław Lorentz beschrieb Schellenberg in einem Interview in den 1980er Jahren:

„Mittelgroß, blond, sah sehr deutsch aus, hatte aber einen ziemlich sympathischen Gesichtsausdruck. Auf jeden Fall hatte er nicht dieses für Nazis typische, preußische, arrogante, hochmütige Aussehen. Wenn wir zu zweit waren, hat er sich korrekt und sogar anständig benommen. Natürlich nahm er, wenn er mit anderen Deutschen zusammen war, vor allem mit Angehörigen der SS oder Vertretern höherer Stadt- oder Kreisbehörden, eine amtliche Haltung an. Für uns im Museum war er eher ein harmloser und in manchen Fällen sogar ein nützlicher Kommissar, obwohl seine Macht ziemlich begrenzt war und in allen wichtigeren Fällen seine Vorgesetzten die Entscheidungen getroffen haben. Er selbst war kein eifriger Nazi.“

Stanisław Lorentz[5]

Schriften (Auswahl)

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  • Die deutsche Bildstickerei des Mittelalters. Raabe, Oppeln 1930 (Sonderdruck aus: Montagsblatt. Wissenschaftliche Beilage der Magdeburgischen Zeitung, 72. Jahrgang. 1930. S. 265 ff.).
  • Schlesisches Wappenbuch (= Bücherei deutscher Wappen und Hausmarken in Städten und Landschaften. Band 2). Starke, Görlitz 1938 (archive.org).
  • (Hrsg.): Der Sippenforscher. Sippenkundliche Aufsätze. 2 Hefte. W. G. Korn, Breslau 1938.
  • Warschau. Buchverlag Deutscher Osten. Krakau 1944 (gemeinsam mit Karl Grundmann).
  • Andreas Schlüter (= Schriftenreihe des Göttinger Arbeitskreises. Heft 14). Holzner, Kitzingen 1951.
    • Schellenberg hat außerdem zahlreiche Beiträge in Zeitungen, Sammelwerken und Zeitschriften verfasst.
  • Alfred Schellenberg. (mit Foto) In: Alfons Perlick: Dem Gedächtnis unserer verstorbenen Mitarbeiter (S. 165–175) in: Zehn Jahre Ostdeutsche Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen. (= Der Wegweiser. Schriftenreihe für die Ost-West-Begegnung. Heft 43). Troisdorf 1962. S. 169–170.
  • Małgorzata Popiołek: Alfred Schellenberg. Ein Kunsthistoriker im besetzten Warschau 1940–1944. In: Historie. Jahrbuch des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Band 10., 2016, S. 164–182 (PDF).
  • Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher (Hrsg.): Archiv ostdeutscher Familienforscher, Band 1
    • Schellenberg, Alfred G. A. in: Josef Fengler, Dieter Krieg: Schlesische Familien in: Heft 14. 1952. S. 138–140
    • Dr. Alfred Schellenberg in: Curt Liebich: Von uns gingen in: Heft 19. 1957. S. 184
  • Alfred Gustav August Schellenberg in: Deutsches Geschlechterbuch, Band 49 (= Nassauisches Geschlechterbuch, Band 1). Görlitz 1926. S. 313. (PDF)

Einzelnachweise

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  1. Deutsches Geschlechterbuch. Band 49, S. 311–312.
  2. Oskar Pusch: Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741. Band 5, Der Breslauer Ratsherrenteppich von 1674, Vorwort.
  3. Institut zum Studium der Judenfrage (Hrsg.): 'Die Juden in Deutschland. Franz Eder Nachf., München 1936 (archive.org).
  4. Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens. Band 70, 1936, S. 534; zitiert nach: DOK.259: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens: Rezension des antisemitischen Buchs „Die Juden in Deutschland“ von 1936. In: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Band 1: Deutsches Reich 1933–1937. Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-486-58480-6, S. 624 f.
  5. Malgorzata Popiolek: Alfred Schellenberg. Ein Kunsthistoriker im besetzten Warschau 1940–1944. In: Historie. Jahrbuch des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Oktober 2016. S. 167–168.