Alter Friedhof (Ulm)

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Der ehemalige Alte Friedhof, auch Allerheiligen-Friedhof in Ulm ist eine Parkanlage zwischen Georgs- und Pauluskirche. Sie befindet sich zwischen Stadtmitte und Oststadt.

Nach der Schließung des Friedhofes zum 1. Januar 1899 wurde er zur öffentlichen Grünanlage umgewidmet. Bedingt durch zwei Weltkriege und Vernachlässigung lag die Fläche zunehmend brach. 1949 wurde die Fläche als Park freigegeben. Im Jahr 2011 begann die Stadt Ulm mit der umfassenden Sanierung des Alten Friedhofs und seiner Umgestaltung. Die Arbeiten wurden 2015 abgeschlossen.[1]

Das etwa 250 × 170 Meter große Areal des ehemaligen Friedhofs an der Straßenostseite ist streckenweise von Backsteinmauern eingefasst. Auf dem Gelände stehen zahlreiche Grabmale namhafter Ulmer.[1] 31 Grabsteine des 16. bis 18. Jahrhunderts befinden sich an der Friedhofskapelle, ein weiterer am Transformatorenhäuschen daneben. In der Grünanlage findet sich eine große Anzahl Grabdenkmale des 19. Jahrhunderts, manche in einer bis ins Mittelalter zurückreichenden Familientradition.[2] Auf dem entsprechenden Parkteil bei der Pauluskirche, durch eine Mauer von der Kirche und durch einen Fahrrad- und Fußweg vom christlichen Teil des Friedhofs getrennt, sind insgesamt 14 jüdische Grabsteine wieder aufgestellt. Sie gehören zum Alten Israelitischen Friedhof, der sich an dieser Stelle befunden hatte.[3][4]

Der Park ist in seiner Sachgesamtheit als Kulturdenkmal eingetragen. Über das Gelände führt ein Geschichtspfad. Die 40 Tafeln an den erhaltenen Grabmälern erinnern mit einem Kurzportrait an die dort begrabenen Persönlichkeiten.[1] Zwei Info-Tafeln informieren über die wechselhafte Geschichte des Israelitischen Friedhofs.[5]

Viele Jahrhunderte diente das vier Hektar große Areal der Reichsstadt Ulm als Begräbnisort.[5] Im Südteil stand bis 1377 die angeblich um das Jahr 600 erbaute spätere Ulmer Pfarrkirche samt einer nach 1372 gebauten Allerheiligenkapelle im ummauerten Friedhof. 1634 wurde der Friedhof nach Norden erweitert.[2] Bis in das 19. Jahrhundert lag der Kirchhof ungeschützt außerhalb der Stadtmauern. Er gehörte zur Vorgängerkirche des Ulmer Münsters, der Kirche „Unserer lieben Frau“. Die Patrizier hatten dort ihre Erbbegräbnisse mit prachtvollen Grabanlagen. Seit der Reformation der allein zulässige Ulmer Friedhof, war dieser Jahrhunderte lang zweigeteilt in einen vornehmeren und einen weniger angesehenen Teil.[1]

Mit der Aufklärung und dem Ende der Reichsstadtzeit wurden tiefgreifende Neuerungen durchgeführt. Im 19. Jahrhundert wurde auf dem Areal ein katholischer und ein israelitischer Friedhof angelegt,[6][7] für den in den Jahren 1853 und 1876 geringfügige Erweiterungen des bestehenden Friedhofs vorgenommen wurden. Es wurden Friedhofmauern, ein Leichenhaus und eine Kapelle gebaut sowie Pläne für eine Neuordnung des Friedhofes entworfen.[1] Die 1870 von Münsterbaumeister Ferdinand Thrän erbaute kleine Friedhofskapelle der Apostolischen Gemeinschaft, auch „Friedenskapelle“, befindet sich an der Frauenstraße 80[8] an der Südwestecke des Friedhofs.[2] Das Gotteshaus der katholisch-apostolischen Gemeinde an der Friedenstrasse 11 wurde 1907 im Südosten des Friedhofes erbaut. Entworfen wurde es von dem Architekten Theodor Veil, dem Büroleiter des Düsseldorfer Architekten Peter Behrens. Die Katholisch-Apostolische Kirche Ulm markiert in ihrer „grafisch strengen Ausrichtung bereits die Abkehr von der Formensprache des Jugendstils, der eigentlich erst mit dem Ersten Weltkrieg endete“.[9] In den Jahren 1908 bis 1910 wurde direkt neben dem jüdischen Abteil des Friedhofs die als Garnisonkirche angelegte evangelische Pauluskirche mit zwei über 50 Meter hohen Türmen gebaut.[3][4]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden im April 1936 auf dem alten jüdischen Friedhof etwa 15 Grabsteine stark beschädigt. Später wurden die Grabsteine des israelitischen Friedhofs abgeräumt, ebenso die mittelalterlichen Grabsteine an der Friedhofsmauer, und 1943 erfolgte die „Übernahme“ des Grundstücks in den Besitz der Stadt. 1945 war der Friedhof völlig zerstört.[3][4][6]

Gräber bekannter Persönlichkeiten und/oder erhaltene Grabsteine (Auswahl):

Grabstein Carl Rudolph von Berger
Grabstein Eduard und Marie Schwenk, Eduard Mauch
  • Friedrich Wilhelm Ludwig Aichele
  • Pauline Weiss Aichele
  • Philipp Graf von Arco (1775–1805)
  • Ernst Otto von Arlt (1818–1892)
  • Lina Schwarz Bach (1848–1895), Parzelle 2
  • Johann Friedrich von Bach (1788–1852)
  • Carl Rudolf Berger (1786–1845)
  • Karoline Burglen Heim (1836–1860)
  • Katharine Burglen Dorothea (1833–1880)
  • Albert Dreyfus (1878–1893), Parzelle 5
  • Kosmann Erlanger (1824–1896), Parzelle 14
  • Emanuel Erlanger (1821–1886), Parzelle 3
  • Wilhelmine „Mina“ Erlanger Dreifuss (1831–1874), Parzelle 1
  • Fortunat Konrad Fauler (1775–1827)
  • Ludwig Georg Dietrich Freiherr von Gaisberg-Schöckingen (1785–1864)
  • Carl/Karl von Heim (1820–1895)
  • Iakobine Heim Heim (1820–1854)
  • Sophie Schwab Hilb (1850–1885), Parzelle 10
  • Moritz Hirsch (1841–1897), Parzelle 7
  • Anna Moos Hirsch (1854–1924), Parzelle 7
  • Johanna Ullmann Kohn (1861–1897), Parzelle 11
  • Fanny Fischer von Knoerzer (1818–1892)
  • Karl von Knoerzer (1814–1889)
  • Friedrich Lebsanft (1842–1894)
  • Julius Leube (1815–1891)
  • Gustav Ernst Leube (1808–1881)
  • Johann Wilhelm von Leube (1799–1881)
  • Eva Freund Levi (1831–1890), Parzelle 6
  • Conrad Dietrich Magirus (1824–1895)
  • Gustav Adolf Malte[10]
  • Benjamin „Benny“ Mann (1845–1886), Parzelle 9
  • Eduard Mauch (1800–1874)
  • Johann Martin Miller (1750–1814)
  • Heinrich Abraham Moos (1834–1891), Parzelle 8
  • Helene Moos Einstein (1814–1887)
  • Johann Michael “John” Mueller (1794–1850)
  • Arnold Nathan (1859–1894), Parzelle 13
  • Karoline Steiner Nathan (1820–1895), Parzelle 12
  • Abraham Ruppert Einstein (1808–1868)
  • Johann George Schillingers (1764–1828)
  • Catharina Elisabetha Bürcklin Schillingers (1762–1803)
  • Johann Peter Spaeder (1801–1885)
  • Ferdinand von Steinbeis (1807–1893)
  • Eduard Schwenk (1812–1869)
  • Marie Schwenk (1828–1904)
  • Philipp Jakob Wieland (1793–1873)
  • Franziska (Fanny) von Stockmayer Wieland (1806–1860)
  • Louis Philipp Jacob Wieland (1831–1855)
  • Christoph Leonhard Wolbach (1783–1872)[4][11][12]
  • Hansmartin Ungericht: Der Alte Friedhof in Ulm: Bestattungsriten, Planungen und Grabmale. Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm – Dokumentation, 3, Band 3, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 978-3- 1700-5911-5
  • Barbara Treu: Dem Herzen ewig nah: Die Geschichte des Ulmer Alten Friedhofs Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 2014, ISBN 978-3-88294-463-1
Commons: Alter Friedhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Stadt Ulm: Alter Friedhof. In: Stadt Ulm. Abgerufen am 30. Juli 2024
  2. a b c Friedhof (Frauenstraße 80, Ulm). In: Landesarchiv Baden-Württemberg. Abgerufen am 31. Juli 2024
  3. a b c Der Alte Israelitische Friedhof. In: juedische-friedhoefe.info. Abgerufen am 30. Juli 2024
  4. a b c d Der alte jüdische Friedhof von Ulm. In: Jüdisch Historischer Verein Augsburg. Abgerufen am 31. Juli 2024
  5. a b Alter Friedhof. Grüne Oase mitten in der Stadt. In: Ulm/Neu-Ulm Touristik. Abgerufen am 31. Juli 2024
  6. a b Zur Geschichte des alten jüdischen Friedhofes (ab 1852/54). In: Alemannia Judaica. Abgerufen am 31. Juli 2024
  7. Joachim Hahn: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg und dem Innenministerium Baden-Württemberg, 1998, S. 59–69, archiviert vom Original am 3. Februar 2016; abgerufen am 31. Juli 2024.
  8. Liste der Kirchengebäude der Apostolischen Gemeinschaft. In: apostolische-geschichte.de. Abgerufen am 31. Juli 2024
  9. Dagmar Hub: Die vergessene Kirche. Neu-Ulmer Zeitung, 15. Februar 2015, archiviert vom Original am 25. April 2024; abgerufen am 31. Juli 2024.
  10. Ulm (Alter Friedhof: Frauenstraße), Baden-Württemberg. In denkmalprojekt.org. Abgerufen am 31. Juli 2024
  11. Alter Friedhof Ulm in der Datenbank Find a Grave. Abgerufen am 31. Juli 2024
  12. Findbuch EL 228 b II. In: Landesarchiv Baden-Württemberg. Staatsarchiv Ludwigsburg. Abgerufen am 31. Juli 2024

Koordinaten: 48° 24′ 16,1″ N, 9° 59′ 48,8″ O