Amazonisierung

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Begründung: Nicht etablierter Begriff (Buch ist erst im Mai erschienen, Rezeption nicht ersichtlich) Flossenträger 10:58, 5. Jul. 2024 (CEST)

Amazonisierung ist ein von Paul Reinbacher in seinem gleichnamigen Buch geprägter Begriff zur Beschreibung unserer zeitgenössischen (westlichen) Gesellschaft. Letztere lässt sich insofern als eine „Bequemlichkeitsgesellschaft“ bezeichnen, als sie „Convenience“ zu ihrem neuen axialen Prinzip erhebt. Am Beispiel des Online-Versandhändlers Amazon können damit einhergehende Entwicklungen in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft (zum Beispiel in der Wirtschaft, in der Politik oder im Bildungsbereich) anschaulich beschrieben werden, weshalb man insgesamt von einem Phänomen der gesellschaftlichen „Amazonisierung“ sprechen kann.[1][2]

Die Analyse ist unter anderem inspiriert von Diagnosen der McDonaldisierung (George Ritzer)[3] und der Disneyfizierung (Alan Bryman)[4]. Wie diese beiden identifiziert auch sie sowohl kurzfristige, angenehme Folgen, allen voran mehr Bequemlichkeit, als auch langfristige, unangenehme (Neben-)Wirkungen wie insbesondere Wertverlust, Zukunftspessimismus und Polarisierung entlang der neuen Differenz von bequem/unbequem. Amazonisierung beruht einerseits auf expliziten, manifesten Prinzipien und andererseits auf impliziten, latenten Mechanismen, die sowohl den Erfolg des bekannten Online-Versandhändlers als auch die Entwicklung der Gesellschaft charakterisieren. Zu den expliziten Prinzipien zählen vor allem die von Amazon-Gründer Jeff Bezos propagierte „customer obsession“ [5] (also „Kundinnen- und Kundenbesessenheit“) sowie in weiterer Folge das unbedingte Streben nach Innovation (inklusive hoher Lern- und Veränderungsbereitschaft oder Frustrations- und Fehlertoleranz), die strategische Langfrist-Orientierung (inklusive eines Verzichts auf kurzfristige Gewinne) und operative Exzellenz (inklusive kontinuierliche Verbesserung der Effektivität und Effizienz interner Strukturen).[6]

Gleichzeitig sensibilisiert das Konzept der Amazonisierung für die Ambivalenz gesellschaftlicher Entwicklungen. Damit ist nicht nur gemeint, dass das Leben für manche immer mehr Bequemlichkeit bringt, dies aber mit Unbequemlichkeit für andere (beispielsweise für jene, die in den Versandlagern von Amazon arbeiten) „erkauft“ wird. Darüber hinaus wird nämlich das Leben für die meisten von uns sowohl bequemer als auch unbequemer (zum Beispiel, weil neue Technologien zwar die Kommunikation erleichtern, zugleich aber Erwartungen an die Erreichbarkeit und Anforderungen an die Antwortgeschwindigkeit erhöhen).

Theoretischer Hintergrund

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Das im Alltag empirisch zu beobachtende Phänomen der Amazonisierung in einer Bequemlichkeitsgesellschaft, die "Convenience“ als axiales Prinzip etabliert, kann theoretisch mit den Analysen des US-amerikanischen Soziologen Talcott Parsons (1902–1979) erhellt werden. Jener hat vor einigen Jahrzehnten für die moderne westliche, insbesondere für die US-amerikanische Gesellschaft einen kulturellen Wertewandel beschrieben und diesen in das Begriffspaar von „institutionalized individualism“ und „instrumental activism“ als zunehmend dominantem Muster gefasst.[7] Demzufolge führt eine zunehmend an Dominanz gewinnende individuelle und instrumentelle Rationalität dazu, dass soziale Zusammenhänge heute vorrangig als instrumentelle Mittel zum Zweck der Erreichung individueller Ziele betrachtet werden. Amazonisierung, Bequemlichkeitsgesellschaft und das Streben nach "Convenience" sind Ausdruck ebendieses Sachverhalts: Viele Menschen verstehen sich heute vorrangig als Kundin bzw. Kunde statt beispielsweise in der Politik als Bürgerin bzw. Bürger oder im Bildungswesen als Schülerin bzw. Schüler und Studentin bzw. Student.[8]

Darüber hinaus lässt sich mit Georg Simmel (1858–1918) als einem wichtigen Gründervater der deutschsprachigen Soziologie vermuten, dass die immer bequemere Erlangung von vermeintlich wertvollen Erlebnissen an diesen eher vorbeiführt, was wiederum Wertverlust und Zukunftspessimismus befeuert: Wert hat für uns nur etwas, das über einer gewissen Schwelle der Anstrengung liegt und nicht selbstverständlich verfügbar ist (weshalb der Wert einer intakten Umwelt von vielen erst seit ihrer Gefährdung erkannt worden ist). [9]

  • Paul Reinbacher: Amazonisierung: Beobachtungen der Bequemlichkeitsgesellschaft. Marburg: Metropolis 2024, ISBN 978-3731615712

Einzelnachweise

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  1. Brian Dumaine: Bezonomics. How Amazon is Changing Our Lives, and What the World’s Best Companies are Learning From It. Simon & Schuster, London 2020, ISBN 978-1-982113-64-3.
  2. Brad Stone: The Everything Store: Jeff Bezos and the Age of Amazon. Bantam, London 2013, ISBN 978-0-316-23990-5.
  3. George Ritzer: The McDonaldization of Society: An Investigation Into the Changing Character of Contemporary Social Life. Thousand Oaks: Pine Forge 1993.
  4. Alan Bryman: The Disneyization of Society. London: Sage 2004.
  5. Jeff Bezos: Letter to shareholders. Abgerufen am 5. Juli 2024.
  6. Paul Reinbacher: Amazonisierung. ISBN 978-3-7316-1571-2, S. 49 ff.
  7. Talcott Parsons: American Society: A Theory of the Societal Community. Hrsg.: Giuseppe Scortino. Paradigm, Boulder 2007, ISBN 978-1-59451-228-5.
  8. Paul Reinbacher: Bildung der Gesellschaft: Zur Anatomie der Österreichischen Pädagogischen Hochschule. Passagen, Wien 2022, ISBN 978-3-7092-0524-2.
  9. Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Duncker & Humblot, Leipzig 1900.