Angiogenese

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Morphogenese der Blutgefäße
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Als Angiogenese (von altgriechisch ἄγγος ángos „Gefäß“ und γένεσις génesis „Entstehung“) bezeichnet man das Wachstum von Blutgefäßen, durch Sprossungs- oder Spaltungsvorgänge aus bereits vorgebildeten Blutgefäßen. Hiervon zu unterscheiden ist die Neubildung von Blutgefäßen aus Endothelialen Vorläuferzellen, welche als Vaskulogenese bezeichnet wird.

Formen der Neubildung von Blutgefäßen

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  • Vaskulogenese: Die Neubildung von Gefäßstrukturen durch zirkulierende Stammzellen (Angioblasten), die sich zu De-novo-Endothelzellen ausbilden. Diese Form der Gefäßneubildung spielt insbesondere bei der Entwicklung des Gefäßsystems während der Embryonalzeit eine Rolle.[1]
  • Angiogenese: Ausbildung von neuen Gefäßstrukturen, die eine Endothelzell-Auskleidung sowie auch glatte Muskelzellen und Perizyten aufweisen. Die Angiogenese spielt eine wichtige Rolle als Reparatur-Prozess bei der Wundheilung.
  • Arteriogenese: Bildung von Arterien und kleineren Arteriolen, die durch Rekrutierung glatter Muskelzellen eine vollständige Gefäßwand erhalten. Die Entstehung von Venen erfolgt nach dem gleichen Prinzip.

Unabhängig von ihrem Typ gehören alle Formen der Neubildung von Blutgefäßen im erwachsenen Organismus zur Neovaskularisation.[2]

Zunehmend setzt sich heute der Begriff Angiogenese als Überbegriff für alle Formen der Gefäßneubildung durch, da eine Abgrenzung der drei genannten Formen teilweise schwierig ist und das zugrunde liegende Prinzip einheitlich ist. Dabei kann auch nach der Funktion unterschieden werden, mit der regulären Angiogenese und der pathologischen (also krankheitsfördernden) Angiogenese. Letztere kann wiederum unterteilt werden in verstärkte (exzessive Angiogenese, z. B. beim Tumorwachstum) und unzureichende Angiogenese (insuffiziente Angiogenese, z. B. bei Wundheilungsstörungen).[3]

Es handelt sich um einen komplexen Prozess, bei dem die zur Bildung der Gefäßwände notwendigen Endothelzellen, Perizyten und glatten Muskelzellen durch verschiedene angiogenetische Wachstumsfaktoren, etwa Fibroblast Growth Factor (FGF) und Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) aktiviert werden.[4] Hierbei wird das die Kapillare umgebende Bindegewebe lysiert (verdaut), und es erfolgt eine Wanderung (Zellmigration) kleiner Zellausläufer in das Gewebe. Neue Kapillaren entstehen durch Proliferation (Vermehrung) und Migration (Wanderung) von vorbestehenden Endothelzellen. Die spätere Umwandlung der Kapillaren in Arteriolen und Arterien sowie Venolen und Venen stellt den Abschluss des durch Wachstumsfaktoren getriggerten Prozesses der Angiogenese dar und wird durch die Aktivierung bestimmter Gene festgelegt. Während Mitglieder der Notch-Familie für die Arteriogenese zuständig sind, wird die Bildung der Venen durch den Transkriptionsfaktor COUP-TFII gesteuert. Die abschließende Wandausbildung wird in beiden Fällen durch FGF und Platelet Derived Growth Factor (PDGF) und Angiopoetin-1 reguliert.

Therapeutische Angiogenese

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FGF-1 induzierte Angiogenese im humanen Myokard: Links, angiographischer Nachweis von neu gebildeten Gefäßen (blushing) im Bereich der Vorderwand des linken Ventrikels. Rechts, Grauwert-Analyse mit Nachweis eines etwa dreifachen Anstiegs der Gefäßdichte im Myokard im Vergleich zur Kontrolle.
Stress-SPECT-Untersuchung des menschlichen Herzens nach intramyokardialer FGF-1 Applikation: Normalisierung der Durchblutung der Herzvorderwand (3 Monate nach Behandlung).
FGF-1 induzierte Angiogenese im humanen Myokard: Nachweis der Durchblutungsverbesserung nach FGF-1 Injektion in das Myokard mittels Stress-SPECT Untersuchung.

Die Angiogenese ist von erheblicher biologischer und medizinischer Bedeutung. Man unterscheidet in der modernen Medizin zwei Formen der therapeutischen Anwendung des Prinzips Angiogenese:

  • Anti-angiogenetische Therapie
  • Pro-angiogenetische Therapie

Solide Tumoren sind abhängig von einem mitwachsenden Kapillarnetz (Tumor-induzierte Angiogenese oder Angioneogenese), das den Tumor mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Für das Wachstum eines soliden Tumors über ein Volumen von 1 bis 2 mm³ hinaus, ist die Neubildung von Blutgefäßen notwendig. Bestimmte Studien haben darauf hingewiesen, dass die in der Tumorgewebe gebildeten Gefäße unregelmäßiger und größer sind, was auch mit einer schlechteren Prognose verbunden ist.[5][6][7]

Ohne die Fähigkeit neue Blutgefäße für die Versorgung ausbilden zu können, bleiben die nicht-angiogenen Neoplasien auf eine symptomlose und klinisch nicht relevante Größe beschränkt.[8] Wird die Angiogenese unterdrückt, wird der Zustand der Tumor Dormancy erreicht. Entsprechend versuchen anti-angiogenetische Therapieansätze (Antiangiogenese), die Gefäßversorgung und damit die Durchblutung eines Tumors zu reduzieren/zu blockieren. Die erste Anti-Tumortherapie mit einem VEGF-neutralisierenden monoklonalen Antikörper (Bevacizumab – rhuMAb-VEGF) wurde im Jahr 2004 von der FDA bei metastasiertem Darmkrebs[9] zugelassen. Mittlerweile wird der Wirkstoff Bevacizumab auch in der Therapie von Brustkrebs,[10] Lungenkrebs[11] und Nierenkrebs[12] eingesetzt. Die Anwendung des Prinzips der Anti-Angiogenese zur Behandlung maligner Tumoren geht wesentlich auf die Forschungsarbeiten von Judah Folkman zurück, der sich seit den 1970er Jahren intensiv mit Angiogenese und Anti-Angiogenese beschäftigt hatte.[13][14][15] Der Antikörper Ramucirumab bindet an den Rezeptor VEGF R2 und verhindert so ebenso die Bildung von Blutgefäßen zur Nährstoffversorgung eines Tumors. Eingesetzt wird Ramucirumab in der Therapie von Magenkrebs.[16]

Die Erforschung pro-angiogenetischer Therapieformen begann Ende der 1990er Jahre, als erstmals angiogenetische Wachstumsfaktoren zur Behandlung der Arteriosklerose (insbesondere der Koronaren Herzkrankheit (KHK) und der peripheren Verschlusskrankheit (PAVK)) eingesetzt wurden.[17] Die weltweit erste klinische Studie zur Behandlung von KHK-Patienten wurde 1998 in Deutschland durchgeführt und verwendete den potenten angiogenetischen Wachstumsfaktor FGF-1.[18][19][20][21] Bis heute (2007) wurde FGF-1 in vier abgeschlossenen klinischen Studien untersucht – zur Behandlung der KHK und von chronischen Wundheilungsstörungen; weitere Studien – auch zur Behandlung der PAVK – sind im Gang.[22]

Hinsichtlich der Methodik der pro-angiogenetischen Therapieformen können heute drei Formen unterschieden werden:

  • Protein-Therapie
  • Gen-Therapie
  • Zell-Therapie.

Die Protein-Therapie setzt Wachstumsfaktoren mit angiogenetischer Potenz ein, allen voran Fibroblast Growth Factor-1 (FGF-1)[23][24][25] und Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF); mit diesen Wachstumsfaktoren liegen die größten klinischen Erfahrungen vor. Aber auch die Wachstumsfaktoren Interleukin-8 (IL-8), Epidermal Growth Factor (EGF), platelet-derived endothelial cell growth factor (PD-ECFG) und Platelet Derived Growth Factor (PDGF) und Transforming growth factor (TGF) besitzen eine gewisse angiogenetische Potenz. Die bisherigen Erfahrungen in klinischen Studien insbesondere mit FGF-1 sind vielversprechend: so konnten sowohl neue Gefäße im humanen Myokard, als auch eine myokardiale Durchblutungsverbesserung (einhergehend mit einer Belastungssteigerung der Patienten) nachgewiesen werden.[26][27][28]

In gentherapeutischen Studien wird das einen angiogenetischen Wachstumsfaktor codierende Gen appliziert – sei es als so genannte naked DNA (Plasmid DNA) oder als Adenovirus vermittelter Gentransfer. Vielfache noch ungelöste Probleme belasten die Gentherapie, insbesondere das Problem einer ineffizienten gene-transfection, unerwünschter Immunreaktionen, sowie einer potentiellen Toxizität der als carrier verwendeten Viren.

Die auf dem Transfer von verschiedenen Zelltypen basierende Zell-Therapie befindet sich noch in einem Anfangsstadium der Forschung; es liegen nur Studien mit kleinen Patientenzahlen und mit unterschiedlichen, teilweise sich widersprechenden Ergebnissen vor. Insbesondere die Art und die Zahl (Dosis) der verwendeten Zellen ist ausgesprochen unterschiedlich: so fanden verschiedene Formen der adulten Stammzellen (etwa endotheliale Progenitor Zellen (EPCs), hämatopoietische Stammzellen (HPSCs), mesenchymale Stammzellen (MSCs)) Eingang in erste klinische Pilot-Studien.

Einzelnachweise

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  1. W. Risau: Mechanisms of angiogenesis. In: Nature. Band 386, Nummer 6626, April 1997, S. 671–674. ISSN 0028-0836. doi:10.1038/386671a0. PMID 9109485. (Review).
  2. Thomas H. Adair, Jean-Pierre Montani: Angiogenesis. Morgan & Claypool Life Sciences, San Rafael, CA 2010.
  3. Pschyrembel Online. Abgerufen am 19. Dezember 2019.
  4. Michael H. Antoni, Susan Lutgendorf: Psychoendokrinologie und Psychoimmunologie in der Onkologie. In: Ulrike Ehlert, Roland von Känel (Hrsg.): Psychoendokrinologie und Psychoimmunologie. Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-16963-2, S. 293–312.
  5. Vladan Milosevic, Reidunn J. Edelmann, Ingeborg Winge, Carina Strell, Artur Mezheyeuski, Gøril Knutsvik, Cecilie Askeland, Elisabeth Wik, Lars A. Akslen, Arne Östman: Vessel size as a marker of survival in estrogen receptor positive breast cancer. In: Breast Cancer Research and Treatment. Band 200, Nr. 2, Juli 2023, ISSN 0167-6806, S. 293–304, doi:10.1007/s10549-023-06974-4 (springer.com [abgerufen am 20. Januar 2024]).
  6. Lars Tore Gyland Mikalsen, Hari Prasad Dhakal, Øyvind S. Bruland, Bjørn Naume, Elin Borgen, Jahn M. Nesland, Dag Rune Olsen: The Clinical Impact of Mean Vessel Size and Solidity in Breast Carcinoma Patients. In: PLOS ONE. Band 8, Nr. 10, 10. November 2013, ISSN 1932-6203, S. e75954, doi:10.1371/journal.pone.0075954, PMID 24146798, PMC 3795733 (freier Volltext) – (plos.org [abgerufen am 20. Januar 2024]).
  7. Vladan Milosevic, Reidunn J. Edelmann, Ingeborg Winge, Carina Strell, Artur Mezheyeuski, Gøril Knutsvik, Cecilie Askeland, Elisabeth Wik, Lars A. Akslen, Arne Östman: Vessel size as a marker of survival in estrogen receptor positive breast cancer. In: Breast Cancer Research and Treatment. Band 200, Nr. 2, Juli 2023, ISSN 0167-6806, S. 293–304, doi:10.1007/s10549-023-06974-4 (springer.com [abgerufen am 20. Januar 2024]).
  8. N. Almog: Molecular mechanisms underlying tumor dormancy. In: Cancer Lett. 294, 2010, S. 139–146. PMID 20363069
  9. H. Hurwitz u. a.: Bevacizumab plus Irinotecan, Fluorouracil and Leucovorin for Metastatic Colorectal Cancer. In: N Engl J Med. 350, 2004, S. 2335–2342.
  10. B. J. Klencke u. a.: Independent review of E2100 progression-free survival (PFS) with the addition of bevacizumab (B) to paclitaxel (P) as initial chemotherapy for metastatic breast cancer (MBC). (Memento des Originals vom 13. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/meeting.ascopubs.org (abstract). In: J Clin Oncol. Vol 26, No 15S (May 20 Supplement), 2008, S. 1036.
  11. A. Sandler u. a.: Paclitaxel-carboplatin alone or with bevacizumab for non-small-cell lung cancer. In: N Engl J Med. 255, 2006, S. 2542–2550.
  12. B. Escudier u. a.: Bevacizumab plus interferon alfa2a for treatment of metastatic renal cell carcinoma: a randomized, double-blind phase III trial (AVOREN). In: The Lancet. 370, 2007, S. 2103–2111.
  13. J. Folkman, M. Klagsbrun: Angiogenetic factors. In: Science. 235, 1987, S. 442–447.
  14. J. Folkman: Fighting cancer by attacking its blood supply. In: Sci Am. 275, 1996, S. 150–154.
  15. O. Benny, O. Fainaru, A. Adini, F. Cassiola, L. Bazinet, I. Adini, E. Pravda, Y. Nahmias, S. Koirala, G. Corfas, R. J. D’Amato, J. Folkman: An orally delivered small-molecule formulation with antiangiogenic and anticancer activity. In: Nat Biotechnol. 26(7), Jul 2008, S. 799–807. Epub 2008 Jun 29. PMID 18587385
  16. FDA approves Cyramza for stomach cancer. FDA, abgerufen am 25. August 2014 (englisch).
  17. M. Simons, R. O. Bonow, N. A. Chronos, D. J. Cohen, F. J. Giordano, H. K. Hammond, R. J. Laham, W. Li, M. Pike, F. W. Sellke, T. J. Stegmann, J. E. Udelson, T. K. Rosengart: Clinical trials in coronary angiogenesis: issues, problems, consensus: an expert panel summary. In: Circulation. 102, 2000, S. E73–E86.
  18. B. Schumacher, P. Pecher, B. U. von Specht, T. J. Stegmann: Induction of neoangiogenesis in ischemic myocardium by human growth factors. In: Circulation. 97, 1998, S. 645–650.
  19. J. Folkman: Angiogenic therapy of the heart. In: Circulation. 97, 1998, S. 628–629.
  20. T. J. Stegmann: A human growth factor in the induction of neoangiogenesis. In: Exp.Opin.Invest.Drugs. 7, 1998, S. 2011–2015.
  21. T. J. Stegmann, T. Hoppert: Combined local angiogenesis and surgical revascularization for coronary heart disease. In: Current Intervent. Cardiol. Reports. 1, 1999, S. 172–178.
  22. T. J. Stegmann, T. Hoppert, A. Schneider, M. Popp, G. Strupp, R. O. Ibing, A. Hertel: Therapeutic angiogenesis: intramyocardial growth factor delivery of FGF-1 as sole therapy in patients with chronic coronary artery disease. In: CVR. 1, 2000, S. 259–267.
  23. D. M. Ornitz, N. Itoh: Fibroblast growth factors. Genome Biol 2, 2001, S. 1–12.
  24. M. Blaber, J. DiSalvo, K. A. Thomas: X-ray crystal structure of human acidic fibroblast growth factor. In: Biochemistry. 35, 1996, S. 2086–2094.
  25. R. Khurana, M. Simons: Insights from angiogenesis trials using fibroblast growth factor for advanced arteriosclerotic disease. In: Trends Cardiovasc. Med. 13, 2003, S. 116–122.
  26. T. J. Stegmann: New Vessels for the Heart. Angiogenesis as New Treatment for Coronary Heart Disease: The Story of its Discovery and Development. CardioVascular BioTherapeutics, Henderson, Nevada 2004.
  27. L. E. Wagoner, D. D. Snavely, G. A. Conway, E. A. Hauntz, W. H. Merrill: Intramyocardial injection of fibroblast growth factor-1 for treatment of refractory angina pectoris: the initial US experience. In: Circulation. 110, 2004, S. 395.
  28. L. E. Wagoner, W. Merrill, J. Jacobs, G. Conway, J. Boehmer, K. Thomas, T. J. Stegmann: Angiogenesis Protein Therapy With Human Fibroblast Growth Factor (FGF-1): Results Of A Phase I Open Label, Dose Escalation Study In Subjects With CAD Not Eligible For PCI Or CABG. In: Circulation. 116, 2007, S. 443.