Asthma-Versorgungsleitlinie

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Die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma (kurz NVL Asthma, auch Asthma-Versorgungsleitlinie) ist eine Medizinische Leitlinie, die im Rahmen des deutschen Programms für Nationale Versorgungsleitlinien erstmals im Jahr 2005 veröffentlicht wurde[1][2] und seitdem regelmäßig aktualisiert worden ist, zuletzt im August 2024.[3][4][5] Die Leitlinie ist gültig bis zum 14. August 2029.[6]

Im Rahmen des Programms für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) haben die zuständigen Fachgesellschaften und Organisationen inhaltliche Eckpunkte für die Version 5 der NVL Asthma konsentiert. Die Beteiligung von Patienten und Patientinnen wird durch die Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG SELBSTHILFE), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) und dem FORUM chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband gewährleistet.[7]

Die hohe Prävalenz und Inzidenz des Asthmas in Deutschland sowie eine große Variationsbreite in der Versorgungsqualität verlangen verstärkte Bemühungen um die Optimierung der Versorgung von Patient*innen mit Asthma. Hierzu gehören verlässliche und allgemein akzeptierte Definitionen des Notwendigen und Angemessenen in Diagnostik, Therapie und Rehabilitation, basierend auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und der Praxis. Mit Hilfe der NVL Asthma soll die Qualität der Versorgung verbessert und die Stellung der Patienten und Patientinnen gestärkt werden.

Konkret erhoffen sich die Autoren und Autorinnen und die herausgebenden Organisationen der NVL Asthma dazu beizutragen, folgende Ziele zu erreichen:

  • die Präzisierung der Definition und die Aktualisierung der Diagnostik des Asthmas bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Abgrenzung der Subtypen (Phänotypen) und Differentialdiagnosen;
  • die Sicherung der bestmöglichen Lebensqualität und sozialen Teilhabe für Betroffene durch eine individuell optimierte medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie unter Berücksichtigung von Komorbiditäten mit dem Ziel des Erhalts der bestmöglichen Lungenfunktion, der Minimierung von Nebenwirkungen und Langzeitfolgen und der Förderung der Adhärenz;
  • die Implementierung von Selbstmanagement- und strukturierten Schulungsprogrammen zur Förderung der Krankheitsbewältigung bei Patient*innen mit Asthma;
  • die Optimierung einer koordinierten Versorgung in Notfallsituationen;
  • die Optimierung einer koordinierten Langzeitversorgung von Menschen mit Asthma unter Einbezug der verschiedenen Fachdisziplinen und Gesundheitsberufe sowie der Sektoren des Gesundheitssystems, insbesondere beim Übertritt vom Jugend- zum Erwachsenenalter[7]

Die medizinischen Inhalte der Leitlinie finden sich in folgenden Kapiteln:

  1. Definition und Epidemiologie
  2. Diagnostik und Monitoring
  3. Therapieplanung und gemeinsame Entscheidungsfindung
  4. Medikamentöse Therapie
  5. Anstrengungsinduzierte Symptome bei Asthma
  6. Nicht-medikamantöse Therapie
  7. Asthma-Anfall bei Erwachsenen
  8. Asthma-Anfall bei Kindern und Jugendlichen
  9. Asthma in der Schwangerschaft
  10. Asthma mit Arbeitsplatzbezug
  11. Rehabilitation
  12. Komplementäre und alternative Therapie
  13. Versorgungskoordination

Ausgewählte Empfehlungen der Leitlinie

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Die nachstehende Übersicht enthält solche Empfehlungen der Leitlinie, die auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten. Die Originaltexte der Leitlinien sind kursiv gesetzt (Quelle: NVL Asthma 2024 Version 5.0, publiziert im AWMF-Leitlinienregister[6])

Kapitel 2.2. Anamnese und Symptome

Empfehlung 2-1: Bei Verdacht auf ein Asthma soll eine ausführliche Anamnese erhoben werden - unter Berücksichtigung der in der nachstehenden Tabelle (Asthmaspezifische Anamnese) genannten Symptome, auslösenden Faktoren, Komorbiditäten und Risikofaktoren.

Asthmaspezifische Anamnese
Symptome (mit Häufigkeit, Variabilität und Intensität)
  • Wiederholtes Auftreten anfallartiger, oftmals nächtlicher Atemnot;
  • pfeifende Atemgeräusche („Giemen“);
  • Brustenge;
  • Husten mit und ohne Auswurf.
Auslösefaktoren
  • Atemwegsreize (z. B. Exposition gegenüber Allergenen, thermischen und chemischen Reizen, Rauch und Staub, pathologischer gastro-ösophagealer Reflux, rezidivierende und chronische Entzündungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich);
  • Tages- und Jahreszeit (z. B. Tag-/Nachtrhythmus, Allergenexposition);
  • Aufenthaltsort und Tätigkeit (z. B. Arbeitsplatz, Hobbys);
  • körperliche Belastung;
  • Atemwegsinfektionen;
  • Medikamente (z. B. NSAR, ASS, Betarezeptorenblocker);
  • emotionale Belastungsfaktoren;
  • aktive und passive Tabakexposition.
Risikofaktoren
  • Vorhandensein anderer Erkrankungen des atopischen Formenkreises
    (z. B. Ekzem,
  • Rhinitis);
  • positive Familienanamnese (Allergie, Asthma);
  • psychosoziale Faktoren.
Komorbiditäten
  • Erkrankungen der oberen Atemwege;
  • pathologischer gastro-ösophagealer Reflux;
  • Adipositas;
  • Rhinitis und Sinusitis;
  • dysfunktionale Atmung;
  • COPD;
  • psychische Erkrankungen.

Kapitel 2.4. Objektive Messungen zur Sicherung der Diagnose

Empfehlung 2-2: Um die Diagnose eines Asthmas zu erhärten, soll eine variable, (partiell) reversible Atemwegsobstruktion durch eine Lungenfunktionsprüfung, typischerweise durch Spirometrie, nachgewiesen werden.

Kapitel 2.6. Allergologische Stufendiagnostik

Empfehlung 2-12: Bei Patientinnen und Patienten mit Asthma soll eine allergologische Stufendiagnostik durchgeführt werden. Diese besteht aus:

  1. vertiefender Allergieanamnese einschließlich Berufsanamnese (ggf. Fragebogen);
  2. Nachweis der allergenspezifischen, Immunglobulin E (IgE) vermittelten Sensibilisierung mittels: Prick-Hauttest und/oder Bestimmung des spezifischen IgE; ggf. allergenspezifischen Organprovokationstests.

Kapitel 2.11. Asthmakontrolle

Empfehlung 2-15: Der Grad der Asthmakontrolle soll in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um festzustellen, ob die Therapieziele erreicht werden und eine Anpassung der Therapie (Intensivierung/Reduktion) indiziert ist.

Kapitel 2.12. Monitoring

Empfehlung 2-16: Bei jeder Verlaufskontrolle sollen folgende Parameter erhoben werden:

  • Asthmasymptome tagsüber;
  • Asthmasymptome bei körperlicher Belastung;
  • nächtliches Erwachen aufgrund von Symptomen;
  • Häufigkeit des Einsatzes von Bedarfsmedikation;
  • Einschränkungen der Aktivitäten des Alltags;
  • Therapieadhärenz;
  • Inhalationstechnik;
  • Häufigkeit des Auftretens und Auslöser von Exazerbationen;
  • Wirksamkeit und Verträglichkeit der medikamentösen Therapie.

Kapitel 4.1. Ziele der medikamentösen Therapie

Empfehlung 4-1: Die gebräuchlichsten Antiasthmatika sind zur inhalativen Applikation verfügbar. Bei Vorliegen mehrerer Darreichungsformen eines Wirkstoffes soll die inhalative Applikation bevorzugt werden.

Empfehlung 4-2: Patientinnen und Patienten mit diagnostiziertem Asthma sollen gemäß Stufenschemata der Leitlinie behandelt werden (siehe Abbildung 4 und Abbildung 5 auf den Seiten 40 und 41 der Langfassung der Leitlinien)[8].

Kapitel 4.12. Impfschutz bei Patientinnen und Patienten mit Asthma

Empfehlung 4-64: Asthma erhöht, wie andere chronische Erkrankungen, das Risiko, an Influenza und Pneumokokkeninfektionen zu erkranken. Patientinnen und Patienten mit Asthma sollen daher Impfungen gemäß den Empfehlungen der STIKO angeboten werden.

Kapitel 5. Anstrengungsinduzierte Symptome bei Asthma

Empfehlung 5-2: Die Behandlung des Asthmas soll sicherstellen, dass Patientinnen und Patienten mit Asthma auf körperliche und sportliche Aktivität langfristig nicht verzichten müssen.

Kapitel 6. Nicht-medikamentöse Therapie

Kapitel 6.1. Selbsthilfemaßnahmen

Empfehlung 6-1: Die medikamentöse Therapie des Asthmas soll regelmäßig durch nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen ergänzt werden.

Empfehlung 6-2: Selbsthilfetechniken bei Atemnot sollen allen Patientinnen und Patienten mit Asthma im Rahmen von Schulungen, Lungensport, physiotherapeutischen oder rehabilitativen Interventionen vermittelt werden.

Kapitel 6.2. Schulung

Empfehlung 6-3: Jedem Patienten/jeder Patientin mit Asthma und der Indikation zu einer medikamentösen Langzeittherapie (bei Kindern und Jugendlichen auch deren Familien) soll ein strukturiertes, verhaltensbezogenes Schulungsprogramm empfohlen und der Zugang dazu ermöglicht werden.

Empfehlung 6-6: Jeder Patientin/jedem Patienten soll ein individueller, strukturierter Asthma-Aktionsplan bzw. Selbstmanagementplan zur Verfügung gestellt werden.

Kapitel 6.3. Körperliches Training

Empfehlung 6-7: Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin sollen Patientinnen und Patienten mit Asthma regelmäßig zu geeigneten Maßnahmen des körperlichen Trainings motivieren, um die Belastbarkeit und Lebensqualität zu verbessern und die Morbidität zu verringern.

Kapitel 6.4. Atemphysiotherapie

Empfehlung 6-9: Atemphysiotherapie sollte Patientinnen und Patienten mit Asthma und zusätzlichem Behandlungsbedarf, z. B. bei Dyskrinie oder bei durch Atemnot bedingter Angst angeboten werden.

Kapitel 6.5. Tabakentwöhnung

Empfehlung 6-10: Allen rauchenden Patientinnen und Patienten mit Asthma soll zur Tabakabstinenz geraten werden.

Empfehlung 6-11: Ausstiegsbereite rauchende Patientinnen und Patienten sollen ärztlicherseits bezüglich der Tabakentwöhnung beraten werden und es sollen nicht-medikamentöse und medikamentöse Hilfen angeboten werden.

Empfehlung 6-12: Patientinnen und Patienten mit Asthma soll eine rauchfreie Umgebung ermöglicht werden.

Kapitel 6.6. Psychosoziale Aspekte

Empfehlung 6-13: Die psychische Situation und das soziale Umfeld der Patientinnen und Patienten – bei Kindern und Jugendlichen insbesondere das familiäre Umfeld – sollen in die Therapie und in die Verlaufsbeurteilung einbezogen werden.

Kapitel 6.7. Kontrolle des Köpergewichtes

Empfehlung 6-14: Patientinnen und Patienten mit Asthma und Adipositas soll eine Gewichtsreduktion empfohlen werden.

Kapitel 6.8. Verminderung der Allergenexpostion

Empfehlung 6-15: Allergenkarenz soll – soweit möglich – eine der Grundlagen der Behandlung des allergischen Asthmas sein.

Empfehlung 6-16: Bei Patientinnen und Patienten mit Asthma und nachgewiesener Tierallergie mit spezifischer Sensibilisierung und Symptomen bei Allergenexposition soll eine vollständige Vermeidung des direkten und indirekten Tierkontaktes angestrebt werden.

Kapitel 6.9. Regulierung des Innenraumklimas

Empfehlung 6-17: Ein feuchtes Innenraumklima und Schimmelbefall sollen beseitigt werden.

Kapitel 12. Komplementäre und alternative Therapie

Empfehlung 12-1: Patient*innen sollen gefragt werden, ob sie für die Behandlung des Asthmas alternative oder komplementäre Verfahren anwenden und gegebenenfalls über damit einhergehende Risiken aufgeklärt werden.

Empfehlung 12-2: Akupunktur, Homöopathie und Hypnose sollen zur Behandlung des Asthmas nicht empfohlen werden.

Kapitel 13.5. Patientenselbsthilfe
Empfehlung 13-14: Die Ärztin oder der Arzt soll die Patientinnen und Patienten auf die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Patientenselbsthilfeorganisation hinweisen.

Beteiligte Organisationen

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An der Entwicklung und Herausgabe der Leitlinie waren folgende Organisationen beteiligt:

Fassungen der Leitlinie

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Die Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma wurde mit folgenden Komponenten publiziert:[6]

  • Langfassung[7]
  • Leitlinienreport[10]
  • weitere Materialien: Patienteninformationen, Dokumentationsbögen.[6]

Einzelnachweise

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  1. J.-D. Hoppe, A. Köhler, G. Ollenschläger, A. Encke, I. Kopp, H.-K. Selbmann: Nationale Versorgungs-Leitlinie* Asthma. In: Deutsches Ärzteblatt⏐⏐PP⏐⏐Heft 11⏐⏐November 2005, S. 522–526. 10. November 2005, abgerufen am 7. Oktober 2024.
  2. Übersicht NVL Asthma, 1. Auflage 2005 — Versorgungsleitlinien.de. 30. Dezember 2006, abgerufen am 7. Oktober 2024.
  3. NVL Asthma 2024 - Deutsche Atemwegsliga e.V. Abgerufen am 7. Oktober 2024.
  4. Neue Version der Nationalen VersorgungsLeitlinie Asthma veröffentlicht. 27. August 2024, abgerufen am 7. Oktober 2024 (deutsch).
  5. KVNO: Neue Version der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma veröffentlicht | KV Nordrhein. 10. Juli 2024, abgerufen am 7. Oktober 2024.
  6. a b c d S3-Leitlinie NVL Asthma 2024, AWMF Leitlinienregister. Abgerufen am 7. Oktober 2024.
  7. a b c Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma Version 5.0 2025 (Langfassung). 6. September 2024 (archive.org [PDF]).
  8. Medikamentöses Stufenschema ERWACHSENE und Medikamentöses Stufenschema KINDER UND JUGENDLICHE. In: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.): Nationale Versorgungsleitlinie Asthma 2024. S. 40, 41 (awmf.org [PDF]).
  9. Aufgaben und Ziele. In: DFPP - Deutsche Forschungsgruppe Pneumologie in der Primärversorgung. Abgerufen am 8. Oktober 2024.
  10. Leitlinienreport NVL Asthma 2024. (awmf.org [PDF]).