Benutzer:Avron/Lederstreifige Panzerung

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Streifenmuster der vermeintlichen lederstreifigen Panzerung auf einer mittelalterlichen Miniatur
Streifenmuster der vermeintlichen lederstreifigen Panzerung auf einer mittelalterlichen Miniatur

Lederstreifige Panzerung ist eine Bezeichnung, die für verschiedene im 19. Jahrhundert diskutierte europäische Rüstungsformen des 13. und 14. Jahrhunderts steht. Die Theorie der lederstreifigen Panzerung entstand, als die junge Mediävistik (Mittelalterforschung) diverse Formen von mittelalterlichen Rüstungen diskutierte sowie klassifizierte und entsprach dem damaligen Stand der Wissenschaft[1]. In der neueren Forschung wird diese Theorie nicht mehr anerkannt.[2][3]

Begriffsgeschichte

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Die deutschsprachige Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunders verwendet den Begriff „lederstreifige“ Panzerung.[4][5][6] Seltener wird von der geriemten Panzerung gesprochen.[7] Liliane und Fred Funcken führten hingegen den Begriff „Pseudo-Ringelpanzer“ ein.[8] Die englischsprachige Literatur verwendet „Banded mail“ (etwa „gebänderte Kettenrüstung“).

Hypothetische Rekonstruktion einer ‚lederstreifigen‘ Panzerung (Karl Gimbel, um 1890)

Zahlreiche mittelalterliche Darstellungen (Miniaturen, Zeichnung, Grafiken und Statuen), zeigen Panzerungen die mit meist horizontal, seltener vertikal, verlaufenden Bändern oder Linien durchzogen sind. Nach Meinung von Historikern wie Eugène Viollet-le-Duc oder Eduard Freiherr von Sacken lassen sich diese nicht als Ketten- oder Schuppenpanzer identifzieren sondern zeigen die lederstreifige Panzerung. Die meisten Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gingen von der tatsächlichen Existenz solcher Panzerung aus.

Die Theorie der lederstreifigen Panzerung gibt es in mehreren Ausprägungen:

  • Samuel Rush Meyrick entwickelte die Theorie eines Stoffgewandes, welches – horizontal oder auch vertikal – mit Schnüren oder (Leder-) Bändern besetzt war. Auf diesen Bändern sollen Ringe oder Plättchen aufgefädelt worden sein. Demnach handelt es sich also um einen Abkömmling des Schuppenpanzers.[9] Möglicherweise wurden die Ringe oder Plättchen aber auch direkt in Reihen auf das Gewand genäht. Zwischen den Panzerreihen sollen Stoff- oder Lederstege eingearbeitet worden sein, die den typischen Bändereffekt hervorgerufen haben sollen.
  • J. G. Wallers Theorie besagt hingegen, dass in Maschenreihen gewöhnlicher Ketternrüstungen Lederbänder eingefädelt sind.[10]
  • Otto von Leber nach liefen waagrechte Reihen von Eisenringen um das Hemd, wobei jede Folgende halb auf die Vorherige genäht war, jeder Ring war oben und unten angeheftet. Diese Nähte versuchte man durch darübergenähte Lederstreifen zu decken.[11][12]
Der einfachste Erklärungsversuch: Die scheinbar unterschiedliche Ausrichtung der Ringbögen eines Ringpanzerhemdes, bei dem jeweils ein Ring mit vier weiteren verbunden ist

Bis etwa 1930 galt die Existenz der lederstreifigen Panzerung als erwiesen, bis Francis Michael Kelly verschiedene Formen in Frage stellte und nur noch die Theorie von J. G. Weller für halbwegs glaubhaft hielt.[13] [14] Claude Blair hält 1959 auch diese Theorie für nicht glaubhaft. Zwar ist das Einflechten von Bändern bei orientalischen Hauberts zu beobachten, jedoch nur um den Kragen zu versteiffen damit er vom Nacken absteht.[15]

Seit dem interpretieren die Wissenschaftler die mittelalterlichen Abbildungen nicht als eine eigene Rüstungsart und erklären die Bänderdarstellung auf verschiedene Weise:

  • Die Abbildungen werden als gewöhnliche Kettenhemden interpretiert; der Bändereffekt wird als eine stilisierte Darstellung der entstehnden optischen Täuschung erklärt. Ein horizontaler, selten vertikaler Bändereffekt ist bei Ringpanzerhemden wahrnehmbar, es kommt hier auf den Standpunkt des Betrachters und die Lichtverhältnisse an. Der Effekt resultiert hauptsächlich aus der unterschiedlichen sichtbaren Ausrichtung der Ringreihen, deren Bögen einmal nach rechts, dann wieder nach links weisen. Bei der verbreiteten mittelalterlichen Fertigungsweise ist immer ein Ring mit vier weiteren verbunden. Eine Seite des Einzelringes wird weitgehend durch die anderen Ringe verdeckt, so dass sich scheinbar unterschiedlich ausgerichtete Reihen ergeben.[16] Wenn verschiedene Darstellungsarten in einem Bild zu sehen sind, gehen die meisten Wissenschaftler davon aus, dass die verschiedenen Darstellungsweisen gewählt wurden, um Monotonie zu vermeiden.[17]
  • Einige Waffenforscher (u.a. Paul Martin) versuchten das Streifenmuster der Darstellungen auch durch die Verwendung unterschiedlicher Ringformen zu erklären. Man habe etwa abwechselnd neben herkömmlichen, verschweißten Ringen auch ausgestanzte Ringe verwendet, oder unterschiedliche Ringgrößen verarbeitet. Die Verwendung unterschiedlicher Ringe bzw. Ringgrößen ist aber erst bei spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Panzerhemden nachweisbar.
  • Eine andere These interpretiert die Abbildungen als Schuppenpanzer bzw. Abarten davon. Jedoch wurden bisher keine archäologischen Beweise gefunden, welche diese These untermauern würden.[18] Rekonstruktionen des polnischen Bechters und des russischen Kuyaks – beides Lamellenpanzer – zeigen eine Ähnlichkeit mit der mittelalterlichen Darstellungen. Möglicherweise war die Panzerung ein Kompromiss, bei dem sich die Panzerreihen nicht überlappten, um der Rüstung eine höhere Flexibilität zu verleihen.
  • Blaire, Claude: European Armour circa 1066 to circa 1700. London, 1959
  • Funcken, Liliane und Fred: Historische Waffen und Rüstungen. – München, 1980 (zahlr. spätere Aufl.)
  • Gimbel, Karl: Die Reconstructionen der Gimbel'schen Waffensammlung. Berlin, 1902
  • Kelly, F.M.: Römisch-Romanische Ringelpanzer – Ihre Darstellung in der gleichzeitigen Kunst. In: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde, 13 (Neue Folge, 4), Berlin, 1923/34
  • Francis Michael Kelly und Randolph Schwabe: A short history of costume & armour, Charles Scribner's Sons, 1931 [3]
  • Martin, Paul: Waffen und Rüstungen – von Karl dem Großen bis zu Ludwig XIV. Frankfurt am Main, 1967
  • Meyrick, Samuel R.: A critical inquiry into ancient armour.... – London, 1824
  • Saxtorph, Niels M.: Kriegstrachten in Farben. Von den Anfängen der Geschichte bis zum 17. Jahrhundert. Berlin, 1971
  • Viollet-le-Duc, Eugène: Encyclopédie mediévale, 2 Bde. – Bayeux, 1879
  • Charles Ffoulkes, The armourer and his craft from the XIth to the XVIth century, London 1912, ISBN 9780486258515 [4]
  • Charles Ffoulkes, Armour & Weapons, Oxford 1909, ISBN 9781443755306 , [5]
  • George Cameron Stone, A glossary of the construction, decoration, and use of arms and armor in all countries and in all times, Courier Dover Publications, 1999, ISBN 9780486407265 [6]
  • John Hewitt, Ancient armour and weapons in Europe: From the iron period of the northern nations to the end of the thirteenth century , John Henry and James Parker, 1855 [7]
  • John Hewitt, Ancient Armour and Weapons in Europe: The fourteenth century, J. Henry and J. Parker, 1860 [8]
  • Herbert Haines, Oxford Architectural & Historical Society: A manual of monumental brasses, J. H. and J. Parker, 1861 [9], Seite cxlix
  • Kelly DeVries, Robert Douglas Smith: Medieval weapons, ABC-CLIO, 2007, ISBN 9781851095261 [10] Seite 74
  • [11] ‚Rekonstruktion‘ eines hochmittelalterlichen Ritters (um 1200) auf der Marksburg bei Braubach. Die originale, voll funktionsfähige Rekonstruktion Karl Gimbels wurde allerdings durch eine vereinfachte Nachbildung der Panzerung ersetzt. Der Krieger ist Teil der berühmten Gimbelschen Rüstungssammlung.
  • [12] Beschreibungen und Erklärungen bei Arador, (engl., eingesehen am 7. November 2009)
  • [13] Beschreibungen und Erklärungen bei myarmoury.com (engl., eingesehen am 9. Juli 2010)
  • [14] Versuch einer Rekonstruktion durch einen Hobbyarchäologen.

Einzelnachweise

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  1. Charles J. Ffoulkes, The armourer and his craft, Oxford, 1912, Seite 46–48 (engl. eingesehen am 7. Juni 2010)
  2. Claude Blaire: European Armour. S. 35
  3. H. A. Tummers: Early secular effigies in England: The thirteenth Century. Brill, Leiden 1980, ISBN 9-0040-6255-6, S. 67
  4. Hermann Weiss, Kostümkunde, Verlag Von Ebner & Seubert, 1864, Seite 634, http://books.google.de/books?id=HQgZCamuk9cC
  5. Eduard Sacken, Die K.k. Ambraser-Sammlung, W. Braumüller, 1855, Seite 61, http://books.google.de/books?id=33ZtM8HNvqQC
  6. Friedrich Otto Leber, Wien's Kaiserliches zeughaus, Koehler, 1846, Seite 496, http://books.google.de/books?id=4C0e7zgc_UYC
  7. Friedrich Otto von Leber: Die Ritterburgen Rauheneck, Scharfeneck und Rauhenstein, Braumüller & Seidel, 1844, Seite 255, [1]
  8. Liliane und Fred Funcken: Historische Waffen und Rüstungen. Bassermann, 2008, S. 20
  9. Charles Ffoulkes: The armourer and his craft, Seite 47–48
  10. Charles Ffoulkes: The armourer and his craft, Seite 47–48
  11. Friedrich Otto Leber, Wien's Kaiserliches Zeughaus, Koehler, 1846, Seite 496, http://books.google.de/books?id=4C0e7zgc_UYC
  12. John Hewitt, Ancient armour and weapons in Europe, Seite 266
  13. Francis Michael Kelly und Randolph Schwabe: A short history of costume & armour, Charles Scribner's Sons, 1931, Seite 57 [2]
  14. Funcken, Liliane und Fred: Historische Waffen und Rüstungen, Bassermann, 2008, S. 22
  15. Blaire, Claude: European Armour, Seite 35
  16. Blaire, Claude: European Armour, Seite 35
  17. George Cameron Stone, A glossary of the construction, decoration, and use of arms and armor in all countries and in all times, Seite 91
  18. Kelly DeVries, Robert Douglas Smith: Medieval weapons, Seite 74


Kategorie:Geschichtswissenschaftliche Kontroverse Kategorie:Mediävistik