Benutzer:Blaua/Artikelentwurf/Systemisches Konsensieren

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Systemisches Konsensieren ist ein Werkzeug für Gruppenentscheidungen. Zum Erzielen eines möglichst konfliktarmen Ergebnisses werden die Widerstände in der Gruppe offengelegt.

Für jede der möglichen Optionen wird der Gruppenwiderstand ermittelt. Dieser setzt sich aus den aufsummierten Widerständen aller Beteiligten zusammen. Der Grund für einen Widerstand kann vielfältig sein, ein massives Bedenken, ein eher diffuses Unwohlsein oder ein konkreter Einwand. Jedes Gruppenmitglied vergibt je Option einen quantifizierten Widerstandswert (Null für keinerlei Widerstand).[1] Vereinfacht gesagt wird nicht der Vorschlag mit den meisten Befürwortern gesucht, sondern jener mit den wenigsten Gegnern und somit dem geringsten Konfliktpotential.[2]

Die übliche Skalierung der Widerstandwerte ist von 0 (keinerlei Widerstand) bis 10 (massiver Widerstand). Ein reduzierte Skala von 0 bis 5 kann bei großen Gruppen sinnvoll sein. Bei hohem Zeitdruck oder zum Kennenlernen der Methode empfiehlt sich eine vereinfachte Skala (0=Vorschlag mittragend, 1=ernste Bedenken, 2=totale Ablehnung).[3]

„Wir verwenden ...[beim Einsatz in der Organisationsentwicklung] den Begriff Widerstandsabfrage, weil sich darunter die meisten Menschen spontan das Richtige vorstellen können.“

Schröder und Österreich, In: Das kollegial geführte Unternehmen, S. 177

Veranschaulichung an einem Alltagsbeispiel

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Eine Familie möchte sich auf ein gemeinsames Abendessen einigen. Bei der klassischen Frage nach den Präferenzen fällt die Entscheidung mit drei Stimmen (relative Mehrheit) zugunsten der Fisch-Option. Bei der Widerstandsabfrage ergibt sich eine differenzierteres Stimmungsbild. Der eine Sohn empfindet maximalen Widerstand gegen Fisch und vergibt eine 5 (Widerstandsskala von 0-5). Bei der Pizza gibt es nur zwei geringe Widerstände und der Gruppenwiderstand ist am niedrigsten. Im Ergebnis erreicht die Pizza-Option die höchste Akzeptanz.

Begrifflichkeiten und Rahmenbedingungen

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Grundlage des Systemischen Konsensierens ist eine umfassende Herangehensweise, der Blick wird auf das gesamte System gerichtet.[4] Raum bekommen dabei sowohl Wünsche und realistätsferne Erwartungen, als auch ein diffuses Unwohlsein, Bedenken und offene Widersprüche. Die Idee ist, aus dieser Gemengelage jene Lösung mit der höchsten Akzeptanz, dem größtmöglichen Konsens zu finden.

Der Widerstand läßt sich dabei analog wie bei einem elektrischen elektrischen Stromkreis als Hinweisgeber sehen. Der Strom geht den Weg des geringsten Widerstands. Je weniger Widerstand, um so mehr Energie kann fließen.[5] Elementar für eine erfolgreiche Anwendung sind gewisse Rahmenbedingungen. So sollte im Vorfeld über eine erläuternde Einführung eine Methodenakzeptanz[6] sichergestellt werden.

Ausprägungen des Konsensierens

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Schnellkonsensieren (auch: Einwandfrage)

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Dient dazu einen Vorschlag abzuprüfen und möglicherweise verdeckte Bedenken sichtbar zu machen ("Ich schlage vor, nach der Pause die Stühle in einem Kreis anzuordnen. Gibt es Einwände?").[7]

Auswahlkonsensieren

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Es sind bereits mehrere feste Optionen vorhanden. Diese werden in eine Rangfolge gebracht. Beispielsweise bei einem Kinoabend, wo drei Filme zur Auswahl stehen.[8]

Vertieftes Konsensieren (systemisches Konsensieren)

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Sinnvoll bei komplexen Fragenstellungen. Kreativer Prozess mit Ähnlichkeiten zu klassischen Moderationsmethoden. Bei der Erfassung der Ausgangslage werden auch weichen Faktoren Raum gegeben, wie limitierende Rahmenbedingungen oder unausgesprochene Erwartungen. Die entwickelten Vorschläge werden per Meinungsbild bewertet und gegenbenenfalls in weiteren Runden angepasst oder ergänzt.[9][10]

Nutzung der Prinzipien des Systemischen Konsensierens für eine persönliche Entscheidungssituation. Die unterschiedlichen innere Persönlichkeitsanteile (der Befürworter, der Bremser, der Mutige, der Vorsichtige, der Fleißige, der Bequeme, etc.) werden nacheinander nach ihren Widerständen abgefragt.[11][12][13]

Eine zusätzliche Offenheit im Entscheidungsraum schafft die Nutzung der Passivoption. In der älteren Literatur findet sich auch noch die Bezeichnung "Nullopition" oder "Null-Lösung". Mit der Passivoption wird auf eine Entscheidung verzichtet und der Ist-Zustand beibehalten. Es entsteht eine Klarheit darüber, was ein unveränderter Status Quo bedeuten würde und welche Anforderungen eine tragfähige Lösung mindestens erreichen sollte. Unter Umständen kann die Passivoption auch eine Vertagung bedeuten ("Wir entscheiden heute nicht."), um beispielsweise bis zu einem definierten Zeitpunkt weitere Informationen zu beschaffen.[14][15]

Anwendungsbereiche

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Genutzt wird das Systemische Konsensieren beim Coaching und der Organisationsentwicklung,[16] aber auch bei Bürgeriniativen,[17] und der Mediation.[18] Auch viele Initiativen, die sich den Prinzipen der Soziokratie oder der Gemeinwohl-Ökonomie verschrieben haben, verwenden das Systemische Konsensieren.[19] Praxisbespiele finden sich auch in der Kommunalverwaltung,[20] so seit 2017 in Österreich für die Bürgerbeteiligung bei öffentlichen Angelegenheiten in der Gemeinde Munderfing.[21][22] Bei der Entscheidungsfindung bei Wohnprojekten findet das Systemische Konsensieren besonders häufig Anwendung, sowohl bei Co-housing-Projekten[23] wie auch bei großflächigen Mehrgenerationenhäusern.[24][25]

Polarisierung und Konsensieren bei einer Klassensprecherwahl

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Bei einer klassischen Mehrheitswahl kommt es leicht zu Spannungen und einer Verstärkung der Meinungsverschiedenheiten. Ein Grund sind fehlendes Wissen über unausgesprochene oder verdeckte Einflußfaktoren. Beim Konsensieren werden diese Informationen aufgedeckt und ihnen Raum gegeben.

Exemplarisch läßt sich dies an einer Klassensprecherwahl darstellen. Von den drei Kandidaten vereint Kandidat A 40% der Stimmen auf sich und wäre somit mit relativer Mehrheit gewählt. Tatsächlich gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl "schweigender" Mitschüler. Sie haben sich komplett enthalten, da sie keinem der Kandidaten ihre Stimme geben wollen. Offensichtlich besteht hier ein latentes Unwohlsein.

Neben diesem Unwohlsein bei den "Nicht-Wählern" existiert ein weiterer Umstand, der durch das Konsensieren sichtbar wird. Jeder Schüler vergibt Widerstandwerte (Skala von 0 bis 2). Das Stimmungsbild zeigt, wie unversöhnlich sich die Wähler-Lager der beiden Kandidaten A und C gegenüber stehen. Beide Lager signalisieren fast durchgängig ernste Bedenken (Widerstandswert 1) oder totale Ablehnung (Widerstandswert 2) gegenüber dem jeweils anderen Kandidaten.

Eine Ausnahme von dieser Polarisierung stellt Kandidat B dar. Auch er erhielt Widerstandsbewertungen, doch sein Gruppenwiderstand liegt mit 13 deutlich unter dem von A (20) und B (17). Unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz in der Klasse ist er der Klassensprecher mit dem höchsten Konsenspotential.

Entstehung und Entwicklungen

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  • Entwickelt wurde das Verfahren in den 1980er Jahren von zwei Österreichern. Erich Visotschnig und Siegfried Schrotta arbeiteten in der Computerindustrie und suchten nach Alternativen zu den vorherrschenden hierarchischen Entscheidungsstrukturen.
  • 2005 veröffentlichten sie ihr erstes Buch zum SK-Prinzip und begannen Seminare und Vorträge anzubieten.
  • Gemeinsam mit Georg Paul erschien 2009 das Buch "Systemisches Konsensieren, Der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg" und ein Jahr später erfolgte die Gründung des SK-Instituts ISYKONSENS.
  • Seit 2009 bestehen wachsende Verbindungen zur Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Beide Methoden teilen ein ähnliches Menschenbild.
  • 2019 wurde ein Methodenbeirat gegründet. Die dort versammelten gleichberechtigten SK-Experten halten die Entscheidungsbefugnis über die SK-Methode und deren Weiterentwicklung.


dito: https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/5900114

  • Erich Visotschnig, Siegfried Schrotta: Das SK-Prinzip. Verlag Carl Ueberreuter, Wien, 2005.
  • Georg Paulus, Erich Visotschnig, Siegfried Schrotta: Systemisches Konsensieren. Der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg. Danke-Verlag, Holzkirchen, 2020, ISBN 978-3-9808635-4-4
  • Josef Maiwald: Smart entscheiden! Methoden und Strategien, die Sie voranbringen. Tredition-Verlag, Holzkirchen, 2014, ISBN 978-3-934051-09-06.
  • Claudia Schröder, Bernd Oesterreich: Das kollegial geführte Unternehmen. Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen. Verlag Franz Vahlen, München, 2017, ISBN 978-3-8006-5229-7
  • Siegfried Schrotta (Hrsg.): Wie wir klüger entscheiden. Verlag Styria, Gratkorn, 2011, ISBN 978-3-901921-44-5

Einzelnachweise

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  1. "Wie Sie tragfähige Entscheidungen treffen", In: Deutsche Apothekerzeitung, veröffentlicht 2017-07-24, geladen am 2024-06-23
  2. Siegfried Schrotta (Hrsg.): Wie wir klüger entscheiden. Verlag Styria, Gratkorn, 2011, ISBN 978-3-901921-44-5, S. 23
  3. Georg Paulus, Erich Visotschnig, Siegfried Schrotta, In: Systemisches Konsensieren. Der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg. Danke-Verlag, Holzkirchen, 2020, ISBN 978-3-9808635-4-4, S. 89
  4. 1x1 der Fachbegriffe: Systemisches Konsensieren. in: Newsletter 12/2023 des Landeskompetenzzentrum zur sprachlichen Bildung und Förderung in Sachsen, geladen 12.07.2024, [1]
  5. Lisa Zenker: Entscheiden in selbstorganisierten Teams – systemisches Konsensieren. in: Netzwerkknoten.com, veröffentlicht 22.04.2020, geladen 10.07.2024, [2]
  6. Flavia Forrer: Kinder in ihrer Selbstermächtigung stärken [3], in: respekt.net, vom 19.11.2020, geladen am 12.07.2024
  7. Josef Maiwald: Smart entscheiden! Methoden und Strategien, die Sie voranbringen. Tredition-Verlag, Holzkirchen, 2014, ISBN 978-3-934051-09-06. S. 73
  8. Josef Maiwald: Smart entscheiden! Methoden und Strategien, die Sie voranbringen. Tredition-Verlag, Holzkirchen, 2014, ISBN 978-3-934051-09-06. S. 73
  9. Josef Maiwald: Smart entscheiden! Methoden und Strategien, die Sie voranbringen. Tredition-Verlag, Holzkirchen, 2014, ISBN 978-3-934051-09-06. S. 62ff
  10. Systemisches Konsensieren – Selbstorganisation und Agiles Arbeiten fördern, [4] veröffentlicht 08.11.2021, geladen am 12.07.2024
  11. Elisabeth Nagl-Zehetner: Den Konsens mit sich selbst finden. In: Siegfried Schrotta (Hrsg.): Wie wir klüger entscheiden. Verlag Styria, Gratkorn, 2011, ISBN 978-3-901921-44-5
  12. Systemisches Konsensieren mit dem Inneren Team, in: Coaching-Magazin, 3/2020.
  13. Luksch, Werner, Das Innere Team in der Praxis des Management-Coachings. in: Coaching-Magazin, 5/2015, S. 30–34.
  14. Stephanie Kohlsaat: Gemeinsam besser entscheiden, [5], abgerufen am 03.07.2024
  15. Systemisches konsensieren: Mit was haben die wenigsten ein Problem., veröffentlicht 29-09-2017
  16. Vereinigter Widerstand: Systemisches Konsensieren, geladen am 04.07.2024
  17. Streit um Solarpark, in: taz, veröffentlicht 28.05.2022, geladen am 04.07.2024
  18. Systemisches Konsensieren - ein Tool für Verhandlung und Mediation, geladen am 04.07.2024
  19. Finanzierung von Gemeinwohl-StartUps über Crowdfunding, Masterarbeit von 2021, Seite 33, geladen am 13.07.2024
  20. Methoden und Verfahren der Bürgerbeteiligung von A bis Z, geladen am 04.07.2024
  21. Innovative Modellprojekte: Systemisches Konsensieren, geladen am 13.07.2024
  22. Praxisbeispiel Munderfinger Bürgerinnenbeteiligungsmodell, geladen am 13.07.2024
  23. null bis hundert - Modellstudie zum Mehrgenerationenwohnen, S. 19, geladen am 04.07.2024
  24. Partizipative Entscheidungsstrukturen in Verein, Genossenschaft und GmbH – Chancen und Risiken für Geschäftsführer und Vorstände, in: Stiftung trias — gemeinnützige Stiftung für Boden, Ökologie und Wohnen, vom 05.01.2019, geladen am 04.07.2024
  25. Wohnen von der Wiege bis zur Bahre - das Projekt „Amaryllis“, in: Westfälischer Anzeiger, vom 01.04.2019, geladen am 04.07.2024