Benutzer:DonPeluche/Bündnerromanisch

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Rätoromanisch

Gesprochen in

Schweiz Schweiz
Sprecher ca. 60'000 (Volkszählung 2000)[1]
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Schweiz Schweiz (vierte Landessprache; auf Bundesebene nur im Verkehr mit rätoromanischsprachigen Bürgern Amtssprache)
Kanton Graubünden Graubünden (Amtssprache)
Sprachcodes
ISO 639-1

rm

ISO 639-2

roh

ISO 639-3

roh

Das im Schweizer Kanton Graubünden gesprochene Bündnerromanisch – gewöhnlicher Rätoromanisch[2] oder einfach Romanisch (Eigenbezeichnung: Rumantsch, Romontsch, Rumauntsch) genannt – gehört zusammen mit dem Dolomitenladinischen und mit dem Friaulischen zu den rätoromanischen Sprachen, einer Untergruppe der romanischen Sprachen. Ob die rätoromanischen Sprachen eine genetische Einheit bilden – das Bündnerromanische also mit dem Dolomitenladinischen und dem Friaulischen genetisch näher verwandt ist als mit allen anderen romanischen Sprachen –, ist in der Sprachforschung bisher nicht entschieden (→ Questione Ladina).

Rätoromanisch ist neben Deutsch und Italienisch Amtssprache im Kanton Graubünden. Auf Bundesebene ist es neben Deutsch, Französisch und Italienisch die vierte Landessprache der Schweiz; den Status einer Amtssprache hat es hier nur im Verkehr mit rätoromanischsprachigen Bürgern.

Rätoromanische Inschrift an einem Haus in Sagogn in der Surselva
Verkehrsschild in Zuoz/Oberengadin

Das Verhältnis von Bündnerromanisch, Dolomitenladinisch und Friaulisch zueinander ist in der Sprachwissenschaft umstritten (mehr dazu im Artikel Rätoromanische Sprachen). Entsprechend uneinheitlich sind die Bezeichnungen.

In der Schweiz wird die Gruppe der in der Schweiz gesprochenen romanischen Idiome in der Bundesverfassung, in der Verfassung des Kantons Graubünden und in den Gesetzen offiziell mit Rätoromanisch bezeichnet.[2] Auch die Deutschschweizer Bevölkerung bezeichnet die Sprache ganz allgemein als Rätoromanisch oder einfach als Romanisch.

Demgegenüber bezeichnen Linguisten die Gruppe dieser Idiome meist als Bündnerromanisch. Der Begriff Rätoromanisch wird von den Linguisten uneinheitlich gebraucht und von einigen sogar ganz abgelehnt.

Verbreitungsgebiet

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Verbreitungsgebiete der rätoromanischen Sprachen

Bei der Schweizer Volkszählung von 1990 gaben 66’356 Menschen Romanisch als regelmässig gesprochene Sprache an, davon bezeichneten sie 39’632 als Hauptsprache. Im Jahr 2000 gaben nur noch 35’095 Romanisch als Hauptsprache an.

Wegen der früheren Abgeschiedenheit vieler Orte und Täler des Kantons Graubünden haben sich verschiedene Mundarten entwickelt, die sich in fünf Gruppen gliedern lassen:

Die Aufreihung entspricht der Verbreitung von West nach Ost. Putér und Vallader werden von den Romanen auch als Rumantsch Ladin zusammengefasst und in der Hymne Chara lingua da la mamma besungen («chara lingua da la mamma, tü sonor rumantsch ladin…»).

Jede dieser fünf Mundarten hat eine eigene Schriftsprache entwickelt, die allerdings selbst einen Kompromiss zwischen verschiedenen Orts- und Regionaldialekten darstellt. Solche Regionaldialekte sind etwa im Surmeirischen das Sursès (gesprochen im Oberhalbstein) und das Sutsès (gesprochen u. a. im Albulatal) sowie im Unterengadinischen das Jauer (gesprochen im Münstertal).

Ursprünglich war das heutige Verbreitungsgebiet des Bündnerromanischen von Kelten und, vermutlich nur ganz im Osten Graubündens, von Rätern besiedelt. Was die Zuordnung der Räter und ihrer Sprache angeht, ist man sich unsicher. Man geht aber davon aus, dass die rätische Sprache nicht indogermanisch war. Gesichertere Aussagen lassen sich wegen der nur bruchstückhaften Überlieferung des Rätischen kaum machen.

Diese Völker wurden während des Alpenfeldzuges von 15 v. Chr. von den Römern unterworfen, welche das Latein (hauptsächlich in Form des von der einfachen Bevölkerung und vom Militär gesprochenen Vulgärlateins) in die unterworfenen Gebiete brachten.

Wie schnell dann die Romanisierung erfolgte, ist unsicher. Am Ende des Altertums waren nach den jedoch nicht abschliessenden Erkenntnissen der Sprachforschung die ursprünglichen vorrömischen Sprachen anscheinend praktisch ausgestorben, und es blieben nur wenige Substratwörter im Romanischen erhalten. Diese beziehen sich vor allem auf für die Alpen typische Bezeichnungen aus den Gebieten von Flora und Fauna sowie Geländebezeichnungen. Aus dem Rätischen stammen z. B. (a)gnieu ‚Adlerhorst, Vogelnest‘, crap ‚Stein‘, grusaidaAlpenrose‘, izun ‚Heidelbeere‘, schemberZirbelkiefer‘, tchess ‚Geier‘ und urblaunaSchneehuhn‘. Aus dem Keltischen entstanden z. B. carmun ‚Wiesel‘, engad. dischöl, döschel ‚Albdruck, -traum‘, engad. draig ‚Sieb‘, oberengad. giop ‚Wacholderbusch‘, giutta ‚Rollgerste, Graupen‘, glitta ‚Schlamm, Schlick‘, grava ‚Geröll, Schutthalde‘, marv ‚steif, erstarrt, gliederlahm‘, mat ‚junger Knabe, Bursche‘ ~ matta ‚junges Mädchen‘, mellen ‚gelb‘, tegia ‚Alp-, Sennhütte‘, trutg ‚Bergpfad‘, tschigrunZiger‘ und umblaz ‚Jochschlaufe‘.

Bündnerromanisch im Frühmittelalter; gelb und orange: um 700, gelb: um 1100

Ab dem 8./9. Jahrhundert geriet die Region unter germanischsprachigen Einfluss. Im weiteren Verlauf wurde zunehmend Deutsch zur Amtssprache, Bündnerromanisch wurde zu jener Zeit verächtlich als «Bauernsprache» angesehen. Dass früher auf einem viel grösseren Gebiet Bündnerromanisch gesprochen wurde, erkennt man unter anderem an den vielen bündnerromanischen Ortsnamen und Lehnwörtern in den heute deutschsprachigen Kantonen Glarus und St. Gallen. Sie zeigen, dass bis ins Hochmittelalter und teilweise noch länger die Sprachgrenze im Nordwesten im Gasterland lag und somit auch das ganze Walenseegebiet (Walen- ist mit welsch verwandt) bündnerromanisch war. Im Nordosten reichte das bündnerromanische Sprachgebiet bis zum so genannten Hirschensprung bei Rüthi im St. Galler Rheintal. Auch weite Gebiete in Vorarlberg und im Westtirol waren ehemals bündnerromanisch. Am spätesten (nach dem 11. Jahrhundert) eingedeutscht wurden Gegenden, deren Ortsnamen nicht auf der ersten Silbe betont werden, z. B. (Bad) Ragaz, Sargans, Vaduz (zu lat. aquaeductus ‚Wasserleitung‘), Montafon, Tschagguns und Galtür.

Die ersten bekannten romanischsprachigen Dokumente waren Übersetzungen lateinischer Predigten. Erst während der Reformation entstanden eigentliche Schriftsprachen in den verschiedenen Idiomen. Der Hauptgrund dafür, dass sich keine einheitliche Schriftsprache für alle Idiome entwickelte und dass das Bündnerromanische gegenüber der deutschen Sprache zunehmend an Boden verlor, war das Fehlen eines bündnerromanischen geistig-politischen Zentrums. Die Stadt Chur, welche als einzige für eine solche Funktion in Frage gekommen wäre, geriet als Bischofssitz schon früh unter deutschen Einfluss und war ab dem 15. Jahrhundert nur noch deutschsprachig. Erst in jüngster Zeit, d. h. ab Beginn des 20. Jahrhunderts, hat sich infolge der Abwanderung von Romanen in die Kapitale hier wieder zunehmend so etwas wie ein Zentrum für die romanische Sprache und Kultur bilden können, von dem wichtige Impulse in die romanischen Stammlande ausgehen. Diese Entwicklung geht einher mit der zunehmenden Ausprägung eines romanischen Sprachbewusstseins, das vor dem 19. Jahrhundert noch weitgehend fehlte.

Der Name Rätoromanisch bürgerte sich erst um Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Er geht auf den Namen der römischen Provinz Raetia zurück, die jedoch ein weit grösseres Gebiet umfasste als den Lebensraum der unterworfenen Räter, die gemäss heutigem Forschungsstand nur ganz im Osten des heutigen Kantons Graubünden lebten, nämlich im Unterengadin und im Münstertal.

Im Mittelalter nannten Deutschsprachige das Bündnerromanische noch Churwalsch, -welsch, d. h. «von den Einwohnern von Chur gesprochene welsche Sprache». Martin Luther bezog im 16. Jahrhundert das Wort «Kauderwelsch» explizit auf das Churwelsche. Die gelegentlich gehörte Bezeichnung «Geröllhaldenlatein» (für den geologischen Hintergrund siehe Bündnerschiefer) ist neueren Datums (Mitte des 20. Jahrhunderts) und weniger verächtlich, sondern eher freundschaftlich oder neckisch gemeint.

Mit der italienischen Einigung von 1861 wurden Forderungen laut, alle Gebiete die ganz oder teilweise von einer italienischsprachigen Bevölkerung bewohnt waren bzw. südlich des Alpenhauptkamms lagen, in den neuen italienischen Nationalstaat einzugliedern. Eine Erstarkung erführ diese Bewegung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, als Italien nicht all jene Gebiete bekam, die ihm im Londoner Vertrag von 1915 zugesichert worden waren. Nach diesem "verstümmelten" Sieg, sollten diese Gebiete befreit bzw. erlöst werden. Daher Rührt auch der Name Irredentismus: italienisch Irredentismo von Redenzione – Erlösung.

Dies betraf die Schweiz in zweierlei Hinsicht, einerseits das italienischsprachige Tessin, andererseits Teile Graubündens. Die südlichen Alpentäler und die rätoromanischen Gebiete sollten an Italien fallen. Von italienischer Seite wurde da Rätoromanische nichts als eigenständige Sprache aufgefasst, sondern als Dialekt des Lombardischen und somit in sprachlicher Hinsicht Italien zugehörig. Eine weitere Intensivierung der irredentistischen Bestrebungen fand unter der faschistischen Regierung Italiens statt. Am 21. Juni 1921 bemerkte Benito Mussolini in einer Rede, dass die staatliche Einigung Italiens erst vollendet sei, wenn das Tessin zu Italien gehöre. Der Rätoromanischen Minderheit wurde versucht weiszumachen, dass ihre sprachlichen und kulturellen Eigenheiten Gefahr liefen, von einer deutschsprachigen Mehrheit verdrängt zu werden und dass der einzige Schutz vor diesem "Pangermanismus" im Italienischen Reich zu finden sei.[3]

Der Versuch Italiens mit irredentistischer Propaganda einen Keil zwischen die sprachlichen Mehr- und Minderheiten der Schweiz zu schieben scheiterte. Tessiner wie Rätoromanen verstanden sich selbst als kulturelle Schweizer und damit dem Nationalstaat zugehörig. Um weiterer Einflussnahme Italiens ein für alle mal einen Riegel vorzuschieben, wurde am 20 Februar 1938 die rätoromanischen Sprachen mit einer deutlicher Mehrheit von 91.6% zur vierten Landessprache erhoben.[4] Den Status einer Amtssprache mit rätoromanischsprachigen Bürgern, hatte es indes noch nicht, dies kam erst durch die Volksabstimmung vom 10. März 1996 über die Revision des Sprachenartikels.[5]

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der neue Status als Landessprache gleich auf den Prüfstand gestellt. Als Teil der Zensurmassnahmen waren zur Telekommunikation nur noch die vier Landessprachen im Inlandsverkehr und die drei Amtssprachen plus Englisch für den Auslandsverkehr zugelassen.[6] Dies verlief aber nicht immer reibungslos. So kam es vor, dass Telefongespräche, die auf Rätoromanisch geführt wurden, von den mithörenden Telefonistinnen unterbrochen wurden. Da es sich bei diesen Vorfällen nicht um Einzelfälle handelte und damit die Validität der Ernennung zur Landessprache in Frage gestellt wurde, führte dies zu einem kleinen Skandal. Die Sache gewann an Fahrt, als die Rätoromanische Zeitung "Fögl Ladin" mehrmals über solche Unterbrechungen berichtete und gar die Frage aufwarf, ob es den überhaupt erlaubt sei, auf Rätoromanisch zu telefonieren. Einen Höhepunkt fand dieses Anliegen, als der Nationalrat Sonderegger im persönlichen Gespräch mit seiner Gattin unterbrochen wurde und wie ein "ausländischer Spitzel" behandelt wurde.[7] Darauf wandte sich Nationalrat Sonderegger am 5. Dezember 1941 mit einer Kleinen Anfrage an den Bundesrat, um in Zukunft ein freies Telefonieren in Rätoromanischer Sprache zu gewährleisten. Die Gründe für die Unterbrechungen der rätoromanischen Telefonate war daraufhin leicht gefunden. Entweder fehlte es an Personal, das die Sprache genügend beherrschte, um Notfalls mithören zu können, oder die Arbeitnehmer waren zu wenig geschult, um Rätoromanisch überhaupt als vierte Landessprache zu erkennen.

Rückzug in jüngerer Zeit

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Verlust der romanischen Mehrheit nach Zeit und Gemeinden:
  • vor 1860
  • 1870–1900
  • 1910–1941
  • 1950–1960
  • 1970
  • 1980–2000
  • 2000 noch > 50 % Romanisch
  • Nachdem die Sprachgrenzen zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert relativ stabil geblieben waren, wird das Romanische seit dem 19. Jahrhundert immer stärker vom Deutschen bedrängt. Der grösste Teil des sutselvischen Gebietes ist mittlerweile deutschsprachig; junge Romanisch-Sprecher findet man dort fast nur noch am Schamserberg. Auch im Oberengadin ist das Romanische schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in der Defensive, konnte sich jedoch wegen der meistenorts noch immer romanischen Primarschule bis heute bedeutend besser halten als in der Sutselva. Im Gebiet des Surmiran muss zwischen Sursès/Oberhalbstein und Albulatal unterschieden werden: Im Sursès ist das Romanische noch fest verankert und nicht unmittelbar gefährdet, ganz im Gegensatz zum Albulatal. Die Hochburgen des Rätoromanischen sind hingegen im Westen beziehungsweise im Südosten Graubündens zu finden: Die Surselva (inklusive des zu über 90 % romanischen Seitentals Lumnezia/Lugnez) sowie das Unterengadin (einschliesslich Münstertal).

    Rumantsch Grischun

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    Mehrsprachiges Hinweisschild im Bahnhof Disentis/Mustér, u. a. Rätoromanisch: «Scumandà da traversar ils binaris!»
    Rätoromanisches Strassenschild bei Waltensburg/Vuorz
    Rätoromanische Strassenschilder in Silvaplana

    Rumantsch Grischun (auf Deutsch übersetzt wörtlich Bündner Romanisch, nicht zu verwechseln mit Bündnerromanisch) ist die auf Initiative der Lia Rumantscha vom Sprachwissenschaftler Heinrich Schmid in den 1970er und 1980er-Jahren entwickelte gemeinsame Schriftsprache für die rätoromanischen Idiome. Seit 2001 ist Rumantsch Grischun offizielle Amtsschriftsprache im Kanton Graubünden und im Bund für den Verkehr mit der romanischsprachigen Bevölkerung; in den romanischen Gemeinden dient indes nach wie vor das jeweilige Idiom als Amtssprache. Die gemeinsame Schriftsprache bezweckt die Stärkung des Romanischen und damit den Erhalt der bedrohten Sprache.

    Rumantsch Grischun wurde von der Bevölkerung nicht nur freundlich aufgenommen. Viele Bündner, nicht nur Romanen, befürchten, dass eine Kunstsprache zum Totengräber des Romanischen werden könnte. Andere sind optimistischer und verweisen auf das Beispiel der deutschen Schriftsprache, der es auch nicht gelungen ist, die vielfältigen Deutschschweizer Dialekte wesentlich zu beeinflussen.

    Im August 2003 beschloss das Bündner Kantonsparlament, dass Rumantsch Grischun als Schriftsprache in allen romanischen Schulen eingeführt wird und dass neue Lehrmittel für die romanischsprachigen Schulen nur noch in Rumantsch Grischun herausgegeben werden. Bis dahin wurden sämtliche Lehrmittel in allen fünf traditionellen Idiomen herausgegeben. Einerseits erlaubt diese Massnahme Einsparungen bei der Produktion der Schulbücher. Vor allem in stark germanisierten Gebieten mit einem deutlich abweichenden Lokalidiom schwächt sie allerdings die Stellung des Romanischen zusätzlich, da die Kinder de facto ein zweites, ihnen fremdes Romanisch lernen müssen. Von nicht-romanischer Seite werden die Dialektunterschiede oft ungemein unterschätzt, denn sie sind viel ausgeprägter als etwa zwischen den verschiedenen Deutschschweizer Mundarten. Für die Umsetzung des Parlamentsbeschlusses gilt eine Übergangsfrist von zwanzig Jahren. Gemäss der heutigen Rechtslage kann jedoch auch später keine Gemeinde zur Einführung von Rumantsch Grischun an der Schule gezwungen werden, doch wird sich die Beschaffung geeigneter Lehrmittel in den Idiomen immer schwieriger gestalten.

    Die Bündner Kantonsregierung hat verschiedene Modelle für die Umsetzung geschaffen. Das Modell «Pioniergemeinde» sieht z. B. die sofortige Einführung von Rumantsch Grischun in passiver Form vor, was bedeutet, dass die Schüler während einer zweijährigen Einführungsphase Rumantsch Grischun nur mittels Hören von Texten und Liedern lernen. Erst nach Ablauf dieser obligatorischen Phase wird Rumantsch Grischun auch aktiv gelernt.

    Rätoromanische Inschrift an einem Haus in Trun GR in der Surselva
    Zweisprachige Inschrift am Laaxersee

    Als erste haben sich die Gemeinden des Val Müstair (Münstertal) für das Pioniermodell entschieden und ab 2005 war in diesen Gemeinden die Passivphase im Gange. Seit dem Schuljahr 2007/2008 lernen die Schüler des Münstertales Rumantsch Grischun aktiv als Schriftsprache. Dass die Gemeinden des Münstertales als erste Rumantsch Grischun als Schriftsprache einführen, ist kein Zufall, da die bisher verwendete Schriftsprache Vallader bereits grosse Unterschiede zur eigenen Mundart aufwies; überdies wird dort Romanisch (in der Form des dortigen Dialektes Jauer) von 95 Prozent der Bevölkerung aktiv gesprochen und gepflegt, womit Rumantsch Grischun von der Bevölkerung mehrheitlich nicht als Bedrohung ihrer Sprache empfunden wird. Den Verlust der alten Schriftsprache sehen die Befürworter des Rumantsch Grischun durch den Vorteil einer einheitlichen Schriftsprache im ganzen Kanton aufgewogen.

    Dem Vorbild des Münstertales sind inzwischen auch weitere Gemeinden des Kantons gefolgt, zum einen insbesondere solche, in denen dem Rumantsch Grischun relativ nahestehende Mundarten gesprochen werden, zum andern solche, die einem starken Druck des Deutschen ausgesetzt sind. So haben inzwischen die meisten Gemeinden des Oberhalbsteins, des Albulatals und der unteren Surselva (hier zuerst die Gemeinde Trin) ebenfalls die «Pionierphase» begonnen und teilweise abgeschlossen.

    Unterdessen sehen jedoch die Eltern der Kinder im Val Müstair das Idiom gefährdet und erachten Rumantsch Grischun nicht mehr als hilfreich, das Rätoromanische zu fördern. Bei einer Abstimmung im März 2012 entschieden sie sich, wieder das Idiom an den Schulen zu unterrichten lassen. Seither befindet sich Rumantsch Grischun auch in einem Teil der Gemeinden der unteren Surselva auf dem Rückzug.

    Verankerung des Romanischen in den Verfassungen des Bundes, des Kantons Graubünden und der bündnerischen Gemeinden

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    Auf Bundesebene ist Romanisch Landessprache sowie, im Verkehr mit der romanischsprachigen Bevölkerung, Amtssprache. Hierbei sind alle fünf Idiome gleichberechtigt. Romanen haben damit die Möglichkeit und das Recht, mit den Bundesbehörden in Sprache und Schrift auf Romanisch zu verkehren.[8] Publikationen des Bundes werden jedoch nicht in den einzelnen Idiomen, sondern ausschliesslich in Rumantsch Grischun verfasst.

    Auf Kantonsebene ist Romanisch eine von drei kantonalen Landes- und Amtssprachen.[9] Seit 1992 bedient sich der Kanton Graubünden im Schriftverkehr mit der romanischen Bevölkerung sowie in romanischen Verlautbarungen (Gesetzessammlung, Kantonsblatt, Abstimmungsvorlagen etc.) ausschliesslich des Rumantsch Grischun. Diese Praxis wird von Artikel 3 des Bündner Sprachengesetzes von 2006 bestätigt.[10]

    Auf lokaler Ebene regelt jede Gemeinde in ihrer Verfassung und in ihren Gesetzen, welche Sprache bzw. welches Idiom Amts- und/oder Schulsprache ist. Gemäss Artikel 16 des Bündner Sprachengesetzes gelten Gemeinden, in denen mindestens 40 % der Einwohner das angestammte Idiom sprechen, als amtlich einsprachig, und Gemeinden, in denen wenigstens 20 Prozent das angestammte Idiom sprechen, als amtlich zweisprachig.[10] Die Gemeinden haben auch die Möglichkeit, anstelle eines Idioms Rumantsch Grischun als Amtssprache zu bezeichnen.

    Die Radiotelevisiun Svizra Rumantscha, ein Tochterunternehmen des öffentlich-rechtlichen Schweizer Medienunternehmens SRG SSR, unterhält das Radio Rumantsch und die Televisiun Rumantscha.

    Sprachförderung

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    Der Wortschatz aller bündnerromanischen Mundarten sowie derjenige der älteren Sprachstufen wird im vielbändigen Dicziunari Rumantsch Grischun dokumentiert, das, von der Società Retorumantscha herausgegeben, seit 1938 in Chur erscheint. Derzeit wird am 14. Band gearbeitet.

    Die Lia Rumantscha ist als Dachorganisation verschiedener regionaler Vereine die zuständige Stelle für bündnerromanische Sprach- und Kulturförderung, wofür sie grösstenteils von Bund und Kanton finanziert wird.

    Die Lia Rumantscha und die ihr angehörenden regionalen Vereine wurden in den Jahren 2005 bis 2007 neu strukturiert; die Kompetenzen wurden nach Territorium aufgeteilt, Konfessionen sind nicht mehr massgebend.

    Alte Aufteilung
    Neue Aufteilung

    Wichtigste bündnerromanische Jugendorganisation ist die Giuventetgna Rumantscha (GiuRu), zugleich auch Herausgeberin der Jugendzeitschrift PUNTS, deren Herausgabe aufgrund mangelnden Nachwuchses zur Fertigung der Texte Ende 2011 eingestellt wurde.

    Zudem existieren einige weitere Vereine, die sich ebenfalls der Förderung des Bündnerromanischen verschrieben haben, aber unabhängig von der Lia Rumantscha agieren. Dazu gehören:

    • Pro Rumantsch, ein Manifest, das die Einführung des Rumantsch grischun als Alphabetisierungssprache in den Schulen zum Ziel hat.
    • Pro Idioms, Verein für die Erhaltung der bündnerromanischen Mundarten in der obligatorischen Schule.
    • viro, Visiun Romontscha, ein Verein aus der Surselva, der für jede Gemeinde ein «Cudischet» herausgeben will, in welchem die jeweilige Gemeinde in bündnerromanischer Sprache präsentiert wird.
    • Pro Svizra Rumantscha, die sich für eine überregionale bündnerromanische Tageszeitung eingesetzt hat und nun die romanische Nachrichtenagentur ANR (Agentura da Novitads Rumantscha) unterstützt.
    • Raetia, ein Verein in der Deutschschweiz, mit dem Ziel, dort die bündnerromanische Sprache bekannt zu machen.
    • Romontschissimo, ein Verein aus der Surselva, der sich zum Ziel gesetzt hat, Lernsoftware für das Bündnerromanische zu entwickeln.

    Einen Beitrag zur Verbreitung von Rumantsch Grischun als gemeinsamer Schriftsprache der bündnerromanischen Mundarten hat auch der amerikanische Softwarehersteller Microsoft im Frühling 2006 mit der bündnerromanischen Übersetzung von Microsoft Office mit entsprechendem Wörterbuch und Grammatikprüfung geleistet.[11] Seit April 2005 bietet Google Inc. eine bündnerromanische Oberfläche für seinen Suchdienst an.

    Sprachliche Eigenheiten

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    Typisch für das Bündnerromanische sind etwa die Endung «-ziun» oder Buchstabenkombinationen wie «tg» oder «aun»/«eun», die dem benachbarten Italienischen fremd sind. Als wohl markantestes Unterscheidungsmerkmal zu diesem gilt die Pluralbildung mit -ls oder -s, die es im Italienischen nicht gibt.

    In den meisten Idiomen ist die Lautverbindung [ʃc]/[ʃtɕ] zu finden; besonders auffällig ist deren im Engadin verwendete Schreibweise s-ch (zum Beispiel s-chela ‚Treppe‘, suos-ch ‚dreckig‘ und öfters in Ortsnamen: S-chanf, S-charl, Chamues-ch, Porta d’Es-cha). In den übrigen Idiomen wird der gleiche Laut stg geschrieben (zum Beispiel surselvisch biestg ‚Rind‘).

    Die bündnerromanischen Idiome im Vergleich

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    Die Unterschiede zwischen den Idiomen sollen hier am Beispiel der ersten Sätze der Fabel „Der Rabe und der Fuchs“ von Jean de La Fontaine dargestellt werden:[12]

    Anhören/? L’uolp era puspei inagada fomentada. Cheu ha ella viu sin in pegn in tgaper che teneva in toc caschiel en siu bec. Quei gustass a mi, ha ella tertgau, ed ha clamau al tgaper: «Tgei bi che ti eis! Sche tiu cant ei aschi bials sco tia cumparsa, lu eis ti il pli bi utschi da tuts».

    La gualp eara puspe egn’eada fumantada. Qua â ella vieu sen egn pegn egn corv ca taneva egn toc caschiel ainten sieus pecel. Quegl gustass a mei, â ella tartgieu, ad â clamo agli corv: «Tge beal ca tei es! Scha tieus tgànt e aschi beal sco tia pareta, alura es tei igl ple beal utschi da tuts».

    La golp era puspe eneda famantada. Cò ò ella via sen en pegn en corv tgi tigniva en toc caschiel ainten sies pechel. Chegl am gustess, ò ella panso, ed ò clamo agl corv: «Tge bel tgi te ist! Schi igl ties cant è schi bel scu tia parentscha, alloura ist te igl pi bel utschel da tots».

    Anhören/? La vuolp d’eira darcho üna vouta famanteda. Cò ho’la vis sün ün pin ün corv chi tgnaiva ün töch chaschöl in sieu pical. Que am gustess, ho’la penso, ed ho clamo al corv: «Che bel cha tü est! Scha tieu chaunt es uschè bel scu tia apparentscha, alura est tü il pü bel utschè da tuots».

    La vuolp d’eira darcheu üna jada fomantada. Qua ha’la vis sün ün pin ün corv chi tgnaiva ün toc chaschöl in seis pical. Quai am gustess, ha’la pensà, ed ha clomà al corv: «Che bel cha tü est! Scha teis chant es uschè bel sco tia apparentscha, lura est tü il plü bel utschè da tuots».

    Jauer (Münstertalerisch)

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    La uolp d’era darchiau üna jada fomantada. Qua ha’la vis sün ün pin ün corv chi tegnea ün toc chaschöl in ses pical. Quai ma gustess, ha’la s’impissà, ed ha clomà al corv: «Cha bel cha tü esch! Scha tes chaunt es ischè bel sco tia apparentscha, lura esch tü il pü bel utschè da tots».[12]

    (Da das Jauer keine eigene standardisierte Schriftsprache hat, ist dies nur ein Beispiel, den Dialekt in Schriftform wiederzugeben.)

    La vulp era puspè ina giada fomentada. Qua ha ella vis sin in pign in corv che tegneva in toc chaschiel en ses pichel. Quai ma gustass, ha ella pensà, ed ha clamà al corv: «Tge bel che ti es! Sche tes chant è uschè bel sco tia parita, lura es ti il pli bel utschè da tuts».

    La volpe era un’altra volta affamata. Vide allora su un abete un corvo che teneva un pezzo di formaggio nel becco. Quello mi piacerebbe, pensò, e gridò al corvo: «Che bello sei! Se il tuo canto è così bello come il tuo aspetto, allora sei il più bello di tutti gli uccelli».

    Cum vulpes rursus esuriebat, subito vidit corvum abiete residentem et caseum in ore tenentem. Cum hunc sibi dulci sapore fore secum cogitavisset, clamavit ad corvum: «Quam pulcher es! Cum tibi cantus aeque pulcher est atque species, tum es pulcherrimus omnium alitum».

    Der Fuchs war wieder einmal hungrig. Da sah er auf einer Tanne einen Raben, der ein Stück Käse in seinem Schnabel hielt. Das würde mir schmecken, dachte er, und rief dem Raben zu: «Wie schön du bist! Wenn dein Gesang ebenso schön ist wie dein Aussehen, dann bist du der Schönste von allen Vögeln».

    • Robert H. Billigmeier, Iso Camartin (Vorw.): Land und Volk der Rätoromanen. Eine Kultur- und Sprachgeschichte. Huber, Frauenfeld 1983, ISBN 3-7193-0882-0 (Übersetzt und durchgesehen von Werner Morlag, unter Mitwirkung von Cornelia Echte).
      • Originalausgabe: A crisis in Swiss pluralism (= Contributions to the sociology of language. Bd. 26). Mouton, 's-Gravenhage/The Hague 1979, ISBN 90-279-7577-9.
    • Dieter Fringeli: Welt der alten Bräuche. Die bittere Heimat der Rätoromanen. Zur rätoromanischen Literatur der Schweiz. In: Nicolai Riedel, Stefan Rammer u. a. (Hrsg.): Literatur aus der Schweiz. Sonderheft von Passauer Pegasus. Zeitschrift für Literatur. Heft 21–22, 11. Jg. Krieg, Passau 1993, ISSN 0724-0708 S. 353–357.
    • Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hrsg.): Lexikon der Romanistischen Linguistik. 12 Bände. Niemeyer, Tübingen 1988–2005; Band III: Die einzelnen romanischen Sprachen und Sprachgebiete von der Renaissance bis zur Gegenwart. Rumänisch, Dalmatisch / Istroromanisch, Friaulisch, Ladinisch, Bündnerromanisch. 1989.
    • Gion Lechmann: Rätoromanische Sprachbewegung – Die Geschichte der Lia Rumantscha von 1919–1996. In: Urs Altermatt, Universität Fribourg (Hrsg.): Studien zur Zeitgeschichte. Band 6. Verlag Huber, Frauenfeld 2004, ISBN 3-7193-1370-0 (663 Seiten).
    • Ricarda Liver: Rätoromanisch – Eine Einführung in das Bündnerromanische. Gunter Narr, Tübingen 1999, ISBN 3-8233-4973-2 (books.google.com).
    • Peter Masüger: Vom Alträtoromanischen zum „Tschalfiggerisch“. In: Terra Grischuna. 48. Jahrgang, Heft 1. Terra Grischuna, Chur 1990, ISSN 1011-5196.
    • Uriel Weinreich: Languages in Contact. French, German and Romansh in twentieth-century Switzerland. With an introduction and notes by Ronald I. Kim and William Labov. John Benjamins Publishing Company, Amsterdam/Philadelphia 2011, ISBN 978-90-272-1187-3 (leicht überarbeitete Edition der Dissertation von 1951, worin S. 191–324 zum Bündnerromanischen).
    Commons: Rätoromanisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Wiktionary: Rätoromanisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

    Einzelnachweise

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    1. Die aktuelle Lage des Romanischen, Kommentar zu den Volkszählungsresultaten (PDF; 3373 KB)
    2. a b So auch in Artikel 4 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und in Artikel 3 der Verfassung des Kantons Graubünden.
    3. Oscar Alig: Der Irredentismus und das Rätoromanische. In: Eduard Fueter, Paul Flückiger, Leza Uffer (Hrsg.): Schweizerische Hochschulzeitung. Band 6. AG. Gebr. Leemann & Co., Zürich Februar 1938, S. 341–349.
    4. Volksabstimmung vom 20.02.1938. Abgerufen am 24. Mai 2017.
    5. Schweizerische Nationalbibliothek NB -Amtssprachen und Landessprachen der Schweiz. Abgerufen am 24. Mai 2017.
    6. dodis Link: Weisung BAR E4450#1000/864#6069*.
    7. Hans Konrad Sonderegger: Nicht romanisch telephonieren! In: Volksstimme St. Gallen. 13. November 1941.
    8. Artikel 4 und Artikel 70 der Bundesverfassung vom 18. April 1999.
    9. Verfassung des Kantons Graubünden vom 18. Mai 2003.
    10. a b Sprachengesetz des Kantons Graubünden vom 19. Oktober 2006 (PDF; 274 kB).
    11. Downloaddetails: Office 2003 Romansh Interface Pack. microsoft.com, abgerufen am 26. Juni 2011.
    12. a b Alle Beispiele (ausser Italienisch, Latein, Deutsch) sind entnommen aus: Lia Rumantscha (Hrsg.): Rumantsch – Facts & Figures. Aus dem Deutschen von Daniel Telli. 2., überarbeitete und aktualisierte Ausgabe. Chur 2004, ISBN 3-03900-033-0, S. 31, PDF; 3,5 MB (Memento vom 15. Mai 2014 im Internet Archive), abgerufen am 6. Mai 2016 (Fassung „r“, 2. Mai 2006, 11:15:24).


    Kategorie:Sprachsituation im Kanton Graubünden Kategorie:Einzelsprache