Benutzer:Duschaafstdas/Kinderkram

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Karl Kindermann (* 15. Februar 1903 in Achern; † 17. Oktober 1983 in Freudenstadt) war ein Altphilologe, der zeitweise als Lehrer arbeitete, sich schriftstellerisch betätigte und in den 1920er Jahren bekannt geworden war durch seine Verhaftung und Verurteilung in einem Moskauer Schauprozess. Als Jude 1933 aus dem Schuldienst entlassen, beteiligte er sich trotzdem aktiv als antikommunistischer Propagandist für die Nazis, suchte nach Auswanderungszielen für Juden außerhalb Palästinas und wanderte selbst 1939 mit nationalsozialistischer Unterstützung nach Japan aus. Sein Aufenthalt dort ist bis heute von vielen Gerüchten umgeben, die im Wesentlichen beinhalten, er sei Agent der Gestapo gewesen. Ein Spruchkammerverfahren in Baden-Württemberg hat ihn Anfang der 1950er Jahre von diesen Vorwürfen entlastet, sie blieben jedoch weiterhin Gegenstand vieler Auseinandersetzungen und Spekulationen um seine Person.[1]

Die frühen Jahre

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Karl Kindermann stammte aus einem jüdischen Elternhaus und wuchs im Schwarzwald auf. Vor Beginn des Ersten Weltkriegs zog er mit seinen Eltern nach Durlach[2], wo er am 5. April 1914 in die Quinta (6. Klasse) des dortigen Gymnasiums, dem heutigen Markgrafen-Gymnasium, eintrat. Am Ende des Schuljahres 1920/1921 legte er hier das Abitur ab.[3]

Kindermanns Vater war der spätere „Durlacher Stadtrat Hermann Kindermann, ein aus der USPD stammender KPD-Mann, der als Kaufmann und Angestellter beim Kommunalverband arbeitete“[4] und ab 1925, „nachdem er sich aus der Politik verabschiedet hatte, ein Inkassounternehmen in Durlach“ betrieb.[5] In einem Aufsatz berichtet Susanne Asche von frühen antisemitischen Angriffen auf Hermann Kindermann[6], und in einem Vernehmungsprotokoll gibt Karl Kindermann an, dass sein Vater während der Zeit des Nationalsozialismus bei einem versuchten Grenzübertritt in die Schweiz verhaftet und in ein KZ verbracht worden sei. Später sei ihm die Emigration in die USA gelungen, und er habe die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen.[7]

Im Anschluss an das Abitur studierte Karl Kindermann im Sommersemester 1921 Altphilologie bei Otto Weinreich in Heidelberg, bevor er für das darauffolgende Wintersemester und das Sommersemester 1922 mit Weinreich nach Tübingen wechselte und dort auch Parapsychologie bei Traugott Konstantin Oesterreich studierte[8] „Herr Professor Österreich, dessen Vorlesungen in Parapsychologie ich hörte, riet mir schliesslich, zur weiteren Ausbildung nach Berlin zu gehen.“[9] Kindermann folgte diesem Rat und studierte ab dem Wintersemester 1922/23 Altphilologie bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Werner Jaeger und Eduard Norden.[8]

Kindermann unternahm eine nach eigenen Worten „erfolgreiche Polarfahrt nach der Nordwestküste Spitzbergen im Sommer 1923, bei der ich für die durch die Inflation leidenden deutschen Kommilitonen Gaben aus Norwegen und Dänemark veranlassen konnte“.[9] Am 17. Oktober 1923 hielt er über diese Reise einen Vortrag vor den Oberstufenschülern senes früheren Gymnasiums in Durlach.[10] Im Sommer 1924 wurde er mit einer Arbeit über „Gifte im Altertum“ promoviert; er gehörte zu den damals jüngsten Doktoren im Deutschen Reich.[8]

In seinem Buch Zwei Jahre in Moskaus Totenhäusern legt Kindermann nahe, dass es vor allem die nach der Nordlandreise in Berlin vorgefundenen prekären Lebensverhältnisse waren, die ihn zu neuen Reisen animiert haben. In dem bereits zitierten Lebenslauf von 1927 klingt es eher nach Abenteuerlust, die ihn erneut aus Berlin wegtrieb: „Angeregt durch eine erfolgreiche Polarfahrt []..] beschloss ich zusammen mit 2 Gefährten auf Grund verschiedener Einladungen hin nach Russland zu fahren, um an der Anbahnung von wissenschaftlichen Beziehungen zwischen deutscher und russischer akademischer Welt zu arbeiten. In der Folge entwickelte sich daraus mein bekannter Prozess, welcher mit einem dreifachen Todesurteil endigte. Trotzdem unsere Fahrt einen von uns nie geplanten Verlauf nahm, konnten wir, Theo Wolscht und ich, nach der Rückkehr unserer deutschen Regierung wichtige Mitteilungen machen, da wir in den berüchtigten Kerkern der Tscheka sehr viel erlebten. Wir wurden am 15. September [1926] gegen die Leipziger Kommunisten ausgetauscht.“[9]

Die Jahre 1926 bis 1933

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Nach der Freilassung aus der russischen Haft nahm Karl Kindermann sein Studium wieder auf, um sich für das Lehramt vorzubereiten. Am 29. November 1927 legte er in Karlsruhe die wissenschaftliche Prüfung ab und begann am 1. Dezember 1927 sein Referendariat in Lahr. Die Referendarzeit, die er außer in Lahr auch in Eppingen und Bruchsal verbrachte wurde verlängert, weil er sich 1928 für mehrere Monate in einer Lungenheilanstalt aufhalten musste. Am 1. September 1929 legte er in Lahr die pädagogische Prüfung ab.[11] Im Anschluss an das Referendariat wurde Kindermann vom 1. September 1929 an als Lehramtsassessor in Eppingen eingesetzt.[11] In den folgenden Jahren wurde er mehrfach versetzt und arbeitete entweder mit halbem oder vollem Deputat an unterschiedlichen badischen Schulen, zuletzt an der Zeppelin Oberrealschule mit Realgymnasium in Konstanz, bevor er mit Wirkung zum 18. April 1933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Schuldienst entlassen wurde. Eine Ernennung zum Studienrat hat er auch im Rahmen seines Wiederguztmachungsverfahrens nie durchsetzen können.

Kindermanns schulische Laufbahn vor 1933 verlief nicht reibungslos. Er unterhielt seit 1928 ein sehr inniges Verhältnis zu einer damals vierzehnjährigen Schülerin („Ma cher petite Lise“), mit der er sich an Pfingsten 1932 gar heimlich verlobte. Die vom Vater der jungen Frau vorgebrachten Beschwerden verliefen im Sande, nachdem Kindermann versprochen hatte, sich bis zu deren Volljährigkeit von der Frau fernzuhalten.[12]

Weitere Komplikationen in seiner schulischen Karriere ergaben sich aus seiner Mission nach seiner Entlassung aus den russischen Kerkern. Diese Mission beschreibt er in einem Schreiben vom 16. März 1952 wie folgt: „Im jahre 1925 im Moskauer Studentenprozess schuldlos zum Tode verurteilt, wurde ich gegen KPD-Leute ausgetauscht. Ich habe seither ununterbrochen eine aufklärende Tätigkeit gegen den Boschewismus ausgeübt.“[13] Das tat er so engagiert,[14] dass es Ende 1929/Anfang 1930 mehrfach zum Schriftverkehr wegen seiner häufigen Urlaubsgesuche für Vortragsveranstaltungen kam. Am 19. April 1930 bittet er gar um seine Versetzung an eine „humanistische Anstalt“: „Mein in Regierungskreisen wiederholt anerkannte aufklärende politische Tätigkeit lässt es aus Gründen der persönlichen Sicherheit wünschenswert erscheinen, in einer größeren Stadt tätig zu sein. Ich bitte darum, wenn es möglich ist, mich in Freiburg zu verwenden, weil ich dort Gelegenheit hätte, an der Universität russische Studien zu treiben und für wissenschaftliche Arbeiten die nötige Literatur vorfinde.“ Doch statt in Freiburg landete er in Bruchsal[12] und hatte nun offenbar genügend Zeit, sein Buch über die Russlandreise fertigzustellen, das 1931 erschien.

Am 23. April 1931 berichtete Kindermann seinem Dienstherrn über eine Unterredung am 30. März 1931 mit „Herrn Reichsminister des Innern Dr. Wirth in Berlin“: „Herr Reichsminister Dr. Wirth erklärte sich bereit, mich in den Dienst des Reichsinnenministeriums als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter zu übernehmen. Er legte mir nahe, zunächst die badische Unterrichtsverwaltung um die Gewährung eines Urlaubs zu bitten.“ Dieser Bitte, Urlaub für ein Jahr, wurde Anfang Mai 1931 entsprochen. Aber: Am 13. Juni 1931 wird er mit vollem Deputat ab dem 17. Juni dem Wilhelm-Gymnasium in Rastatt zugewiesen, und am 20. Juni lässt das Badische Ministerium des Kultus und Unterrichts „dem Lehramtsassessor Karl Kindermann … eröffnen, daß der ihm mit Erlass vom 4. Mai 1931 Nr. B 16190 erteilte Urlaub widerrufen werde, da nach Mitteilung des Herrn Reichsministers des Innern z. Zt. keine Aussicht besteht, den Lehramtsassessor Kindermann in den Dienst des Reichsministeriums zu übernehmen.“[11] Aus einem persönlichen Brief Wirths an den badischen Ministerkollegen ergibt sich, dass mit Kindermann zwar über eine Beschäftigung im Innenministerium gesprochen, ihm aber keineswegs eine feste Zusage gemacht worden war.

Es lässt sich nicht feststellen, wie Kindermann sich in Berlin Zugang zu Wirth verschafft hat und ob er sich damals mit dem Minister auf einer politischen Linie wähnte. 1951 jedenfalls geriet auch Wirth in den Focus von Kindermanns antibolschewistischer Mission. Im Zusammenhang mit Gesprächen, die Wirth Ende 1951 mit Repräsentanten des Kremls und der DDR-Führung geführt hatte, wirft Kindermann ihm vor, noch immer im Schatten des Vertrags von Rapallo zu stehen und sich zu wenig für die Repatriierung der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion einzusetzen. Kindermann veröffentlichte seine Vorwürfe in einem Offenen Brief an Altreichskanzler Dr. Wirth, der am 13. Januar 1952 in der Badischen Rundschau veröffentlicht wurde:

„In Ihrem patriarchalischen Alter pflegt man die Dinge dieser Welt vorwiegend als vergänglich anzusehen. Aber wie man auch immer als Greis über die Politik und ihre Ausdrucksformen denken mag, so ergibt sich für jeden Menschen, der wie Sie an badischen Gymnasien einst die Jugend humanistische Wissenschaften lehrte, daß hoch über den Tagesfragen das M e n s c h l i c h e steht. Ich bin überzeugt, daß Sie in den Jahren Ihres freiwilligen Exils in der gastlichen Schweiz aus eigenem Erleben zu dieser letzten und bleibenden Anschauung des Lebens gelangt sind.
Mit einem Wort: Sie können nach Lage der Dinge n u r a u f d i e s e m G e b i e t mit einem Erfolg nach Freiburg zurückkehren! Wenn Sie nicht den Mut aufbringen, öffentlich und an geeigneter Stelle für Ihre deutschen Brüder im europäischen und asiatischen Rußland einzutreten, dann wird Ihre Reise in die Ostzone letzten Endes zu einer Angelegenheit Ihres Freiburger Stammtischs werden, eine Aussicht, die weder Ihrem Ehrgeiz noch Ihre Wünsche mit Genugtuung erfüllen kann.“[12]

Die Jahre 1933 bis 1939

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Antibolschewistischer Propagandist im Dienste der Nazis

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Zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Schuldienst war Kindermann Lehrer in Konstanz. Das Landratsamt Konstanz teilte am 16. April 1956 mit, er sei dort bis zum 27. Mai 1933 gemeldet gewesen und dann unbekannt verzogen.[15] Er selbst behauptet, direkt nach seiner Entlassung in die Schweiz gegangen zu sein.[7] Am 6. April 1933 teilte das Badische Landespolizeiamt dem badischen Kultusministerium mit:

„Nach der Funkmitteilung des Ministeriums des Innern-Landeskriminalpolizeiamt Berlin vom 5. April 1933 Nr. 171 ist Dr.Karl Kindermann auf Weisung des Herrn Ministers für Propaganda zur Besichtigung der Sohutzhäftlinge wegen der Greuellüge zugelassen worden, um seine Eindrücke auf der von ihm beabsichtigten Vortragsreise durch die Schweiz und Frankreich zu verbreiten.
Kindermann ist badischer Lehramtsassessor und jüdischer Abstammung.“[15]

Am 20. April 1933 bestritt das Propagandaministerium, Kindermann eine derartige Einladung übermittelt zu haben, doch in der Presse waren bereits Artikel erschienen, die die Mitteilung des Badischen Landespolizeiamtes bestätigen.

„Dr. Kindermanns Abwehraktion. Berlin, 4. April. (Eigener Drahtbericht) Am Samstagabend sprach Dr. Karl Kindermann – Konstanz auf Einladung des Deutschlandsenders im Berliner Rundfunk über die Lage der politischen kommunistischen Gefangenen in Deutschland und Rußland. Zusammen mit Chefredakteur Berndt – Berlin unterhielt er sich über seine Eindrücke, die er bei der Unterredung mit dem bisherigen Führer der KPD, Ernst Thälmann und einer ganzen Reihe politischer Gefangener aus verschiedenen Lagern hatte. Die Pariser Presse hat diesem Vortrag, der eine energische Widerlegung der Greueltaten, welche angeblich an deutschen verhafteten Kommunistenführern begangen sein sollen, bedeutet, g r o ß e B e a c h t u n g g e s c h e n k t und bringt in Leitartikeln zum Ausdruck, daß die Sammlung aller Kräfte zum Kampf gegen den Bolschewismus das Hauptverdienst der nationalen Regierung sei. In den nächsten Wochen spricht Dr. Kindermann auf Einladung der russischen Emigrantenorganisationen in einer großen Kundgebung in Paris über 'Die nationale Regierung und der Kommunismus'. Wie wir noch erfuhren, soll in der allernächsten Zeit eine weitere Reportage im Deutschlandsender über Dr. Kindermanns antikommunistische Arbeit im Ausland von ihm gebracht werden.“[12][16]

Ein Artikel im Badischen Beobachter vom 2. April 1933 verweist auf einige persönliche Motive, die Kindermann mit seinem Gefangenenbesuch verfolgte, bei dem er nicht nur mit Thälmann, sondern mit einer ganzen Reihe weiterer prominenter NS-Häftlinge in Berührung kam, wobei es gerade wegen deren Prominenz unwahrscheinlich ist, dass das Propagandaministerium Kindermann nicht zu diesem Auftritt verholfen haben soll. In dem Artikel werden neben Thälmann genannt: Erich Mühsam, Werner Hirsch, Ernst Schneller, Alfred Kattner, Fritz Küster, Max Hodann und Josef Römer. Thälmann galt dabei Kindermanns besonderes Interesse:

„Sehr interessant war die Unterredung zwischen Dr.Kindermann, der, wie schon erwähnt, im Moskauer Studentenprozeß nach zweijähriger Haft in Tscheka-Gefängnissen zum Tode verurteilt wurde und einigen der kommunistischen Häftlinge; Thämann versteckte sich in seiner Zelle und erklärte, er wolle von der ganzen Affäre Kindermann nichts mehr wissen. Kindermann erinnerte Thälmann freundschaftlich daran, daß er es seinerzeit gewesen sei, der in Telegrammen an die Sowjetunion die Erschießung Kindermanns gefordert habe. Kindermann stellte in Gesprächen mit den politischen Gefangenen die Behandlung dieser Leute in Deutschland die Behandlung gegenüber, die er in Tscheka-Gefängnissen erfahren habe. Er habe nicht täglich eine Stunde Freizeit gehabt, seine Zelle sei klein und schmutzig gewesen und habe kein sauberes Bett und kein Mobiliar aufgewiesen, sondern nur eine aus drei Brettern bestehende Holzpritsche. Er habe keinen Morgenkaffee und kein gutes Mittagessen erhalten, sondern nur warmes Wasser und verschimmeltes Brot. Er habe nicht, wie die deutschen Gefangenen, täglich Zeitungen und Bücher bekommen, sondern zwei Jahre nicht eine Zeile Gedrucktes gesehen. Er habe niemals einen Brief schreiben oder empfangen dürfen. Die Behandlung der deutschen Gefangenen gegenüber den Gefangenen der Tscheka sei geradezu fürstlich, ihre Zellen Paradiese gegenüber den Zellen der Moskauer Gefängnisse.“[17]

Mag man Kindermann noch nachsehen, dass er angesichts seiner eigenen Erlebnisse in den Moskauer Gefängnissen die Gelegenheit nutzte, um mit den deutschen Kommunisten abzurechnen, so verleugnet er dabei doch seine eigenen Erfahrungen. Ihm musste bewusst gewesen sein, dass die von ihm als „zweckendsprechend und anständig“ bezeichneten Gefängniszustände in gleicher Weise für die Presse geschönt worden waren wie seine eigene Moskauer Zelle vor dem Besuch einer Besuchergruppe deutscher Kommunisten, die in Deutschland über seine guten Haftbedingungen berichten sollte.

Bei seiner Vernehmung 1948/1949 erwähnte Kindermann diese Aktivitäten mit keinem Wort, doch in einem Schreiben von ihm vom 9. April 1933 an den „Staatskommissar Professor Dr. Fehrle“ im Ministerium für Kultus und Unterricht in Karlsruhe, mit dem er bereits vor seinem Berlinaufenthalt eine Unterredung gehabt hatte, rühmte er sich unumwunden seiner Berliner Aktivitäten: „Andrerseits konnte ich während meines Berliner Aufenthaltes mit der politischen Polizei und der Leitung des Horst-Wessel-Hauses wichtige Besprechungen über die Abwehr der kommunistischen Schädigungsversuche, soweit sie gegen Deutschland gerichtet sind, einleiten. Im Einvernehmen mit dem Reichspropagandaministerium besuchte ich die bekanntesten kommunistischen Gefangenen und sprach am nächsten Tag darüber auf Einladung des Deutschlandsenders im Radio zusammen mit einem prominenten Herrn der nationalsozialistischen Presse. Meine langjährigen Erfahrungen im Kampf gegen den Kommunismus sind mir natürlich dabei zustatten gekommen. Ich lege Ihnen 2 Ausschnitte bei, die durch den grössten Teil der deutschen Presse veröffentlicht wurden.“[18] Und an anderer Stelle in dem gleichen Brief: „Heute fahre ich nach einer Rücksprache mit den zuständigen Stellen nach der Schweiz, nach Italien und Österreich, um dort einige Vorträge über das Thema 'Die nationale Regierung und der Kommunismus' zu halten. Ich kann aus meiner Kenntnis der Psyche des Auslandes nur betonen, wie wichtig es augenblicklich für Deutschland ist, aus dieser Isolation herauszukommen, in der wir uns augenblicklich befinden.“

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sich Kindermann in den Folgejahren in gleicher Weise als Propagandist für die Nazis bestätigt hat. Das ist um so verwunderlicher, als es sein Russland-Buch und seine aus nationalsozialistischer Sicht erworbenen Verdienste um Deutschland gewesen sein sollen, die ihm später die Ausreise nach Japan ermöglichten.

Türöffner für einen nazifreundlichen Türken

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Im Fragebogen der französischen Militärverwaltung über eine Zugehörigkeit zur NSDAP listet Kindermann am 9. Juni 1949 folgende Auslandsaufenthalte für die Zeit zwischen 1933 und 1938:

  • „Palästina im Sommer 1933 wegen Auswanderungsfragen
  • Cypern 1933/1934 Auswanderungsfragen
  • Ägypten 1934 dto.
  • Cypern und Palästina 1934/35 dto.
  • Griechenland 1938 Besuch“[11]

Seine schon erwähnten Propagandareisen von 1933 in die Schweiz, nach Frankreich und nach Italien tauchen hier nicht auf, und ebenfalls nicht eine folgenreiche Reise in die Türkei und nach Bulgarien. In einem Brief an den amerikanischen Talmudgelehrten und Romanautor Marvin Tokayer berichtete Kindermann,[19] dass er 1933 nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst nach Smyrna (Izmir) gereist und dort per Zufall dem „türkischen Hitler“, Cefat Rivat Bey, begegnet sei. Dieser habe ihn für einen Nazi gehalten und sich von ihm Hilfe erhofft bei dem Plan, Hitlers Unterstützung für einen Nazi-Putsch in der Türkei zu erhalten. Obwohl er nicht die geringste Möglichkeit gesehen habe, in diesem Sinne für Cefat Rifat tätig werden zu können, habe er, um dessen Vertrauen zu gewinnen und damit vielleicht die Möglichkeit zu erhalten, diesen gefährlichen Plan abzuwenden, ihm seine Hilfe zugesagt.

Während Kindermann anschließend noch in Bulgarien weilte, wo er den „famosen Anführer der Komitadschi, Wantsche Michailow, der ein neues Makedonien zu etablieren wünschte“, besuchte, habe ihn seine Berliner Vermieterin darüber informiert, dass Cefat Rifat angekommen sei und auf Empfehlung Kindermanns ebenfalls ein Zimmer bei ihr erhalten habe.

Nach Kindermanns Rückkehr nach Berlin sei es seiner Überzeugung nach notwendig gewesen, Cevat Rifat schnellstens mit Hitler bekannt zu machen und trotz der damit für ihn als Juden verbundenen Gefahr an diesem Treffen teilzunehmen, um Cevat Rifats gefährliche anti-jüdischen Pläne besser beobachten und zerstören zu können. Über eine Köchin in der Reichskanzlei, der Cefat Rifat versprechen musste, ein von ihr verfasstes „arisches Kochbuch“ ins Türkische zu übersetzen, sei es gelungen mit Hitlers Adjutanten Wilhelm Brückner und Rudolf Heß in Kontakt zu kommen und Cefat Rifat zu einem Treffen mit beiden zu begleiten. Danach, so behauptet es Kindermann, sei ihm als Juden die Sache zu gefährlich geworden, und er habe als erstes ein neues Quartier für Cefat Rifat gesucht. Gefunden habe er es bei nazifeindlichen Bekannten,[20] die er zugleich gebeten habe, Cefat Rifat heimlich zu beobachten. Bald darauf sei er von Cefat Rifat mit dessen Wissen über seine jüdische Identität konfrontiert worden, und ein paar Tage später habe er eine Vorladung in das Gestapo-Hauptquartier in der Prinz-Albrecht-Straße erhalten, wo er als erstes Reinhard Heydrich begegnet sei. Bei der Vernehmung habe sich dann herausgestellt, dass Kindermann von der Küchenangestellten denunziert worden sei, doch er habe alle Bedenken gegen sich entkräften können und habe die Gestapo unbehelligt verlassen.

In einem Brief Kindermanns an Joseph Walk mutiert die zuvor erwähnte Umquartierung Cefat Rifats zu einem konspirativen Akt durch den er „u. a. einen beabsichtigten Hitlerputsch in der Türkei vereitelt“ habe. Er habe Cefat Rifat durch „jüdische Leute überwachen“ lassen (womit Cevat Rifats neue Vermieterin und deren Bekannter gemeint sein dürften), und er habe bei einer Eingabe Cefat Rifats an Hitler dessen „Vorschläge völlig abgeändert (in Deutsch, er sprach nur franz.), so dass daraus nichts wurde. Ich geriet dadurch in Lebensgefahr (Gestapo, Prinz Albrecht Str., aber ich konnte mich herausreden.“[21]

Die von Kindermann geschilderte Fortsetzung gleitet dann in den Bereich der Phantasie ab:

„Der Türke wurde von Streicher gebeten, nach Nürnberg zu gehen, und da er noch kein Geld von den Nazis erhalten hatte, gab ihm Frau Schöppentau [Cefats Vermieterin] das Geld für das Ticket. Er kam sehr enttäuscht nach Berlin zurück, denn Streicher wollte, dass er ein antijüdisches Buch über palästinensische Juden schreibt. Cefat war Offizier der türkischen Armee während des Ersten Krieges und sprach mit hoher Wertschätzung über die tapfer kämpfenden Juden (auf der britischen.... Er weigerte sich, diese Tatsache trotz Streichers Wunsch zu verfälschen. Dann wurde er von Hitler empfangen und war so desillusioniert, dass er vom Nazismus genug hatte. Er fand heraus, dass Alexander Schmerkes [der Bekannte der Vermieterin] ein Jude war und bot mir an, in Genf öffentlich gegen den Nazismus zu sprechen. Ich ging sofort zu Dr. Franz Meyer, Leiter des Palästinaamtes in der Meineckestraße in Berlin, aber er antwortete, die Sache sei zu gefährlich. Wenn Hitler die Beziehungen herausfinden würde, würde er wahrscheinlich die Vertreter des Palästinaamtes festnehmen. Nun, Cefat kehrte nach Izmir zurück.“[22][23]

Mit der Desillusionierung Cefat Rifats kann es nicht so weit her gewesen sein: Die von ihm herausgegebene Zeitschrift Millî İnkılâp war bis zu ihrem Verbot 1934 eine der aggressivsten antisemitischen Publikationen in der Türkei, die viele Artikel und Karikaturen aus dem Stürmer übernommen hat, und dem Stürmer blieb er auch mindestens bis 1937 als Autor verbunden.[24] Unter dem Pseudonym „Djev“ war er der Türkei-Korrespondent des Stürmers und von Ulrich Fleischhauers Welt-Dienst,[25] und laut türkischer Forschungsergebnisse haben Cefat Rifats Artikel und Bücher bis heute einen wichtigen ideologischen Einfluss auf islamistische Parteien und Gruppierungen in der Türkei.[26]

Kurt Hellmer beschrieb 1945 in der deutsch-jüdischen Emigranten-Zeitung Aufbau Kindermann in Berlin als „Sekretär einer Arabischen Unabhängigkeitspartei“. „Das war eine offensichtlich mit Nazigeldern subventionierte antijüdische Gruppe, die gegen die Errichtung Palästinas als Judenstaat agitierte. Als Kindermann in der Folge von den Juden boykottiert wurde, drohte er mit einer Anzeige bei der Gestapo.“[27] Hellmer datierte diese Tätigkeit Kindermanns im Anschluss an das unten noch darzustellende Zypern-Projekt, weshalb es nicht gänzlich sicher ist, ob dieser Sekretärsjob Kindermanns der gleiche ist, den auch Franz Meyer erwähnt, aber es spricht viel dafür. Meyers Aussage betrifft den bereits erwähnten Ulrich Fleischhauer, der im Oktober 1934 im Berner Prozess als Gutachter berufen worden war, um als Sachverständiger die Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion zu beweisen.[28]

„Und Dr. K. --- war Privatsekretär dieses Oberst Fleischhauer. Er berichtete mir, daß in dem Berliner Privatquartier eine Zusammenkunft zwischen Oberst Fleischhauer und Julius Streicher und irgend einem Pascha stattgefunden habe, in der die Organisierung der antijüdischen Arbeit im vorderen Orient besprochen worden sei. Er, K., habe dieser Unterhaltung aus dem Nebenzimmer zugehört.“[29]

Meyer, der sich der Ungeheuerlichkeit seiner Behauptungen voll bewusst war, gab an, damals alle Angaben Kindermanns überprüft und auch die Wohnung ausfindig gemacht zu haben, in der die Unterredung zwischen Fleischhauer, Streicher und dem Pascha stattgefunden hatte. Er fand keine Anhaltspunkte dafür, an Kindermanns Rolle in dieser Affäre zu zweifeln.

Franz Meyer konnte noch mehr Erfahrungen mit Kindermann beisteuern:

„Jeder weiß selbstverständlich, was der 1. April 1933 für die Deutschen Juden bedeutet hat: Boykott -gelber Fleck ! Am Vorarbend dieses ersten April hat ein Jude (Volljude) nach Rasse und Religion) im Auftrag einer Nationalsozialen Parteistelle im Berliner Radio gesprochen. Am Tage nach dem Boykott hat die Agudath Jraelb diesen gleichen Juden als politischen Berater engagiert, damit er bei dem Preussischen Ministerpräsidenten Göring wegen des Schächteverbotes intervenieren solle, und im Herbst des gleichen Jahres hat der Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten ihn nach Abessinien geschickt, damit er dort Siedlungsland für die jüdischen Frontkämpfer aus Deutschland beschaffen sollen.
Der Mann der diese drei Aufträge nicht nur erhalten, sondern auch ausgeführt hat, natürlich nicht in allen drei Fällen mit Erfolg, war Dr. Karl Ki......., der Ende der zwanziger Jahre bereits die Öffentlichkeit dringend beschäftigt hatte, weil er damals mit zwei Kollegen in Moskau unter dringenden Spionageverdacht verhaftet und zum Tode verurteilt worden war. Nur unter großen Mühen war es der Regierung Stresemann gelungen, im Austausch mit politischen Gefangenen der anderen Seite den drei Studenten das Leben zu retten.
Seit damals bestand, was nebenbei auf die innere Geschichte der Weimarer Republik ein Schlaglicht wirft, Dr.Ki... mit der nationalsozialistischen Parteizentrale, die in der Bekämfpung des Bolschewismus mit den damals amtierenden Regierungsstellen zusammenarbeitete, in engster Fühlung und genoss insbesondere die Protektion von Rudolf Hess, dem Stellvertreter des 'Führers'.“[29]

Zur Bekräftigung seiner Angaben weist Meyer ausdrücklich darauf hin, dass er „das Berliner Radio-Programm, das Berufungsschreiben der Agudath Jisrael und die Telegramme eingesehen [habe], mit denen Ki. von Kairo aus beim Reichsverband Jüdischer Frontsoldaten um Auffüllung seiner Reisekasse ersuchte“.[29]

Das Abessinien-Projekt

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In dem bereits zitierten Schreiben an den „Staatskommissar Professor Dr. Fehrle“ rühmt sich Kindermann seiner Abessinien-Aktivitäten, ohne allerdings zu erwähnen, dass er diese im Auftrag von und mit Bezahlung durch jüdische Organisationen unternommen hatte, um dort Siedlungsland für jüdische Frontkämpfer zu erwerben (was er bei einer Vernehmung 1948/1949 ausdrücklich betonte). Fehrle gegenüber bleibt der jüdische Hintergrund der Reise unerwähnt und mutiert zu einer Wirtschaftsförderungsaktion im Interesse des Deutschen Reichs.

„Ich war auf dem Auswärtigen Amt, auf der Hauptgeschäftsstelle des Vereins für das Deutschtum im Ausland, in Industriekreisen und im Propagandaministerium, um dort den zuständigen Herren meine Vorbereitungen für die Reise nach Abessinien zu besprechen. Wie ich Ihnen sagte, beabsichtige ich, in Addis Abeba die erste Gewerbeschule mit angeschlossenem Medizininstitut zu gründen. Nach einer Vorbereitung von einigen Monaten hoffe ich soweit zu sein, dass dann durch direkte Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen der Deutschen Gesandtschaft und der abessinischen Regierung die Frage der Verwendung einer Anzahl deutscher Gewerbelehrer, denen später Ärzte nachfolgen sollen, geregelt wird. Die Dezernenten des Auswärtigen Amtes lobten meine private Initiative sehr und betonten die dringende Notwendigkeit, auf diesem Wege den deutschen wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss im Orient zu erweitern. Man will gern bereit sein, mich nach Kräften zu unterstützen. Auch im Reichsministerium für Propaganda interessierte man sich ausserordentlich dafür. Man glaubt, dass es durch diese stille Arbeit im Ausland möglich sein wird, Abessinien dem deutschen Export zu erschliessen.“[18]

In der Tat konnte er sich für dieses Vorhaben des Rückhalts des Propagandaministeriums und des Reichsverbands der Deutschen Industrie (RDI) sicher sein, denn in einem Schreiben vom 19. September 1933 teilt das Ministerium dem RDI mit: „Auf Wunsch des Herrn Dr. Kindermann wird mitgeteilt, dass Bedenken gegen das Vorhaben nicht bestehen.“[30]

Kindermann reiste nach Palästina, wo er einen Gewährsmann traf und wohin angeblich auch die Kaiserin von Abessinien kommen sollte. Er hat für sein Abessinien-Abenteuer vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten insgesamt 7.500 Reichsmark erhalten, aber nichts erreicht. Der Kontakt nach Abessinien sei nicht zustande gekommen, weil sein ihm von früher bekannter Gewährsmann, den er in Palästina getroffen habe, ein polnischer Jude, mit deutschen Juden nichts zu tun haben wollte. Vorher schon hatte der Reichsbund es abgelehnt, Kindermanns Gewährsmann nach Berlin einzuladen, angeblich deswegen, weil er mit einem polnischen Juden nichts zu tun haben wollte.[7]

Das Zypern-Projekt

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Kindermann blieb nach dem Scheitern der Abessinien-Mission in der Gegend und verbrachte ein Vierteljahr in Kairo. Von dort aus reiste er nach Zypern und fand dort angeblich gute Bedingungen für eine Einwanderung vor. Darauf kehrt er nach Berlin zurück und gründete den Verein der Zypern-Auswanderer.[31] „Ich stiess aber sehr bald auf grossen Widerstand bei den führenden jüdischen Kreisen, denn sie sahen dies eine Bedrohung Palästinas an... 1936 kam ich [von Zypern] zurück und nun begannen die Verhandlungen mit dem Reichswirtschaftsministerium. Ein Herr Dr. Wohltat hat mir einen Transfer von 100 000 Pfund bewilligt. Die Zionisten traten mit der Bitte an mich heran, Ihnen den Transfer zu übergeben.“[7][32]

Kurt Hellmer bestätigte 1945 im Aufbau im Wesentlichen diese Geschichte und schrieb, Kindermann habe vorgegeben, Direktor der Cypern-Siedlungsgesellschaft gewesen zu sein.[27] Franz Meyer ging ebenfalls ausführlich auf Kindermanns Zypern-Projekt ein und deutete an, dass dieser eng mit dem Deutschen Konsul auf Zypern zusammengearbeitet habe, der selbst an den Grundstücksverkäufen mit verdienen wollte, die Kindermann einzufädeln vorgab.[29]

Am 7. Dezember 1945 erschien im Aufbau ein nur mit den Initialen „E. B.“ gekennzeichneter Leserbrief in englischer Sprache zu Hellmers Artikel, der einen differenzierteren Blick auf Kindermanns Zypern-Projekt ermöglicht.[33] Der Leserbriefschreiber war im Juni 1934 über eine Anzeige im Hamburger Israelitischen Familienblatt auf das Projekt aufmerksam geworden und erhielt nach seiner Interessenbekundung etwa vier Wochen später Post von Kindermann aus Alexandria, der vorgab, sich dort aufzuhalten, um Ausrüstungsgegenstände für eine bereits bestehende Hühnerfarm zu erwerben. Der Interessent zeigte sich bereit, $ 10.000 zu investieren, wenn er die Möglichkeit hätte, alles zu überprüfen.

Die beiden trafen sich an Weihnachten 1934 in Berlin. Bei einer ausführlichen Diskussion über das Projekt gewann der Interessent den Eindruck, dass Kindermann sehr darauf bedacht war, an die Fremdwährung heranzukommen. Verwirrend fand er, als Kindermann ihm erzählte, dass in Larnaka bereits 50 Millionen Hühner geschlüpft seien. Vollends misstrauisch wurde „E. B.“, als Kindermann ihm anbot, ihn zu seinem Repräsentanten in Zypern zu ernennen, sobald er die $ 10.000 gezahlt habe. Als der Interessent auf einer genauen Vorprüfung bestand, verlor Kindermann das Interesse an ihm und ging, vorgeblich um in Amsterdam einen wichtigen Deal für die Umsiedlung von fünf Interessenten aus verschiedenen Teilen Deutschlands abzuschließen.

Am 31. Dezember 1934 fuhr „E. B.“ ohne Kindermanns Wissen nach Zypern, um sich mit den zwei Personen zu treffen, die in der Diskussion zwischen ihm und Kindermann erwähnt worden waren. Schon zuvor erfuhr er aber, dass Kindermann nach einem nur kurzen Aufenthalt abgereist sei und weder eine Farm noch ein einziges Huhn existierten. Bei Kindermanns Repräsentanten handelte es sich dann um einen vier Monate zuvor aus den USA abgeschobenen Mann und um einen weiteren, Brandt, der zum Schein ein Immobilienbüro betrieb. „E. B.“ erfuhr von einem aus Breslau stammenden Emigranten, dem Kindermann und Brandt einen angeblich perfekten Orangenhain verkauft hatten, der sich aber in Wirklichkeit als Salzwasserfläche entpuppte. Der Mann aus Breslau hatte alles verloren.

„E. B.“ blieb ca. vier Monate in Zypern. Er bekam in dieser Zeit niemals Kindermann zu Gesicht, bemerkte aber, dass Brandt in schöner Regelmäßigkeit das deutsche Konsulat in Larnaka aufsuchte. Er beendet seinen Leserbrief mit dem Satz: „Ich fürchte, dass eine ganze Reihe von Menschen von diesem Verbrecher um ihre letzten Mittel betrogen wurden.“[34]

Das Projekt hatte noch ein juristisches Nachspiel, bei dem sich Kindermann und einer seiner „Repräsentanten“ gegenüberstanden. „Im Jahre 1937 hat er sich mit seinem bisherigen Kollegen in der Leitung der Cypernvereinigung völlig überworfen. Die beiden führten einen wütenden Prozess, der zum Glück vor der Schiedsstelle der Reichsvertretung der deutschen Juden schwebte. Die zwei bisherigen Freunde warfen sich nämlich wechselseitig E h e b r u c h – R a s s e n s c h a n d e – U n t e r s c h l a g u n g und andere Verbrechen vor. Es war kein angenehmes Aktenstück. Danach gab es ein paar Monate Ruhe.“[29]

Zwischen Zypern und Tokio

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Das Zypern-Projekt war vermutlich Kindermanns letzte größere Auslandsaktivität vor seiner Auswanderung, wenngleich nicht seine letzte. Bei seiner Vernehmung 1948/1949 zeigte er sich verbittert darüber, wie wenig sein damaliges Engagement „für die jüdische Sache“ gewürdigt worden war: „Die Tatsache, dass ich für die jüdischen Führer verhandelt hatte, war verschiedenen Emigranten bekannt geworden. In der ausländischen Presse begann bald eine Hetze gegen mich. Ich wurde schlecht gemacht. Die jüd. Führer retteten sich alle ins Ausland und die armen Menschen blieben zurück, diese kamen dann zu mir und holten sich Rat.“[7]

In den Archivunterlagen wird als nächstes relevantes Datum nach dem Zypern-Projekt der 8. April 1936 erwähnt. An dem Tag weilte Kindermann zur Hochzeit seiner Schwester in Frankfurt am Main und lernte dabei seine künftige Frau kennen[7]: die Kindergärtnerin Lotte Henriette Ruhr, geboren am 8. Juni 1912 in Offenbach. Bereits am 18. Juni 1936 wurde das Paar in Frankfurt getraut.[11][35] Über seine beruflichen Aktivitäten aus dieser Zeit und über seine Möglichkeiten, sich seinen Lebensunterhalt zu sichern, ist nichts bekannt.

Zum 1. April 1937 fand Kindermann eine Anstellung im Jüdischen Kinder- und Landschulheim Caputh.[36] In Joseph Walks Arbeitsnotizen findet sich dazu der Hinweis, Kindermann sei „auf Druck von Leschnitzer angestellt“ worden.[37] Adolf Leschnitzer war der Leiter der der Reichsvertretung der Deutschen Juden unterstellten Schulabteilung,[38] und die Caputher Einrichtung war auf die Unterstützungen von jüdischen Wohlfahrts- und Pflegeämtern sowie Zuschüsse jüdischer Verbände angewiesen.[39]

Über Kindermanns Zeit in Caputh gibt es so gut wie keine Berichte. Lediglich Joseph Walk erwähnt, dass, nachdem die Schule anlässlich der Olympischen Spiele 1936 „japanischen Besuchern von den Machthabern als ein Beispiel jüdisch-autonomer Erziehung im Dritten Reich vorgeführt“ worden sei, ein Jahr später ein Erzieher – eben Karl Kindermann – die Erlaubnis erhalten habe, „mit einer ausgewählten Schülergruppe, auf Einladung des griechischen Königs, Athen zu besichtigen“.[40] Kindermann selber erwähnt, wie oben schon zitiert, eine Griechenlandreise im Jahre 1938, macht zu ihr aber in dem Fragebogen der französischen Militärverwaltung keine weiteren Angaben. In seinen Arbeitsnotizen deutete Walk an, dass eine Einladung durch den griechischen König eher unwahrscheinlich war, und auf eine Nachfrage bei Kindermann erhielt er dann am 14. Dezember 1976 folgende Auskunft:

„Von Caputh aus unternahm ich mit 5 jued. Schuelern eine Reise nach der Insel Samos 1937. Ich brachte das eben wegen meiner antikomm. Haltung fertig, die Erlaubnis zu bekommen. Wir suchten in Griechenland Möglichkeiten fuer eine Einwanderung von Juden.“[21]

Der angegebene Zweck der Reise und die Bedeutung von Kindermanns Antikommunismus sind auch hier schwer zu glauben, aber noch schwerer zu widerlegen.

Trotz dieser Freizügigkeiten, die Kindermann in Caputh noch genießen konnte, trug er sich im Frühjahr 1938 mit dem Plan eines Ortswechsels: „Im Frühjahr 1938 erhielt ich von der Leitung des jüdischen Gymnasium 'Philantropia' aus Frankfurt /Main unversehens die Bitte, mich über den Charakter und Leumund des ‚Lehramtskandidaten Dr. Ki‘ zu äußern, der sich um eine Stelle als Hilfslehrer beworben hatte. Bei der langen Unterbrechung der Berufslaufbahn des Genannten müsse die Leitung der Schule auf besonders exakte Auskünfte Wert legen. Und da sich Dr. Ki. auf mich als einen Könner [vermutlich Kenner] seiner öffentlichen Tätigkeit berufen hätte, so bitte man mich um eine detaillierte (Auskunft) Stellungnahme.“[29] Diese Stellungnahme Meyers fiel negativ aus, und Kindermann blieb in Caputh.

In den Wiedergutmachungsakten findet sich ein langer Bericht Kindermanns über die Zerstörung der Schule am 9. November 1938, bei dem auch ein großer Teil seines Hausrats einschließlich seiner Bibliothek und seiner Plattensammlung zerstört worden war. Er beteiligte sich an der Evakuierung der Schüler nach Berlin, schilderte dies aber Ende 1976 noch so, als sei er der alleinige Retter der Kinder gewesen: „Als das Schulgebäude im Nov. 38 gestürmt wurde, brachte ich viele Kinder auf einem Marsch durch die nächtlichen Wälder nach Berlin in Sicherheit.“[21] Dass die gesamte Lehrerschaft an dieser Rettungsaktion beteiligt war, bedurfte für Kindermann keiner Erwähnung. Dafür aber nutzte er die Gelegenheit, Joseph Walk über eine weitere Heldentat zu unterrichten: „So rettete ich einem Herrn Friedmann, heute USA mit Familie, aus dem Zuchthaus in Braunschweig.“[21] Nirgends sonst findet sich eine vergleichbare Aussage, was eigentlich Kindermanns Mitteilungsdrang widerspricht, und er ist auch eher en passant in einem Absatz des Briefes anlässlich der Spruchkammer- und Wiedergutmachungsverfahren enthalten. Joseph Walk hat die Sache dennoch überprüft. In den Arbeitsnotizen berichtete er, dass Lotte Friedmann, um deren Mann es dabei ging, und die Mitarbeiterin (Jugendleiterin) am Jüdischen Kinder- und Landschulheim Caputh gewesen war,[41] Kindermanns Angaben in einem Brief an Marvin Tokayer bestätigt habe.[42] Bei den Befragungen 1948/1949 hat diese positive Tat Kindermanns keine Rolle gespielt, und so muss vorerst auch offen bleiben, wie es ihm gelungen ist, den verhafteten Mann aus dem Zuchthaus zu befreien.

Nach dem Ende des Landschulheims zog Kindermann mit seiner Familie nach Berlin, weil ihm in Caputh keine weitere Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt worden sei.[15] Er fand eine Anstellung an „einem orthodoxen Gymnasium in Berlin“[21] der Adass-Schule von Adass Jisroel,[43] und berichtete über seine Arbeit dort: „Ich selbst gab u. a. Gegenwartsunterricht, d. h. ich orientierte die Kinder über die ganze Situation, in der wir lebten. Auch half ich einzelnen Kindern zur Auswanderung. Da die Lehrbücher alle nazistisch waren, so unterrichtete ich frei nach dem alten Plötz, Geschichtskalender. Wir pflegten gute, klassische Musik.“[21]

Einer seiner Schüler dort war Nathan Peter Levinson, der spätere Landesrabbiner von Baden-Württemberg. In seiner Autobiografie ist Kindermann für ihn „eine der faszinierendsten Persönlichkeiten, denen ich je in meinem Leben begegnet bin. Er pflegte zu sagen, er könne Geographieunterricht nur in bezug auf die Länder geben, in denen er schon gewesen war, und der hatte die meisten bereist.“[44] Walk übernahm die Einschätzung Kindermanns als „großartiger Lehrer“ offenbar aufgrund eines Levinson-Briefes aus dem Jahre 1976 in seine Arbeitsnotizen und fügt unter Berufung auf eine weitere Quelle hinzu: „Gerüchte über Kollaboration mit den Nazis von den Schülern nicht angenommen.“[42] Levinson, der Kindermanns Lebensgeschichte gut kannte, zeigte sich in seinem 1996 erschienenen Buch davon überzeugt, dass die gegen Kindermann erhobenen Vorwürfe, gerade auch die von jüdischer Seite, ungerechtfertigt waren und Kindermann die Gelegenheit vorenthalten worden sei, „seinen Fall aufzurollen oder seine Ankläger zu stellen“.[45] Das verwundert insofern, als Kindermann in einigen Briefen an Levinson diesen ziemlich deutlich um Unterstützung bat, von diesem aber offenbar keine für ihn positive Antwort erhielt.[46]

In seinem Spruchkammerverfahren gab Kindermann zu Protokoll:

„Nun sagte ich mir, ist es aber Schluss, und ich wollte meine Ruhe haben. Nach Amerika wollte ich nicht. Ich wandte mich also an die Japaner, dort hatte ich gute Beziehungen und mir wurde zugesagt, dass ich dort als Professor tätig sein könne. Ich zeigte bei diesen Stellen dann immer mein Buch vor und dadurch habe ich dann auch alles geschafft. […] Anlässlich meiner Abessinien-Reise, die gescheitert war, wurde ich vom Reichspropagandaministerium Abt. – Lügenabwehr – durch einen gewissen Herrn Dehmann einbestellt und vernommen, und zwar in der Richtung, dass es aufgeklärt wurde, inwieweit meine Äusserungen usw. während meines Aufenthalts im Ausland gehen dürften. Dabei kam auch das Gespräch selbstverständlich auf meine Publikation.
Ich hatte einen deutschen -J-Pass. Ich musste eine ganze Reihe Deutscher Stellen passieren, ehe ich die Ausreise nach Japan bekam. Man sagte mir allgemein, dass man mir keine Schwierigkeiten in den Weg lege und es sei wohl das beste für mich, wegzugehen, denn es würden Massnahmen getroffen, die auch mich treffen würden. Überall war man höchst anständig zu mir.“[7]

Kindermann sagte nicht, weshalb er nicht nach Amerika wollte, wo inzwischen seine Schwester und vermutlich auch sein Vater lebten, und er sagt nichts darüber, woher seine guten Kontakte zu den Japanern stammten, noch welcher Art diese waren. Einen Hinweis gibt der spätere Polizeiattaché an der Deutschen Botschaft in Tokio, Franz Paul Huber. Dem gegenüber brüstete sich Kindermann nach seiner Ankunft in Japan damit, dass er „für das Auswärtige Amt im Rahmen der Antikomintern gearbeitet“ habe.[47] Das spielt auf den im Oktober 1933 gegründeten Gesamtverband Deutscher antikommunistischer Vereinigungen an, da Kindermann auch vorgab, für das Außenpolitisches Amt der NSDAP gearbeitet zu haben, es könnte aber auch auf Aktivitäten von ihm im Rahmen des 1936 zwischen Deutschland und Japan abgeschlossenen Antikominternpakts verweisen und damit erklären, wie Japan in den Fokus Kindermannscher Interessen rückte.

Unter Verweis auf den Nachlass Eugen Hoeflichs (Moscheh Ya’akov Ben-Gavriêl), der sich in den Central Zionist Archives (CZA) in Jerusalem befindet,[48] berichtete Hanan Harif darüber, dass sich Kindermann schon vor 1937 mit dem Gedanken getragen habe, „ein Buch über den Orient zu schreiben“. Hoeflich habe ihm in diesem Zusammenhang in einem Brief vom 3. Januar 1937 empfohlen: „Japaninstitut: ich empfehle Ihnen, sich dort nach der Adresse des Professors Kanokogi zu erkundigen. Er – ein Freund von mir, von dem ich aber viele Jahre nichts gehört habe – war seinerzeit Leiter dieses Instituts und kann ihnen sicherlich viel sagen.“[49] Inwieweit Kindermann diesem Rat folgte, und ob auf diese Weise das Angebot einer Professur zustande kam, muss offen bleiben. Die Idee mit der Professur zerschlug sich ein halbes Jahr nach Kindermanns Ankunft in Japan.[7]

Der Japanaufenthalt

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Ausreise mit Hilfe des NS-Apparats

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Im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens bescheinigte die Hamburg-Amerika-Linie Karl Kindermann am 11. Februar 1960, dass „Sie zusammen mit Ihrer Gattin und Ihrem Töchterchen in der Kajüt-Klasse (höchste Klasse) mit unserem früheren MS ‚ST.LOUIS‘ am 2. März 1939 ab Hamburg/Bremerhaven nach New York gereist sind und mit dem Dampfer ‚TAIYO‘ ab San Francisco am 27. April 1939 nach Yokohama.“ Die Bahnfahrt New York/San Francisco erfolgte laut Reederei 1. Klasse. Die in Reichsmark umgerechneten Kosten beliefen sich auf ca. 4.000 RM.[50]

Auf die Frage, woher er das Geld für diese luxuriöse Reise gehabt habe, antwortete Kindermann in einem Schreiben vom 22. April 1960: „Da ich einen wohlhabenden, inzwischen vergasten Onkel hatte, so stattete er uns wieder einigermaßen für die Auswanderung aus.“[15] Keine Anhaltspunkte lieferte er dazu, wie es ihm und seiner Familie überhaupt möglich gewesen war, eine Ausreiseerlaubnis aus Deutschland zu erhalten. Karl Hamel, von 1941 bis 1944/45 Dolmetscher und Übersetzer in der Deutschen Botschaft in Tokio, bemerkte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 10. Februar 1949 über Karl Kindermann dazu: „Es mag zutreffend sein, dass die Gestapo im Jahre 1939 ihre Zustimmung zu der Ausreise des K. gegeben hat, denn ohne deren Zustimmung konnte ja damals niemand ins Ausland reisen, auch K. nicht.“[51] Und hinzufügen kann man in diesem speziellen Fall außerdem, dass ohne Mithilfe hochrangiger deutscher Regierungsstellen Kindermann wohl auch nicht in Japan hätte einreisen dürfen, denn der japanische Außenminister hatte bereits Ende 1938 in einem Rundbrief angeordnet, „dass die Einreise der Flüchtlinge nach Japan und in seine Kolonialgebiete untersagt sei“.[52] Noch deutlicher wird diese Protektion Kindermanns in der Stellungnahme des schon erwähnten Franz Paul Hubers vom 4. Januar 1949.

„Im Jahre 1939 oder 1940 traf auf der Botschaft in Tokio ein Schreiben des Auswärtigen Amts Berlin ein, in welchem mitgeteilt wurde, dass in nächster Zeit in Tokio ein gewisser Dr. Kindermann eintreffen werde. Kindermann sei Jude und müsse deshalb Deutschland verlassen, wegen seiner Verdienste in Deutschland jedoch geniesse er alle Erleichterungen, man solle daher versuchen ihn bei japanischen Dienststellen unterzubringen. Eine Beschäftigung im Rahmen der Botschaft jedoch käme nicht in Frage. Kindermann erschien dann mit Familie einige Wochen später in Japan und sprach auf der Botschaft vor. Die Sache Kindermann wurde mir vom damaligen Botschafter Eugen Ott zur Bearbeitung übergeben mit der Auflage bei japanischen Dienststellen der Armee vorzusprechen, um Kindermann evtl. im Rahmen japanischer antikommunistischer Arbeit zu beschäftigen. Kindermann hatte mir nämlich nach seinem Eintreffen erzählt, dass er in Deutschland für das Aussenpolitische Amt, für militärische Dienststellen, für polizeiliche Dienststellen und für das Auswärtige Amt im Rahmen der Antikomintern gearbeitet hat. […] Die japanischen Dienststellen zeigten ein scheinbares Interesse Kindermann mit antikomintern Arbeit zu beschäftigen. Kindermann beklagte sich aber bitter bei ein oder zwei späteren Besuchen auf der Deutschen Botschaft, dass die Japaner seine Mitarbeit hinauszögern und er habe den Eindruck, dass die Japaner 'nicht recht wollen'.“[47]

Heinrich Loy, nach eigenen Worten „Leiter der Agfa-Gomei-Kaisha-Vertretung der IG.-Farbenindustrie“ und seit „1934 Ortsgruppenleiter der NSDAP“ berichtet gar davon, dass über Kindermanns Ankunft in Tokio „eine Zeitungsnotiz in einer engl. Ausgabe einer Tokio-Zeitung“ erschienen sei, „worin sinngemäß gesagt war, dass ein Herr Dr. Karl Kindermann, Spezialist für Antikominternfragen in Japan angekommen sei und mit dem Tokio-Metropolitan-Police-Board zusammenarbeiten würde. Aus dieser Zusammenarbeit wurde aber allem Anschein nach nichts; denn einige Monate nach dem Erscheinen dieser Zeitungsnotiz erschien Herr Dr. Karl Kindermann in meinem Büro (Agfa-Gomei-Kaisha-) und bat mich um Hilfe für sich und seine Familie, da er weder eine Stellung, noch irgend eine Unterstützung von seiten deutscher oder japanischer Behörden bekommen könnte.“[53]

In einem Lebenslauf vom 19. November 1947 umschreibt Kindermann seine Reise nach und seinen Aufenthalt in Japan als eine quasi alltägliche Angelegenheit: „Ich begab mich mit meiner Familie zuerst nach den Vereinigten Staaten, von da aus nach Hawaii und später nach Japan, wo ich über den Krieg blieb. Ich betätigte mich dort als Leiter einer ausländischen Privatschule. Neben der Pädagogischen Arbeit war ich literarisch tätig und gleichzeitig Vertreter der 'Weissen Zonen' für Japan im Auftrage der Schweizer Stellen. Dies führte zu einer eingehenden Vertrautheit mit den Problemen des Fernen Ostens und zu einer ausgedehnten Kenntnis fremder Völker und Länder daselbst.“[54][55] Ein Jahr später, bei seiner Vernehmung durch die Spruchkammer, heißt es hingegen: „Mit den deutschen Stellen in Japan hatte ich so gut wie keine Verbindung, mit Ausnahme von 2–3 Familien. Ich lebte sehr für mich denn ich war ja völlig gestrandet. In Japan trat ich dann zu den Quäkern über, denn vom Judentum war ich enttäuscht. Ich lebte in Japan in grosser Not. 1940 gab ich Stunden.“[7]

Als Emigrant am Rande der Deutschen Kolonie

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Kurt Hellmer bestätigt: „In Tokio wurde er Sprachlehrer an der amerikanischen Quäkerschule.“[27] Wie lange Kindermann an dieser Schule unterrichtete, ist nicht bekannt, doch scheint diese Tätigkeit bald von einem nur noch „Stundengeben“ abgelöst worden zu sein. Heinrich Loy berichtete darüber, dass der mittellose Kindermann ihn gebeten habe, „ihm die Möglichkeit für Sprachuntericht an der deutschen Schule zu verschaffen. Ich habe mich in dieser Richtung auch für Dr. Kindermann bemüht, stiess aber auf den Widerstand der deutschen Lehrer.“ Er berichtete auch von zwei Fällen, bei denen er von Mitgliedern der deutschen Kolonie um Rat gefragt worden sei, ob sie ihren Kindern Nachhilfeunterricht durch Kindermann erteilen lassen könnten. Er habe das als Ortsgruppenleiter bejaht, doch sei nur ein Vater seinem Rat gefolgt.[53] Dass Kindermann eine Privatschule leitete, wie er mehrfach behauptete, steht in Widerspruch zu dem folgenden Bericht aus dem Jahr 1945, aus dem außerdem hervorgeht, dass die Familie Kindermann zu dem Zeitpunkt in Karuizawa (Nagano) lebte: „Jacob und ich wurden in einer deutschen Sommerschule angemeldet, die von einem Dr. Karl Kindermann betrieben wurde, der fast blind war und eine extrem dicke Brille trug. Es eine Schule zu nennen, war eine Übertreibung, denn wir waren nur zu zehnt in der Klasse und Kindermann unterrichtete uns in seinem Wohnzimmer.“[56] Auch wenn Kindermann das an anderer Stelle doch wieder als „seine kleine Privatschule“ ausgab, schilderte er zugleich seine „große Not“ und sei „schlecht bezahlt“ gewesen.[7]

Die Lage Kindermanns, dessen zweites Kind, sein Sohn Edgar, in Japan zur Welt kam, ist durch verschiedene Aussagen in den Spruchkammer-Akten belegt. Loy sagte aus, dass Kindermanns schlechte finanzielle Verhältnisse allseits bekannt gewesen seien und er ihm einmal mit einer Unterstützung aus seiner eigenen Tasche weitergeholfen habe, andere Unterstützungen durch die deutsche Kolonie seien nur vorübergehend möglich gewesen. Den Hauptgrund für diese Zurückweisung Kindermanns sah Loy darin, dass dieser „als Emigrant nicht angehöriger der deutschen Gemeinde“ gewesen sei und deshalb „von der deutschen Gemeinde keine Lebensmittelzuteilungen bekommen konnte“. Kindermann sei deshalb gezwungen gewesen, „mit allen möglichen deutschen und später auch japanischen Stellen in Berührung zu kommen“ und habe als weitere Erwerbsquelle „für alle möglichen Leute ausländische Bücher und Zeitungen über die Schweiz besorgt[.], und so wahrscheinlich auch für die Herren der deutschen Botschaft“.[53]

Völlig anders sah das dagegen E. O. Leuenberger, der als Schweizer zusammen mit einem Deutschen während des Zweiten Weltkrieges in Tokio ein Restaurant betrieben hatte. Im Mai 1946 traf er in New York ein und unterhielt sich dort mit dem Journalisten James R. Young. Leuenberger, der in Japan in der Nähe von Kindermann gewohnt hatte, erzählte über diesen, dass dieser sich darauf spezialisiert hätte „die neutralen Diplomaten – Schweden, Portugiesen, Schweizer und Italiener – auszuspionieren. Kindermann gab vor, mittellos zu sein, aber tatsächlich hatte er eine der besten Nahrungsvorräte und Mengen an Geld. Er arbeitete für die Nazis, die Japsen, und bekam schließlich einen Job bei den Amerikanern, die ihn nach 3 Wochen in ihrem Dienst rausschmissen.“[57]

Das steht in Widerspruch zu der von Kindermann selbst geschilderten schlechten materiellen Situation, sowie auch zu deren Bestätigung durch alle deutschen Zeugen, vorab den bereits zitierten Karl Hamel und Heinrich Loy. Hamel wird von Leuenberger allerdings als „einer der dreckigsten aller Nazis“ („Karl Hamel is one of the dirtiest of all Nazis.“) und als „SS Terrorist von Stettin“ bezeichnet, Heinrich Loy als ein auf Bürger neutraler Staaten angesetzter Spion und „vollblütiger Nazi“ („full-blooded Nazi“).[58] Andererseits weist Kindermann in einem Brief an den deutschen Generalkonsul in Tientsin vom 27. Juli 1942 sehr deutlich auf seine schwierige materielle Lage hin und bittet gleichzeitig um Unterstützung. Und Hamel gibt zwar bei einer Vernehmung durch den amerikanischen Geheimdienst zu, dass Kindermann mit einem, wie von Leuenberger behaupteten, Spionageauftrag nach Japan gekommen sei, meinte dann aber: „Kindermann ist sehr klug und ehrgeizig. Er versucht fieberhaft, sich in geheime und sensationelle Angelegenheiten einzumischen, ohne den Scharfsinn, die Verschwiegenheit oder die Leistungsfähigkeit eines gewerbsmässigen Spitzels zu haben.“ Und an anderer Stelle urteilte er über Kindermann: „Aus seinen Erzählungen ist mir der Eindruck geworden, dass er gerne prominente und interessante Persönlichkeiten interviewt und gerne – wie man zu sagen pflegt – seinen Kopf in alle Töpfe steckt, ohne der Gefahr gewärtig zu sein, die ihm unter Umständen daraus erwachsen mag.“[51] Da Leuenberger für seine oben zitierten Behauptungen von dem wohlversorgten Spion Kindermann keine Belege vorbrachte, ist deren Glaubwürdigkeit nicht überprüfbar.

Kindermanns Verhältnis zu Josef Meisinger

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Vom 1. April 1941 an war Josef Meisinger, der „Schlächter von Warschau“, als Polizeiattaché an der deutschen Botschaft in Tokio tätig. Um die Zusammenarbeit zwischen ihm und Kindermann ranken sich die meisten Gerüchte, und häufig wird Kindermann als Meisingers Übersetzer und Informant bezeichnet. Kindermann selber verschwieg diese Zusammenarbeit nicht, doch wählt er für sie eine völlig anders lautende Darstellung und Begründung.

Zur Vorgeschichte gehört zunächst, dass Kindermann Sekretär des Japaners Yui Yokoyama geworden war. Wie das zustande kam, ist ungeklärt. Yokoyama war nicht nur „Veranstalter von japanischen Theaterdarbietungen für die ausländische Kolonie in Tokyo“, wie Hamel berichtete, sondern auch ein hochrangiges Mitglied der Gesellschaft des Schwarzen Drachen (Black Dragon Society oder auch Amur River Society/Amur-Bund). In einem Brief vom 26. Januar 1975 an Marvin Tokayer beschreibt Kindermann diesen Yui Yokoyama so: „Er war ein sehr kultivierter Mann, immer gekleidet wie ein Lord aus England, er sprach ein erstklassiges Englisch, war ein enger Freund von Minister Hirota, stellte mir Toyama Mitsuru vor, wo nur der Kaiser und prominente Japaner erscheinen konnten, hatte ein Geheimbüro im Imperial Hotel und hatte geheime Verhandlungen mit Meisinger, wo ich teilnahm, mit Oberst Obolenko (Sowjetische Botschaft), wo ich natürlich nicht zugelassen war. Das zeigt, dass er eine hochrangige Persönlichkeit war.“[59]

Über Yokoyama schaffte es Kindermann, in Kontakt zu Meisinger zu kommen, angeblich mit dem Ziel, für eine vom ihm zu gründende Untergrundorganisation Informationen über die Gestapo zu beschaffen, die er hoffte, den Engländern zukommen lassen zu können.[7] Er weckte Meisingers Interesse durch sein antisowjetisches Moskau-Buch. Meisingers Sekretärin, Leni Abt, berichtete in ihrer Vernehmung vom 28. April 1949 vor dem Amtsgericht Bad Homburg, dass Meisinger unter Bezug auf die Moskauer Studentenprozesse gemeint habe, Kindermann „habe sehr anständig zu Deutschland gehalten. Er habe diese Sache durchgestanden, während sich zwei andere umgebracht hätten. Aus diesen Gründen sei er vom Dritten Reich günstiger behandelt und nach Japan geschickt worden. Er Meisinger, habe Anweisung, ihn zu unterstützen, wenn es ihm schlecht ginge.“[60]

Kindermann fährt fort: „Bald erkannte ich Meisingers grosses Interesse an Büchern und ich bot ihm meine Bücher an. M. kaufte mir dann auch von meinen Büchern ab und ich war froh, so hatte ich wenigstens immer wieder etwas zum Leben. Ich liess mir die Schweizer Zeitungen kommen, für die sich Meisinger auch sehr interessierte. Da ich jedoch keine Devisen hatte, sagte ich Meisinger er solle die Zeitungen auf meinen Namen bestellen. [..] Ich wollte unter allen Umständen die Verbindung mit Meisinger aufrecht erhalten, damit ich bei den Engländern auch sagen konnte, dass ich wirklich eine Verbindung hatte.“[7]

Leni Abts Aussage legt dagegen die Vermutung nahe, dass das Beschaffungsprogramm für Meisinger Teil eines verdeckten Unterstützungsprogramms für Kindermann gewesen war. „Dann und wann erhielt ich ich Anweisung, ihm hundert oder hundertfünfzig yen auszuzahlen für seine Arbeit. Ich habe dies aber als eine Unterstützung aufgefaßt. Es waren dies ungefähr 50 bis 75 Reichsmark. Wurden größere Beträge gezahlt, so lag eine Rechnung über besorgte Bücher bei. Ich weiß, daß K. Zeitungen und Bücher über Rußland aus der Schweiz besorgt hat. Ich meine damit auch Bücher, deren Inhalt sich über Rußland befaßte. K. war ein großer Rußlandfeind.“[60]

Dass Kindermann auch als Informant für Meisinger gearbeitet habe, will Leni Abt nicht bemerkt haben: „Mir ist nicht bekannt, daß K. für Spionagezwecke und Spitzeldienste im Kreise der Neutralen in Japan verwendet wurde, oder irgendwelche bestimmte Aufträge erteilt bekommen hat. […] Meisinger hat keinen Verdacht geäußert, daß K. evtl. gegen Deutschland arbeitete. […] So viel ich beobachtet hatte lebte K. als Staatenloser außerhalb der Deutschen Kolonie, hatte kaum persönlichen Verkehr mit ihr, und ich weiß nicht, welche Gründe er gehabt haben soll, sich über Personen der Deutschen Kolonie bei Meisinger zu beschweren.“[60]

Etwas anders sah das der amerikanische Geheimdienst in einem Dokument vom 25. Mai 1946 über den gefangen genommenen Josef Meisinger. In einem Befragungsprotokoll des Military Intelligence Service Center der US-Streitkräfte heißt es über die beiden: „KINDERMANN, Karl, Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. 1926 in MOSKAU wegen Spionage zum Tode verurteilt. 1928 gegen einen in LEIPZIG festgenommenen russischen Agenten ausgetauscht. 1939 mit RSHA-Hilfe nach Japan geschickt, um als Dolmetscher im Umgang mit der japanischen Polizei zu dienen. Ein Protest der japanischen Presse bei seiner Ankunft veranlasste BERLIN, HUBER anzuweisen, die Verbindungen zu KINDERMANN abzubrechen. KINDERMANN kam 1941 zu MEISINGER, erzählte seine Geschichte und wurde beauftragt, MEISINGER gelegentlich über aktuelle Meinungen und Einstellungen in jüdischen Kreisen zu berichten. […] Durch KINDERMANN […] kam Meisinger in Kontakt mit einem gewissen YOKOYAMA, der behauptete, die japanische Regierung im Fall SORGE zu vertreten.“[61]

Dieses Zitat beinhaltet im Wesentlichen die Informationen, die in der Nachkriegszeit über Kindermann und seinen Japanaufenthalt kursierten und das Bild vom Juden im Dienste der Gestapo prägten. Und ebenso waren es diese Informationen, die die Amerikaner zu ihrem Widerspruch gegen Kindermanns Einstufung als „nicht belastet“ im Ludwigsburger Spruchkammerverfahren veranlassten. Kindermann selbst hat bestätigt, dass Yokoyamas Einbindung in den Fall Sorge der Hauptanreiz gewesen sei, um mit Meisinger in Kontakt zu kommen,[62] und Kindermann, der davon träumte, über eine Chinareise mit den Engländern ins Geschäft zu kommen, gab vor, seine Kontakte zu Meisinger seien sein potentielles Billett für Verhandlungen mit den Engländern gewesen.[7] Was Richard Sorge für die Kontaktaufnahme zu Meisinger gewesen war, sollte Kindermanns Vorstellung nach Meisinger für eine Kontaktaufnahme mit den Engländern werden. Ob er aber über diese Kontakte zu Meisinger hinaus auch dessen Spitzel war, ist kaum zu beantworten. Dazu noch einmal Karl Hamel:

„Von einer positiven Taetigkeit des K. fuer Meisinger ist mir nichts bekannt. Ich kann dies auch nicht annehmen, denn sonst haette Meisinger den Dr. K. wohl bereitwilliger empfangen und ihn nicht, wie es meistens der Fall war, lediglich durch das Vorzimmer abfertigen lassen. Ich habe auch den Eindruck gehabt, dass Meisinger f[.]rchtete, von K., der ihm geistig hoch überlegen war, ausgeholt zu werden. [..] Ebenso mag es sein, dass Meisinger selbst K. als seinen Agenten bezeichnet hat, weil sich sonst viele der heute entlasteten usw. Botschafts- und Kolonieangehörigen darueber aufgeregt haetten, dass 'der Jude K. die Deutsche Botschaft betrete'. Andererseits konnte Meisinger schlecht zugeben, dass er von K. auslaendische Zeitungen und Buecher bezog.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass, wenn es auch wirkliche Agenten von Meisinger gegeben hat, ich K. nach der mir gewordenen Kenntnis nicht zu diesem Personenkreis hinzurechnen kann.“[51]

In einem Brief vom 14. Juni 1974 an seinen früheren Schüler, den schon erwähnten baden-württembergischen Landesrabbiner Nathan Peter Levinson, äußert sich Kindermann gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, vor allem die, die seine Zusammenarbeit mit Meisinger betreffen. Er beruft sich dabei auf Dokumente, die Marvin Tokayer ausfindig gemacht habe.

„Aus den USA-Protokollen über meine Verhaftung ergibt sich nach Herrn Rabbiner Tokayer, dass gegen mich keine Anklage irgendwelcher Art vorlag. Man verdächtigte mich nur wegen meiner Bekanntschaft mit dem Schlächter von Warschau, Oberst Meisinger. Diesen aber hatte ich bei den Geheimverhandlungen des Generalstabes kennen gelernt, als ich auf japanischer Seite die Verhandlungen über den Sowjetspion Wolfgang Sorge übersetzte. Um in die Geheimnisse der Nazis einzudringen und zu dem beabsichtigten grossen Schlag auszuholen, musste ich mich so gut als möglich sichern. Ich war niemals Agent der Gestapo, wie der 'Aufbau' damals schrieb, doch stimmt es, dass ich von jüdischer Seite in Japan bei den Behörden der USA angezeigt wurde.“[63]

Die Aufbau-Artikel vom 28. September („Gestapo-Zentrale in Tokio“) und 9. November 1945 („Karriere eines Geheimagenten“) enthalten in der Tat kein belastbares Material gegen Kindermann, sondern kombinieren Fakten, den unbestrittenen Kontakt zu Meisinger etwa, mit Gerüchten. Denen stehen überwiegend Kindermanns Selbstzeugnisse gegenüber, deren häufige Selbstüberschätzungen ebenso unglaubwürdig wirken. Marvin Tokayer hat seine Dokumente bislang nicht offengelegt, aber aus dem oben schon zitierten amerikanischen Geheimdienstdokument, in dem es um Josef Meisinger ging, wird deutlich, dass die amerikanischen Vorwürfe gegen Kindermann nicht besonders schwerwiegend waren.[61] Geradezu grotesk ist es, dass er von den Amerikanern immer noch als „Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands“ bezeichnet wird, obwohl er doch als glühender Antikommunist schon seit Jahrzehntenen nur mit Nazis und rechtsgerichteten Nationalisten zusammenwirkte. Im heraufziehenden Kalten Krieg überwog Kindermanns mehr als 20 Jahre zurückliegende und taktisch bedingte Eintritt in die KPD offenbar schwerer als all seine Taten in der Zwischenzeit.

Der verhinderte Friedensunterhändler

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Kindermann und die japanischen Siedlungspläne von 1939/1940

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Kindermann hatte bei seiner Vernehmung im Ludwigsburger Spruchkammerverfahren angegeben, nach seiner Ankunft in Japan zu den Quäkern übergetreten zu sein, weil er mit den Juden nichts mehr zu tun haben wollte. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat er bei Fragen nach seiner Religion immer wieder „Quäker“ angegeben. Um so erstaunlicher ist es, dass er Anfang 1940 in Briefkontakt zu Stephen Wise stand, dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses. Wie es zu diesem Kontakt gekommen war, ist unklar, weniger dagegen der Hintergrund.

In Japan, obwohl mit Deutschland verbündet, gab es keinen so ausgeprägten und auf Vernichtung abzielenden Antisemitismus wie in Deutschland. Gleichwohl gab es innerhalb der japanischen Führung unterschiedliche Fraktionen, von denen eine davon auf restriktivere Maßnahmen gegen Juden setzte, während die andere „die Gewinnung jüdischen Kapitals für die Erreichung von Japans Hegemonialzielen“ favorisierte.[64] Dazu sollte auch gehören, den Juden Siedlungsgebiete anzubieten und allmählich eine Annäherung an Amerika zu erreichen, was „Japan in die Lage versetzen [würde], sich auf den Gegner im Norden, die Sowjetunion, zu konzentrieren, um ihn schließlich niederzuringen.“[64]

Dass diese Pläne auch innerhalb der japanischen Führung höchst umstritten waren und nicht ernsthaft weiter verfolgt wurden, ändert nichts daran, dass auch versucht wurde, Stephen Wise und den Jüdischen Weltkongresses für sie zu gewinnen. Das geschah offenbar auf zweifache Weise. Maul berichtet von einem wohlhabenden Geschäftsmann aus Osaka, der zu Beginn des Jahres 1940 „mit seinem Versuch, beim Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Rabbi Wise, die Zustimmung der amerikanischen Judenheit für die Siedelungspläne zu erhalten, nichts erreicht“ habe und auf Wises „schroff-ablehnende Haltung gegenüber den japanischen Judenplänen“ gestoßen sei.[64] Darauf erfolgte dann im Sommer 1940 ein neuer Vorstoß, und bei dem wurde von japanischer Seite Karl Kindermann ins Spiel gebracht: als jüdischer Flüchtling, der bei Wise für Zustimmung werben sollte, Juden in Japan anzusiedeln.[65] Wer Kindermann ins Spiel brachte, ist nicht ersichtlich, und überliefert ist offenbar auch nicht Kindermanns erster Brief an Wise. Dokumentiert ist dagegen ein Brief Kindermanns vom 7. Juni 1940 an einen japanischen Offiziellen, „Mr. Niwa“, dessen Identität unbekannt ist. Der Brief beginnt mit nichtssagenden Allgemeinplätzen über Stephen Wise, bevor er konkreter wird.

„Er erklärte weiter, dass in einem privaten Brief von Wise an Clarence Pickett, Exekutivsekretär des American Friends Service Committee, Wise ‚seine Entschlossenheit [bekräftigt habe], ein sich öffentlich zu Japan bekennender Freund zu werden, wenn die japanische Regierung wirklich daran interessiert ist, die Flüchtlingssiedlung in Manchuko zu gründen.‘ Es schien Kindermann, dass die sowjetische und nationalsozialistische Propaganda auf Wises Bedenken gegenüber Japan abgefärbt hätte. Kindermann sagte dem Japaner, dass er nicht mehr tun könne: Es hänge alles von der japanischen Politik ab.“[65]

Kindermann fügte seinem Schreiben an „Mr. Niwa“ einen Brief an, den er von Wise für „Mr. Niwa“ erhalten hatte, doch erwähnt Gao Bei weder dessen Datum, noch geht er weiter auf dessen Inhalt ein.

Gao Bei berichtet dann von einem Brief Wises an Kindermann vom 10. Juni 1940.[66] Das Schreiben ist die Antwort auf einen nicht dokumentierten Kindermann-Brief vom 10. Mai 1940 und beinhaltet eine vorsichtige Abkehr von Wises früherer Ablehnung der Siedlungspläne. „Der Rabbiner stellte klar, dass jedes Angebot, jüdische Flüchtlinge in Japan anzusiedeln, das aus maßgeblichen Quellen in Japan kommen würde, sicherlich die vollste Berücksichtigung jüdischer Organisationen finden würde. Er betonte aber auch, dass ‚jede Verhandlung, die von einer amerikanisch-jüdischen Organisation in Bezug auf die jüdische Einwanderung nach Japan und die Ansiedlung in Japan durchgeführt wird, zuvor dem Außenministerium in Washington zur Genehmigung oder Ablehnung vorgelegt werden muss‘.“[65] Gao Bei interpretiert das so, dass Wise inzwischen erkannt hätte, dass es vorrangig sei, etwas für die europäischen Juden auf der Suche nach einem Zufluchtsort zu tun, auch um den Preis einer Zusammenarbeit mit den Japanern.

Allerdings enthält Wises Brief auch einen Satz, der direkt an den zuvor von Gao Bei zitierten anschließt, der aber von diesem nicht zitiert wird, und den man durchaus als Aufforderung an Kindermann verstehen kann, sich in der Sache zurückzuhalten: „Sie werden jedoch verstehen, dass Personen, die weder von jüdischen Organisationen noch von der japanischen Regierung bevollmächtigt sind, solche Verhandlungen einzuleiten, nicht benötigt werden.“[67] Für Kindermann könnte man es dennoch als Punktsieg werten, zu Stephen Wises Haltungsänderung beigetragen zu haben, doch faktisch war damit keine neue politische Handlungsoption eröffnet worden. „Im Juli 1940 war Matsuoka Yosuke, bis dahin Präsident der Südmandschurischen Eisenbahn, zum Außenminister ernannt worden. Seine sogleich aufgenommenen Verhandlungen mit Nazi-Deutschland zum Abschluß des Dreimächtepaktes, der am 27. September in Berlin beschlossen wurde, bedeuteten das endgültige Aus für die Juden-Ansiedelungspläne.“[64]

Kindermann und der Fugu-Plan

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1979 erschien das Buch The Fugu Plan. The Untold Story of the Japanese and the Jews During World War II von Marvin Tokayer und Mary Swartz. Dieser viel zitierte historische Roman bringt „Fakten und Fiktionen gleichermaßen in seine Geschichtsdarstellung ein. Einerseits sind die Handlungselemente des Romans – Tokayers Einführung [..] zufolge – grundsätzlich im Rahmen der Geschichtsdarstellung Kranzlers etabliert. Andererseits führt der Roman neun fiktive Flüchtlingsfiguren ein. Davon abgesehen seien alle anderen Figuren im Roman historisch belegt […]“,[68] „und im Rahmen der vernünftigen Grenzen der Geschichte sprachen und handelten sie so, wie sie hier vorgestellt wurden“.[69]

Einer dieser „realen“ Personen in dem Buch ist Karl Kindermann, der aus der Sicht von Tokayer/Swartz wie folgt vorgestellt wird:

„DR. KARL KINDERMANN wurde am Ende des Krieges von den Alliierten in Tokio inhaftiert und der Zusammenarbeit mit den Nazis und den Japanern beschuldigt. Seine Behauptungen, den Frieden gefördert und den Briten wertvolle militärische Informationen geliefert zu haben, wurden erst nach seiner schändlichen Abschiebung nach Deutschland bestätigt. Kindermann lebt heute in Deutschland und arbeitet als Journalist.“[70]

Woher die beiden Autoren wissen, dass Kindermanns Behauptungen, „den Frieden gefördert und den Briten wertvolle militärische Informationen geliefert zu haben“, sich als wahr erwiesen hätten, sagen sie leider nicht. Das legt den Verdacht nahe, dass sie sich dabei einseitig auf Kindermanns eigene Darstellung verlassen haben, denn aus Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997 geht hervor, dass es in den Jahren 1974–1975, also lange vor der Veröffentlichung des Buches, einen Schriftwechsel zwischen Kindermann und Tokayer gegeben hat. Kindermanns Ausführungen darin sind vorrangig davon geprägt, seine Taten gebührend hervorzuheben.

„Ich habe eine hervorragende Bilanz im Kampf gegen die Nazis. In Deutschland zerstörte ich die Pläne des ‚türkischen Hitlers‘ Cefat Rifat Bey, eine Revolution mit Hilfe des Dritten Reiches vorzubereiten. Das war eine sehr gefährliche Aufgabe, aber ich war erfolgreich und werde die Geschichte zum ersten Mal in West-Berlin anlässlich eines [Vortrags] vor dem internationalen Widerstandskongress veröffentlichen. In Japan konnte ich in die Nazi-Maschinerie eindringen und gleichzeitig das volle Vertrauen des Außenministers Hirota und des Generalstabs gewinnen, der nach Stalingrad zu dem Schluss kam, dass der Krieg verloren war.“[71]

Andererseits beruft sich Kindermann in seinem Schriftwechsel mit Joseph Walk und Nathan Peter Levinson immer wieder auf Marvin Tokayer, dem es gelungen sei, amerikanische Dokumente ausfindig zu machen, die geeignet seien, seine Taten wie auch die Ungerechtfertigkeit vieler Vorwürfe gegen ihn zu bezeugen. Diese Dokumente wurden allerdings weder von Kindermann noch von Tokayer je öffentlich zugänglich gemacht. Wenn somit Zweifel an der von Tokayer/Swartz behaupteten historischen Korrektheit seiner Figur Kindermann nicht ausgeblendet werden können, bleibt es doch interessant, in welcher Weise er dessen Rolle in einem spezifischen historischen Zusammenhang aufgreift und darstellt. Nur am Rande geht es dabei noch einmal um die von den Japanern vorangetriebenen Pläne aus der Zeit um 1940, wie sie zuvor schon dargestellt worden sind.

Den Schwerpunkt ihrer Kindermann betreffenden Darstellung legen Tokayer/Swartz auf die Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Kindermann, der auchg hier als Bewohner von Karuizawa vorgestellt wird, soll zu seiner eigenen Verwunderung zum Gesprächspartner höchster japanischer Politiker und Militärs auserkoren worden sein. Über Sekiguchi Tsugio, der als Berater des damaligen Premierministers Tōjō Hideki vorgestellt wird,[72] sei Kindermann zu einem Besuch bei einem Admiral Nakamura in Dairen aufgefordert worden. Kindermann sei dieser Aufforderung gefolgt und von Nakamura mit einer „Reinkarnation des Fugu-Plans“ konfrontiert worden.[73]

Der Hintergrund dieser Gespräche sei die Einsicht führender Japaner gewesen, dass der Krieg verloren sei und es nun darum gehe, eine Übereinkunft mit den Amerikanern zu erzielen, die sich bislang Kontaktversuchen verweigert hätten. Nach Ansicht Nakamuras wären die Shanghaier Juden der Schlüssel zur Beendigung des Krieges gewesen. „Die Flüchtlinge würden aus ihrer schrecklichen Lebenssituation in einen ‚jüdischen Staat‘ in Manchuko gebracht. Ihnen wird alles garantiert, was für ein gutes Leben dort notwendig ist. Im Gegenzug würde die ‚mächtige amerikanische jüdische Gemeinde‘, die die Aufrichtigkeit der Japaner erkannt hätten, Roosevelt überzeugen, an den Friedenstisch zu kommen.“[74]

Wie schon 1940, habe Kindermann auch diesmal wieder zugesagt, sich für diesen Plan einzusetzen und an Stephen Wise geschrieben. Dieser allerdings sei völlig gegen diesen Plan gewesen und habe postuliert, dass Der Jüdische Kongress niemals ohne die Zustimmung des amerikanischen Außenministeriums in Verhandlungen mit Japan eintreten werde. „Der Kindermann-Friedensfühler war gescheitert.“[75]

In einem Brief an Nathan Peter Levinson 14. Juni 1974 rekapituliert Kindermann unter Bezug auf die von Tokayer angeblich gefundenen Dokumente seine Sicht der Dinge.

„Nun aber fanden sich Dokumente, aus denen einwandfrei hervorgeht, dass ich im Auftrag der damaligen Japanischen Regierung, deren volles Vertrauen ich besass, als ‚Bevollmächtigter Vertreter der Genfer Zonen‘ versucht hatte, für die jüdischen Flüchtlinge in Shanghai eine wirksame Hilfe zu schaffen. Ich war zu diesem Zweck von Admiral Nakamura nach Dairen gebeten worden, der mir eröffnete, dass man nach Stalingrad den Krieg für verloren hielt. Man habe vergebens versucht, mit Präsident Roosevelt in Verbindung zu treten, der eine bedingungslose Kapitulation gefordert hatte, was Japan ablehnte. Als Zeichen des guten Willens hatte ich vorgeschlagen, dass man die zahlreichen jüdischen Shanghai-Flüchtlinge in Manschuko ansiedeln sollte. Ich hatte an Oberrabbiner Stephen Wise geschrieben, der Brief war durch den Quäkerführer, Mr. Bowles, von Tokyo abgesandt worden. Aus Amerika kam eine negative Antwort, die die Japaner jedoch nicht abhielt, weitere Versuche zu unternehmen. Es existieren, wie Herr Rabbiner Tokayer mir schreibt, Kabinettsprotokolle mit dem Vermerk ‚Kindermann informiert‘.“[46]

Kindermann, der sich über viele seiner Aktivitäten im Rahmen seiner Spruchkammer- und Wiedergutmachungsverfahren ausführlich geäußert hat, hat dort über sein angebliches Engagement in Sachen Fugu-Plan kein Wort verloren. Welchen Grund er gehabt haben könnte, seinen Chinabesuch und den damit zusammenhängenden Schriftwechsel mit Stephen Wise zu verschweigen, ist unklar. Es gibt darüber hinaus in allen bislang zitierten amerikanischen Geheimdienstunterlagen keinen Hinweis darauf, dass Kindermann in der von Tokayer/Swartz beschriebenen Weise als Friedensunterhändler tätig geworden ist. Klarheit dürfte in diesem Punkt mithin nur die Öffnung des Tokayer-Archivs bringen. Der israelische Wissenschaftler Ben-Ami Shillony, ein emeritierter Professor für japanische Geschichte, ist zudem der Auffassung, dass die von Tokayer/Swartz herangezogenen Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und dass die Übersetzung, mit der sie gearbeitet hätten, fehlerhaft gewesen sei.

Kindermanns Einsatz für die Weissen Zonen

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Im Gegensatz zum Fugu-Plan war Kindermann bei einer weiteren Friedensaktion, in die er angeblich involviert war, weniger zurückhaltend. In dem Auszug aus seinem Lebenslauf vom 19. November 1947 heißt es über seine japanischen Aktivitäten: „Neben der Pädagogischen Arbeit war ich literarisch tätig und gleichzeitig Vertreter der ‚Weissen Zone‘ für Japan im Auftrag der Schweizer Stellen. Dies führte zu einer eingehenden Vertrautheit mit den Problemen des Fernen Ostens und zu einer ausgedehnten Kenntnis fremder Völker und Länder daselbst.“[54][76] Was es damit auf sich hatte, ergibt sich aus den Einlassungen von Karl Hamel aus dem Jahre 1949. Aus einem Telegramm das Kindermann ihm zur Übersetzung vorgezeigt habe, habe sich ergeben, dass dieser als Vertreter des Roten Kreuzes in Genf von Japan nach Tschungking habe fliegen wollen, um mit den Chinesen über die Bildung nicht zu bombardierender Städte zu verhandeln. An anderer Stelle präzisierte Hamel das noch: „Um 1944 berichtete Kindermann über einen Vorschlag, Tokio und andere grosse Städte Japans ebenso wie Tschunking und andere grosse Städte Chinas als entmilitarisierte Zonen zu erklären, die Luftangriffen nicht ausgesetzt sein sollten. Dieses System wurde auch auf dem europäischen Kriegsschauplatz angewandt. Kindermann verhandelte den genannten Plan mit dem Roten Kreuz in Genua. 1945 gingen Gerüchte, dass Kindermann an die japanische Regierung herangetreten sei, um ein Flugzeug zu bekommen zu dem Zweck, nach Tschun[g]king zu gehen und mit Chiangkaischek über den Frieden zu verhandeln.“[51]

Hamel, der zu erkennen gab, dass er Kindermanns Aktivitäten, die sich vermutlich im Umfeld der Association des Lieux de Genève abgespielt haben,[77] allenfalls als Sensationsmeldungen zu betrachten geneigt war, machte keine Hinweise, ob den Worten Kindermanns in irgendeiner Weise auch Taten gefolgt sein könnten, und Kindermann selber trägt auch nicht zur Aufklärung darüber bei. Die Frage, ob es sich um ein weiteres Luftschloss handelte, mit dem Kindermann für sich und andere eine Bedeutung reklamieren wollte, die in der Realität weit über seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten angesiedelt war, muss unbeantwortet bleiben. Zur Association des Lieux de Genève stand er allerdings auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland noch in Kontakt (siehe unten).

Angebliche Versenkung zweier deutscher U-Boote

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Viele Fragezeichen stehen auch hinter einer weiteren Aktion, die Kindermann Werner Nachmann gegenüber in dem für ihn typischen Stil für sich reklamierte.

„Gestützt auf meine starke Stellung bei den Japanern, konnte ich sehr aktiv gegen die Nazis vorgehen. Der Verlust zweier U-Boote gehört u. a. dazu.“[78]

Was es mit dem Verlust dieser U-Boote auf sich hatte, beschrieb er ausführlich in einem Brief vom 12. Juli 1974 an den bereits erwähnten „Dear Sir Redman“, in dem er vorgab sich sehr gut an das zu erinnern, was sie beide gemeinsam im Kampf gegen die Nazis getan hätten.[79] Bei dem so als Kampfgefährten vereinnahmten handelte es sich um Vere Redman (1901–1975). Dieser ging im April 1927 als Englischlehrer nach Japan und wurde dort später Presseattaché der britischen Botschaft. Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Großbritannien verließ Redman am 30. Juli 1942 Japan und arbeitete fortan im britischen Informationsministerium, wo er mit japanischen Angelegenheiten zu tun hatte. 1946 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1961 kehrte Redman erneut nach Japan zurück.[80]

Redman gegenüber beschreibt Kindermann zunächst seine gesamten Heldentaten von der Ausschaltung des „Türkischen Hitlers“ bis zu seinen Kontakten zu Admiral Nakamura in Dairen. Nach einem Seitenhieb gegen den amerikanischen Präsidenten Roosevelt, für den nur die bedingungslose Kapitulation Japans akzeptabel gewesen wäre, kommt er dann zur Sache.

„Aber erinnern wir uns an unsere Zusammenarbeit. Ich habe Ihnen wertvolle Nachrichten über die Aktivitäten der Nazis gegeben. In Kobe war die deutsche Familie Werner Beyer, Hausmeister des deutschen Generalkonsulats. Mr. Ber war ein guter Freund von mir, kein Nazi. Eines Tages erzählte er mir und auch seiner Frau, Frau Lore Beyer, dass zwei deutsche U-Boote mit ihrer Mannschaft für kurze Zeit in Kobe waren. Die Mannschaft wurde, wie üblich, von deutschen Familien eingeladen. Ich habe Sie über den Plan informiert, dass die beiden U-Boote bald zu einem Einsatz im Pazifik aufbrechen würden. Meine Botschaft war sehr kurz, aber ich erinnere mich sehr gut daran, dass Sie sehr interessiert waren. Nun, bald geschah es, was zu erwarten war. Ich würde mich nicht wundern, wenn Sie sich nicht genau an diese Geschichte erinnern können, denn ich habe Ihnen viele Details über die Aktivitäten der Nazis gegeben.[81]

Was Kindermann hier für sich reklamierte (expliziter noch in dem Begleitbrief an Marvin Tokayer), ist, dass aufgrund der von ihm weitergegebenen Informationen zwei deutsche U-Boote nach dem Auslaufen aus Kobe im Pazifik versenkt worden seien. Er hielt das auch 1974 noch für so brisant, dass er Marvin Tokayer aufforderte: „Aber seien Sie in diesem Fall vorsichtig mit meinem Namen. Die Rache der Nazis ist immer möglich.“[19]

Auf der Webseite „Deutsches U-Boot-Museum“ heißt es im Abschnitt „U 511 und die Fahrten von deutschen und japanischen U-Booten zwischen Europa und Fernost“: „Von den 16 U-Booten, die die erste Fernfahrt von Europa nach Südostasien mit Einlaufen in dortigen Stützpunkten geschafft hatten, wurden in der Folgezeit 5 (U 168/ U 183/ U 196/ U 537 und U 1062) bei Operationen von den dortigen Stützpunkten aus versenkt, weitere 5 (U 181/ U 195/ U 219/ U 511 wurde 1943 an Japan übergeben/ U 862) erlebten das Kriegsende im Mai 1945 dort und nur 6 (U 178/ U 188/ U 510/ / U 532 mit Kapitulation vor Schottland/ U 843 und U 861) schafften die Rückkehr nach Europa.“[82] Keines der fünf versenkten U-Boote erreichte Japan vor Redmans Abschied (30. Juli 1942), und nur für „U 183“ ließ sich überhaupt ein Aufenthalt in Kobe nachweisen. Wie und über was sollte Kindermann dann Redman informiert haben?

In Joseph Walks Archivunterlagen befinden sich zwei handschriftliche Briefe Redmans an Marvin Tokayer vom 27. Mai und vom 4. Juli 1974. Sie sind teilweise nur schwer zu entziffern, doch lassen sich ihnen einige Auskünfte Redmans über Kindermann entnehmen. Im ersten Brief bestätigt Redman, dass er Kindermann kannte und ihn auch einige Male getroffen habe. Von dessen „großem Plan“ habe er allerdings nichts gewusst. Die Kommunikation mit Kindermann sei äußerst schwierig gewesen, da er, Redman, nur elementare Deutschkenntnisse besessen habe, und Kindermanns Japanisch- und Englischkenntnisse nicht besonders gut gewesen seien. Er habe versucht, den Sinn dessen zu verstehen, was ihm Kindermann über die Vorgänge in der deutschen Botschaft erzählt habe, doch er habe Schwierigkeiten gehabt, dessen Vorstellungen von einer „reform of the world“ nachzuvollziehen. Der Rest des Briefes bestand aus Vorschlägen an Tokayer, worüber dieser Kindermann in Bezug auf dessen Japanaufenthalt und insbesondere die Zeit nach dessen Verhaftung befragen könnte.

In dem zweiten Brief sieht sich Redman außerstande, Kindermanns Behauptungen über die 34 Jahre zurückliegenden Gespräche zu kommentieren und verweist auf die zuvor schon erwähnten Kommunikationsprobleme. Er glaubte jedoch nicht, dass Kindermann für die Deutschen gearbeitet habe, und bestimmte Dinge, die er ihm über die Arbeit der deutschen Botschaft in Japan erzählt habe, seien für ihn bei seiner Arbeit, antideutsche Propaganda in Japan zu machen, von Wert gewesen. „Aber ich habe nur sehr vage Erinnerungen an eine U-Boot-Geschichte.“[83]

Redmans Brief bestätigt zu mindest Kindermanns Behauptung, Informationen an die Engländer weitergegeben zu haben. Ob ihm das auch nach der Schließung der britischen Botschaft noch möglich gewesen war, ist schwer zu beurteilen. Unklar bleibt, welche Informationen über U-Boote, die Redman ja nicht gänzlich in Abrede stellt, Kindermann weitergegeben haben könnte. Wie in vielen anderen Fällen, ist es auch hier schwierig, den realen Kern in Kindermanns zu Heldentaten aufgebauschten Erzählungen zu finden.

Das Ende des japanischen Asyls

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In einem Schreiben der „Governmental Affairs Division“ der für Baden-Württemberg zuständigen OMGUS vom 3. November 1948 heißt es: „Kindermann kam nach Japan mit einem Visum fuer fuenf Jahre, was fuer einen Juden zu erhalten sehr schwer war und ein weiterer Beweis dafuer ist, dass der Betroffene ein Guenstling der Nationalsozialistischen Regierung war.“[84] Kindermanns Visum hätte demnach 1944 verlängert werden müssen. Ob das geschehen ist, lässt sich aus den Akten nicht ersehen, doch gibt es Hinweise, dass er sich für Aufenthaltsorte außerhalb Japans interessierte. In einem Brief vom 27. Juli 1942 an den deutschen Generalkonsul in Tientsin (Tianjin), Fritz Wiedemann,[85] behauptet er:

„Andererseits ist es ziemlich sicher, dass ich bei der ersten Gelegenheit nach Chile fahre, um dort eine Universitätsstellung zu erhalten. Ich beherrsche neben sieben anderen Sprachen das Spanische bereits recht gut, und es wird daher dort an Möglichkeiten eines Einsatzes keineswegs fehlen. Das ist auch die Meinung des Herrn Meis.[inger] Die allgemeine Lage wird es wohl mit sich bringen, dass ich mindestens noch 7–12 Monate zu warten habe, obgleich mir im Spätjahr das Visum telegraphisch zugeht, zusammen mit dem Visum für Transit durch die portugiesische Kolonie.“[86]

Aus dieser Übersiedelung nach Chile ist ebenso wenig etwas geworden wie aus einem Ortswechsel nach Tientsin, für den Kindermann Wiedemann wiederholt, aber vergeblich, um Unterstützung gebeten hatte. Kindermann war also gezwungen, in Japan zu bleiben und erlebte hier die Kapitulation Japans. Er wurde am 25. Oktober 1945 von den Amerikanern verhaftet und anschließend verhört. In seinem Brief an Werner Nachmann führte er diese Verhaftung auf eine Anzeige „jüdischer Kreise“ zurück, die seine Zusammenarbeit mit Josef Meisinger nicht verstanden hätten; sie seien „eben nur von blinden Emotionen beseelt“ gewesen.[78]

Über seine Verhaftung berichtete er: „Am 25. Okt. 45 kamen morgens 2 od. 3 Amerikaner mit Revolvern in der Hand. Ich musste die Hände hochnehmen und wurde verhaftet. Ich wurde in einem Hotel untergebracht und die Verpflegung war ausgezeichnet. Ich habe mich tatsächlich dort einmal wieder sattgegessen. Wir wurden vom CIC verhört. Der CIC-Mann sagte mir, dass ich an Russland ausgeliefert werden solle. Ich kam dann nach Jokohama ins Gefängnis. Ein älterer Herr, der mich dort verhörte, sagte mir, dass jüdische Kreise gegen mich seien. Es vergingen 2–3 Monate und ich hörte nichts mehr.“[7]

Von Jokohama aus muss er wohl ins Tokioer Sugamo-Gefängnis verbracht und dort auch bis zu seiner Freilassung verblieben sein. Kindermanns Angaben hierüber in einem Brief an Nathan Peter Levinson sind knapp und widersprüchlich.

„Wie Sie wissen, wurde ich 1945 von den Behörden der USA verhaftet und nach Sugamo gebracht. Da ich mir nie etwas hatte zuschulden kommen lassen und nie verhört wurde, so war ich eben damals machtlos. Ich hätte allerdings den gutmütigen, aber politisch völlig unerfahrenen amerikanischen investigation-Leuten sagen können, dass ich, gestützt auf meine gute Beziehung zu Japan, den Nazis allerschwersten Schaden zugefügt hatte. […] Hätte ich den boys das gesagt, so wäre das wohl in der Armee-Zeitung veröffentlicht worden, aber ich hatte keine Lust, mein Leben aufs Spiel zu setzen.“[46]

Während er an dieser Stelle behauptet, nicht verhört worden zu sein, berief er sich in dem gleichen Brief ein paar Zeilen weiter auf Verhörprotokolle, die angeblich seine Unschuld beweisen könnten. „Aus den USA-Protokollen über meine Verhaftung ergibt sich nach Rabbiner Tokayer, dass gegen mich keine Anklage irgend welcher Art vorlag. Man verdächtigte mich nur wegen meiner Bekanntschaft mit dem Schlächter von Warschau, Oberst Meisinger.“ Noch einmal bekräftigt er, dass er „von jüdischer Seite in Japan bei den Behörden der USA angezeigt“ worden sei.[46]

Über den Gefängnisaufenthalt und das Ende von Kindermanns Zeit in Japan gibt es nur spärliche Informationen. „Ich stellte mich verrückt aber es geschah nichts. Ich war 1 1/2 Jahre interniert. Dort habe ich die führenden Nazis kennengelernt. […] Der Oberst des Gefängnisses hat sich an die CIC gewandt, denn es wusste ja niemand, was mit den deutschen geschehen solle, da die ersten Amerikaner ja längst wieder nach Amerika zurückgegangen waren. Es wurde mir eröffnet, dass ich repatriiert werden würde. […] Ich wurde dann in Ossweil entlassen.“[7] Im Ludwigsburger Ortsteil Oßweil hatten die Amerikaner in der ehemaligen Flak-Kaserne Ludwigsburg im Juni 1945 ein Internierungslager (I. C. 74) eingerichtet. Kindermanns Weg von Japan nach Oßweil liegt im Dunkeln.

Exkurs: Familienleben

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Kindermann, seit 1936 verheiratet (siehe oben) und in Japan zum zweiten Mal Vater geworden, berichtete über sein Privatleben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nichts, weder über die mit seiner damaligen Frau in Caputh verbrachte Zeit, noch über die gemeinsamen Jahre in Japan. Wie es seiner Frau und den beiden Kindern dort ging, darüber verlor er kein Wort. Er sprach durchgängig von sich in der ersten Person, selbst dort, wo man unterstellen muss, dass das, worüber er berichtete, seine Familie in gleicher Weise betroffen haben musste. Beispielhaft hierfür sind die nachfolgenden Sätze aus dem Vernehmungsprotokoll, die so unmittelbar aufeinander folgten.

„Mit den deutschen Stellen in Japan hatte ich so gut wie keine Verbindung, mit Ausnahme von 2–3 Familien. Ich lebte sehr für mich denn ich war ja völlig gestrandet. In Japan trat ich dann zu den Quäkern über, denn vom Judentum war ich enttäuscht. Ich lebte in Japan in grosser Not.“[7]

Wie ist seine Familie mit dieser Isolation zurechtgekommen? Ist seine Frau auch konvertiert? Wie hat sich die von ihm erlebte große Not auf seine Familie ausgewirkt? Kindermann hatte dazu nichts mitzuteilen. Dagegen wurde er geradezu überdeutlich, wenn er auf die angeblichen Verfehlungen seiner Frau zu sprechen kam, die er als von Liebhaber zu Liebhaber wechselnde und von einer Abtreibung in die nächste stolpernde Person beschrieb. Erstmals tat er das im Rahmen seiner Vernehmung 1948/49 im Zusammenhang mit der im Dezember 1941 bekannt gewordenen Nachricht von der Deportation seiner Schwiegermutter:

„Nun kam die Nachricht von der Schweiz, dass meine Schwiegermutter tot sei. So langsam erfuhr man, dass viele Juden deportiert worden seien. Die Nachricht von dem Tod meiner Schwiegermutter, traf meine Frau so sehr, dass sie jede Moral fallen ließ. Sie hängte sich an einen Südamerikaner und bekam ein Kind von diesem Mann. Er reiste ab und versprach sich um meine Frau und das Kind zu kümmern, hat aber nie mehr etwas von sich hören lassen. Meine Frau war völlig vernarrt in diesen Mann. Sie versprach mir, sich wieder zu ändern, und ich habe ihr daraufhin auch verziehen. Bald stellte sich jedoch heraus, dass meine Frau ihr Versprechen doch nicht halten konnte.“[7]

Während Kindermann auf die Nachricht von der Deportation seiner Schwiegereltern hin beschlossen haben will, „selbst eine Untergrundbewegung zu gründen“,[7] spricht er ein halbes Jahr später, am 27. Juli 1942, in einem oben schon erwähnten Brief an Fritz Wiedemann von seinen Plänen, nach Chile zu übersiedeln, und im gleichen Atemzug kommt er auf „Unglücksfälle in der Familie“ zu sprechen:

„Vergangene Woche fiel mein kleiner Sohn durch Unachtsamkeit des Kindermädchens vom ersten Stock des Hauses auf den Steinboden des Hofes herab und zog sich einen Schädelbruch zu, so dass er jetzt im Krankenhaus liegt. Meine Frau sieht unserem dritten Kind entgegen, die Lebensmittelversorgung lässt infolge der Teuerung zu wünschen übrig, kurz, es sind genug erschwerende Umstände da.“[86]

Da Lotte Kindermann zwischen Dezember 1941 und Juli 1942 kaum zweimal schwanger gewesen sein kann, stellt sich die Frage, ob es die zuvor erwähnte Schwangerschaft von einem Südamerikaner überhaupt gegeben hat. Oder schloss Kindermanns Verzeihen des seiner Frau angelasteten Fehltritts ein, dessen Ergebnis als „unser drittes Kind“ zu akzeptieren? Wenn es das überhaupt gegeben hat: Über Tochter Eva und Sohn Edgar hinaus finden sich keine Hinweise auf weitere Nachkommen, auch keine verstorbenen, des Ehepaars Kindermann.

Das Zitat ist auch aus einem anderen Grund interessant. Behauptungen von Kindermann, es sei ihm in Japan materiell schlecht gegangen, gibt es viele, und dazu auch nicht wenige Bestätigungen durch Dritte. Was aber waren die Maßstäbe dafür? War es „normal“, dass man sich dennoch eine Kindermädchen leisten konnte?

Zurück zu Kindermann und seinem Verhältnis zu seiner ersten Frau. Als er 1945 von den Amerikanern verhaftet worden war, besuchte sie ihn „alle 14 Tage kurz“. Wiederum aber kamen finstere Mächte ins Spiel:

„Der Gefängnisgeistliche Börns, der mir anbot, nach meiner Frau zu sehen, hat sie dann verführt. Der Gefängniskommandant hat mit meiner Frau ebenfalls ein Verhältnis angefangen. Alle meine Beschwerden flogen in den Papierkorb. Meine Frau wurde immer wieder schwanger und hat einigemal abtreiben lassen. Sie ging von einem zum andern.“[7]

Zum letzten moralischen Schlag gegen seine Frau holt Kindermann im Zusammenhang mit der gemeinsamen Heimreise aus:

„Meine Frau wurde auf der Bahre auf das Schiff gebracht, denn sie erwartete wieder ein Kind von einem Australier, das sie abtreiben lassen wollte. Mir war klar, dass ich mit dieser Frau nicht mehr zusammenleben könne.“[7]

Die Scheidung erfolgte dann im Oktober 1948 in Darmstadt. Tochter Eva blieb bei der Mutter, und beide lebten in den USA. Marvin Tokayer teilte Joseph Walk am 18. September 1989 mit, dass Lotte Kindermann nun unter dem Namen Heisman in Detroit leben würde. Kindermann selbst hatte bereits am 17. Februar 1977 in einem Brief Joseph Walk mitgeteilt, dass er am 31. Januar 1977 einen Anruf aus Detroit erhalten habe. In einem PS-Vermerk erklärte er aber, dass er zu seiner geschiedenen Frau seit 29 Jahren keine Verbindung mehr habe.[21] Ob der Anruf dann von seiner Tochter kam, sagte er nicht, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass er wenigstens zu ihr noch Kontakt hätte.

Kindermanns Sohn Edgar blieb bei seinem Vater, der nur wenige Monate nach seiner Scheidung erneut heiratete.[87] Über das Zusammenleben der drei ist nichts bekannt, insbesondere nichts über das Verhältnis von Kindermann zu seinem Sohn. Etwas mehr ins Licht rückt Edgar Kindermann erst Mitte der 1970er Jahre. Am 14. Juni 1974 lässt Kindermann Nathan Peter Levinson wissen, dass Edgar in einem Hotel in Jerusalem arbeite, „denn als Schauspieler kommt er dort kaum weiter“.[46] Und nur wenige Tage später, am 13. Juli 1974, schreibt er an Marvin Tokayer:

„Ihr feines Verständnis für die Äußerungen meines Sohnes über seinen Vater war so etwas wie ‚Balsam‘ für mein Herz. Ich weiß, er ist ein sehr guter Junge und ich bin stolz auf ihn. Es ist in der Tat so, wie Sie glauben: Seine christliche Erziehung war das Ergebnis der großen Desillusion, die ich erlebt habe, aber jetzt bin ich sehr zufrieden.“[88]

Der Brief legt nahe, dass Edgar schon zuvor Gesprächsgegenstand zwischen den beiden gewesen war, doch gibt es dazu keine weiteren Hinweise. Stattdessen kommt Kindermann an anderer Stelle in dem gleichen Brief abermals auf Edgar zu sprechen und wähnt sich in einer wilden Geschichte, die seines Einsatzes bedürfe.

„Was das Scheitern von Edgars Ehe betrifft, glaube ich, dass die Schwiegermutter von Edgar ein Verbrechen begangen hat. Edgar teilte mir kürzlich mit, dass seine Frau ‚entmündigt‘ sei. Da seine Frau sehr reich ist, denke ich, hat die gerissene Mutter in Zürich etwas Schlimmes getan, aber ich werde es herausfinden. Sie will in den Besitz des großen Geldes meiner Schwiegertochter kommen.“[89]

Was aus dieser Geschichte geworden ist, bleibt unbekannt, doch teilte Kindermann gut ein halbes Jahr später, am 16. Januar 1975, Werner Nachmann mit, dass sein Sohn Israeli geworden sei, in Jerusalem wohne und im März zur Armee gehe.[78]

Die nächste und letzte Edgar Kindermann betreffende Nachricht stammt vom 17. Februar 1977 und besteht aus einem Brief an Joseph Walk, in dem er diesen um Auskunft „in einer sehr tragischen Sache“ bittet. „Am 31.1. wurde ich aus Detroit USA angerufen, dass meine Schwiegertochter Graziella am Morgen im Hadassa Hospital Jerusalem einem Baby das Leben schenkte. Als man meinen Sohn Edgar Kindermann, POB 18072, um 9 Uhr aufsuchte, fand man ihn tot im Bett. Die Todesursache ist mir unbekannt. Er könnte sich im Militärdienst ein Nierenleiden geholt haben, wie er einem Freunde in Deutschland schrieb, aber alles ist ungewiss. Ich schrieb sofort meiner Schwiegertochter einen Brief ins Hadassa Krankenhaus und bat um Angabe einer Strassenadresse, da die Bank, durch die ich Geld senden will, POB-Adressen nicht verwenden kann. Auf meinen Brief habe ich bisher keine Antwort, weiß aber, dass die junge Witwe in armen Verhältnissen lebt.“[21] In der Tat ist Edgar Kindermann gestorben, ohne sein neugeborenes Kind noch einmal gesehen zu haben, doch der Brief offenbart über diese tragische Nachricht hinaus auch, dass zwischen Vater und Sohn zu diesem Zeitpunkt keine engen Bindungen mehr bestanden haben dürften. Kindermann kannte weder die Adresse in Jerusalem, noch wurde er, im Gegensatz zu seiner in Detroit lebenden Ex-Frau, die umgehend nach Israel flog, direkt über die Ereignisse informiert, und auch über eine Krankheit seines Sohnes hatte er nur aus dritter Hand erfahren. Und so endet dieser Brief an Joseph Walk mit einer Fülle von Fragen, die dieser ihm bitte beantworten möge. Über eventuelle spätere Kontakte zu der Witwe und seinem Enkelkind gibt es keine Hinweise.

Kindermanns Nachkriegsaktivitäten

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Kurze Karriere im badischen Schuldienst

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Es ist nicht klar, ob Kindermann nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager Oßweil sofort in den Schuldienst eintreten konnte, oder von den Amerikaner zuvor zur Mitarbeit aufgefordert wurde. Jedenfalls ließ er die Stuttgarter Landesverwaltung für Kultus, Erziehung und Kunst in Württemberg am 19. Juni 1947 wissen:

„Inzwischen trat man von höherer USA Stelle an mich heran und hat mich gebeten, in Württemberg spezielle Studien über die Grundlagen des gegenwärtigen Erziehungswesens zu machen. Man interessiert sich lebhaft für die soziale Struktur der Schulen, der Lehrer und Schüler, für die geistigen Interessen, für die Möglichkeiten der Hilfe bei der Entwicklung des neuen württembergischen Schulwesens. […] Ich brauche nicht besonders zu erwähnen, daß ich meine Aufgabe darin erblicke, zu meinem bescheidenen Teil dazu beizutragen, daß die Verständigung besser wird, daß die Deutschen die amerikanische Mentalität besser verstehen (was noch sehr schwierig ist) und daß endlich auch die Amerikaner zum Wiederaufbau unseres deutschen Vaterlandes und besonders des gesegnetsten Gebietes, des württembergischen Landes, tatkräftig beitragen.“[12]

Wie es Kindermann gelungen war, nach seiner vorangegangenen Internierung unter dem Verdacht der Gestapo-Kollaboration nun die Chance zu erhalten, Mitarbeiter einer amerikanischen Dienststelle zu werden,[90] ist nicht feststellbar. Nur ging es nicht ganz so schnell, wie er sich das wohl erhofft hatte, denn in einem Aktenvermerk vom 2. Juni 1948 ist festgehalten, dass Kindermann sich erst seit Anfang Mai bei einem Curriculum Center betätige und erklärt habe, „er werde zu gegebener Zeit seine Wiederverwendung im Schuldienst beantragen“.[12]

Diese Aussage eines „Fräulein Dr. Steinmetz“, über die in dem Aktenvermerk nichts weiter ausgesagt wird, lässt erkennen, dass es zum damaligen Zeitpunkt bereits Probleme mit Karl Kindermann gab. Sie wurde nämlich nach Auffälligkeiten Kindermanns befragt und habe darauf geantwortet: „Dr. Kindermann sei zwar sprunghaft und eigenartig, doch habe sie bisher nicht den Eindruck bekommen, daß die Behauptungen von Dr. Richter über eine geistige Erkrankung des Dr. Kindermann in allem richtig sein könnten.“[12][91] Dieser Einschätzung, die auch dem Minister zur Kenntnis gebracht wurde, ist ein Zusatz unbekannter Herkunft hinzugefügt: „Die Auffassung von Frl. Dr. Steinmetz über Dr. Kindermann wechseln. Das ist natürlich. Denn die Eindrücke, die man bekommt, sind tatsächlich an einem Tag nur so, daß man sich sagt, es ist eben ein bißchen ein ‚Schräuble‘ los, an einem anderen Tag so, daß die Verwendung im Schuldienst unverantwortlich ist.“[12]

Es kam anders: Vom 6. April 1949 an wurde Kindermann als Studienassessor im badischen Schuldienst beschäftigt. Doch bereits in den Jahren 1950/1951 häufen sich die Beschwerden über seine Arbeit als Lehrer. Sein Unterricht wird mehrmals meist ungünstig begutachtet. Am 23. Februar 1950 heißt es in einem Bericht an das badische Kultusministerium seitens der Schulleitung:

„Dr. Kindermann ist ein unruhiges Element. Sein Kopf ist immer etliche 100 m weiter als seine Füße. Dem eben erst die Jahre alt Gewordenen scheint es kaum bewusst zu werden, daß ihm in unserem Schulsystem ganz bestimmte, einzuhaltenden Grenzen gesetzt sind. Die Frage, ob sich eine solche Globetrotternatur je in einen geordneten zielstrebigen Erziehungsorganismus einfügen wird und noch kann, dürfte schwer zu beantworten sein. Ohne Zweifel hat er Qualitäten, die sicher ausserhalb der Schulstube mehr zum Tragen kämen. Ausserschulisch betätigt er sich fast überall, bes. in der Projuventute und neuerdings hält er Vorträge in verschiedenen Landorten, wie hier bekannt wurde.“[12][92]

Am 2. Dezember 1950 teilt Kindermann dem Kultusministerium mit, dass er sich für den Auslandsschuldienst in Rolândia interessiere. Das Vorhaben wurde von ihm offenbar nicht weiter verfolgt, doch tummelte er sich bald darauf auf den unterschiedlichsten Ebenen. So lässt die Association Internationale des Lieux de Genève, zu der Kindermann schon von Japan aus in Kontakt stand (siehe oben), in einem Schreiben vom 6. März 1951 den badischen Staatspräsidenten wissen, „dass der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer, seine Zustimmung zur Ernennung des Herrn Dr. Karl Kindermann, Überlingen, als Vertreter des Internationalen Komitees der Lieux de Genève, bei den Behörden der Deutschen Bundesrepublik gegeben hat“, und bittet darum, „die Arbeit des Herrn Dr. Karl Kindermann, die ja im Interesse der Zivilbevölkerung Deutschlands geschieht, zu fördern“.[12] Nur wenige Tage später, am 29. März 1951, bittet der Bundesminister für Vertriebene die Staatskanzlei des Landes Baden um einen Urlaub vom 29.3. bis 3. April 1951 für Herrn Dr. Kindermann, damit dieser an einer Besprechung über Angelegenheiten der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion nach Bonn kommen kann.[12][93] Diesem Schreiben folgt am 2. April 1951 ein Fernschreiben des gleichen Absenders, in dem darum gebeten wird, den Urlaub für Kindermann bis zum 5. April 1951 zu verlängern: „herr dr. kindermann steht zurzeit in wichtigen besprechungen mit deutschen und auswaertigen amtlichen dienststellen... die ergebnisse der persoenlichen bemuehungen des herrn dr. kindermann konnten bereits am letzten sonntag durch den rundfunksender hessen der oeffentlichkeit zum teil bekanntgegeben werden.“[12][94] Wie Kindermann Zugang zum Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte fand und was seine Expertise „über Angelegenheiten der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion“ ausmachte, lässt sich aus den Akten nicht erkennen.

Wie 1931, als Kindermann sich nach einem Gespräch mit Minister Joseph Wirth als dessen Mitarbeiter in Berlin wähnte, deutete sich möglicherweise auch 1951 wieder eine Fehleinschätzung über seine berufliche Zukunft an. Am 5. März 1951 schrieb er an das badische Kultusministerium und räumte dabei ein, dass er dem Unterrichten nicht gewachsen sei. „Ich habe mich lange gegen diese Erkenntnis gesträubt, aber ich sehe ein, daß ich es nicht länger tun kann.“ Dieser realistischen Einschätzung folgt die großspurige Vorankündigung auf dem Fuße, in denen er seine „hohe Fachkenntnis“ schildert und darauf hinweist:

„daß es meinen Bemühungen gelang, der Regierung in Bonn völlig neues Material zur entsetzlichen Lage der deutschen Kriegsgefangenen in Russland mit praktischen Vorschlägen zu einer Rettung dieser Menschen zu unterbreiten...“[12]

In der Tat scheint Kindermann im Anschluss an seine Zusammenarbeit mit dem Vertriebenenministerium für einige Zeit beurlaubt gewesen zu sein, denn mit einem Schreiben vom 30. Juli 1951 an das Badische Kultusministerium bittet er um Verlängerung der ihm gewährten „Beurlaubung im Dienst der Exportförderung nach Australien“.[12] Das weckt Erinnerungen an das Jahr 1933 und das gescheiterte Abessinien-Projekt. Dies sollte eigentlich der Erkundung von Siedlungsmöglichkeiten für Juden dienen, wurde von Kindermann aber zu einer Wirtschaftsförderungsaktion im Interesse des Deutschen Reichs umgedeutet. Deshalb erstaunt es nicht weiter, wenn Kindermann in einem Artikel des Schwäbischen Tagblatts vom 8. Juni 1951 als „Auslandssachverständiger der LGZ-Baugesellschaft“ vorgestellt wird.[12] Über diese damals in Frankfurt am Main ansässige Firma wollten zwei Tübinger Unternehmen Holz-Fertighäuser nach Australien liefern. Ob das Geschäft zustande kam, ist ebenso unbekannt wie die Rolle Kindermanns dabei.

Doch zu diesem Zeitpunkt war behördenintern bereits eine Entscheidung gegen Kindermann gefallen. Am 8. September 1951 teilte das Badischen Kultusministeriums ihm mit:

„Wir müssen Ihnen zu unserem Bedauern eröffnen, daß Sie gemäß § 61 DBG wegen mangelnder Eignung in persönlicher Hinsicht und mangelhafter fachlicher Eignung unter Widerruf der Beamteneigenschaft aus dem staatlichen Höheren Schuldienst entlassen werden müssen. Die Entlassung wird mit dem Tag des Empfangs dieser Verfügung wirksam. Die Urkunde hierüber ist abgeschlossen.“[11]

Der Widerruf der Beamteneigenschaft wurde kurz darauf noch durch eine ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 1951 ersetzt, da das Ministerium feststellen musste, dass Kindermann überhaupt nicht als Beamter eingestellt worden war, doch am Ergebnis änderte diese Posse nichts, auch nicht eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung. Er wollte anerkannt haben, dass er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt worden sei. „Mein Augenleiden und die dadurch verursachten Weiterungen sind der wirkliche Grund für meinen Wunsch, im Rahmen der Wiedergutmachung pensioniert zu werden. Eine E n t l a s s u n g habe ich nie anerkannt.“[13] Sie hatte aber faktisch Bestand.

Freispruch im Spruchkammerverfahren

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Kindermann war nach seiner Rückkehr aus Japan von der Spruchkammer in Ludwigsburg am 25. Juli 1947 als „nicht belastet“ eingestuft worden. Hiergegen machte die amerikanische Militärverwaltung am 3. November 1948 Einwände geltend, die aber außer dem Vorwurf der Tokioer Zusammenarbeit mit Meisinger keine substantiellen Tatsachen enthielten.[95] Das Schreiben, das eine Auflistung möglicher Belastungszeugen – alle ehemalige NS-Mitglieder aus der deutschen Kolonie in Tokio – enthielt, veranlasste die Zentralspruchkammer Nord-Württemberg zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens und zu einer Befragung der von den Amerikanern genannten Zeugen.

Am 4. November 1949 stellte „Der öffentliche Kläger“ der Zentralspruchkammer, Heinz May, das Verfahren ein und bestätigte Kindermanns Status als „nicht betroffen“, da die geäußerten Verdachtsmomente nicht bewiesen werden konnten. Es habe nur festgestellt werden können, dass der Meldepflichtige sich während seines Aufenthaltes in Japan in sehr großer materieller Not und ohne jede Unterstützung von irgendeiner Seite befand.[96] May sah auch in der Zusammenarbeit mit Meisinger nur die Aufrechterhaltung einer Verdienstmöglichkeit in Zeiten der Not und interpretierte die Hilfe der Gestapo bei der Ausreise Kindermanns als eine Form von Gefälligkeit angesichts seiner antikommunistischen Propaganda.

„Nachdem Dr. Kindermann als Jude sich damit ohne polit. Zusammenhang bezüglich der NS-Gewaltherrschaft zum Vorspann des NS gegen den Kommunismus gezeigt hatte, bedurfte es nicht vieler Interventionen, um eine Unterstützung in seiner Ausreiseangelegenheit zu erhalten. Insbesondere nachdem letztendlich bekannt ist, dass andere rassisch Verfolgte mittels Hinterlegung bedeutsamer Mittel und anderer Möglichkeiten in dieser Richtung den Weg aus ihrem Verderben sich öffneten und emigrierten. Es wäre ein falscher Standpunkt, würde man, regressive gedacht, eine Inanspruchnahme der Brücke von der Hölle der l00%igen Vernichtung zur Freiheit ohne Schaden anderer Personen als Belastung im Sinne des Gesetzes 104 erkennen.“[96]

Das Stereotyp des „reichen Juden“, der sich seinen Weg in die Emigration „durch Hinterlegung bedeutsamer Mittel“ erkaufte (was in Wahrheit ein als Reichsfluchtsteuer getarnter staatlich organisierter Raub zu Lasten der auf Ausreise Hoffenden war), wird 1949 umstandslos mit Kindermanns Propaganda für die Nazis auf eine Stufe gestellt. Beides diente ja nur der Ermöglichung der Emigration. Der Kindermann so wohlgesinnte „Öffentliche Kläger“ Heinz May hatte selbst bei schwerwiegenden Verstrickungen in das NS-System keine Probleme, den Betroffenen zu einer weißen Weste zu verhelfen, bevor er am 3. Januar 1950 im Rahmen einer Bestechungsaffäre verhaftet wurde.[97]

Wiedergutmachung

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Kindermann betrieb derweil auch sein Wiedergutmachungsverfahren, und in dessen Verlauf drohte er erneut von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden. In einem Schreiben des Bad. Ministerium des Kultus und Unterrichts vom 8. Oktober 1951 an die Wiedergutmachungskommission für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes beim Bad. Ministerium der Finanzen heißt es:

„Nach zuverlässigen Informationen, die uns in den letzten Monaten zugegangen sind, stand Dr. Karl Kindermann nach seiner 1933 erfolgten Entlassung in Kontakt mit dem Reichspropagandaministerium und anderen Stellen der NSDAP und hat für sie auch im Ausland gearbeitet. Nach all dem, was über den Genannten mitgeteilt wurde, dürfte feststehen, daß seine Aussagen bei den Entnazifizierungsbehörden Ludwigsburgs nicht den Tatsachen entsprechen; es wäre u.E. daher eine Überprüfung der Entnazifizierungsakten unbedingt am Platz.“[13]

Bei den zuvor erwähnten „zuverlässigen Informationen“ handelte es sich im Wesentlichen um die 1945 im AUFBAU erschienenen Artikel,[98] wie sich aus einem Aktenvermerk vom 12. Februar 1951 in Kindermanns Personalakte ergibt. Demnach sei am 30. Januar 1951 ein Karl Fahrion in der Landesverwaltung für Kultus, Erziehung und Kunst in Württemberg erschienen und habe erklärt, „daß er es für seine Aufgabe seit vielen Monaten halte, Herrn Kindermann zu entlarven“. Diese Notwendigkeit habe er mit den AUFBAU-Artikeln begründet, und auch „der Schweizer Rundfunk habe im Sommer 1949 sich mit der Person Kindermanns und seiner undurchsichtigen Haltung früher wie heute beschäftigt. Aus diesem Grunde sei Kindermann auch nicht zur Tagung der Europa-Union in der Schweiz zugelassen worden, obwohl er es erreicht habe, daß er für Südbaden zum Präsidenten der Europa-Union gewählt wurde.“ Selbst für Kindermanns erfolgreiche Entnazifizierung hatte Fahrion laut dem Vermerk eine Erklärung anzubieten. Diese sei ermöglicht worden „mit Hilfe einer Angestellten bei der Zentralspruchkammer Ludwigsburg, Fräulein Dold, die heute seine Schwägerin sei und mit ihm zusammen in Überlingen wohne“.[12]

Die Behörde sah keine Veranlassung, auf diese Vorwürfe einzugehen, und beließ es bei diesem Aktenvermerk – möglicherweise auch deshalb, weil Fahrions Motive zu durchsichtig waren. Der hatte schon früher versucht, gegen Kindermann vorzugehen, weil er mit diesem wegen Mietstreitigkeiten aneinandergeraten war, und seinen Unmut über seinen Mieter gab Fahrion auch diesmal wieder zu Protokoll: „Herr Fahrion begründet seine Kenntnisse mit der Tatsache, daß Dr. Kindermann in Überlingen in einem Herrn Fahrion gehörenden Hause wohne, das früher von der franz. Militärregierung beschlagnahmt war und nach Freigabe Kindermann überlassen worden sei. Kindermann breite sich in diesem Hause mit Hilfe des Städt. Wohnungsamtes, das er sich in der ihm eigenen Art durch Hinweise auf seine Beziehungen zu den Besatzungsbehörden gefügig gemacht habe, aus.“[12]

Der Streit zwischen Kindermann und Fahrion wurde bereits seit 1950 auch gerichtlich ausgetragen, wobei beide Seiten vor schweren Anschuldigungen nicht zurückschreckten. Kindermann bezeichnete Fahrion als Graveur, „der im Dritten Reiche ein Vermögen durch das Eingravieren von Hakenkreuzen in Waffen machte“, „in unbeholfenen Gedichten an das hiesige Landratsamt noch vor dem Zusammenbruch seine Verbundenheit mit Hitler“ zum Ausdruck gebracht habe, und eben „ganz offenkundig ein Nutznießer des Dritten Reiches“ gewesen sei. Dass die Wohnung in Überlingen für ihn „von französischer Seite freigegeben“ worden sei, bestreitet allerdings auch Kindermann nicht.[12]

Laut Schreiben des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts vom 13. September 1952 hat Kindermann laut einem Bescheid vom 5. April 1952 eine Entschädigung in Höhe von 20.000 DM erhalten. Im Vorfeld dieser Entscheidung spielten die von Fahrion erhobenen Vorwürfe eine Rolle, wie der behördliche Schriftverkehr belegt. Eine zunächst erfolgte Ablehnung der Wiedergutmachungsansprüche wurde später revidiert, weil das Amtsgericht Ludwigsburg aufgrund einer entsprechenden Anfrage am 1. Juni 1951 der Landesbezirksstelle für die Wiedergutmachung in Stuttgart mitteilte, dass ihr keine Anhaltspunkte für eine Agententätigkeit Kindermanns im Dienste des NS-Regimes bekannt seien. Die Landesbezirksstelle gab diese Auskunft am 7. Juni 1951 an das badische Finanzministerium weiter, was dann zu einem vorläufigen Abschluss des Wiedergutmachungsverfahrens führte.[15] Letztlich ausschlaggebend hierfür dürfte ein Schreiben des Bad. Staatskommissariats für politische Säuberung vom 17. März 1952 an das Badische Ministerium der Finanzen gewesen sein. Darin heißt es unter Bezugnahme auf den Einstellungsbeschlusses im Ludwigsburger Spruchkammerverfahren,

„dass die Annahme einer nationalsozialistischen Förderung des Kindermann oder einer Zusammenarbeit im nationalsozialistischen Sinne nicht als erwiesen angesehen wurde. Kindermann hat sich schriftstellerisch zu betätigen versucht und war antisowjetisch tätig. Dass seine Geisteshaltung, für die es genug nicht nationalsozialistische Beweggründe gibt, Gelegenheit gab, ihn bis zu einem gewissen Grad auszunützen und in etwa zu patronieren bezw. in seiner Existenz zu dulden, erfüllt noch nicht den Tatbestand der Artikel 1 und 2 der Landesverordnung vom 29. März 1947. Es mag sein, dass Kindermann dadurch, dass er sich für die Propaganda des Nationalsozialismus gebrauchen liess, vielleicht – aber auch nur vielleicht – die Grenzen des charakterlich vertretbaren etwas gestreift hat. Aber auch dieser Vorbehalt ist nur sehr bedingt bei den Verhältnissen im Ausland und der bedrängten Lage des Kindermann als möglich zu erwägen.“[13]

Dies war Kindermanns zweiter Persilschein durch einen „Bruder im Geiste“ des oben zitierten „Öffentlichen Klägers“ Heinz May. Doch für den „die Grenzen des charakterlich vertretbaren“ allenfalls etwas gestreiften Kindermann, der ob seiner nicht-nationalsozialistisch motivierten antisowjetischen Einstellung von den Nationalsozialisten ausgenutzt worden sei, war mit der nun gewährten Wiedergutmachung der Fall keineswegs abgeschlossen. In den Folgejahren versuchte er immer wieder, weitere Ansprüche geltend zu machen. Noch am 25. August 1976 bat der Bund der Verfolgten des Naziregimes Baden-Württemberg (BVN/VVN) – nicht zu verwechseln mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – um Akteneinsicht für sein Mitglied Kindermann. Er selber hatte zuvor um die Überprüfung der Entscheidung aus dem Jahre 1952 gebeten und die Nachholung seiner Beförderung zum Studiendirektor verlangt. Die BVN/VVN unterstützte ihn, der zu diesem Zeitpunkt Versorgungsbezüge als Studienrat i. R. erhielt, bei diesem Verfahren. In einem Schreiben vom 31. Dezember 1976 an die Kommission für die Wiedergutmachung des öffentlichen Dienstes für den Bereich des ehemaligen Landes Baden berief er sich zusätzlich auf „die Unterstützung von Herrn G. Prinz, Vorsitzender des intern. Bundes der Widerstandskämpfer und anderer Persönlichkeiten.“ Doch es half alles nichts: mit Bescheid vom 16. März 1977 wurden alle bislang geltend gemachte weitergehende Ansprüche endgültig abgelehnt.[13]

Kampf um Anerkennung

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Kindermanns Kontakte ins Bundesministerium für Vertriebene oder Adenauers angebliche Zustimmung zu seiner Berufung durch das Internationale Komitee der Lieux de Genève sind keineswegs seine einzigen verwunderlichen Verbindungen. Auf der Rückseite eines Briefs von Kindermann an den vermutlich badischen Finanzminister befindet sich ein merkwürdig anmutendes Tagebuch für „Dezember“. Die Details dieses Briefes waren aus der Akte nicht mehr ersichtlich, doch die vorhergehenden und nachfolgenden Dokumente sprechen dafür, dass sich diese Tagebuchnotizen auf den Dezember 1950 beziehen.[99] Darin heißt es u. a.:

„3) Längere Besprechung mit Hanna Reitsch. […] War nur Fliegerin. Die schnellste Frau der Welt. 1000 Kil. pro Stunde. V1 eingeflogen. […] Will helfen. Es geht von ihr Wärme und frauliche Haltung aus, die wohlfühlen. Wir besprechen einige wichtige Punkte und verabreden ein Treffen in Offenbach-Oberursel um die Weihnachtszeit.
[…]
10) Besuch auf der Education Ab.teilung der Militärregierung. Einladung Templetons zum Schulbesuch. Vorschlag von Vorträgen über USA Denken.
Vortrag in spanischer Sprache über Uruguay in der Schule gedolmetscht.
[…]
29) Hanna Reitsch Besuch bei mir in Offenbach. Länge Unterhaltung über V1, über die letzten Tage in der Reichskanzlei.
30) Weiteres Treffen mit Hanna Reitsch in Frankfurt bei Dr. Ockel. Pazifismus und Kollektivschuld. 'Frieden ohne Liebe.-' Der Plan des Tibetfluges und die deutsche Kinderhilfe.
Abends in Neckargemünd zweimal in Todesgefahr. In einer viertel Minute. Noch gerettet. (Eisenbahnbrücke-Hochwasser)“[100]

Es gibt keine Hinweise darauf, wie der Kontakt zwischen Kindermann und Reitsch zustande kam. Doch deren Stilisierung zur „nur Fliegerin“ wirkt wie eine Entlastung in eigener Sache. Reitsch war nie Mitglied der NSDAP, wurde im Dezember 1947 als „Nichtbetroffene“ entnazifiziert, hatte sich aber bereitwillig in den Dienst der Nazis gestellt und sich für deren Propaganda einspannen lassen. Die Parallelen zu Kindermann liegen auf der Hand.

An einem dieser Treffen mit Reitsch nahm auch Dr. Gerhard Ockel teil, ein langjähriger Quäker. „Er lehnte den Dienst in der Deutschen Armee als Arzt ab und arbeitet mit seiner Frau Lotte in der internationalen Friedensbewegung, in den Nachbarschaftszentren und bei der Nothilfe der Freunde. Er hält Vorträge in Internierungslagern und ist besonders daran interessiert, zurückkehrenden Soldaten zu helfen, einen neuen Glauben zu finden. Es war eine große Hilfe, sagt er, als der erste Brief, den er von der Versammlung erhielt, von unserer gemeinsamen Schuld für diesen Krieg sprach. Es half einigen jungen Männern, deren Reaktion bisher ‚Du auch!‘ war.“[101]

Gerhard Ockel, der später zu einem der bekanntesten Sexualpädagogen der frühen Bundesrepublik wurde, hatte 1948 seine Schrift Die Frage nach Gut und Böse, Sünde und Schuld im Weltbild unserer Zeit. Gedanken eines Arztes über die geistigen Voraussetzungen zur Überwindung persönlicher und kollektiver Not[102] veröffentlicht. Friedrich Kießling urteilt über diese und ähnliche zeitgenössische Schriften, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzten: „Das Erschrecken über den angerichteten Schaden und die Verbrechen, das sich darin artikulierte, speiste eine ganze Literatur, die sich mit dem ‚Bösen‘ auseinandersetzte. Wichtig ist die religiöse Konnotation, der Eindruck der Eindruck der Unausweichlichkeit sowie die andere Erklärungsmuster übersteigende unerhörte Dimension, die dadurch für die Zeitgenossen Ausdruck fand. Das Phänomen Hitler bzw. das Dritte Reich werden auch hier universalisiert.“[103] Für Kindermann wie für Reitsch dürften mithin Ockels Auffassungen eine willkommene Rechtfertigung dafür gewesen sein, sich einer vertieften Auseinandersetzung über ihr eigenes Handeln während der NS-Zeit nicht stellen zu müssen, zumal Kindermann regelmäßig mit dem Anspruch auftrat, schon bei seiner Spitzbergen-Reise 1923, immer nur das Beste für andere im Auge gehabt zu haben.

Jenseits dieser singulären Tagebuchseite ist es schwierig, Kindermanns Aktivitäten in den Folgejahren zu dokumentieren. Vereinzelte Hinweise finden sich in einigen Briefen Kindermanns, die Joseph Walk zusammengetragen hat. Ihr Wahrheitsgehalt ist nur schwer oder gar nicht zu verifizieren, und sie dienen vor allem dazu, den jeweiligen Adressaten den Eindruck zu vermitteln, welch nahezu historische Leistungen er in seinem bisherigen Leben und vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus vollbracht hat und auch in Zukunft noch zu vollbringen beabsichtigt. Zwei Punkte tauchen dabei immer wieder auf:

  • Sein Bekenntnis zum Judentum, von dem er sich ja in Japan distanziert hatte, als er zu den Quäkern übertrat.
    1976 ließ er Joseph Walk wissen, dass er „stets für die jüdische Sache eingetreten“ sei.[21] Für ihn bedeutete dies wohl in erster Linie das Bekenntnis zu einem nationalistisch überhöhten Staat Israel. Im Januar 1975 schrieb er dazu an Werner Nachmann: „Bezügl. Israel bin ich nach eingehendem Studium der nahöstlichen Zusammenhänge positiv in Bezug auf seine Zukunft eingestellt. Die Israelis sind dazu ausersehen, den Völkern des Nahen Ostens einen grossen Dienst zu erweisen, den der Westen trotz aller Technologie nicht leisten kann.“[78] Und an seinen ehemaligen Schüler, Nathan Peter Levinson, hatte er bereits im Juni 1974 geschrieben: „Der arabische Terror gegen Israel und der anarchistische Terror überhaupt haben mich, der ich auf dem Gebiet der subversiven Aktion erfahren bin, veranlasst, darüber nachzudenken, was wirklich getan werden könnte, um Israels Stellung in der Welt zu verbessern.“[46]
    Nach Sechstagekrieg und Jom-Kippur-Krieg klingt das wie sein Eintreten für Nazideutschland, als er am 9. April 1933 dem Staatskommissar Fehrle gegenüber erklärte: „Ich kann aus meiner Kenntnis der Psyche des Auslandes nur betonen, wie wichtig es augenblicklich für Deutschland ist, aus dieser Isolation herauszukommen, in der wir uns augenblicklich befinden.“[18] Unter Berücksichtigung der damaligen arabisch-sowjetischen Völkerfreundschaft kann man wohl davon ausgehen, dass er in der Bekämpfung des arabischen Terrors eine Fortsetzung seiner antibolschewistischen Mission sah, zu der er sich weiterhin bekannte.
    Auch wenn er den zunehmenden Einfluss des arabischen Geldes auf West-Europa beklagt, sieht er im arabischen Reichtum aber auch eine Chance für Israel: „Ich bin überzeugt, dass Israel nach den Feindseligkeiten mit den Arabern und einem Friedensabkommen mit ihnen am Aufbau des modernen Arabien teilnehmen muss, um auch etwas an den arabischen Schätzen zu verdienen. Die westlichen ‚Spezialisten‘ können nicht viel für den Anbau der arabischen Wüste tun. Nur Israel ist aufgrund der eigenen erfolgreichen Kolonisation in der Lage, den Arabern zu helfen. Das muss das Endziel einer jüdischen Politik in der Zukunft sein.“[104]
  • Sein Bemühen um seine Rehabilitierung durch mehr oder weniger offizielle jüdische Stellen.
    Die Briefe an Levinson und Nachmann sind durchzogen von der Enttäuschung darüber, dass sich bislang niemand bereitgefunden habe, die 1945 im AUFBAU gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften, und sie enthalten allesamt die deutlich vorgetragenen Bitten, ihn im Kampf um seine Rehabilitierung zu unterstützen. Erkennbare Initiativen in diese Richtung gab es allerdings nicht, auch nicht durch seine Verweise auf das Material, das Marvin Tokayer ausfindig gemacht haben soll. Bitter beschwerte er sich in dem Zusammenhang über den damaligen Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Hendrik van Dam, mit dem er zwecks seiner Rehabilitierung in Düsseldorf zusammengetroffen sei: „Er war dazu bereit, verlangte aber, dass ich gegen die Zionisten in Israel Artikel schreiben sollte. Das lehnte ich ganz entschieden ab. Ich habe vergangenes Jahr bei einem Gespräch mit dem Presseattaché der Botschaft von Israel in Bad Godesberg diese Tatsache erwähnt. Er sagte nur: Kein Kommentar. Er erklärte, er habe die Haltung des Verstorbenen gut gekannt. Ich trat damals beim Zentralrat der Evangel. Kirche Deutschlands für die in Syrien gefangenen israel. Soldaten ein.“[78] In seiner Realitätsblindheit glaubte Kindermann offenbar, mit diesen Vorwürfen gegen van Dam bei Nachmann Gehör zu finden, obwohl die beiden zu van Dams Lebzeiten als Präsident und Generalsekretär des Zentralrats aufs engste zusammengearbeitet haben. In den Unterlagen fand sich keine Antwort Nachmanns an Kindermann. Ebenso unbeantwortet blieb ein ähnlich lautender Brief Kindermanns an Levinson. Etwa drei Wochen nach seinen schriftlichen Anschuldigungen gegen van Dam beschwerte er sich bei Levinson in einem vergeblichen Hilferuf, in dem er nochmals seine Bereitschaft bekundete, alles zu tun, „um die jüdische Sache zu fördern“, über das Ausbleiben einer Antwort.[46]
    Der Stachel in Kindermanns Fleisch blieben die AUFBAU-Artikel, die er fälschlicherweise Franz Meyer zuschrieb. Weil der AUFBAU „keine Gegendarstellung brachte, so war ich Jahre lang sehr verbittert“.[21] Schon 1965 hatte er Levinson gegenüber wegen der verweigerten Gegendarstellung geklagt: „Es scheint, als ob man dieser unangenehmen Sache aus dem Weg gehen wollte. Wenn man schon die Untaten Deutscher untersucht, sollte auch einmal – besonders in diesem speziellen Fall – das böse Verhalten eines Israeli und des ‚Aufbau‘ zur Sprache kommen. Man kann nicht Gerechtigkeit für sich verlangen und gegen andere ungerecht sein.“[46]
    Seine ganze Hoffnung beruhte schließlich auf Marvin Tokayer, „der mir schon in seinem zweiten Brief schrieb, dass er meine Rehabilitierung betreiben werde. Es ist zwar spät, aber nicht zu spät.“[46] Dass sich auch diese Hoffnung aufgrund des wenig belastbaren Materials von Tokayer als illusorisch erwies, wurde oben bereits im Zusammenhang mit dem Fugu-Plan erörtert.

Kindermann, der sich inzwischen als „Publizist“ bezeichnete, behauptete gegenüber Werner Nachmann, dass Leute wie der von der Rote Armee Fraktion ermordete Generalbundesanwalt Siegfried Buback oder der ehemalige nordrhein-westfälische Minister und stellvertretende Ministerpräsident Diether Posser sich von ihm beraten ließen:

„Ich wurde freier Publizist und bin u. a. auf dem Gebiet der Bekämpfung des Terrors und der Anarchie hervorgetreten. So soll ich nächstens nach einer Unterredung mit Generalbundesanwalt Buback vor dem Bundesgerichtshof über die historische Entwicklung des Terrorismus sprechen. Ich bemühe mich sehr um eine Initiative zur Schaffung einer Intern. Konvention gegen den polit. Terror und stehe mit führenden Völkerrechtsexperten in Kontakt. Man muss allerdings die UNO vollständig ausschliessen.
[…]
Ich spreche ab und zu auf Einladung des Justizministers Dr. Posser vor angehenden Richtern und Staatsanwälten in den Fortbildungskursen des Landes Nordrhein-Westfalen.“[78]

Wunsch oder Wirklichkeit? Als Wunsch könnte man es als weiteren Beweis für Kindermanns gestörte Realitätswahrnehmung abtun; wäre es aber wirklich so gewesen, würde es auf die damalige Politik der Bundesrepublik ein seltsames Licht werfen, wenn man glaubte, auf das Wissen eines selbsternannten Terrorismus-Experten angewiesen zu sein. Aber auch auf politischen Seitenpfaden reüssierte Kindermann: das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold hatte ihn zu seinem Pressereferenten und Mitglied des Bundesvorstandes gemacht, wie er Nathan Peter Levinson gegenüber 1974 stolz verkündete und Werner Nachmann gegenüber unter Beweis stellte, in dem er diesem auf einem Reichsbanner-Briefbogen mit dem Zusatz „Der Bundespressereferent“ schrieb.

Zwischen Antibolschewismus und Selbstüberschätzung

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Jörn Happel nannte Kindermanns Buch über seine Russland-Erlebnisse in den 1920er Jahren „einen durchaus selbstgefälligen Bericht“,[105] womit vermutlich gemeint war, wie Kindermann darin seine eigene Rolle beschrieb und sich stets zum aufrechten Helden stilisierte. Das trifft in gleicher Weise auch auf seine Äußerungen aus den nachfolgenden Jahren zu, wobei sich die Selbstgefälligkeit häufig zur Selbstüberschätzung steigert, zum Beispiel in Sätzen wie diesen: „Ich habe u. a. einen beabsichtigten Hitlerputsch in der Türkei vereitelt.“ „Während die anderen sich damit begnügen mussten, im stillen Kämmerchen auf die Nazis zu schimpfen, fügte ich ihnen mit Hilfe der Alliierten schwere Verluste zu.“ „Adenauer teilte ich 5 Wochen vorher seine Einladung nach Russland mit.“ Joseph Walk ließ er Ende 1976 über das Ende des Jüdischen Kinder- und Landschulheims Caputh wissen: „Als das Schulgebäude im Nov. 38 gestürmt wurde, brachte ich viele Kinder auf einem Marsch durch die nächtlichen Wälder nach Berlin in Sicherheit.“[21] Dass nicht nur er an dieser Rettungsaktion beteiligt war, sondern die gesamte Lehrerschaft, bedarf für Kindermann keiner Erwähnung.

Das Problem ist, wie das schon Franz Meyer in seinem Bericht „Der Abenteurer“ feststellen musste, dass es hinter all diesen unglaublichen Geschichten doch meist auch einen Funken Wahrheit gab. Der Engländer Redman hat, wie oben schon ausgeführt, nicht gänzlich abgestritten, in Japan einige Informationen von Kindermann erhalten zu haben, und das Abessinien- oder das Zypern-Projekt waren ja keine reinen Hirngespinste. Einflussreiche jüdische Kreise haben ihn damit betraut und ihn finanziell unterstützt. Wieso? Über welche Expertise für derartige Aufgaben verfügte der promovierte Altphilologe und von den Nazis aus dem Schuldienst entlassene Jude Kindermann? Wie ein oben schon zitierter Bericht über einen Vortrag von ihm nahelegt, war er ein einigermaßen guter Redner. Aber reichte seine rhetorische Begabung alleine dafür aus, seine Gesprächs- und gegebenenfalls Verhandlungspartner für sich zu vereinnahmen, Nazis wie Juden gleichermaßen?

Kindermann hat sich nie als religiöser Jude verstanden, aber häufig als verkannter Rufer in der Wüste: „Auch hatte ich früher keinerlei konfessionelle Interessen. Als ich 1932 sah, dass Hitler an die Macht kam, habe ich versucht, in jüdischen Kreisen auf die Gefahr aufmerksam zu machen.“[7] Nur eher rechtskonservative jüdische Verbände und Organisationen wie der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten oder Agudath Israel scheinen ihm Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, und das selbst dann noch – oder gerade deswegen? –, als Kindermann sich schon für die antibolschewistische Propaganda der Nazis hatte vereinnahmen lassen.

Kindermanns „Religion“ war der Antibolschewismus, und seine Mission war dessen Bekämpfung, zusammen, mit wem auch immer. Franz Meyer versuchte einst Kindermanns Protektion durch die Nazis mit deren Begriffsrealismus zu erklären: Für sie sei jeder Jude Bolschewist gewesen und jeder Bolschewist Jude. Da Kindermann aber gegen den Bolschewismus gewesen sei, könne er für die Nazis auch kein Jude gewesen sein.[29] Übertragen auf Kindermann könnte man unterstellen, dass für ihn jeder gute Deutsche auch Antikommunist zu sein habe, und da die Nazis Antikommunisten waren, müssen sie gute Deutsche gewesen sein. Deshalb konnte es für ihn kein Problem sein, selbst als Jude nicht, mit den Nazis zusammenzuarbeiten. Sie waren für ihn Helfer bei der „Abwehr der kommunistischen Schädigungsversuche, soweit sie gegen Deutschland gerichtet“ waren, wie es in einem bereits zitierten Brief von ihm vom 9. April 1933 an den „Staatskommissar Professor Dr. Fehrle“ im Ministerium für Kultus und Unterricht in Karlsruhe hieß.[18] Deshalb war für ihn das Thema „Die nationale Regierung und der Kommunismus“, das er in dem gleichen Brief vorgab, auf Auslandsreisen vortragen zu wollen, wichtiger als die um ihn herum von den Nazis veränderte politische Realität – gut eine Woche nach dem Judenboykott vom 1. April 1933.

Bei seiner Spruchkammer-Vernehmung bekannte Kindermann: „Ich bin Wissenschaftler und habe gar kein Interesse für Parteipolitik.“[7] Der erste Teil dieser Behauptung dürfte – trotz seiner früheren Dissertation in Altphilologie – abermals seinem übersteigerten Selbstbild geschuldet sein (oder einem Wunschbild entsprochen haben, er nannte sich ja dann auch „Schriftsteller“ und später „Publizist“), doch der zweite Teil beinhaltet eher noch eine Untertreibung. Ihm fehlte – trotz seines opportunistischen Beitritts in die KPD – nicht nur jedes parteipolitische Gespür; er war im Grunde ein zutiefst unpolitischer Mensch. Sein Verständnis von Politik war geprägt durch seine Inhaftierung in Russland und seine dortige Verurteilung zum Tode. Diese Erfahrungen machten ihn, durchaus nachvollziehbar, zum Antibolschewisten. Daraus entwickelte sich seine lebenslange Mission. Der Kampf gegen den Bolschewismus hörte für ihn nie auf, und für diesen Kampf suchte er stets neue Verbündete. Noch 1975 bekannte er in einem Brief an Werner Nachmann: „In der Tat bin ich absoluter Gegner des Bolschewismus.“[78]

Diese Grundhaltung öffnete ihm offenbar auch in den frühen Jahren der Bundesrepublik viele Türen, wie schon das Beispiel seiner Einladung ins Bundesvertriebenenministerium (sie oben) nahelegt. Über welche Russlandkenntnisse, außer denen aus der Zeit seiner Inhaftierung in den 1920er Jahren, verfügte er, die ihn zu einem Experten in Sachen deutscher Kriegsgefangener gemacht hätten? Auf welche Fähigkeiten Kindermanns setzte man in diesem Ministerium? Am Beispiel Reinhard Gehlens und der von ihm gegründeten Organisation Gehlen verdeutlicht der Historiker Jost Dülffer, dass es in der Nachkriegszeit durchaus ausreichte, sich als Antikommunist zu bekennen, um trotz Nazi-Vergangenheit Einfluss zu gewinnen: „Gehlen zog die Daseinsberechtigung seines Dienstes aus dem strikten Antikommunismus, der auch für Adenauers Weltbild und Politikverständnis konstitutiv war. Für Gehlen selbst galt das erst recht. Damit legitimierte er auch sein politisches Mitspracherecht: ‚Ich weiß, wie die Kommunisten ticken. Darüber müssen wir aufklären.‘“[106] Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass dies nicht die Mechanismen gewesen sein könnten, die auch Kindermann Zugang zu Adenauer und Hans Globke verschafft haben sollen (worüber die Bunte Illustrierte angeblich berichten wollte, wie er Joseph Walk mitteilte).[21]

Dass Kindermanns Antibolschewismus der Schlüssel für sein Verhältnis zu den Nazis war, scheint evident. Aber erklärt sich daraus auch umgekehrt die langjährige Protektion durch die Nazis? Es gibt über die Jahre 1933/1934 hinaus keine Belege mehr dafür, dass er sich propagandistisch für die Nazis betätigt hat. Von daher fällt es schwer, anzunehmen, dass deren „Dankbarkeit“ ihm gegenüber so lange anhielt, dass sie ihm 1939 die Ausreise nach Japan ermöglichten. Hatte er einen offiziellen Auftrag, und wenn ja, welchen? Die Deutschen aus dem Umfeld der Botschaft sahen ihn eher als Versorgungsfall an, dessen Anwesenheit in Japan sie sich auch nicht recht erklären konnten, und als Jude war er bei ihnen nicht gerade willkommen. Soweit es noch eine nennenswerte jüdische Kolonie gab, musste er der auch bekannt gewesen sein, denn über seine Ankunft war in der japanischen Presse berichtet worden. Kaum vorstellbar, dass er dort noch als Spitzel für Meisinger hätte wirken können, wie ihm im AUFBAU vorgeworfen worden war. Andererseits: Wie war es ihm möglich Kontakte bis in die höchsten japanischen Kreise hinein aufzubauen? Agierte er aus Überlebenswillen am Rande des moralisch gerade noch Hinnehmbaren, wie es im Spruchkammerverfahren zu seinen Gunsten unterstellt worden war, oder war er tiefer in Gestapo-Machenschaften verstrickt und wusste das geschickt zu tarnen?

In einer seiner letzten Arbeitsnotizen notierte Joseph Walk Charaktermerkmale von Karl Kindermann, die er den AUFBAU-Artikeln und einer nicht weiter verifizierbaren Aussage Franz Meyers aus dem Jahre 1959 entnommen hatte. Die darin vorkommenden Stichworte lauten: „reizend, unbefangen, infantil, sieht knabenhaft aus, sucht nach Abenteuern, pathologisch zwitterhaftes Verhalten“ und „Wahrscheinlich kein Verbrecher, aber ein höchst gefährliches Individuum.“ Darauf folgt das Wort Überschrift und danach: „Der unglaubliche Herr Kindermann“. Vermutlich sollte dies die Überschrift für Walks beabsichtigten, aber nie erschienenen „Versuch einer Rehabilitation“ werden. Es folgten noch ein paar weitere Stichworte: „wirkte in keiner Weise brillant; bescheiden und farblos und gelegentlich kleine Drohungen; hemmungslos“.[42] Kindermann und die mit seiner Geschichte verwobenen Widersprüche und Gegensätzlichkeiten verweigern sich einer eindeutigen Beurteilung. Ein Zitat von Franz Meyer schwebt über allem, was mit Kindermann zu tun hat: „Es gibt in der Geschichte nichts so Unwahrscheinliches, daß es nicht doch Tatsache sein könnte.“[29]

eigene Werke
  • Zwei Jahre in Moskaus Totenhäusern. Der Moskauer Studentenprozess und die Arbeitsmethoden der OGPU, Eckart-Verlag, Berlin/Leipzig, 1931.[107] Bei der Schrift handelt es sich um das Heft 7/8 der vom Eckhart-Verlag herausgegebenen Notreihe. Fortlaufende Abhandlungen über Wesen und Wirken des Bolschewismus. Das Buch erschien 1933 unter dem Titel In the toils of the O.G.P.U. im Londoner Verlag Hurst & Blackett. Es existiert ebenfalls eine Übersetzung ins Schwedische: Tv°a °ar i Moskvas tjekafängelser
  • Rom ruft Moskau. Geschichte einer welthistorischen Auseinandersetzung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Agis-Verlag, Baden-Baden, 1965.
  • Mitteleuropa – sein Verhältnis zu Rußland und den osteuropäischen Staaten, Auslandsinstitut der Stadt Dortmund, Dortmund, 1959. (Zusammen mit Paul Wilhelm Wenger und Walter Meder). Bei Walter Meder handelt es sich vermutlich um den Juristen und Rechtswissenschaftler Walter Meder (1904–1986)
Übersetzungen
  • Alexander Orlow: Kreml-Geheimnisse, Marienburg-Verlag, Würzburg, 1956.
  • George N. Shuster: Religion hinter dem Eisernen Vorhang, Marienburg-Verlag, Würzburg, 1956. (Diese Übersetzung erfolgte zusammen mit Georg Bohn.)
  • Landesarchiv Baden-Württemberg, Archivabteilung Staatsarchiv Freiburg (StA Freiburg)
    • Signaturen: L 50/1 Nr. 7909, 7910 7911 – Personalakten Lehrer: Karl Kindermann Darin unter anderem: „Lebenslauf von 1927“ (L 50/1 – 7911)
    • Signatur: D 180/2 Nr. 222195 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
    • Signatur: F 196/1 Nr. 2495 – Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann (Teilakten Nr. 2495/1 und 2495/2)
      Darin unter anderem: Franz Meyer: „Der Abenteurer“ (Teilakte 2495/2)
  • Landesarchiv Baden-Württemberg, Archivabteilung Staatsarchiv Ludwigsburg (StA Ludwigsburg)
    • Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann.
      Darin unter anderem: Undatiertes Vernehmungsprotokoll der „Zentralspruchkammer Nord-Württemberg“ (Ende 1948/Anfang 1949)
  • Leo Baeck Institute Jerusalem
    • Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997[108]
  • Leo Baeck Institute New York und Berlin
    • Digitalisierte Bestände der Emigrantenzeitung AUFBAU.[109]
      Drei Artikel aus dem Jahr 1945 beschäftigen sich mit Karl Kindermann:
      • Kurt Hellmer: Gestapo-Zentrale Tokio, 28. September 1945.
      • Kurt Hellmer: Karriere eines Geheimagenten. Karl Kindermann: Abenteurer und Spion, 9. November 1945.
      • Letter to The Editor: Kindermanns Cyprus Project, 7. Dezember 1945. Der Leserbrief ist unterzeichnet mit: E.B. (Butler, Pa.).
  • The Wiener Library London
    • Collection Reference: MF Doc 55; Reference Number: 55/45/1783: „Korrespondenz mit Mitgliedern des CV betr. ein antisowjetischer Vortrag von Kindermann im Deutschen Verband zur Verteidigung der westlichen Kultur, sowie die Möglichkeit, diesen Vortrag in der CV-Zeitung zu veröffentlichen“ (15 Blätter).
  • SCRIBD
    • National Archives and Records Service, General Services Administration: „GUIDES TO GERMAN RECORDS MICROFILMED AT ALEXANDRIA, VA., No. 80. Records of the German Armed Forces High Command (Oberkommando der Wehrmacht/OKW) Part VI – Amt Ausland/Abwehr (Office of Foreign and Counterintelligence)“, Washington, 1982. Das dortiger Dossier über Joseph Albert Meisinger enthält auch Informationen über Karl Kindermann.
  • Marvin Tokayer, Mary Swartz: The Fugu Plan: The Untold Story of the Japanese and the Jews During World War II, Paddington Press, 1979, ISBN 0-448-23036-4. Auszüge einer neueren Auflage sind bei Google-Books einsehbar: Google-Buchsuche
  • Jörn Happel: „Der Ost-Experte: Gustav Hilger – Diplomat im Zeitalter der Extreme“, Ferdinand Schöningh, Berlin 2017, ISBN 978-3-506-78609-8.
  • Nathan Peter Levinson: „Ein Ort ist, mit wem du bist. Lebensstationen eines Rabbiners“, Edition Hentrich, Berlin 1996, ISBN 978-3-89468-206-4.
  • Manfred Schmid: „Zum Tode verurteilt – begnadigt – ausgetauscht. Für drei deutsche Studenten endete eine Chinareise schon in Moskau.“ In: „Beiträge zur Landeskunde“, Nr. 3, 1997, S. 16–19 (Die „Beiträge“ sind eine Beilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg.)
  • Isaac Shapiro: „Edokko. Growing Up a Foreigner in Wartime Japan“, iUniverse, New York 2009, ISBN 978-1-4401-4124-9.
  • Joseph Walk: „Jüdische Schule und Erziehung im Dritten Reich“, Verlag Anton Hain Meisenheim GmbH, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-445-09930-8.
  • Hermann Weber, Jakov Drabkin, Bernhard H. Bayerlein (Hrsg.): „Deutschland, Russland, Komintern“, II, Dokumente (1918–1943), De Gruyter Verlag, Berlin/München/Boston 2014, ISBN 978-3-11-033978-9.

Einzelnachweise

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  1. Hildegard Feidel-Mertz und Andreas Paetz beziehen sich in ihrem 1991 erschienenen Buch über das Jüdische Kinder- und Landschulheim Caputh auf Joseph Walk, der „ihn, der 1925 in einen Spionageprozeß verwickelt gewesen sein soll, einer besonderen Untersuchung für wert“ gehalten habe. (Hildegard Feidel-Mertz, Andreas Paetz: Ein verlorenes Paradies. Das Jüdische Kinder-Landschulheim Caputh 1931–1939, dipa-Verlag, Frankfurt am Main, 1994, ISBN 3-7638-0184-7, S. 334). Sie selber gehen der Sache nicht weiter nach, und auch von Walk ist außer seinen kurzen Bemerkungen über Kindermann in seinem Buch über Jüdischen Schule und Erziehung im Dritten Reich (Verlag Anton Hain Meisenheim GmbH, Frankfurt am Main, 1991, ISBN 3-445-09930-8, S. 313, Anmerkung 426) keine weiterführende Arbeit über Kindermann bekannt. Das ist um so verwunderlicher, als Walk ein umfangreiches Archiv über Kindermann besessen hat, das heute im Leo Baeck Institut lagert (siehe Quellen). Auf einer weiteren Webseite des LBI findet sich der kryptische Hinweis: „Kindermann, Dr. Karl – ‚Affaire‘ Beschuldigung der Kooperation mit den Nazis und Versuche der Rehabilitation. Briefe, Dokumente , Zeitungsabschnitte. Nachforschungen in div. Archiven (durch Prof. Walk in den 90er Jahren)“. Auch in dem 2012 erschienenen Aufsatz von Hanan Harif bleibt es bei dieser Tradition, die Notwendigkeit einer Studie über Kindermann einzufordern: „Kindermannn, der unter anderem Kommunist, Häftling in der Sowjetunion und jüdischer Gestapo-Mitarbeiter war und der 1938 nach Japan ging, würde eine eigene Erörterung verdienen.“ (Hanan Harif: Asiatische Brüder, Europäische Fremde: Eugen Hoeflich und der ‘Panasiatische Zionismus’ in Wien, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Nr. 7‐8 (2012), S. 659, Anmerkung 45) Kindermann wanderte erst 1939 nach Japan aus und war auch kein Kommunist: Im Zuge der Vorbereitungen für die Russlandreise war Kindermann und seinem Begleiter Theodor Wolscht seitens der sowjetischen Botschaft nahegelegt worden, zur Beschleunigung der Formalitäten der KPD beizutreten. Kindermann tat diesen Schritt mit Hilfe seines Vaters, der selbst KPD-Mitglied gewesen war. (Karl Kindermann: Zwei Jahre in Moskaus Totenhäusern, S. 17)
  2. In die Weiherstraße 20, in ein Haus, das 2019 noch existierte.
  3. Schriftliche Mitteilung von Martin Renner, Lehrer am Markgrafen-Gymnasium in Karlsruhe-Durlach, vom 9. September 2019 in Ergänzung zum undatierten Vernehmungsprotokoll der Zentralspruchkammer Nord-Württemberg (Ende 1948/Anfang 1949), in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
  4. Jörn Happel: Der Ost-Experte: Gustav Hilger – Diplomat im Zeitalter der Extreme, Ferdinand Schöningh, Berlin 2017, ISBN 978-3-506-78609-8, S. 124
  5. Hermann Weber, Jakov Drabkin, Bernhard H. Bayerlein (Hrsg.): Deutschland, Russland, Komintern, II, Dokumente (1918–1943), De Gruyter Verlag, Berlin/München/Boston, 2014, ISBN 978-3-11-033978-9, S. 438, Anmerkung 69. Zu Hermann Kindermanns lokalpolitischen Aktivitäten siehe auch: Susanne Asche, Olivia Hochstrasser: Durlach. Staufergründung, Fürstenresidenz, Bürgerstadt, Badenia Verlag, Karlsruhe, 1996, ISBN 3-7617-0322-8, S. 349, 372–373.
  6. Susanne Asche: Vom Traditionalismus auf dem Land zur Anpassung in der Stadt. Geschichte der Juden in Grötzingen und Durlach, in: Heinz Schmitt (Hrsg.): Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, Badenia Verlag, Karlsruhe, 1988, S. 189–220
  7. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Undatiertes Vernehmungsprotokoll der Zentralspruchkammer Nord-Württemberg (Ende 1948/Anfang 1949), in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
  8. a b c Manfred Schmid: Zum Tode verurteilt – begnadigt – ausgetauscht
  9. a b c Lebenslauf von 1927 in: StA Freiburg, Signatur: L 50/1 Nr. 7911 – Personalakten Lehrer: Karl Kindermann
  10. Schriftliche Mitteilung von Martin Renner, Lehrer am Markgrafen-Gymnasium in Karlsruhe-Durlach, vom 3. Juni 2018.
  11. a b c d e f StA Freiburg, Signaturen: L 50/1 Nr. 7909 – Personalakten Lehrer: Karl Kindermann
  12. a b c d e f g h i j k l m n o p q r StA Freiburg, Signatur: L 50/1 Nr. 7911 – Personalakten Lehrer: Karl Kindermann
  13. a b c d e StA Freiburg, Signatur: F 196/1 Nr. 2495/1 – Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann
  14. Selbst im Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Signatur E 130 b Bü 2373 – Staatsministerium / 1876–1945, Vorakten ab 1759, Nachakten bis 1946: Deutsch-russische Beziehungen, befinden sich Unterlagen über die „Begnadigung von in Moskau verurteilten deutschen Studenten (mit Broschüre) und Vorträge des Studenten Karl Kindermann über seine Verurteilung, 1926/27, 1931“.
  15. a b c d e StA Freiburg, Signatur: F 196/1 Nr. 2495/2 – Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann
  16. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, aus welcher Zeitung dieser Artikel stammte, doch es gibt parallel dazu einen längeren Artikel aus der Breisgauer Zeitung vom 31. März 1933, der den hier zitierten Artikel vollinhaltlich bestätigt. Darin wird auch berichtet, dass Kindermann zu Vortragsreisen in die Schweiz, Frankreich und Italien aufbrechen werde.
  17. Vorführung d. politischen Gefangenen vor schweizerischen Journalisten, Abschrift eines Zeitungsausschnitts aus 'Badischer Beobachter' Nr. 91 v.2.4.1933, in: StA Freiburg, Signatur: F 196/1 Nr. 2495/2 – Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann
  18. a b c d Kindermann-Brief vom 9. April 1933 an Prof. Fehrle, in: StA Freiburg, Signatur: L 50/1 Nr. 7911 – Personalakten Lehrer: Karl Kindermann
  19. a b Karl Kindermann: Brief an Marvin Tokayer vom 13. Juli 1974, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. Die nachfolgende Darstellung beruht auf diesem in englischer Sprache verfassten Brief.
  20. Kindermann nennt in diesem Zusammenhang „Mrs. Schöppentau in the Pfalzburger Strasse“ und ihr „Jewish friend Mr. Alexander Schmerkes of Poland“. Im Berliner Adressbuch von 1933 findet sich dazu der Eintrag: Schöppenthau Anna, Hauswart, Wilmersdf., Pfalzburger Str. 22 online. Für Schmerkes gibt es keinen Eintrag.
  21. a b c d e f g h i j k l Schriftwechsel zwischen Karl Kindermann und Joseph Walk, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997.
  22. Karl Kindermann: Brief an Marvin Tokayer vom 13. Juli 1974, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. Die englische Originalfassung des Zitats lautet: „The Turk was asked by Streicher to go to Nürnberg, and as he had not yet received money from the Nazis, Mrs. Schöppentau gave him the money for the ticket. He came back to Berlin very disillusioned, because Streicher wished him to write a anti Jewish book of Palestine Jews. Cefat was an officer of the Turkish Army during First War and spoke with high appreciation of the brave fighting Jews (on the British … He refused to falsify this fact inspite of Streichers wish. Than he was received by Hitler and so disillusioned that he had enough from Nazism. He found out that Alexander Schmerkes was e Jew and offered to me to speak in Geneva publicly against Nazism. I went immediately to Dr. Franz Meyer, chief of the Palästinaamt in the Meineckestrasse in Berlin, but he answered that the matter was too dangerous. If Hitler would find out the relations, he would probably arrest … the representatives of the Palästinaamt. Well, Cefat returned to Izmir.“
  23. Es gibt kaum biographisches Material über Franz Meyer. Einige Hinweise sine dieser Gratulation zu seinem siebzigsten Geburtstag zu entnehmen: Dr. Franz Meyer (Jerusalem), celebrated his 70th birthday on December 26. He started his Jewish activities in the Breslau Blau-Weiss and later became a leading member of the K.J.V. During the years 1933-1939 he held responsible positions with the Berlin head-quarters of the Zionist Organisation and with the Palaestina-Amt and the Reichsvertretung. In these capacities he initiated and implemented several constructive schemes facilitating the emigration of German Jews to Palestine. He himself left Germany only a few months before the outbreak of war. In Israel, Franz Meyer is closely associated with the work of the Irgun Oley Merkaz Europa, the organisation of immigrants from Central Europe. As a many-sided scholar, he has been a particularly valuable and helpful Board Member of the Jerusalem Section of the Leo Baeck Institute since its inception. (AJR Information, Volume XXIII, No. 2, February 1968, S. 7)
  24. Stadtarchiv Nürnberg GSI 134 „Stürmer“-Kartei Serie I Personen / Sachen (Karton 1 – 28) (Stand: 15. August 2012). Online: PDF
  25. Hatice Bayraktar: Zweideutige Individuen in schlechter Absicht. Die antisemitischen Ausschreitungen in Thrakien 1934 und ihre hintergründe, Klaus Schwarz Verlag, Berlin, 2011, ISBN 978-3-87997-372-9, S. 157 (Anmerkung 623)
  26. Erdem Güven und Mehmet Yılmazata: MİLLİ İNKILAP AND THE THRACE INCIDENTS OF 1934, in: Journal of Modern Jewish Studies, Volume 13, 2014 – Issue 2, S. 190–211
  27. a b c Kurt Hellmer: Karriere eines Geheimagenten. Karl Kindermann: Abenteurer und Spion, in: Aufbau, 9. November 1945 (digitalisierte Ausgabe des Leo Baeck Instituts New York und Berlin)
  28. Fleischhauers Aktivitäten sind gut aufgearbeitet in einem Aufsatz von Eckart Schörle: Internationale der Antisemiten. Ulrich Fleischhauer und der »Welt-Dienst« (Digitalisat)
  29. a b c d e f g h Franz Meyer: Der Abenteurer, Abschrift eines Artikels vom 20. März 1942 in den in Tel Aviv erschienenen Blumenthals Neueste Nachrichten, in: StA Freiburg: Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann (F 196/1 – Nr. 2495/2). Für ein Porträt der Porträt der deutschsprachigen Zeitung Blumenthals Neueste Nachrichten siehe: http://www.israel-nachrichten.org/archive/8470
  30. Schreiben des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda an den Reichsverband der Deutschen Industrie vom 19. September 1933, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
  31. In einem Brief vom 14. Dezember 1976 an Joseph Walk behauptet Kindermann, dass er für seine Zypern-Mission Geld von dem Verleger Franz Ullstein (1868–1945) erhalten habe. (Schriftwechsel zwischen Karl Kindermann und Joseph Walk, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997)
  32. Bei dem erwähnten Dr. Wohltat dürfte es sich um Helmuth Wohlthat gehandelt haben, der ab Dezember 1934 im Reichs- und preußischen Wirtschaftsministerium als Ministerialdirektor die Reichsstelle für Devisenbeschaffung leitete. In einem Brief vom 16. Januar 1975 an Werner Nachmann, dem damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht Kindermann gar von 300.000 RM, die ihm von Hjalmar Schacht für den Transfer genehmigt worden seien. (Brief Karl Kindermanns an Werner Nachmann vom 16. Januar 1975, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997). Dass Kindermann Nachmann gegenüber Wohltats Namen durch den von Schacht ersetzte, sollte vermutlich signalisieren, dass er, wie regelmäßig von ihm behauptet, ‚Zugang zu aller höchsten Kreisen‘ hatte.
  33. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf einer Zusammenfassung des Leserbriefs vom 7. Dezember 1945 im Aufbau. In seinen Arbeitsnotizen zum Fall Kindermann hat Joseph Walk festgehalten: „Dr. Erich Bloch ‚Kandidat‘ für Cypern, nie verwirklicht“. (Joseph Walks Arbeitsnotizen zu Karl Kindermann, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997) Walks Quelle hierfür ist nicht verifizierbar, doch lebte Bloch zum Zeitpunkt des Leserbriefs tatsächlich in Palästina und hatte zum Zeitpunkt des Zypernprojekts gerade angefangen, einen landwirtschaftlichen Umschichtungshof am Bodensee aufzubauen. Zu Erich Bloch: Erich Bloch in Leo-BW
  34. „I am afraid that quite a number of people were cheated of their last resources by this criminal.“
  35. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: die am 9. März 1938 geborene Tochter Eva und der in Japan geborene Sohn Edgar (* 17. März 1941 – † 31. Januar 1977). Die Ehe wurde am 26. Oktober 1948 durch Urteil des Landgerichts Darmstadt geschieden. (StA Freiburg: Personalakten Lehrer Karl Kindermann (L 50/1 – 7909))
  36. Hildegard Feidel-Mertz, Andreas Paetz: Ein verlorenes Paradies. Das Jüdische Kinder-Landschulheim Caputh 1931–1939, dipa-Verlag, Frankfurt am Main, 1994, ISBN 3-7638-0184-7, S. 334
  37. Joseph Walks Arbeitsnotizen zu Karl Kindermann, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. Walk bezieht sich hierbei auf Briefe von Ernst Ising, dem letzten Schulleiter des Landschulheims, vom 19. Juni 1970 und vom 31. Mai 1974.
  38. Joseph Walk: Jüdische Schule und Erziehung im Dritten Reich, Verlag Anton Hain Meisenheim GmbH, Frankfurt am Main, 1991, ISBN 3-445-09930-8, S. 117 ff.
  39. Hildegard Feidel-Mertz, Andreas Paetz: Ein verlorenes Paradies, S. 37–47
  40. Joseph Walk: Jüdische Schule und Erziehung im Dritten Reich, S. 164
  41. Hildegard Feidel-Mertz, Andreas Paetz: Ein verlorenes Paradies, S. 332. Lotte Friedmanns Mann war nicht Fridolin Friedmann, der ehemalige Schulleiter des Landschulheims.
  42. a b c Joseph Walk: Arbeitsnotizen zu Karl Kindermann, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997
  43. Zum Schulwerk der Adass Jisroel siehe: http://www.adassjisroel.de/schulwerk-der-adass-jisroel. In Walks Arbeitsnotizen findet sich allerdings auch der Hinweis, dass Kindermann in der Theodor-Herzl-Schule des Jüdischen Schulvereins und an einem Gymnasium, vermutlich der Oberschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Wilsnackerstr., unterrichtet habe.
  44. Nathan Peter Levinson: Ein Ort ist, mit wem du bist. Lebensstationen eines Rabbiners, Edition Hentrich, Berlin, 1996, ISBN 978-3-89468-206-4, S. 40–41
  45. Nathan Peter Levinson: Ein Ort ist, mit wem du bist, S. 40–41
  46. a b c d e f g h i Karl Kindermann: Briefe an Nathan Peter Levinson, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997
  47. a b Franz Paul Huber, Stellungnahmen zu Karl Kindermann, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
  48. Siehe hierzu: Homepage der Central Zionist Archives
  49. Eugen Hoeflich, zitiert nach Hanan Harif: Asiatische Brüder, Europäische Fremde: Eugen Hoeflich und der ‚Panasiatische Zionismus‘ in Wien, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Nr. 7–8 (2012), S. 658–659. Zu Kanokogi siehe: Gerhard Krebs: Ein deutscher Diplomat in Japan: Hans Anna Haunhorst. Bei dem in dem Zitat erwähnten Japaninstitut handelt es sich um das Institut an der damaligen Universität zu Berlin, dessen Leiter Kanokogi von 1927 bis 1929 war. Siehe: Chronik der Humboldt-Japanologie und ihres Berliner Umfeldes. Zur Rolle des Instituts in der Zeit des Nationalsozialismus siehe: Eberhard Friese: Das Japaninstitut in Berlin (1926–1945). Bemerkungen zu seiner Struktur und Tätigkeit..
  50. StA Freiburg: Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann (F 196/1 – Nr. 2495/2).
    Die Ankunft der Familie Kindermann mit der St. Louis, die zwei Monate später zu ihrer berüchtigten Irrfahrt nach Kuba auslief, ist auch in der Datenbank von Ellis Island dokumentiert (Passagierliste Ellis Island: Familie Kindermann). Ein weiterer Hinweis auf die Reise befindet sich im National Archives and Records Service, General Services Administration, Washington: 1982, das in den „GUIDES TO GERMAN RECORDS MICROFILMED AT ALEXANDRIA, VA., No. 80. Records of the German Armed Forces High Command (Oberkommando der Wehrmacht/OKW) Part VI“ als Eintrag enthält: „An inventory of household goods, clothing, and personal belongings of Dr. Karl Kindermann and his wife and daughter, who were emigrating to Japan from Berlin-Halensee, Mar 1939, and permission of shipments.“ (US-National Archives and Records Service: Records of the German Armed Forces High Command (Oberkommando der Wehrmacht/OKW))
  51. a b c d Karl Hamel: Stellungnahmen zu Karl Kindermann, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
  52. Yuji Ishida: Japan, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Band 1, Länder und Regionen, K. G. Saur Verlag, München, ISBN 978-3-598-24071-3, S. 178.
  53. a b c Heinrich Loy: Aussage vom 14. Januar 1949, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann
  54. a b Karl Kindermann: Lebenslauf vom 19. November 1947, in: StA Freiburg: Personalakten Lehrer Karl Kindermann (L 50/1 – 7911)
  55. Auf das, was Kindermann mit 'Weissen Zonen' meinte, wird später noch einzugehen sein.
  56. Isaac Shapiro: Edokko. Growing Up a Foreigner in Wartime Japan, iUniverse Inc., New York, Bloomington, 2009, ISBN 978-1-4401-4124-9, S. 142. „Jacob and I were enrolled in a German summer school run by a Dr. Karl Kindermann, who was nearly blind and wore extremely thick glasses. To call it a school was an exaggeration, because there were only about ten of us in the class and Kindermann was teaching us in his living room.“ Shapiro fügt hinzu: „Wir wussten damals nicht, dass Kindermann ein Kommunist war. Er war von den Nazis inhaftiert und gefoltert worden, hatte es aber irgendwie geschafft, aus Deutschland zu fliehen und nach Japan zu gelangen.“ („We didn‛t know at the time that Kindermann was a Communist. He had been incarcerated and tortured by the Nazis, but had somehow managed to escape from Germany and make his way to japan.“) Shapiro erwähnt zudem, dass weitere deutsche Juden in Karuizawa Zuflucht gefunden hätten und erinnert sich in dem Zusammenhang besonders an die beiden Ärzte Plessnber und Wittenberg. Bei dem einen dürfte es sich um Dr. Heinz Plessner gehandelt haben. (Das japanische Gedächtnis: Deutsche Ärzte in Japan)
  57. Zitiert nach: James R. Young: Swiss Neutral Claims Nazis Are Still on Loose in Japan, Herald-Journal, 10. Mai 1946. „My Swiss friend lived near Karl Kindermann, ›who specialized in spying on the neutral diplomats – Swedish, Portugese, Swiss and Italian. Kindermann pretended to be destitute, but in fact he had one of the best food stocks and quantities of money. He worked for the Nazis, the Japs, and finally got a job with the Americans, who kicked him out after 3 weeks in their service.‹“
  58. Zitiert nach James R. Young. Für Hamel interessierte sich die CIA noch im Mai 1964 in einem „LOCAL AGENCY CHECK“. (PDF)
  59. Karl Kindermann: Brief an Marvin Tokayer vom 26. Januar 1975, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997
  60. a b c Leni Abt: Vernehmungsprotokoll vom 28. April 1949, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann.
  61. a b WWI Nuernberg Interrogation Records / OCCPAC Interrogation Transcripts And Related Records: Meisinger, Joseph Albert. „KINDERMANN, Karl, Member of German Communist Party. Condemned to death in MOSCOW in 1926 for espionage. Exchanged in 1928 for a Russian agent apprehended in LEIPZIG. Sent to Japan in 1939 with RSHA aid, to serve as interpreter with Japanese police. A protest by the Japanese press upon his arrival caused BERLIN to instruct HUBER to sever connections with KINDERMANN. KINDERMANN came to MEISINGER in 1941, told his story, and was instructed to report to MEISINGER occasionally on current opinions and attitudes in Jewish circles. […] Through KINDERMANN […] Meisinger came into contact with a certain YOKOYAMA who claimed to represent the Japanese government in the SORGE Case.“ Bei dem in dem Zitat erwähnten Huber handelt es sich um den oben schon zitierten Franz Paul Huber, den Vorgänger Meisingers als Polizeiattaché an der Deutschen Botschaft in Tokio.
  62. Der Fall Sorge hat Kindermann auch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch beschäftigt, wie Robert Whymant in seinem Sorge-Buch zeigte: „Die These, daß Sorge ausgetauscht wurde und in die Sowjetunion zurückkehrte, wurde zuerst in Meissners ‚The Man with Three Faces‘ propagiert. Ein energischer Befürworter dieser Theorie war Dr. Karl Kindermann (von dem man vermutet, daß er, obwohl Jude, als lnformant für Gestapo-Oberst Meisinger arbeitete). Kindermann diente bei dem vergeblichen Versuch von seiten deutscher Beamter, die Japaner zur Auslieferung Sorges zu überreden, als Dolmetscher. 1976 schrieb er für die Japan Times eine Reihe von Artikeln, in denen er behauptete, Sorge sei tatsächlich an der mandschurisch-sibirischen Grenze den Russen ausgehändigt worden. Zum Beweis seiner Behauptung hatte Kindermann lauter Gerüchte zu bieten, aber er war absolut überzeugt, daß die Informationen zuverlässig seien. Außerdem fand er, man könne unmöglich glauben, daß die japanische Regierung die Hinrichtung Sorges für den 7. November, einen für die Sowjetunion geheiligten Jahrestag, befohlen hätte. Japan sei ängstlich darauf bedacht gewesen, sich das Wohlwollen der Sowjets zu erhalten, argumentierte er, und die Wahl des 7. November wäre »politisch nicht nur ein unkluger und törichter, sondern auch ein geschmackloser Akt« gewesen (Japan Times, 24. November 1976). Imoto Daikichi, während des Krieges Staatsanwalt und nach dem Krieg Generalstaatsanwalt, sagte jedoch, daß es »purer Zufall« gewesen sei, daß die Hinrichtung mit dem Jahrestag der bolschewistischen Revolution zusammenfiel.“ (Robert Whymant: Richard Sorge – Der Mann mit den drei Gesichtern, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg, 1999, ISBN 3-434-50407-9, S. 498, Anmerkung 4 zum Kapitel „Epilog“. Die erwähnten Kindermann-Artikel waren trotz mehrfacher Nachfrage bei der Japan Times nicht ausfindig zu machen.)
  63. Karl Kindermann: Brief an Nathan Peter Levinson vom 14. Juni 1974, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. Der in dem Zitat genannte Wolfgang Sorge darf nicht mit Richard Sorge verwechselt werden, mit dem er auch nicht verwandt war. Allerdings waren beide zur gleichen Zeit in Ostasien geheimdienstlich aktiv. Wolfgang Sorge, wie Kindermann es tut, als Sowjetspion zu bezeichnen, dürfte allerdings kaum den Tatsachen entsprochen haben. Dies traf auf Richard Sorge zu. Insofern muss es offen bleiben, ob Kindermann hier die Vornamen verwechselte oder einem Irrtum aufgesessen war.
  64. a b c d Hans Eberhard Maul: Warum Japan keine Juden verfolgte. Die Judenpolitik des Kaiserreiches Japan während der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945), Iudicium Verlag, München, 2007, ISBN 978-3-89129-535-9. urn:nbn:de:hbz:5-02250, S. 130–133.
    Siehe dazu auch: Gerald Horne: Race War! White Supremacy and the Japanese Attack on the British Empire, New York University Press, New York, 2004, ISBN 0-8147-3640-8, S. 271: „Dr. Karl Kindermann war Jude und lebte während des Krieges in Japan. Dort war er ‚besonders von japanischen Freunden geschützt worden, die hoch in den Reihen der … [ultrapatriotischen] Black Dragon Society hohe Ränge begleiteten.‘ Dies war Teil eines größeren japanischen Plans, nicht an der Verbrennung von Juden teilzunehmen, sondern sie zu retten und ihre Ressourcen und Fähigkeiten im Namen Tokios einzusetzen.“ („Dr. Karl Kindermann was Jewish and lived in Japan tlhroughout the War. While there he “had been specially protected by Japanese friends who were high in the ranks of the … [ultra-patriotic] Black Dragon Society.” This was part of a larger Japanese plan not to participate irı the incineration of Jews but to rescue them and deploy their resources and skills on behalf of Tokyo.“)
  65. a b c Gao Bei: Shanghai sanctuary. Chinese and Japanese policy toward European Jewish refugees during World War II, Oxford University Press, New York, 2013, ISBN 978-0-19-984090-8, S. 104–105
  66. In einer nur schlecht lesbaren Kopie befindet er sich auch in Joseph Walks Unterlagen in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. Dass Wise darin „auf die Bedenken von Kindermann bezüglich des jüdischen Siedlungsplans“ reagiert habe, wie Gao Bei behauptet, lässt sich aus der Kopie nicht entnehmen.
  67. Hier zitiert nach Marvin Tokayer und Mary Swartz: The Fugu Plan, S. 78. „There will however, you will understand, be no need of persons who have authorizations neither from Jewish organizations nor from the Japanese government to initiate such negotiations.“
  68. Wei Zhuang: Die Erinnerungskulturen des jüdischen Exils in Shanghai (1933–1950). Plurimentalität und Transkulturalität, LIT Verlag, Berlin, 2015, ISBN 978-3-643-12910-9, S. 61–62.
  69. Marvin Tokayer und Mary Swartz: The Fugu Plan, S. 13
  70. Marvin Tokayer und Mary Swartz: The Fugu Plan, S. 273. „DR. KARL KINDERMANN was imprisoned by the Allies in Tokyo at the close of the war and charged with collaborating with both the Nazis and the Japanese. His claims to have promoted peace and to have provided valuable military information to the British were not verified until after he was deported in shame back to Germany. Kindermann now lives in Germany and works as a journalist.“
  71. Das Zitat ist einem Brief an einen „Mr. Redman“ entnommen, den Kindermann seinem Brief vom 13. Juli 1974 an Marvin Tokayer beigefügt hat. (in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. „I have a splendid record in the fighting against the Nazis. In Germany I destroyed the plans of the 'Turkish Hitler' Cefat Rifat Bey, to prepare a revolution with the help of the Third Reich. This was a very dangerous task, but I was successful and shall publish the story for the first time soon in West Berlin on the occasion of a leech [speech?] before the international Congress of Resistance. In Japan I was able to penetrate the Nazi machinery and at the same time to get whole trust of the Foreign Minister Hirota and the General Staff, which after Stalingrad came to the conclusion that the war was lost.“
  72. Was bedeutet, dass die von Tokayer/Swartz geschilderten Situationen vor dem 18. Juli 1944 stattgefunden haben müssten, denn an diesem Tag wurde Tōjō Hideki zum Rücktritt gezwungen.
  73. Marvin Tokayer und Mary Swartz: The Fugu Plan, S. 257–258.
  74. Marvin Tokayer und Mary Swartz: The Fugu Plan, S. 257–258. „The refugees would be moved out of their horrible living situation to a 'Jewish state' in Manchuko. They would be guaranteed everything necessary for a good life there. In turn, the 'powerful American Jewish community', realizing the sincerity of the Japanese, would persuade Roosevelt to come to the peace table.“
  75. Marvin Tokayer und Mary Swartz: The Fugu Plan, S. 257–258. „The Kindermann peace feeler had failed.“
  76. Bei dem erwähnten Quäkerführer Bowles handelte es sich um Gilbert Bowles (1869–1960), dessen Nachlass in der Haverford College Quaker & Special Collections archiviert ist. (online)
  77. Siehe hierzu den Artikel GENFER KONVENTION / INTERNATIONALES: Zum Schutz der Zivilisten, in: DER SPIEGEL 14/1953 vom 1. April 1953 (online). Zur Geschichte der Association des Lieux de Genève siehe auch: http://www.icdo.org/en/about-icdo/history/
  78. a b c d e f g Karl Kindermann: Brief an Werner Nachmann vom 16. Januar 1975, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997
  79. Karl Kindermann: Brief an Sir Vere Redman, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. „I am more than happy to know that you are approachable, as I remember very well the common work we did in the fighting against the Nazis.“ Der Brief wurde von Marvin Tokayer an Redman übermittelt, da dieser in Südfrankreich lebte und Kindermann dessen genaue Adresse nicht bekannt war.
  80. Einen ausführlichen Überblick über Redmans Leben und Wirken gibt Hugh Cortazzi: Sir Vere Redman, 1901–1975, in: Ian Nish (Hrsg.): Britain & Japan: Biographical Portraits, Volume II, Japan Society Publications, 1997, ISBN 1-873410-62-X, S. 283 ff. Cortazzis Text ist fast komplett bei Google-Books einsehbar: Vorschau
  81. Karl Kindermann: Brief an Sir Vere Redman, ebd. ‚But let us remember our cooperation. I gave you valuable news of Nazi activities. In Kobe was the German family Werner Beyer, housekeeper of the German Consulate General. Mr. Ber was a good friend of mine, not Nazi. One day he told me and also his wife, Mrs. Lore Beyer that two German Submarines with their crew were for a short time in Kobe. The crew was invited by German families, as it was usual. I informed you about the plan that the two submarines would live [leave] soon for operation in the Pacific. My message was very short, but I remember very well that you were very interested. Well, soon it happened what was to expected. I should not be astonished, if you can not rember exactly this story, as I gave you many details of Nazis activities.‘
  82. Webseite „Deutsches U-Boot-Museum“
  83. Briefwechsel zwischen Sir Vere Redman und Marvin Tokayer, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997.
  84. Governmental Affairs Division der 7780TH OMGUS Group, Württemberg-Baden Section: Schreiben vom 3. November 1948 an Ministerialdirektor Koransky im Ministerium für Politische Befreiung in Stuttgart, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann.
  85. Auf die Frage, weshalb er sich an Wiedemann gewandt habe, antwortete Kindermann in seiner Spruchkammer-Vernehmung: „Ich war in solch grosser Not, dass ich mich an diesen Mann wandte, ob er mir eine Stelle verschaffen könne. Er lud mich dann ein. Ich lernte einen Mann kennen, sein Name war Karl, der aus polit. Gründen aus Amerika geflüchtet war. Dieser Mann kam dann in mein Haus und er sagte mir, dass er mit Wiedemann bekannt wäre. Dies interessierte mich lebhaft und ich bat ihn, mir doch eine Zusammenkunft mit Wiedemann zu verschaffen, da ich doch immer noch eine Stellung suchte. Wiedemann war mir bekannt als ein Mann, der in Ungnade gefallen war. Ich habe in meiner Not dann an ihn geschrieben, ob er mir helfen könne. Er war zum Generalkonsul von Tiansin ernannt worden. Ich habe ihm vorgeschlagen, ob ich eine Art Vortrag halten dürfe über die Weltsituation. Ich bin nie nach Tiansin gegangen und habe Wiedemann nie getroffen.“ (Karl Kindermann: Undatiertes Vernehmungsprotokoll der Zentralspruchkammer Nord-Württemberg (Ende 1948/Anfang 1949), in: StA Ludwigsburg: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann)
  86. a b Kindermann-Wiedemann-Schriftwechsel, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann. Kindermann benutzte zu dieser Zeit Briefbögen der Maruzen Company Ltd., Tokyo, eines japanischen Buchhandelskonzerns und einer Buchhandelskette. Das könnte erklären, auf welche Weise Kindermann sein Beschaffungsprogramm für nicht-deutsche Bücher und Zeitschriften organisiert hatte. Es gibt allerdings keine weiteren Hinweise auf seine Verbindungen zu diesem Unternehmen.
  87. StA Freiburg: Personalakten Lehrer Karl Kindermann (L 50/1 – 7911). In der Akte befindet sich die Abschrift einer standesamtlicher Eintragungen vom 23. April 1950, aus der hervorgeht, dass die zweite Ehe am 30. Dezember 1948 vor dem Standesamt Ludwigsburg geschlossen worden war. Bei der zweiten Ehefrau handelte es sich um Irene Rolf, ohne Beruf, wohnhaft in Ludwigsburg, geboren am 29. Juni 1909 in Grab im Kreis Backnang. Bei dieser Eheschließung ist für Kindermann als Religion noch „Quäker“ vermerkt.
  88. Karl Kindermann: Brief an Marvin Tokayer vom 13. Juli 1974, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. „Your fine appreciation of my son’s utterances about his father were something like “Balsam” for my heart. I know, he is a very good boy and I am proud of him. It is indeed so, as you believe: His Christian education was the result of the great desillusion I experienced, but now I feel very satisfied.“
  89. Karl Kindermann: Brief an Marvin Tokayer vom 13. Juli 1974, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. „As far as the failure of Edgar's marriage is concerned I believe that the mother-in-law of Edgar commited some crime. Edgar recently informed me that his wife was “entmündigt”. As his wife is very rich, I think, the astute mother in Zürich has done something bad, but I shall find out. She wants to get in possession of the big money belonging to my daughter-in-law.“
  90. In einem Schreiben des Badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts vom 8. Oktober 1951 ist gar die Rede davon, Kindermann sei „zuletzt als Direktor der Pädagogischen Arbeitsstelle Stuttgart“ tätig gewesen, bevor er vom 6. April 1949 wieder in den badischen höheren Schuldienst übernommen worden sei. (StA Freiburg: Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann (F 196/1 – Nr. 2495/1)
  91. Dr. Richter war ein Schulleiter, mit dem sich Kindermann überworfen hatte.
  92. Mit Projuventute könnte die Schweizer Stiftung Pro Juventute gemeint gewesen sein, die sich dafür einsetzt, dass Kinder, Jugendliche und ihre Familien in ihrem Alltag unterstützt und gefördert werden und dass diese in der Not rasch Unterstützung erhalten.
  93. Der Brief trägt die Unterschrift „gez. Merten“, was auf den SPD-Politiker Hans Merten hinweisen könnte, der seit 1949 zunächst für die Bundesländer und dann im Vertriebenenministerium für Flüchtlingsfragen zuständig war.
  94. Zu der in dem Fernschreiben erwähnten Rundfunksendung teilte die Archivabteilung des Hessischen Rundfunks am 13. August 2018 mit, dass in ihrer Datenbank dazu keine Nachweise vorhanden wären.
  95. Schreiben der Governmental Affairs Division der 7780TH OMGUS Group, Württemberg-Baden Section, vom 3. November 1948 an Ministerialdirektor Koransky im Ministerium für Politische Befreiung in Stuttgart, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann.
  96. a b Zentralspruchkammer Nord-Württemberg, Der Öffentliche Kläger: Einstellungs-Beschluss vom 4. November 1949 in der Sache gegen Dr. Karl Kindermann, in: StA Ludwigsburg, Signatur: EL 902/15 Bü 11535 – Spruchkammerverfahren Karl Kindermann.
  97. Siehe hierzu: a) „Man könnte doch Knobelbecher …“, Der Spiegel, 35/1949 vom 25. August 1949 (online); b) ENTNAZIFIZIERUNG Meyer macht's, Der Spiegel, 19/1950 vom 11. Mai 1950 (online); c) Jan Molitor: Das große Finale einer Denazifizierungs-Komödie. Was der Skandal um May und Meyer lehrt – Nachrede auf einen „Befreiungs“-Prozeß, Die Zeit, 21/1950 vom 25. Mai 1950.
  98. In den StA-Dokumenten wird fälschlicherweise immer der Jahrgang 1948 genannt, doch es handelte sich um die schon mehrfach zitierten Artikel aus dem Jahre 1945.
  99. Die nachfolgenden Ziffern vor den Absätzen markieren die Kalendertage.
  100. StA Freiburg: Wiedergutmachungsverfahren Karl Kindermann (F 196/1 – Nr. 2495/1). Bei dem erwähnten Templeton dürfte sich um Payne Templeton gehandelt haben, den Chef der Schools Branch, der OMGUS-Division für Education and Religious Affairs, unter dem Kindermann bereits nach seiner Internierung in einem Curriculum Center mitgearbeitet hatte (siehe oben).
  101. Bericht von Rega Engelsberg in dem Quäker-Organ „Friends Bulletin – Pacific Coast Association, July + August 1948“. „He refused service in the German Army as a doctor and works with his wife, Lotte, in the international peace movement, the neighborhood centers and with the Friends emergency relief. He lectures in internment camps and is specially interested in helping returning soldiers to find a new faith. It was a great help, he says, when the first letter he received from the Meeting spoke about our shared guilt for this war. It helped some young men whose reaction so far had been ‚You, too!‘“ (archive.org). Die Nachbarschaftszentren waren Hilfseinrichtungen für die notleidende deutsche Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei der „Nothilfe der Freunde“ handelte es sich um die von Gerhard Ockel und anderen Quäkern 1945 gegründete Nothelfergemeinschaft der Freunde. Mit „Versammlung“ ist eine Organisationsform der Quäker gemeint, die Jahresversammlung.
  102. In Frankfurt erschienen als Band 1 der Nothelfer-Bücherei der „Nothelfergemeinschaft der Freunde“.
  103. Friedrich Kießling: Die undeutschen Deutschen. Eine ideengeschichtliche Archäologie der alten Bundesrepublik 1945–1972, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2012, ISBN 978-3-506-77396-8, S. 95.
  104. Karl Kindermann: Brief an Marvin Tokayer vom 20. Januar 1975, in: Leo Baeck Institute Jerusalem: Joseph Walks Karl Gustav Kindermann Collection 1925–1997. „I am convinced that after the hostilities with the Arabs and a peace-trety with them Israel must paricipate in the building up of modern Arabia in order to earn also something of the Arabian treasures. The Western “specialists” cannot do much to cultivate the Arabian Desert. Only Israel is in a position, due to the own successful colonisation, to help the Arabs. This must be the final aim of a Jewish policy in the future.“
  105. Jörn Happel: „Der Ost-Experte: Gustav Hilger“, S. 140–141.
  106. „‚Man fühlte sich geschmeichelt‘. Historiker Jost Dülffer über die Rolle der ‚Organisation Gehlen‘ und die Einflussnahme des Bundesnachrichtendienstes auf Politik und Medien in der Nachkriegszeit.“ Interview von Joachim Frank in der Frankfurter Rundschau vom 28. August 2018, S. 30–31
  107. Karl Kindermann: Zwei Jahre in Moskaus Totenhäusern im Katalog der DNB.
  108. Das Inhaltsverzeichnis der Collection ist online einsehbar: search.cjh.org
  109. AUFBAU-Archiv im Leo Baeck Institute