Benutzer:Finø/Artikelentwurf

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Frau Antje vor dem Rathaus von Gouda (2013)

Mit dem Begriff Personifikation ist ein Kunstgriff gemeint, der in den verschiedenen Kunstgattungen, aber auch im alltäglichen Gespräch außerordentlich häufig benutzt wird: ein Phänomen, das an sich gerade nicht menschlich ist, wird mit einer menschlichen Persönlichkeit ausgestattet.

Die Personifikation tritt in zwei Varianten auf:

  • Einem nichtmenschlichen Konkretum (Pflanze, Tier, lebloser Gegenstand) werden einzelne menschliche Eigenschaften oder Fähigkeiten zugeschrieben (Personifikation im weiteren Sinne)
  • Zu einem Abstraktum (Idee, Vorstellung, Gattungsbegriff, Personengruppe) wird eine eigenständige Persönlichkeit konstruiert (Personifikation im eigentlichen Sinne). Abstrakta sind Phänomene, die man weder sehen noch anfassen kann, und gerade hier zeigt sich der Nutzen der Personifikation: etwas, das der sinnlichen Wahrnehmung nur schwer zugänglich ist, wird in bestimmter Weise sinnlich erfahrbar. Man erzielt also gewissermaßen einen psychologischen Effekt. Um einige Beispiele zu geben:
    • Mutter Natur ist, wenn man so will, die wohlwollende Personifikation eines ökologischen Systems (Idee)
      • In dem Gedicht Wasser beschreibt Annette von Droste-Hülshoff eine Uferlandschaft zur ruhigen Mittagszeit.[1] In diesem Zusammenhang greift sie zur Personifizierung: sie beschreibt Atmung (Wind), Locken (hängende Zweige der Bäume) und Pulsschlag (gleichmäßiger Wellengang) der Natur. Die Zeilen 7 bis 10 lauten:
        Natur schläft — ihr Odem steht,
        Ihre grünen Locken hangen schwer,
        Nur auf und nieder ihr Pulsschlag geht
        Ungehemmt im heiligen Meer.
      • Die dritte Strophe lautet (Zeilen 11 bis 15):
        Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
        Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
        Und tauscht bei ihnen seine Seele um.
        Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
        Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.
    • Uncle Sam und Columbia sind Personifikationen des amerikanischen Volkes (Personengruppe)
    • Der Deutsche Michel und die Germania sind Personifikationen des deutschen Volkes (Personengruppe)
    • Der Sensenmann ist eine Personifikation des Todes (Idee)
    • Frau Welt war eine im Mittelalter gebräuchliche Personifikation der verderblichen Sinnenfreude (Idee) und die Voluptas ist eine Verkörperung der Lebenslust, die der römischen Mythologie entstammt
    • Das Walross Antje war eine Personifikation des Norddeutschen Rundfunks (man wird die Rundfunkanstalt wohl als Personenmehrheit auffassen können)
    • Frau Antje ist die Werbefigur eines niederländsichen Molkereiverbandes (Personenmehrheit).
    • Geschichte, historische Gerechtigkeit (Idee)
      • Mögen Sie uns tausendmal schuldig sprechen, die Göttin des ewigen Gerichtes der Geschichte wird lächelnd den Antrag des Staatsanwaltes und das Urteil des Gerichtes zerreißen; denn sie spricht uns frei.[2]
    • Die Zeit
      • Strophe 1 (Zeile 1 bis 8):
        Spute dich, Kronos!
        Fort den rasselnden Trott!
        Bergab gleitet der Weg;
        Ekles Schwindeln zögert
        Mir vor die Stirne dein Zaudern.
        Frisch, holpert es gleich,
        Über Stock und Steine den Trott
        Rasch ins Leben hinein!
        [3]

Wer eine Personifikation verwendet, macht sich etwas zunutze, was als Anthropomorphismus oder als Animismus[4] bezeichnet wird: Menschen neigen dazu, die Dinge um sie herum zu vermenschlichen. So finden sie leichter einen Zugang zu ihnen, können sie leichter begreifen oder sich mit ihnen verbunden fühlen.

Die gegenteilige Technik wird als Entmenschlichung bezeichnet. Wer nicht möchte, dass ein Gegner als Mensch wahrgenommen wird, wird ihn als Tier, als Sache oder als Abstraktum beschreiben.

Personifikation ist zu unterscheiden von der Personalisierung als einem Prinzip der Geschichtsdidaktik.

  1. Gedichte von Annette Freiin von Droste-Hülshoff, Stuttgart und Tübingen: J. G Cotta’scher Verlag, 1844, Seite 84. (Hier ein Digitalisat der Buchseite.) Nähere Informationen zu dem Buch, in dem das Gedicht zuerst veröffentlicht wurde, finden sich im Droste-Portal
  2. John Dornberg: Der Hitlerputsch. 9. November 1923, 2. durchgesehene Auflage, Langen Müller, 1998, S. 359. Zitiert nach dem Wikipedia-Artikel zum Hitler-Prozess. (Abgerufen am 18. Juni 2016)
  3. Goethe: Gesammelte Werke in sieben Bänden. Herausgegeben von Bernt von Heiseler, Gütersloh: Bertelsmann Lesering, ohne Jahresangabe, Seite 73 bis 75. Zitiert nach Projekt Gutenberg
  4. Der Begriff Animismus wird mit unterschiedlichen Bedeutungen benutzt. Der Psychologe Jean Piaget bezeichnet mit Animismus ein vorübergehendes Entwicklungsstadium von Kindern. Vergleiche die Doktorarbeit von Martin Prüttschneider: Die Rolle des Animismus bei der Vermittlung chemischer Sachverhalte, Göttingen: Cuvillier Verlag, 2005 (Vorschau via Google Books)