Benutzer:Martin Ingenhuett/BWV1063

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Johann Sebastian Bachs Konzert d-Moll für drei Cembali spielte – zusammen mit dem Konzert für ein Cembalo in der gleichen Tonart (BWV 1052) – eine große Rolle in der Bach-Renaissance des 19. Jahrhunderts, vor allem durch Felix Mendelssohn Bartholdy, der es häufig aufführte.

Das Werk ist nur durch Abschriften überliefert, vor allem durch eine Partitur von Johann Friedrich Agricola, die wohl erst nach Bachs Tod entstand. Eine weitere erhaltene Partiturabschrift wurde von dem dänischen Pianisten Johann Gottfried Wilhelm Palschau zu Beginn des 19. Jahrhunderts angefertigt; sie umfasst nur die Ecksätze und zeigt deutliche Abweichungen.

  • 3/8 d-Moll
  • Alla Siciliana 6/8 F-Dur
  • Allegro 2/4 d-Moll
  • Cembalo I
  • Cembalo II
  • Cembalo III
  • Violino I
  • Violino II
  • Viola
  • Basso continuo

Wie allen Cembalokonzerten Bachs liegt auch diesem eine Originalkomposition für andere Soloinstrumente zugrunde. Diese Urform zu rekonstruieren, war ein längerer Prozess – er begann 1912, als Arnold Schering eine Urfassung für Flöte, Violine und möglicherweise Oboe postulierte.[1] Die Forschung wird bei beiden Konzerten für drei Cembali vor allem dadurch erschwert, dass keine Partitur und kein Stimmenmaterial aus Bachs näherer Umgebung, geschweige Autographe, erhalten sind.

Konzert für drei Violinen

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Aus den Zweiunddreißigstelpassagen des ersten und den Tonumfängen der anderen Solisten wird heute mit hoher Sicherheit gefolgert, dass die Solostimmen ursprünglich für drei Violinen komponiert worden sein muss.[2][3] Einige Details legen nahe, dass die Originalbesetzung auch ein obligates Violoncello umfasste. Bach hat bei der Umarbeitung mit Sicherheit weitgehende Eingriffe vorgenommen, so dass viele kompositorische Einzelheiten dieser Frühfassung unklar sind und bis heute keine wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion vorgelegt werden konnte.

Der überlieferte langsame Satz kann in dieser ersten Version noch nicht Teil des Werks gewesen sein (siehe unten); ob es bis dahin nur zwei Sätze umfasste, eine schlichte akkordische Überleitung nach Art Giuseppe Torellis und Tomaso Albinonis und des Dritten Brandenburgischen Konzerts oder einen ausgeformten Mittelsatz, lässt sich allerdings heute nicht mehr ermitteln.

Die Harmoniefolge der Ecksätze ähnelt in vielen Details auffällig dem Konzert C-Dur für zwei Cembali BWV 1061, so dass die Annahme einer Entstehung in zeitlicher Nähe naheliegt[4]. Andererseits zeigen das Unisono-Ritornell, das Einsetzen des vorletzten Ritornells schon auf der Tonika, die Virtuosität bei durchsichtiger Satzstruktur und weitere stilistische Details deutlich den Einfluss von Antonio Vivaldis L'Estro Armonico, so dass von einer Entstehung in der zweiten Hälfte von 1714 auszugehen ist.[5]

Konzert für zwei Violinen?

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Häufig sind zwei der Soloinstrumente imitierend auf einander bezogen, während das dritte ganz unabhängige Figuren beisteuert; oder das erste Cembalo allein bringt virtuose Läufe mit einer inhärenten Zweistimmigkeit. Derartige Details führten zu der Vermutung, das Werk sei ursprünglich für nur zwei Soloviolinen und Streicher geschrieben.[6]

Dem wurde entgegengehalten, dass einerseits auch in diesem Werk genug Passagen mit ausgewogener Behandlung der drei Solisten auftreten, andererseits Bach in keinem einzigen seiner Konzerte für drei Instrumente diese durchgängig gleichwertig einsetzt – weder im Vierten oder Fünften Brandenburgischen Konzert, noch im Tripelkonzert a-Moll BWV 1044, noch innerhalb der drei Trios des Dritten Brandenburgischen Konzerts. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu Bachs Behandlung der Soloinstrumente seiner Doppelkonzerte. Auch der Vergleich mit dem Konzert C-Dur BWV 1064 zeigt ähnliche Strukturen, die dort aber eine Weiterentwicklung darstellen und so eher auf eine frühe Entstehung des d-Moll-Konzerts als auf eine tiefgreifende Bearbeitung durch Bach schließen lassen.[7]

Konzert für drei Cembali BWV 1063

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Mit seiner Übernahme des Collegium musicum begann Bach, seine älteren Werke dort aufzuführen und sie dazu, soweit ihm dies notwendig erschien, zu bearbeiten. Wohl 1729 führte er dort ein Konzert a-Moll für vier Cembali BWV 1065 nach Vivaldi auf; dies muss ein großer Erfolg gewesen sein, denn in den folgenden Jahren entstanden noch mindestens fünf weitere Konzerte für mehrere Cembali mit Orchester. Auch dies waren ausnahmslos Arrangements, jedoch von Bachs eigenen Werken - meist Konzerten für andere Soloinstrumente. Auch das Konzert d-Moll bearbeitete Bach zu dieser Gelegenheit für drei Cembali und nutzte die ursprüngliche obligate Cellostimme als Basis für die von ihm angestrebte möglichst unabhängige Führung auch der linken Hände.

Die im Vergleich zu dem anderen Konzert für drei Cembali (in C-Dur) und dem Konzert für vier Cembali hier deutlich weiterentwickelte Bearbeitungstechnik zeigt aber – vor allem in den Partien der linken Hände der Cembalisten –, dass die Cembalofassung des d-Moll-Konzerts wohl nach diesen entstand, hingegen vor der dem um 1736 datierbaren Konzert für zwei Cembali c-Moll BWV 1062. Daher wird die Entstehung dieser Bearbeitung auf etwa 1734/1735 angesetzt[8].

Im Vorwort der Bach-Gesamtausgabe vermutete der Herausgeber Friedrich Konrad Griepenkerl 1845, „dass der Vater seinen beiden ältesten Söhnen, W. Friedemann und C. Ph. Emanuel Bach, Gelegenheit verschaffen wollte, sich in allen Arten des Vortrags auszubilden[9]. Dabei scheint er sich auf mündliche Äußerungen Forkels bezogen zu haben, der jedoch in seiner Bach-Biographie nichts Derartiges erwähnt. Da Bachs Söhne immer wieder Gelegenheit fanden, Leipzig zu besuchen, hilft diese Aussage jedoch nicht bei der Datierung der Bearbeitung.

Vielleicht das größte Rätsel der Komposition ist über lange Zeit das Alla Siciliana geblieben. Es ist eine einstimmige Kantilene im galanten Stil, die von der rechten Hand aller drei Cembali und der ersten Violine in unisono vorgetragen wird und vom Orchester mit Basstönen und nachschlagenden Akkorden begleitet wird. Eine solch schematische Satzweise erscheint mit Bachs bekanntem Stil und seiner üblichen Satztechnik vollkommen unvereinbar.

Auf der Suche nach Vorbildern stieß die Musikwissenschaft auf die Form der musikalischen Ode, die im Leipziger Raum entstanden war, zuerst 1736 in der Singenden Muse an der Pleiße von Sperontes. 1737 oder kurz danach wurde die von Lorenz Christoph Mizler geschriebene Sammlung auserlesener musikalischer Oden veröffentlicht, die von Johann Mattheson und Johann Adolph Scheibe wegen ihrer Maniriertheit, ungesanglichen Melodik und ihrer dilettantischen Satztechnik sehr kritisiert, ja geradezu verspottet wurden. Genauer Vergleich zeigt, dass der Mittelsatz von BWV 1063 in Satztechnik, Harmonik und deutlich an diese Kompositionen anspielt, von Bach also möglicherweise als bewusste Parodie geplant war. Das Konzert war schon in den 1730er Jahren bearbeitet und sicher auch im Collegium musicum aufgeführt worden, doch um 1740 muss Bach bei einer Wiederaufführung den originalen langsamen Satz aus aktuellem Anlass durch diese musikalische Karikatur ersetzt haben[10]. Er wäre damit der letzte (und als einziger in Leipzig komponierte) Konzertsatz Bachs.

Zusammen mit dem Konzert d-Moll BWV 1052 hat die Komposition eine große Rolle in der Bach-Renaissance gespielt - vor allem Felix Mendelssohn Bartholdy führte es immer wieder mit verschiedenen anderen Pianisten auf,

„Never shall we forget the triumphant cadence with which he concluded Bach’s concerto for three harpsichord’s, following Moscheles and Thalberg. He alone knew the style: it was the pedal solo of an organ fugue in double octaves. What gigantic power he put into these things! The beauty of the exhibition, and, indeed, of the numerous demonstrations made by Mendelssohn in honour of Bach, was that he announced himself the disciple of a master contemned by ignorance and prejudice.“

„Niemals werden wir die triumphale Kadenz vergessen, mit der er Bachs Konzert für drei Cembali im Anschluss an Moscheles und Thalberg beendete. Er allein beherrschte diesen Stil: es war das Pedalsolo aus einer Orgelfuge in Doppeloktaven. Welche gigantische Kraft er da hinein steckte! Die Schönheit der Einleitung und so auch der vielfachen Ausführungen durch Mendelssohn zur Ehre Bachs zeigte, dass er sich selbst als den Schüler eines Meisters ansah, der lange durch Unwissenheit und Vorurteil geringgeschätzt wurde.“

The Musical Times: Felix Mendelssohn 1809–1847, Januar 1848[11]

Erstaunlicherweise wird das Werk im Konzert heute nur noch sehr sporadisch gespielt.

Das Unisono-Ritornell, das den Satz eröffnet und schließt, tritt in gekürzter Form insgesamt ... mal auf und gliedert ...

Typisch für ein Siciliano, besteht der Satz aus zwei Teilen, die jeweils wiederholt werden - Bach hat diese Wiederholungen ausgeschrieben und zu einer Variation durch das erste Cembalo ausgestaltet. Die Teile umfassen 8 und 32 Takte; eine kurze Kadenz des ersten Cembalos und Orchesterakkorde schließen den Satz ab. Die „gesangliche und doch unsingbare Melodik“[12], die über dem 6/8-Untergrund über weite Strecken einen 3/4-Takt etabliert, steht auf einer sehr eigenwilligen harmonischen Basis, die durch Chromatik und lange Orgelpunkte gekennzeichnet ist. Wie erwähnt, ist sein un-bachischer, doch satztechnisch meisterhafter Stil im Verein mit der sehr schematischen Satzweise am besten durch eine bewusst parodistische Absicht zu erklären.

Ein Fugato über ein stark synkopisch geprägtes Thema beschließt das Werk. Die Fugenexposition mit insgesamt sechs Themeneinsätzen stellt das erste Ritornell dar, das durch Tausch von Dux und Comes in den letzten beiden Themeneinsätzen auf der Tonika endet. Es folgt eine umfangreiche Soloepisode des ersten Cembalos, das sich zur Dominante wendet und dort durch das Fugenthema abgeschlossen wird. Die Episode wird vollständig vom zweiten Cembalo wiederholt, moduliert jedoch zuletzt zurück zur Tonika.

Hier beginnt eine längere Tuttipassage, die den Themenkopf durchführungsartig durch die verschiedenen Stimmen schickt und dabei harmonisch in verschiedene Bereiche moduliert; diese Struktur wird bald durch abwechselnde virtuose Läufe der Solisten unterbrochen. Der Formteil endet mit Sechzehntelketten des ersten Cembalos unter einem langen Triller der anderen Cembali und Akkordschlägen des Orchesters. Nun folgt das erwartete Solo des dritten Cembalos, das von a-Moll wieder zurück in die Grundtonart moduliert und zuletzt wieder in die durchführungsartige Passage mündet, die nun – variiert – den Satz und das Werk zu einem überzeugenden Schluss führt.

Einzelnachweise

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  1. Arnold Schering, Beiträge zur Bachkritik, Bach-Jahrbuch 1912, S. 130
  2. Rudolf Eller, Karl Heller: Kritischer Bericht der Neuen Bachausgabe VII/6, S. 28
  3. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 171
  4. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 204
  5. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 205
  6. Karl Heller, Eine Leipziger Werkfassung und deren unbekannte Vorlage, in: Ulrich Leisinger (Hrg.), Bach in Leipzig / Bach und Leipzig – Konferenzbericht Leipzig 2000 , ISBN 3-487-11591-3, S. 89
  7. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 171
  8. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 166f.
  9. quelle..
  10. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 173ff
  11. hier zitiert nach The Muscial Times.
  12. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 175