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Der Massenexzess, eine sog. Basiseigenschaft eines Nuklids, ist eine physikalische Größe, aus der die Masse des Nuklids berechnet wird. Darüber hinaus kann der Q-Wert für eine Kernreaktion aus den Massenexzessen aller beteiligten Teilchen berechnet werden. Die Basiseigenschaften aller bekannten Nuklide werden aus den bisher erschienenen Originalpublikationen zu den Nukliden erfasst und eingeschätzt (evaluiert). Etwa alle zehn Jahre wird der neueste Stand der eingeschätzten Basiseigenschaften veröffentlicht.

Die Basiseigenschaften der Nuklide (und andere Kerndaten), allen voran der Massenexzess, sind von einer darauf spezialisierten Arbeitsgruppe unter Federführung des niederländischen experimentellen Kernphysikers Aaldert Wapstra (seit 1955) und seines Kollegen Georges Audi von der Universität Paris-Süd (seit etwa 1977) eingeschätzt und bis zum Jahr 2003 in der Fachzeitschrift Nuclear Physics A veröffentlicht worden.[1] Seit dem Jahr 1993 werden aus diesen Massenexzessen auch die Atomgewichte der Chemiker berechnet.[2] Die bisher letzte Einschätzung wurde in Jahr 2012 unter dem Namen Ame2012 (Atomic mass evaluation) in der Fachzeitschrift Chinese Physics C veröffentlicht (nach dem Tod von Wapstra im Jahr 2006).[3] Die Datenliste der aktuellen Massenexzesse und andere Basisdaten, genannt Atomic Mass Adjustment 2012, sind von einigen Servern als Datenliste (im Unterschied zu einer Tabelle, die von einem Tabellenkalkulationsprogramm importiert werden kann) abrufbar, z. B. von einem Server der IAEA.[4]

Massenexzess stabiler Nuklide in Abhängigkeit von der Anzahl der Protonen (Ordnungszahl)

Die Größen Massenexzess (Mass excess) und Massendefekt (Mass deficiency) sollten nicht verwechselt werden. Während der Massendefekt als Massenäquivalent der Bindungsenergie eines Atomkerns eine offensichtliche physikalische Bedeutung besitzt, ist der Massenexzess eher als Hilfsgröße, wenn auch als eine sehr nützliche, einzustufen.

Die Masse eines Atoms (Nuklids) kann in atomaren Masseneinheiten gemessen werden

.

ist der Zahlenwert {} und die atomare Masseneinheit die Einheit [] der physikalischen Größe , der Atommasse. In der Chemie wird der Zahlenwert als relative Masse bezeichnet. Besteht die Notwendigkeit, die zu dieser Masse äquivalente Energie zu berechnen,

,

mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit , und zwar in Einheiten, die in der Kern- und Reaktorphysik üblich sind (keV, MeV), so ergeben sich unbequem große Zahlen. Deshalb bedient man sich bereits seit den Anfangsjahren der Kernphysik eines Tricks: Vom Energieäquivalent der Masse des Nuklid wird einfach das Energieäquivalent eine Masse

.

abgezogen. ist dabei die Anzahl der Nukleonen des Atomkerns. Man erhält

.

Die durch diese Formel definiert Größe heißt Massenexzess und ist als Fachbegriff etabliert, obwohl es eine Energie ist. Er wird in Einheit angegeben. Der Name kommt wohl daher, weil die Größe etwas mit der Atommasse zu tun hat.

In der Standardreports eingeschätzter Kerndaten findet man meist nur die kurze („laxe“) Definition: , und zwar in den hier zitierten Reports Atomic mass evaluations. Die seit dem Jahr 2012 aktuelle Datenliste der Basiseigenschaften aller bekannten Nuklide enthält sowohl die Massenexzesse als auch die Atommassen.

Der Wertebereich des Massenexzesses liegt für alle bekannten Nuklide zwischen ca. -90 000 keV (, Technetium) und ca. +200 000 keV (, Ununoctium). Der Massenexzess des Nuklids ist per definitionem gleich Null, die Massenexzesse aller stabilen Nuklide ab den Nuklid sind negativ.

Aus dem Massenexzess die Atommasse berechnen

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Formen wir die Definitionsgleichung des Massenexzesses nach um

so können wir die Masse aus gegebenem Massenexzess berechnen

,

mit

[5], dem Energieäquivalent der atomaren Masseneinheit.

Aus dem Massenexzess für das Nuklid zum Beispiel berechnet sich die Masse für ein Atom des häufigsten Uran-Isotops zu

.

Die Atommassen explizit in die Datenliste Atomic Mass Adjustments aufzunehmen, und zwar in der Einheit , ist, wie oben erwähnt, noch nicht lange üblich. Der aktuellen Datenliste dort entnehmen wir den Wert .

Aus Massenexzessen den Q-Werts einer Kernreaktion berechnen

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Die Größe Massenexzess ist zur Berechnung der Energiebilanz einer Kernreaktion ausgesprochen zweckmäßig. Mit den Massenexzessen aller an einer Kernreaktion beteiligten Teilchen lässt sich die Energiebilanz, der Q-Wert, berechnen, ohne dass dabei Differenzen allzu großen Zahlen berechnet werden müssten. Seien und die Massen der reagierenden Teilchen und und die Massen der Produktteilchen, dann ist die Massenbilanz der Kernreaktion

und die Energiebilanz, der Q-Wert

.

Man setzt nun die Massenexzesse aller vier Teilchen (die der Datenliste entnommen werden) nach der obigen Formel ein und berücksichtigt die Erhaltung der Anzahl der Nukleonen in einer Kernreaktion, also

,

dann folgt die praktische Formel für den Q-Wert

.

Beispiel zur Berechnung des Q-Werts einer Kernreaktion

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Benutzen wir als Beispiel die Kernreaktion, mit der Chadwick das Neutron im Jahr 1931 entdeckt hat, und zwar bei Beschuss von Beryllium mit -Teilchen:

oder in kernphysikalischer Schreibweise

.

Woher die -Teilchen stammen, ob aus einem Beschleuniger oder von einem Radionuklid, ist unerheblich. Es muss nur ihre kinetische Energie ausreichen, die Coulomb-Barriere zwischen dem Beryllium-Kern und dem -Teilchen zu überwinden oder mit hinreichender Ausbeute zu durchtunneln. Von den Radionukliden emittieren insbesondere 210Po mit 5.3 MeV („Little Boy“) und 238Pu mit 5.5 MeV -Teilchen mit hohen Energien.

Tabelle: Berechnung des Q-Werts der Kernreaktion aus den Massenexzessen

Nuklid Massenexzess (keV)
11348.45
2424.9156
8071.3171
0.0
Q-Wert 5702.05

Für nur zehn natürliche Nuklide ist der Q-Wert der Kernreaktion größer als Null. Der Targetkern nimmt mit diesem hohen Q-Wert von 5702 keV eine ausgesprochene Sonderstellung unter allen -Reaktionen (Target sei natürliches Nuklid), da er doppelt so hoch ist wie der nächst kleinere Q-Wert, der der Reaktion . Bothe, Becker und Chadwick hatten also ausgesprochenes Glück, dass sie überhaupt ein Targetnuklid, nämlich gerade Beryllium, fanden, das unter Beschuss von -Teilchen Neutronen in messbarer Intensität emittiert. Solche systematischen Schlüsse werden mit Hilfe der Größe Massenexzess vereinfacht.

Einzelnachweise

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  1. G. Audi, A. H. Wapstra: The 1993 atomic mass evaluation: (I) Atomic mass table. In: Nuclear Physics A. Band 565, Nr. 1, 1993, S. 1–65, doi:10.1016/0375-9474(93)90024-R.
  2. J. R.Laeter, J. K. Böhlke, P. de Bièvre, H. Hidaka, H. S. Peiser, K. J. R. Rosman, and P. D. P. Taylor: Atomic weights of the elements: Review 2000 : IUPAC technical report. In: Pure and applied chemistry. Band 75, Nr. 6, 2003 (online [PDF; abgerufen am 9. Juli 2016]). S. 691. Die Autoren berichten auf den Seiten 687-688: „Als Tomas Batuecas, Präsident des Atomic Weight Committee, die Autoritäten im IUPAC Bureau 1963 davon überzeugte, den Begriff in Atommasse zu ändern, revoltierten traditionelle Chemiker, Atomgewicht wurde beibehalten und Edward Wicher, der früher Kommissionspräsident war, wurde stillschweigend wieder zum Vorsitzenden der Atomic Weight Commission gemacht.“
  3. G. Audi, M. Wang, A. H. Wapstra, F. G. Kondev, M. MacCormick, X. Xu, and B. Pfeiffer: The Ame2012 atomic mass evaluation (I). In: Chinese Physics C. Band 36, 2012, S. 1287–1602.
  4. Atomic Mass Adjustment 2012
  5. CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 16. Juli 2016 (englisch). Die eingeklammerten Ziffern geben die Unsicherheit in den letzten Stellen des Zahlenwerts an, die Standardunsicherheiten von CODATA-Werten.

Kategorie:Kernphysik Kategorie:Kernchemie