Benutzer:Toblu/Examenswissen/Betriebsübergang (§ 613a BGB)

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Unter Betriebsübergang versteht man den gesetzlichen Übergang von Vertragsverhältnissen als Folge der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Betriebes oder Betriebsteils. Auf Arbeitgeberseite erfolgt ein Austausch des Vertragspartners ohne dass es hierzu der Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf. Der neue Inhaber des Betriebes oder Betriebsteils tritt in sämtliche Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

Grundlagen und Entwicklung

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Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Betriebsübergangs sind in Deutschland in § 613a BGB geregelt. Mit dem BetrVG vom 15. Januar 1972 erfolgte erstmals eine Normierung im BGB[1]. Die heutige Fassung der Norm fußt auf einer europarechtlichen Grundlage, nämlich der EG- Betriebsübergangsrichtlinie[2]. Die Richtlinienvorgaben wurden durch das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz vom 13. August 1980[3] in nationales Recht transformiert. Im Zuge dessen wurde § 613a Abs.1 um die Sätze 2 bis 4 erweitert sowie Abs. 4 neu eingefügt. In der Folge wurde aufgrund des UmwBerG vom 28. Oktober 1994[4]der Abs. 3 der Regelung neu gefasst. Schließlich wurden mit Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002[5] die Absätze 5 und 6 eingefügt.

Schutzzweck der Norm

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Es werden drei Regelungszwecke unterschieden. Zunächst dient die Regelung des Betriebsübergangs dem Schutz der Arbeitnehmer. Die bestehenden Arbeitsverhältnisse sollen von der Betriebsübertragung unberührt bleiben und unverändert fort bestehen. Allerdings soll der Arbeitnehmer auch nicht gegen seinen Willen gezwungen werden können, einen neuen Arbeitgeber zu akzeptieren. Daher wird ihm gem. § 613a Abs. 6 BGB ein Widerspruchsrecht eingeräumt. Widerspricht der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang form- und fristgerecht, wird der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber verhindert.

Des Weiteren dient die Norm dem Zweck, den Fortbestand des Betriebsrates sicherzustellen.

Letztlich soll drittens mit der Reglung eine angemessene Haftungsverteilung zwischen dem alten und dem neuen Betriebsinhaber erfolgen.

Aufgrund des Schutzzwecks sind die Regelungen des § 613a BGB nach allgemeiner Auffassung unabdingbar.[6]. Die Auslegung der Norm hat gemeinschaftsrechtskonform zu erfolgen[7]. Wegen der Vorabentscheidungskompetenz des EuGH zur EG-Betriebsübergangsrichtlinie, ist die europäische Rechtsprechung für die Auslegung maßgeblich.[8]

Anwendungsbereich

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In den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen bestehende Arbeitsverhältnisse. Der Begriff ist weit auszulegen und umfasst Verträge mit sämtlichen Arbeitnehmern auch solche ohne Kündigungsschutz. In den persönlichen Anwendungsbereich fallen Arbeiter, Angestellte, einschließlich leitender Angestellter und Auszubildende. Auch gekündigte Arbeitsverhältnisse sind bis zum Ablauf der Kündigungsfrist umfasst, entscheidend ist der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Dementsprechend nicht inbegriffen sind Ruhestandsverhältnisse. Ebenso sind Heimarbeitsverträge und sonstige Dienstverträge (z.B. Anstellungsvertrag

des GmbH-Geschäftsführers) von der Anwendung ausgeschlossen. Im Anschluss an das „Albron“-Urteil des EuGH[9] kann im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ein Betriebsübergang nicht nur im Falle der Betriebsveräußerung des Entleiherbetriebes sondern auch des Einsatzbetriebes als sog. „nichtvertraglichen Arbeitgebers“ in Betracht kommen.

In territorialer Hinsicht gilt § 613a BGB für Betriebsübergänge die sich im Inland vollziehen. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (sog. off-shoring) richtet sich die Anwendbarkeit nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Kollisionsnormen[10].

Sachlich umfasst § 613a BGB private wie öffentliche Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.[11]

Voraussetzungen

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Voraussetzung nach § 613a Abs. 1, S. 1 BGB ist der Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils.

Der Begriff des Betriebes ist europarechtlich zu definieren und unterscheidet sich vom deutschen arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff. Im Anschluss an Art. 1, Abs. 1, lit. b der RL 2001/23/EG, der von einer „wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“ spricht, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[12] und zwischenzeitlich auch des BAG[13] unter Betrieb eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit zu verstehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Als wirtschaftliche Einheit betrachtet die Rechtsprechung eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.

Als Betriebsteil bezeichnet man eine eigenständige, organisatorisch abgrenzbare Einheit, die innerhalb des Gesamtbetriebes einen eigenständigen Teilzweck verfolgt. Ein Hilfszweck (z.B. Grünpflege im Krankenhaus) reicht aus. Erforderlich ist, dass diese abtrennbare Einheit bereits beim bisherigen Betriebsinhaber bestand. Nicht ausreichend ist es, wenn diese erst durch Reorganisation beim neuen Betriebsinhaber entsteht.

Zur Prüfung, ob ein Betrieb oder Betriebsteil übergeht, hat eine Gesamtbetrachtung der gegebenen Umstände zu erfolgen. Einzubeziehen sind hierbei insbesondere folgende sieben Kriterien:

  • die Art des Betriebes oder Unternehmens (betriebsmittelarm/betriebsmittelgeprägt),
  • der Übergang/Verbleib materieller Betriebsmittel (z.B. Gebäude, bewegliche Gegenstände),
  • der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs (z.B. Goodwill, gewerbliche Schutzrechte, Konzessionen, Know-how),
  • die Übernahme/der Verbleib der Hauptbelegschaft,
  • der Übergang/Verbleib der Kundschaft,
  • Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang (Abgrenzung zur Funktionsnachfolge),
  • Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit (Abgrenzung zur Betriebsstillegung).

Je nach Einzelfall kommt dem einen oder anderen Merkmal eine stärkere Bedeutung zu. Während betriebsmittelarme Handels- und Dienstleistungsbetriebe im Wesentlichen durch die jeweilige Hauptbelegschaft und den Kundenstamm geprägt werden, kommt bei Produktionsbetrieben den materiellen Betriebsmitteln die prägende Bedeutung zu. Es ist keine vollständige Übertragung erforderlich, ausreichend ist, wenn der wesentliche Teil der betriebsprägenden Einheiten übertragen wird. Nach neuerer Rechtsprechung[14] ist die Unterscheidung zwischen fremd- bzw. eigenwirtschaftlicher Nutzung von Betriebsmitteln nicht mehr als Kriterium heran zu ziehen.

Die reine Funktions- oder Auftragsnachfolge stellt keinen Betriebsübergang dar. Eine solche liegt vor, wenn ausschließlich eine gegenüber einem Auftraggeber zu erbringende Tätigkeit nicht aber auch Betriebsmittel oder Belegschaft übernommen werden. Sofern ausschließlich eine bisher im Betrieb des Auftraggebers ausgeführte Tätigkeit an einen betriebsfremden Auftragnehmer vergeben (Outsourcing), ein betriebsfremder Auftragnehmer durch einen anderen ersetzt (Auftragsneuvergabe) oder eine bislang betriebsfremd vergebene Tätigkeit zukünftig betriebsintern ausgeführt (Insourcing) wird, gilt dies nicht als Betriebsübergang. Die durch die „Christel Schmidt“-Entscheidung des EuGH[15] in diesem Zusammenhang zunächst ausgelöste Verunsicherung wurde durch die EuGH-Entscheidung „Ayse-Süzen“ [12] wieder beseitigt. Der EuGH stellt hierin klar, dass die reine Tätigkeit allein nicht als wirtschaftliche Einheit angesehen werden kann. Des Weiteren führt er aus, dass die fortgesetzte Beschäftigung der Belegschaft als eigenständiges Kriterium für den Betriebsübergang anzusehen ist.

Der Übergang der Belegschaft ist damit gleichzeitig Tatbestandsmerkmal und Rechtsfolge des Betriebsübergangs. Sofern der neue Auftragnehmer einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des vom bisherigen Auftragnehmer für die Durchführung des Auftrags eingesetzten Personals weiter beschäftigt, liegt ein Betriebsübergang vor.

Ein Betriebsübergang scheidet aus, wenn eine Betriebsstillegung vorliegt. Eine Betriebsstillegung setzt den endgültigen Entschluss voraus, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks auf unbestimmte, nicht unerhebliche Zeit einstellen zu wollen[16]. Im Bereich von Gaststätten bzw. Geschäften geht die Rechtsprechung bei einer Unterbrechung von 6 bzw. 9 Monaten von einer Betriebsstillegung aus[17].

Der Übergang des Betriebes setzt die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit voraus. Das Identitätskriterium gilt auch für die Übertragung eines Betriebsteils. Als Faustregel ist zu prüfen, ob sich der Erwerber durch die Übernahme sächlicher, immaterieller oder personeller Mittel bildlich gesprochen in ein „gemachtes Bett legt“[18].

Seit der „Klarenberg“-Entscheidung[19] des EuGH, ist es für die Identitätswahrung nicht mehr entscheidend, dass die bisherige Organisationsstruktur beibehalten wird. Erforderlich ist vielmehr dass „die funktionale Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten wird, die es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen“.

Allerdings kommt der Fortführung der Organisationsstruktur nach wie vor eine starke Indizwirkung in Bezug auf das Kriterium der Identitätswahrung zu. Gegen eine Wahrung der Identität spricht hingegen die Änderung des Betriebszwecks (z.B. bei einem Kantinenbetrieb das Aufwärmen von angelieferten Mahlzeiten, anstelle frischer Zubereitung durch Köche vor Ort, trotz Nutzung der vorhandenen Betriebsmittel und Räumlichkeiten[20]).

Der Betriebsübergang erfordert des Weiteren den Übergang auf einen neuen Inhaber. Inhaber eines Betriebs ist, wer im eigenen Namen die organisatorisch und personell zusammengefassten Betriebsmittel führt[21]. Daher scheiden Insolvenz- und Zwangsverwalter sowie Testamentsvollstrecker, die den Betrieb nicht im eigenen Namen führen aus. Gleiches gilt im Falle der Sicherungsübereignung[21]. Eine Eigentumsübertragung an dem Betrieb ist nicht erforderlich. Bei Treuhand- und Pachtverhältnissen ist die jeweilige Ausgestaltung entscheidend. Als Inhaber kommen natürliche oder juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts sowie Personengesellschaften (GbR, oHG, KG) in Betracht. Der Übergang auf einen neuen Inhaber setzt den Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Inhabers voraus[22]. Ein Wechsel der Gesellschafter stellt keinen Wechsel der Rechtspersönlichkeit dar. Dies gilt auch bei der GbR, die von BGH und BAG als Arbeitgeber anerkannt wird[23]. Auch bei einem Wechsel der Rechtsform (formwechselnde Umwandlung) erfolgt kein Inhaberwechsel. Bei den übrigen Umwandlungsvorgängen, insbesondere Spaltungen kommt es auf die jeweilige Gestaltung an.

§ 324 UmwG enthält eine Rechtsgrundverweisung, so dass die Voraussetzungen des § 613a BGB selbständig zu prüfen sind. Bei dem Ausscheiden eines Unternehmens aus einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen kann ein Inhaberwechsel vorliegen.

Betriebsfortführung

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Nach der inzwischen einheitlichen Rechtsprechung von EuGH und BAG reicht die bloße Nutzungsmöglichkeit für das Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht aus. Erforderlich ist vielmehr die tatsächliche und dauerhafte Betriebsfortführung durch den neuen Inhaber. Voraussetzung hierfür ist die Übernahme der Organisations- und Leitungsmacht[24].

Rechtsgeschäftliche Übertragung

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Weitere Voraussetzung ist der Übergang durch Rechtsgeschäft. Der Begriff ist weit auszulegen, er dient der Abgrenzung zur Übertragung kraft Gesetzes (insbes. Universalsukzession) oder Hoheitsakt[25]. Ausreichend ist eine vertragliche oder sonstige rechtsgeschäftliche Beziehung, durch die die Leitungsmacht einvernehmlich auf den Betriebserwerber übertragen wird. Die rechtliche Wirksamkeit des Kausalgeschäfts ist unerheblich[26].

Übergang der Arbeitsverhältnisse

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Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs gehen, sofern der Arbeitnehmer nicht widersprochen hat, die bestehenden Arbeitsverhältnisse automatisch auf den neuen Betriebsinhaber über. Der neue Inhaber tritt in die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein. Das Arbeitsverhältnis bleibt inhaltlich unverändert bestehen. Dem Arbeitnehmer stehen gegenüber dem neuen Inhaber sämtliche vormals gegenüber dem bisherigen Inhaber bestehenden Rechte zu. Grundsätzlich zählen hierzu sämtliche individualrechtlichen Vereinbarungen des Anstellungsvertrages, insbesondere also Zahlung des Entgelts (auch etwaige Rückstände) sowie Neben- und Zusatzleistungen (z.B. Firmenfahrzeug, Gratifikationen u.ä.), ununterbrochene Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Weitergeltung kollektivrechtlicher Regelungen

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Auch kollektivrechtliche Regelungen, wie Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge gelten bei identitätswahrendender Betriebsfortführung in der Regel unverändert, also normativ weiter. Nur für den Fall, von Lücken im Tarifvertrag- bzw. Betriebsverfassungsrecht, ordnet § 613a Abs. 1 S.2 bis 4 BGB als Auffangtatbestand die Transformation der kollektivrechtlichen Regelungen in das individualvertragliche Arbeitsverhältnis an[27].

Kontinuität des Betriebsrats

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Bleibt die Identität und die Organisationsstruktur des Betriebes erhalten, bleibt auch das Amt des Betriebsrates unverändert bestehen, sofern der neue Betriebsinhaber in den Geltungsbereich des BetrVG fällt (Kontinuität des Betriebsrates)[28]. Im Falle des Betriebsteilübergangs bei selbständiger Weiterführung des Betriebsteils durch den neuen Inhaber endet im Veräußerungsbetrieb das Betriebsratsmandat und es entsteht gem. § 21a BetrVG ein Übergangsmandat.

Kündigungsverbot

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Ebenfalls enthält § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ein Kündigungsverbot aufgrund des Betriebsübergangs. Eine Kündigung aus anderen Gründen als dem Betriebsübergang bleibt hingegen unberührt.

Haftungsverteilung zwischen altem und neuem Betriebsinhaber

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Aus § 613a Abs. 3 BGB folgt eine Nachhaftung des bisherigen Inhabers der gemeinsam mit dem neuen Betriebsinhaber für die Dauer von einem Jahr gegenüber den Arbeitnehmern als Gesamtschuldner haftet. Die Jahresfrist beginnt mit der tatsächlichen Übernahme der Leitungsmacht.

Widerspruchsrecht

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Die vorgenannten Rechtsfolgen treten nicht ein, wenn der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 6 BGB widerspricht. Das Widerspruchsrecht ist ein europäisches Grundrecht[29]. Es besteht in den Fällen nicht, in denen ein Arbeitsverhältnis wegen gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge auf einen neuen Arbeitgeber übergegangen ist[30]. Ein sachlicher Grund ist für den Widerspruch nicht erforderlich, allerdings darf er auch nicht rechtsmissbräuchlich sein. Es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Schriftform zu erfolgen hat und an den bisherigen oder neuen Betriebsinhaber

zu richten ist. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung möglich. Bei fehlender, unrichtiger oder unvollständiger Unterrichtung wird die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt. Der fristgerechte Widerspruch entfaltet Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs, so dass zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis mit dem neuen Betriebsinhaber entsteht. Sofern bei dem bisherigen Betriebsinhaber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, was regelmäßig beim Übergang eines gesamten Betriebes der Fall ist, ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt. Bei einem Betriebsteilübergang hat eine unternehmensweite Sozialauswahl statt zu finden[31].

Unterrichtungspflicht

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Den bisherigen und neuen Betriebsinhaber trifft gem. § 613a Abs. 5 BGB als Gesamtschuldner die Rechtspflicht zur Unterrichtung der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer. Die Unterrichtung dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Sie sollen auf Grundlage der Informationen in die Lage versetzt werden, eine sachgerechte Entscheidung hinsichtlich der Ausübung des Widerspruchsrechts zu treffen. Die Unterrichtung hat in Textform zu erfolgen und muss den Arbeitnehmern vor dem Betriebsübergang zugehen. Aus Beweisgründen sollte der Zugang durch den Arbeitnehmer bestätigt werden. Ein Standardschreiben mit einer allgemeinen gleichförmigen Unterrichtung ist grundsätzlich zulässig, allerdings ist auf etwaig bestehende Besonderheiten einzelner Arbeitsverhältnisse gesondert einzugehen [32]. Der Mindestinhalt ist in § 613a Abs. 5 BGB festgelegt. Er richtet sich nach dem Kenntnisstand des bisherigen und neuen Betriebsinhabers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Im Einzelnen ist hierzu vieles ungeklärt[32].

  • Bernsau / Dreher / Hauck , Betriebsübergang, Kommentar zu § 613a BGB unter Einschluss von betriebsverfassungsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Vorschriften, Kommentar 3. Auflage 2010.
  • Cohnen in Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, Teil J Betriebsübertragungen (§§ 53, 54, 55), 3. Auflage 2012
  • Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 613a, 13. Auflage 2013
  • Steffan in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, § 613a, 4. Auflage 2012
  • Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 613a, 6. Auflage 2012
  • Arbeitsrecht.de: Historische Entwicklung des Rechts des Betriebsübergangs (Rsp EuGH bis 2009)

Einzelnachweise

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  1. Betriebsverfassungsgesetz v. 15.01.1972, § 122, BGBl. I S. 13.
  2. RL des Rates 77/187/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen vom 14. Februar 1977, Amtsblatt EG Nr. L 61, S. 26 bis 28, geändert durch RL 98/50/EG v. 29. Juni 1998, Amtsblatt EG Nr. L 201, S. 88 bis 92 und zuletzt in konsolidierter Fassung bekannt gemacht durch RL 2001/23/EG vom 12. März 2001, Amtsblatt EG Nr. L 82, S. 16 bis 20.
  3. Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang vom 13. 08.1980, Art. 1 Abs. 5, BGBl. I S. 1308.
  4. Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994, Art. 2, BGBl. I S. 3210.
  5. Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002, BGBl. I S. 1163.
  6. BAG, Urteil v. 14.07.1981 - 3 AZR 517/80, NJW 1982, S. 1607 f.; BGH , Urteil v. 23.03.2006 - III ZR 102/05, NJW 2006, S. 1792 f.
  7. Vgl. auch das Memorandum der EU-Kommission zu den Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=707&langId=de&intPageId=208
  8. Vorlageverfahren richtet sich nach Art 267 AEUV; wegen der allg. Vorlageverpflichtung letztinstanzlicher nationaler Gerichte vgl. BVerfG, Beschluss v. 13. 6. 1997 - 1 BvR 2102/95, NZA 1997, S. 931 f.
  9. EuGH, Urteil v. 21.10.2010 - C-242/09 „Albron” , NZA 2010, S. 1225.
  10. Nach Art. 27 und 30 EGBGB für bis zum 17.12.2009 abgeschlossenen Arbeitsverträge, nach Art. 8 und Art. 10 Rom-I VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht für später abgeschlossene Verträge.
  11. EuGH, Urteil v. 06. 09. 2011 ? C-108/10 „Scattolon“, NZA 2011, S. 1077 f.
  12. a b EuGH, Urteil v. 11.03.1997 ? C-13/95 „Ayse Süzen““, NZA 1997, S. 433 f.
  13. BAG, Urteil v. 24.04.1997 ? 8 AZR 848/94, NZA 1998, S. 253 f.; BAG, Urteil vom 28. 5. 2009 - 8 AZR 273/08, NZA 2009, S. 1267 f.
  14. BAG, Urteil v. 06.04. 2006 - 8 AZR 222/04, NZA 2006, S. 723 f., im Anschluss an EuGH, Urteil v.20.11. 2003 - Rs. C-340/01 „Abler“, NZA 2003, S. 1385 f., EuGH, Urteil v. 15. 12. 2005 - C 232, 233/04 „„Güney-Görres und Demir““, NZA 2006, S. 29 f.
  15. EuGH, Urteil vom 14.04.1994 ? C - 392/92 „Christel Schmidt“, NZA 1994, S. 545 f.
  16. BAG, Urteil v. 28. 5. 2009 - 8 AZR 273/08, NZA 2009, S. 1267 f.
  17. BAG, Urteil v. 22.05.1997 - 8 AZR 101/96, NJW 1997, S. 3188 f.; BAG, Urteil v.11.09.1997 - 8 AZR 555/95, NZA 1998, S. 31 f.
  18. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht,BGB § 613a Rn. 5, 13. Auflage 2013.
  19. EuGH, Urteil v. 12. 2. 2009 - C-466/07 „Klarenberg“, NZA 2009, S.251 f.
  20. BAG, Urteil v. 17. 12. 2009 - 8 AZR 1019/08, NZA 2010, S. 499 f.
  21. a b BAG, Urteil v. 20. 3. 2003 - 8 AZR 312/02, NZA 2003, S. 1338 f., BAG, Urteil v. 18. 3. 1999 - 8 AZR 196–98, NJW 1999, S. 2459 f.
  22. BAG, Urteil v. 15. 12. 2005 - 8 AZR 202/05, NZA 2006, S. 597 f.
  23. BGH, Urteil v. 29. 01. 2001 - II ZR 331/00, NJW 2001,S. 1056 f.; BAG, Urteil v. 01.12.2004 - 5 AZR 597/03, NZA 2005, 318 f.
  24. BAG Urteil v. 21.02.2008 – 8 AZR 77/07, NZA 2008, S. 825 f.; EuGH Urteil v. 26. 05. 2005 - C-478/03, NZA 2005, S. 681 f.
  25. BAG, Urteil v. 18.08.2011 ? 8 AZR 230/10, NZA 2012, S. 267 f.
  26. BAG, Urteil v. 06.02.1985 - 5 AZR 411/83, NZA 1985, S. 735 f.
  27. BAG, Urteil v. 27.07.1994 - 7 ABR 37/93, NZA 1995, S. 222 m.w.N.
  28. BAG, Beschluss vom 05.02.1991 - 1 ABR 32/90, NZA 1991, S. 639 f.
  29. EuGH, Urteil v. 16.12.1992 - verb. Rs C-132/91, 138/91, 139/91, NZA 1993, S. 169 f.
  30. BAG, Urteil v. 21.02.2008 - 8 AZR 157/07, NZA 2008, S. 815 f.
  31. BAG, Urteil v. 09.03.2007 - 8 AZR 538/06, NZA 2008, S. 48 f.
  32. a b BAG, Urteil v. 13. 07. 2006 - 8 AZR 305/05, NZA 2006, S. 1268 f.