Benutzer:UweRohwedder/fb

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Die Irrenanstalt Friedrichsberg (ab ca. 1920 Staatskrankenanstalt Friedrichsberg) war eine staatliche Einrichtung zur Behandlung psychisch kranker Menschen in Hamburg. Sie wurde 1865 gegründet und galt damals als eine der modernsten Einrichtungen ihrer Art, in der die Patienten erstmals in Deutschland nicht mehr weggesperrt, sondern zwangsfrei behandelt wurden. Um 1900 verfügte die Anstalt bereits über rund 1400 Plätze,[1] ab 1919 diente sie als akademisches Lehrkrankenhaus der neugegründeten Universität Hamburg. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde die Friedrichsberger Anstalt 1934/35 geschlossen und das Gelände anschließend für verschiedene andere Zwecke genutzt, unter anderem als Reservelazarett der Wehrmacht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in den schwer zerstörten Gebäuden das Allgemeine Krankenhaus Eilbek eingerichtet, aus dem 2006 die heutige Schön Klinik Hamburg Eilbek hervorging.

Seit dem Mittelalter wurden die „gefährlichen Irren“ in verschiedene Wehrtürme der Stadtmauer gesperrt, z.B. in den „Isern Hinnerk“ beim alten Dammtor oder den Winserturm beim Winsertor nahe dem Meßberg. Da letzterer zeitweise auch als Getreidespeicher diente, wurde er im Volksmund „Roggenkiste“ genannt und dieser Ausdruck in Hamburg später allgemein zum Synonym für „Klapsmühle“.[2] Ab 1637 verwahrte man einschlägige Kranke in eigenen Verschlägen („Tollkisten“) im Pesthof, ab 1823 schließlich im Keller des neu gegründeten Krankenhauses St. Georg.[3]

Wegen der Überfüllung und unhaltbaren Zustände dort gab es bereits 1827 erste Überlegungen zur Gründung einer separaten Heilanstalt außerhalb der Stadt, ein entsprechender Antrag des Senats scheiterte jedoch 1834 in der Bürgerschaft.[4] Eine erneute Initiative des Krankenhauskollegiums zur Gründung einer „Separat-Anstalt“ führte 1841 immerhin zum Ankauf von 40 Hektar Land in Barmbek an der Grenze zu Wandsbek, die weitere Planung kam aber durch Großen Brand von 1842 zunächst zum Erliegen und wurde erst 1860 wieder aufgenommen.[5] Nach der Grundsteinlegung am 5. Dezember 1861 wurde das spätere Hauptgebäude (Architekt: Christian Timmermann) bis Ende Oktober 1864 fertiggestellt und am 17. November 1864 wurden die ersten Kranken aufgenommen.[6] Die offizielle Gründung der Anstalt erfolgte jedoch erst durch Senatsbeschluss vom 13. Januar 1865, der zugleich den Namen Irrenanstalt Friedrichsberg festschrieb.[7]

Entwicklung bis zum 1. Weltkrieg

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Erster Direktor in Friedrichsberg war Ludwig Meyer, zuvor Oberarzt der Psychiatrie am AK St. Georg, der die Neugründung maßgeblich vorangetrieben hatte, aber bereits 1866 den Ruf auf eine Professur an der Universität Göttingen annahm. Unter seinem Nachfolger Wilhelm Reye (1866–1908) schritt die bauliche Erweiterung der Anlage rasch voran: Nach der 1864 erfolgten Eröffnung des Haupthauses und eines Pensionats für Patienten „besserer Stände“ folgte 1866 ein Zellentrakt für „unruhige Kranke“, 1878 acht „Siechenhäuser“ für unheilbar Kranke bzw. dauerhaft Pflegebedürftige sowie ein Waschhaus, 1879 ein zweites Pensionat, 1885 drei weitere Siechenhäuser, 1894 zwei Infektionsbaracken und ein Konzerthaus sowie 1899 zwei Pavillons für männliche und weibliche Patienten III. Klasse.[8] Dem Konzept der zwangsfreien Behandlung folgend wurde auch ein weitläufiger Park mit Flanierwegen und Aussichtshügeln angelegt sowie handwerkliche und landwirtschaftliche Betriebe eingerichtet mit Ställen für Pferde, Kühe, Schweine, Tauben und Hühner, ferner eine Gärtnerei mit Zier- und Nutzpflanzen sowie mehreren Treibhäusern, in denen die Patienten nicht nur sinnvoll beschäftigt wurden, sondern teilweise auch zum Unterhalt der Anstalt beitrugen.[9]

Parallel zum Ausbau der Anlage stieg auch die Zahl der Patienten von anfänglich 240 auf etwa 1300 im Jahr 1900 an, und das obwohl bereits 1893 eine Außenstelle in Langenhorn gegründet und diese 1899/1900 noch einmal deutlich erweitert worden war.[10] Die Einteilung und Unterbringung der Patienten richtete sich übrigens anfangs nicht nach Krankheitsbildern, sondern nach finanzieller Leistungsfähigkeit: Die I. und II. Klasse waren für wohlhabende Selbst- und Teilzahler vorbehalten, während die Angehörigen der III. und IV. Klasse einen Eigenanteil ihrer Behandlungskosten durch Arbeit erbringen mussten bzw. bei Arbeitsunfähigkeit aus Mitteln der Armenfürsorge bezahlt wurden.[11]

Akademisches Lehrkrankenhaus

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  • Direktor: Wilhelm Weygandt (1908–34): wissenschaftliche Profilierung , Einrichtung von Labors, Lehrkrankenhaus, Umbenennung in Staatskrankenanstalt (wann?)

Zwischen 1912 und 1914 wurde der Gebäudekomplex nach Plänen von Fritz Schumacher umgebaut und erweitert (bis in 1920er Jahre...). 1919/20 war Erich Stern als Volontärarzt der Psychiatrischen Klinik (Staatskrankenanstalt Hamburg-Friedrichsberg) und unter William Stern am dortigen Psychologischen Institut wissenschaftlich und publizierend[12] tätig.[13] 1920 beschrieb hier der Neuropathologe Alfons Maria Jakob zum ersten Mal die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.

Ein 1930 mit der Stadt Lübeck geschlossener Staatsvertrag führte in der Lübecker Heilanstalt Strecknitz zur Erweiterung der Bettenkapazität auf Kosten Hamburgs um 400 Betten, die mit Patienten aus Hamburg belegt wurden, die hier wegen Überfüllung der entsprechenden Einrichtungen nicht mehr aufgenommen werden konnten. (...)

Während der NS-Zeit wurde die Anstalt aufgelöst; die Patienten wurden auf andere Heil- und Pflegeanstalten verteilt und zum Teil im Rahmen der sogenannten Euthanasie-Aktion T4 ermordet. Das Gelände wurde anschließend von verschiedenen Einrichtungen genutzt, nach Ausbruch des Krieges überwiegend als Lazarett.

  • 7. Oktober 1934 Beschluss des Senats, heilbare Kranke unter "größtmöglichem Einsatz ärztlicher Betreuung" zu behandeln, unheilbar Kranke aber nur noch "in Bewahrung" zu nehmen und ärztliche Betreuung auf "vertretbares Mindestmaß" zu reduzieren[14]
  • 17. Oktober 1934 Beschluss des Senats zur vollständigen Räumung der Anstalt Friedrichsberg, um Gebäude "anderen Zwecken (...) zugänglich zu machen" (Friedrichsberg-Langenhorner Plan) – bis Ende 1935 Verlegung von 1366 Patienten vorwiegend nach Langenhorn, in Hamburger Wohlfahrtsanstalten und auswärtige Einrichtungen[14]
  • ab Frühjahr 1936 „Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität“ mit 300 Betten; 1942 Verlegung auf UKE-Gelände in Eppendorf[14] (vorwiegend im zentralen Gebäudeteil, andere Quellen sprechen von Verlagerung bis 1940 oder 41, vgl. O128f.)
  • Pavillons im Ostteil für Unterbringung von bis zu 600 "Fürsorgezöglingen" d.h. Kindern und Jugendlichen aus dem bisherigen Waisenhaus Averhoffstraße u.a. Einrichtungen, aber bereits bis Ende 1938 wieder geräumt für Reservekrankenhaus der Wehrmacht (O128)
  • frühere Pensionate im parkartigen Südteil zunächst als Altenwohnheim der "gehobenen Klasse" (O128f.), ab Juli 1939 dann als naturheilkundliches "Gerhard-Wagner-Krankenhaus" (benannt nach NS-"Reichsärzteführer" Gerhard Wagner) (O129)
  • nach Kriegsausbruch Umbau des Geländes zum Reservelazarett, Installation zweier Flak-Stellungen auf dem Aussichtshügel Dehnhaide sowie einem kleineren Hügel inmitten des Geländes (O143), bei Luftangriffen 1943 zu 80 % zerstört, danach teilweise Räumung und Notbetrieb in Kellerräumen und notdürftig hergerichteten Gebäuden (O144)
  • nach Kriegsende Umbenennung in "Allg. Krankenhaus Eilbek" (18.5.45) als Ersatz für das von den Briten beschlagnahmte AK Barmbek (bis 1951, O145)
  • ÄD Paul Happel (1893-1971, bis 1958), zuvor Chef am AK Barmbek, Wiederaufbau bis Mitte 50er Jahre (z.T. auf alten Grundmauern aber vereinfachten Formen, Bsp. Torhaus!), lange Zeit aber auch Nissenhütten auf dem Gelände, 1953 wieder 900 Betten (O146ff.)
  • ab 1955 Zentralinstitut für Blutspendewesen von Altona nach Eilbek (O151), ab 1964 im Neubau (152)
  • 1961 Bau dreier Schwesternwohnheime und eins für ehemalige Schwestern im Ruhestand (153), bereits ab 1959 Pläne für neues Großkrankenhaus mit zwei 12-stöckigen Bettenhäusern anstelle der alten Pavillons (154f.), Umsetzung aber zugunsten des AK Altona zunächst zurückgestellt und später aufgegeben (155)
  • Reinhard Otto: 150 Jahre Friedrichsberg. Von der Irrenanstalt zur Klinik im Wohnpark, Verlag Hanseatischer Merkur, Hamburg 2015, ISBN 978-3-922587-66-2
  • Kai Sammet: Die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg unter Wilhelm Weygandt 1908 bis 1934, in: Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde, 25. Jahrgang (2019), S. 41–74.
  • Hubert Schnitzer: Die Irrenanstalt Friedrichsberg. In: Die Allgemeinen Krankenhäuser und Irrenanstalten der Freien und Hansestadt Hamburg. (Den Ärztlichen Teilnehmern der 73. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte gewidmet von dem Krankenhaus-Collegium), Hamburg 1901, S. 144–167.

Einzelnachweise

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  1. Cornelia Werner: Medizingeschichte: Hamburgs modernstes „Irrenhaus“. In: www.abendblatt.de. 17. Februar 2017;.
  2. Otto S. 8
  3. Otto S. 11 ff.
  4. Otto S. 15.
  5. Otto S. 17 ff.
  6. Otto S. 21 ff., Schnitzer S. 145.
  7. Otto S. 19. Die Bezeichnung „Friedrichsberg“ ging dabei mutmaßlich auf dem Namen eines Vorbesitzers zurück, der hier auf einer Anhöhe eine Windmühle betrieb.
  8. Alles nach Schnitzer S. 145.
  9. Schnitzer S. 158.
  10. Schnitzer S. 160 ff.
  11. Otto S. 36.
  12. Reinhold Ahr: Das medizin-psychologische Werk Erich Sterns. Medizinische Dissertation Mainz 1989, S. 112–116.
  13. Gernot Huppmann, Reinhold Ahr: Erich Stern (1889–1959) und die Medizinische Psychologie: eine ergobiographische Skizze. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015, S. 137–155, hier: S. 139 f.
  14. a b c Herbert Diercks: „Euthanasie“-Verbrechen in Hamburg – ein Überblick. In: „Euthanasie“-Verbrechen. Forschungen zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik (= Beiträge zur Geschichte der ns. Verfolgung in Norddeutschland, Bd. 17), Bremen 2016, S. 11–26 (hier: S. 12 f).