Benutzer:Zenon/Utilitarismus

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Utilitarismus

  • Als ethische Schule trat der Utilitarismus gegen die Gesinnungsethik wie gegen die deontologische Ethik an. Wie der Begriff verrät, gilt dem Utilitarismus die Nützlichkeit des Handelns als entscheidendes ethisches Kriterium. Ziel ist, wie sein Begründer Francis Hutcheson es in seiner berühmten Formulierung ausdrückte, „das größte Glück der größten Zahl”. Jeremy Bentham wiederholte diese Formel und schlug Rechenoperationen vor, mit deren Hilfe die ethisch richtige Handlung zu ermitteln sei. Der britische Wirtschaftswissenschaftler John Stuart Mill entwickelte und vertiefte diese Philosophie in seinem Werk Utilitarianism (1836). Der Utilitarismus war die vorherrschende Weltanschauung des (englischen) Liberalismus; einige seiner Theoreme wurden vom amerikanischen Pragmatismus fortgeführt.
    • Friedhelm Lövenich: "Abendländische Philosophie," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2003
  • Als typisch englische Spielart des Eudämonismus gilt der Utilitarismus (gelegentlich auch als Sozialeudämonismus bezeichnet). Bereits bei Francis Hutcheson (1694-1746) geht es nicht mehr allein um das Glück des einzelnen Individuums, sondern um das Glück aller Menschen. Die Ethik des Jeremy Bentham (1806-1873) zielt auf das größte Glück der größten Zahl (the greatest happiness of the greatest number). James Stuart Mill (1806-1873) war der Ansicht, dass nur diejenigen glücklich sein könnten, die ihren eigenen Geist auf etwas anderes richten als auf ihr eigenes Glück. So ist für Mill das Glück stets Teil des sozialen Verhaltens, eine wesentliche Quelle des Glücks ist das edle Verhalten (nobleness of conduct).
    • Martin F. Meyer: "Eudämonismus," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2003
  • Um die Mitte des 18. Jahrhunderts ist es weithin selbstverständlich geworden, dass die Zukunft über den Wert einer Handlung entscheidet, das heißt: die gegenwärtige Zukunft, das heißt: der Nutzen. [Utilitas filia temporis, könnte es jetzt heißen.] Das kommt wie eine Befreiung von entgegenstehenden Verboten, überlieferten Restriktionen, nur historisch erklärbarem Ballast. Handeln gilt als "von Natur aus" gut. Das, was das Handeln antreibt - Selbstliebe bzw. Interesse - wird als Natur begriffen und ist nur über Folgen moralisch qualifizierbar, sei es als gut, sei es als schlecht. Entsprechend verlieren Lohn und Strafe ihren direkten Handlungsbezug und damit ihre Gerechtigkeit; sie sind nur dadurch zu rechtfertigen, dass sie den Menschen (Spezialprävention) oder die Menschen (Generalprävention) ändern. Das klingt im Munde der Aufklärer recht optimistisch. Aber wird die Natur des Menschen und seines Handelns damit nicht widerspruchsvoll definiert: gut und schlecht? Und läuft das dann nicht auf das Gebot permanenter Entscheidung dieses Widerspruchs hinaus in Situationen, in denen erst die Zukunft klarstellt, was der Fall war? Materialisten, Moralisten, Utilitaristen, Rousseauisten nennen zwar diese Natur ihrerseits wiederum gut. Sie begründen damit ihren Optimismus in puncto Perfektibilität. Aber dieser Ausweg beruht auf einem offensichtlichen Theoriefehler. Über "gut" wird auf zwei verschiedenen Ebenen der Theorie gesprochen: innerhalb der Disjunktion gut/schlecht und auf der Metaebene der Natur. Innerhalb dieser Semantik kann man sich der Einsicht noch eine Weile entziehen, dass es letztlich um Widerspruchsamplifikation [-ausweitung/-erweiterung! Zenon] und um Steigerung der Anforderungen an Entscheidungskalkulation und Folgenverantwortung geht.
    • Niklas Luhmann (1984): Soziale Systeme (stw-Ausgabe 1987, S. 517f)
  • Der ethische Utilitarismus des 18. Jahrhunderts hatte sich mit Hilfe bestimmter Annahmen über Handlungsmöglichkeiten sowohl von der Religion als auch von den psychologischen Komplikationen der science de moeurs des 17. Jahrhunderts unabhängig gemacht. Die wichtigste Annahme war, dass es einen großen Bereich von Handlungsmöglichkeiten gebe, in dem man sich selber nützen könne, ohne irgendeinem anderen zu schaden. In diesem Bereich konnte man moralisch einwandfrei handeln. Der Bereich konnte mit Hilfe der Institution der Vertragsfreiheit erweitert werden; denn der Schaden dessen, der zugestimmt hatte, zählt nicht. Der Vertrag galt als Mechanismus der Kompensation etwaiger Nachteile (zum Beispiel durch Geldzahlung) und zugleich als Form der Konsensmaximierung in Tätigkeitsfeldern, in denen die Vorteile und Nachteile von Handlungen sozial ungleich verteilt sind. Dies Gesamtarrangement setzt natürlich Voraussehbarkeit künftiger Vorteile und Nachteile voraus, ergänzt durch die üblichen juristischen Techniken der Abwicklung von Irrtümern (Vertragsanfechtung, Rücktritt, Unmöglichkeit der Leistung, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Interpretation des Willens der Vertragsschließenden etc.). Es gab also Formen, in denen dem Umstande Rechnung getragen wurde, dass die Zukunft anders ausfallen konnte, als man gedacht hatte. Aber diese Zusatzeinrichtungen stützten wie Ausnahmen die Regel, dass es einen großen Bereich von Handlungsmöglichkeiten gebe, in dem man, wie wir heute sagen würden, pareto-optimal handeln könne. Die gesamten Freiheitsgarantien des modernen Verfassungsrechts beruhen auf derselben Prämisse. Der Rationalitätsschwerpunkt der Gesellschaft wurde damit ins individuelle Handeln und in paktierte Kooperation verlagert. Er wurde nicht länger als Natur des Menschen vorausgesetzt. Und die Revolutionierung bzw. Reformierung der alten Gesellschaftsordnung hatte genau den Sinn, die sozialen Einrichtungen diesem Prinzip anzupassen, statt sie wie früher als Artikulationen der Natur des Menschen zu begründen und als solche invariant zu halten. / Aber könnte es sein, dass diese Voraussetzung, die den Namen "liberal, Liberalismus" erhalten hat, gar nicht zutrifft? Dass es den Fall gar nicht gibt, in dem jemand seinen eigenen Nutzen fördern kann, ohne einem anderen zu schaden?
    • Niklas Luhmann (1991): Soziologie des Risikos (deGruyter-Ausgabe 2003, S. 74f)

Kurze Lexikonartikel - komplett zitiert

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  • Utilitarismus, der; - (Nützlichkeitslehre, -standpunkt); Utilitarist, der; -en, -en (nur auf den Nutzen Bedachter; Vertreter des Utilitarismus); Utilitaristin (...); utilitaristisch
    • DUDEN 1 - Die deutsche Rechtschreibung (2001)
  • Utilitarismus, (...) Lehre, dass der Zweck des menschl. Handelns der Nutzen des Einzelnen und der Gemeinschaft sei (< frz. utiliser; zu utile "nützlich" < lat. utilis)
    • Wahrig Deutsches Wörterbuch (2002)
  • Utilitarismus, auch Utilismus, Nützlichkeitsstandpunkt; in der Ethik Bez. für eine Denkrichtung, die den Zweck alles menschl. Handelns in dem Nutzen sieht, der dadurch für den Einzelnen oder die Gemeinschaft gestiftet wird.
    • Das große wissen.de Lexikon (2001)
  • Utilitarismus
    (lat.) philosophische Richtung, die das Kriterium der Nützlichkeit zur Grundlage sittlichen Verhaltens erklärt und ihr >Wertsystem am Nutzen ausrichtet, den menschliches Handeln für den Einzelnen und die Gemeinschaft hat. Utilitaristisches Denken liefert u.a. die ethische Begründung für einseitig ökonomisch ausgerichtete gesellschaftliche Interessen und wird deshalb von vielen als Bedrohung für behinderte, alte und chronisch kranke Menschen empfunden.
  • Utilitarismus (vom lat. utilis, "nützlich", Nützlichkeitsstandpunkt, in der Ethik diejenige Richtung, die den Zweck des menschlichen Handelns in dem Nutzen, der Wohlfahrt, sei es des einzelnen, sei es der Gesamtheit, erkennt; auch den Ursprung des Sittlichen erklärt der U. wenigstens teilweise aus Nützlichkeitserwägungen. Der Begründer des U. als eines pseudoethischen, auf der Gleichsetzung von gut und nützlich beruhenden Systems ist Jeremias >Bentham, nach dem "das größte Glück der größten Zahl" erstrebt werden muss; indem wir das Wohl der Gemeinschaft fördern, fördern wir auch uns; >Eudämonismus. Wie der Begründer, so sind auch die späteren Vertreter des U. vorwiegend Engländer: J. St. Mill, Sidgwick u.a.
    • Georgi Schischkoff (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch (1991)
  • Utilitarismus (von lat. utilis, nützlich), Bezeichnung allg. für eine ethische Grundhaltung und Lehre, die unter dem handlungsverpflichtenden Ziel des Sittlich-Guten das am Erfolg zu messende Nützliche, nämlich für die Beförderung des Glücks, versteht. Insofern gehört der U. zu den Ethiken des >Eudaimonismus; und wenn, wie vielfach, Glück als Lust bestimmt wird, steht er in der Nähe des >Hedonismus, wobei er freilich nicht die augenblicklich größte Lust, sondern das größte lebenszeitliche Gesamtglück als Lebensbefriedigung überhaupt anzielt. Je nach Zuordnung des Glücks lässt sich ein individualist.-egoistischer und ein sozialer U. unterscheiden. Als Begründer des neuzeitlichen, aus der Aufklärung hervorgegangenen Sozial-U. gilt J. Bentham, der als ethische Grundnorm "das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl" (die allgemeine Wohlfahrt) lehrte, als Hauptvertreter im 18. [19.! LA] Jh. J. St. Mill. Vor allem im angloamerikanischen Sprachraum übte der U. bis in die Gegenwart herein starken Einfluss.
    • Alois Halder: Philosophisches Wörterbuch (2000)
  • Utilitarismus [lat.],
    Theorie der Ethik und Sozialphilosophie, des Rechts sowie der Nationalökonomie, nach der eine Handlung danach beurteilt und bewertet wird, in welchem Maße sie zur Förderung und Mehrung des Glücks der meisten Menschen "nützlich" ist, d.h. beiträgt. Nach diesem sog. Nützlichkeitsprinzip wird eine Handlung also nicht an dem Motiv oder der Gesinnung (Gesinnungsethik, Verantwortungsethik), sondern an den Folgewirkungen gemessen. Utilitarist. Momente finden sich in der Handlungstheorie des Epikureismus, bei B. de >Mandeville, den schott. Moralphilosophen (z.B. D. >Hume, A. >Smith, A. >Ferguson) und in der frz. Aufklärung. Der engl. Philosoph und anglikan. Bischof R. Cumberland (*1631, +1718) formulierte in "De legibus naturae ..." (1672) erstmals als obersten Handlungsgrundsatz die Maxime "greatest happiness of all" (= größtes Glück für alle). Zur method. Grundlegung des U. trugen bei F. >Bacon und Th. >Hobbes. Als geschlossenes eth. System wurde der U. von J. >Bentham begründet und von J. >Mill und J. St. >Mill weiterentwickelt. Dieses System führte zu einem Glückskalkül, bei dem der Maximierungseffekt des gesellschaftl. Glücks, der aus bestimmten Handlungen oder Institutionen folgt, gemessen werden sollte. Der U. wurde damit zum Basistheorem der Nationalökonomie (>auch klassische Nationalökonomie, >Volkswirtschaftslehre) und diente zudem der Begründung einer wohlfahrtsstaatl. Sozialpolitik. Ein in der menschl. Praxis verankerter U. ist auch auf Gerechtigkeit und insbes. auf Verteilungsprobleme angewendet worden.
    • Meyers Enzyklopädisches Lexikon (1979)
  • Anonym (1992): Utilitarismus
    • Weltbild-Enzyklopädie der Philosophie, 343-344
  • Otfried Höffe (1997): Utilitarismus
    • Ders. (Hrsg.): Lexikon der Ethik, 5. Aufl., S. 312-313
  • Heinz-Theo Homann (1997): John S. Mill: Utilität des Religiösen - Dysfunktionalität der nonpragmatischen Wahrheitsperspektive
    • Ders.: Das funktionale Element (Schöningh), S. 274-280
  • Anton Hügli & Byung-Chul Han (2001): Utilitarismus
    • Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 11, 503-510
  • John Stuart Mill (1871): Der Utilitarismus
    • Reclam (RUB) 1985 (Englischer Originaltitel: Utilitarism)
  • Peter Prechtl (1996): Utilitarismus
    • Ders. (Hrsg.): Metzler Philosophie Lexikon, S. 541-542
  • Friedo Ricken (1998): Zur Kritik des Utilitarismus
    • Ders.: Allgemeine Ethik, 3. Aufl., S. 219-226
  • Wolfgang Röd (2000): Die Nützlichkeitsmoral
    • Ders.: Der Weg der Philosophie, Band 2, Taschenbuch-Ausg., S. 319-321
  • Bertrand Russell (1945): Die Utilitarier
    • Ders.: Philosophie des Abendlandes (Parkland-Sonderausgabe 2003), S. 780-788
  • Oswald Schwemmer (1996): Utilitarismus
    • Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie 4, S. 460-463
  • Gunnar Skirbekk & Nils Gilje (1987): Utilitarismus und Liberalismus
    • Dies.: Geschichte der Philosophie (Suhrkamp Taschenbuch), S. 483-510