Benutzerin:DomenikaBo/Geschlechtersensible Sprache
Warum Gleichstellung geschlechtersensible Sprache braucht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Du liest eine von DomenikaBo gekürzte Version eines Essays von Anatol Stefanowitsch.
NPOV
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eines der unverzichtbaren Grundprinzipien der Enzyklopädie Wikipedia ist der „Neutrale Standpunkt“: Artikel sollen ihr Thema „weder mit abwertendem noch mit sympathisierendem Unterton“ aus einer „neutralen Sicht“ darstellen. Aber was, wenn die Sprache selbst keinen neutralen Standpunkt bietet? Der traditionelle Sprachgebrauch ist häufig nicht neutral, sondern vom abwertenden oder sympathisierenden Unterton dieser Gesellschaften geprägt.
Gender im Deutschen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Deutschen sind fast alle Personenbezeichnungen gegendert: Sie existieren in einer männlichen und in einer weiblichen Variante – geschlechtsneutrale Bezeichnungen gibt es nur in Ausnahmefällen. Bezeichnungen außerhalb des Männlichen und Weiblichen gibt es gar nicht. Der traditionelle Sprachgebrauch bietet eine einfache Lösung: Man verwende einfach männliche Formen und verlasse sich darauf, dass Frauen und andere sich schon irgendwie mit gemeint fühlen werden.
Nachgedanke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das spiegelt einen Standpunkt wider, der alles andere als neutral ist: dass nämlich Männer der gesellschaftliche Normalfall und andere eine Art Nachgedanke sind. Zwanzig Jahre im Labor haben gezeigt, dass das Maskulinum von deutschsprachigen Menschen zunächst männlich interpretiert wird – und dass eine generische Interpretation einen Zusatzaufwand für das Gehirn bedeutet. Versuche, alle (generisch intendierten) männlichen durch (generisch intendierte) weibliche Personenbezeichnungen zu ersetzten (Universität Leipzig 2013, Justizministerium 2020) führten zu einem Sturm der Entrüstung in den Medien. Wenn es nun aber für Männer nicht zumutbar ist, als Nachgedanke zu einem weiblichen Normalfall wiederzufinden, können sie es umgekehrt auch den Frauen nicht zumuten.
Markiertheitstheorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die vermeintliche Neutralität des Maskulinums wird häufig mit der sogenannten Markiertheitstheorie begründet.
Beispiel an den Wörtern Tag und Nacht: Das Wort Tag kann in einen Gegensatz zu Nacht gestellt werden, dann bezeichnet es den Zeitraum zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang („Heute ist der kürzeste Tag des Jahres“). Oder: Das Wort Tag kann sich auf eine Zeitspanne von 24 Stunden beziehen („Sie hat seit drei Tagen Fieber.“), dann umfasst das auch die Nacht. Damit wird Tag der Oberbegriffvon Tag und Nacht.
Genauso sei es auch mit männlichen und weiblichen Personenbezeichnungen: ein Wort wie Redakteur bezeichne entweder, im Gegensatz zur Redakteurin, einen Mann, oder, als Oberbegriff von Redakteur und Redakteurin, eine geschlechtlich nicht näher spezifizierte Person.
Aber der Kern des Problems ist der Grund, weshalb unsere Wahl auf das Wort Tag – und nicht auf das Wort Nacht – als Oberbegriff für Tag und Nacht fiel: Am Tag spielt sich das gesellschaftliche Lebens ab, während wir nachts schlafen; Der Tag ist für uns der Normalfall!
Fazit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein neutraler Sprachgebrauch erfordert also mindestens, männliche Personenbezeichnungen um die weiblichen zu ergänzen. Das mag einen Text etwas länger machen, aber für die größere sprachliche Präzision und die neutrale Darstellung der Welt können wir das wohl in Kauf nehmen.
Damit ist aber noch nicht berücksichtigt, dass es Personen gibt, die sich nicht in den Kategorien „Mann“ und „Frau“ wiederfinden. Wer um Neutralität bemüht ist, muss zu neuen Formen wie zB dem Doppelpunkt greifen oder muss auf die wenigen Möglichkeiten geschlechtsneutraler Personenbezeichnungen ausweichen, die das Deutsche uns bietet: statt Redakteure oder Redakteur:innen können wir sagen in der Redaktion Tätige.
Siehe auch:
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Essay in voller Länge auf Wikimedia.de
- Erschienen in: Anatol Stefanowitsch et al.: ABC des Freien Wissens. Hrsg.: Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V. Berlin 2021, ISBN 978-3-00-077710-3, S. 199 - 202.