Bisphenol S

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Bisphenol S
Allgemeines
Name Bisphenol S
Andere Namen
  • Bis(4-hydroxyphenyl)sulfon
  • 4,4′-Sulfonyldiphenol
  • 4,4′-Dihydroxydiphenylsulfon
  • DHDPS
Summenformel C12H10O4S
Kurzbeschreibung

weißer, geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 80-09-1
EG-Nummer 201-250-5
ECHA-InfoCard 100.001.137
PubChem 6626
ChemSpider 6374
Wikidata Q418379
Eigenschaften
Molare Masse 250,28 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

0,5–0,6 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

245–250 °C[2]

Löslichkeit

schlecht in Wasser (1,1 g·l−1 bei 20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 360FD
P: 201​‐​202​‐​280​‐​308+313​‐​405​‐​501[4]
Zulassungs­verfahren unter REACH

besonders besorgnis­erregend: fortpflanzungs­gefährdend (CMR), ernst­hafte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt gelten als wahrscheinlich[5]

Toxikologische Daten

4556 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[6]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Bisphenol S (BPS) ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Bisphenole, bei der die zentrale Methylengruppe durch eine Sulfonylgruppe ersetzt wird.

Bisphenol S wird aus zwei Äquivalenten Phenol und einem Äquivalent Schwefelsäure dargestellt.

Es entsteht neben 4,4’-Sulfonyldiphenol auch das 4,2′-Sulfonyldiphenol[7] als Nebenprodukt

Reaktion zu Bisphenol S
Reaktion zu Bisphenol S

Es sind auch Reaktionen mit anderen Sulfonierungsmitteln in z. B. Chlortoluolen beschrieben.[8]

Bisphenol S wird bei Polymerreaktionen (zum Beispiel bei der Herstellung von Polysulfon) eingesetzt.[9] Es wird auch als Bestandteil von Epoxidharzen und als Antikorrosionsmittel und galvanotechnischer Hilfsstoff sowie als Zwischenprodukt zur Herstellung von Flammschutzmitteln, Thermodruckpapier und weiterem verwendet.[10] Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass Bisphenol S in 3 % der untersuchten Thermopapiere nachgewiesen werden konnte. Der Mittelwert des Bisphenol-S-Gehalts lag bei 10 mg/g Thermopapier (Bereich = 8,3–12,6 mg/g).[11]

Auf dem EU-Markt erhöhte sich der Anteil der Thermopapiere auf BPS-Basis zwischen 2018 und 2019 von 21 % auf 39 %.[12] In der Schweiz ist die Verwendung von Thermopapieren mit BPS – mit Ausnahme von Spezialanwendungen (Selbstklebeetiketten, Medizinal- und Laborbereich etc.) – seit Mitte Dezember 2020 verboten.[13]

Endokrine Wirkung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem In-vitro-Test an einer menschlichen Zelllinie wird die Produktion von 17β-Estradiol durch Bisphenol A und Bisphenol F, aber nicht durch Bisphenol S induziert. In demselben In-vitro-Testsystem wird die Testosteronfreisetzung sowohl für Bisphenol A als auch Bisphenol S gemessen: 100 µM Bisphenol S führen zu 67 % Reduktion der Testosteronfreisetzung in der Zelllinie.[11] Bei Zebrafischen wurde eine Verminderung der Reproduktion gefunden.[14] Bisphenol S wurde von der Nichtregierungsorganisation ChemSec aufgrund seiner endokrinen Eigenschaften in die SIN List („Substitute It Now!“, etwa: „Jetzt ersetzen!“) aufgenommen.[15]

Gesundheitliche Gefahren

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bisphenol S wurde 2012 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von Bisphenol S waren die Besorgnisse bezüglich hoher (aggregierter) Tonnage sowie der Gefahren ausgehend von einer möglichen Zuordnung zur Gruppe der CMR-Stoffe und als potentieller endokriner Disruptor. Die Neubewertung fand ab 2014 statt und wurde von Belgien durchgeführt. Anschließend wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht.[16][17] Bis zum 17. Oktober 2022 lief eine öffentliche Konsultation zur Einstufung als besonders besorgniserregender Stoff (SVHC),[18] im Anschluss wurde Bisphenol S im Januar 2023 auf die Kandidatenliste aufgenommen.[5]

Es wurde festgestellt, dass Bisphenol S aus Thermoetiketten auf Lebensmittelverpackungen in Lebensmittel migrieren kann.[19]

Über den Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act of 1986 besteht in Kalifornien seit dem 29. Dezember 2023 eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Bisphenol S enthalten.[20]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d Eintrag zu 4,4′-Sulfonyldiphenol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 3. Januar 2023. (JavaScript erforderlich)
  2. a b Eintrag zu 4,4′-Sulfonyldiphenol bei ChemBlink, abgerufen am 25. Februar 2011.
  3. Eintrag zu 4,4′-Sulfonyldiphenol; Bisphenol S im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 3. August 2023. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Datenblatt Bisphenol S bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 2. September 2024 (PDF).
  5. a b Eintrag in der SVHC-Liste der Europäischen Chemikalienagentur, abgerufen am 30. Januar 2023.
  6. Datenblatt 4,4′-Sulfonyldiphenol bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 25. Februar 2011 (PDF).
  7. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 4,2′-Sulfonyldiphenol: CAS-Nr.: 5397-34-2, EG-Nr.: 226-421-1, ECHA-InfoCard: 100.024.019, PubChem: 79381, ChemSpider: 71700, Wikidata: Q27263850.
  8. Patentanmeldung EP0489788A1: Verfahren zur Herstellung von 4,4'-Dihydroxydiphenylsulfon. Angemeldet am 22. August 1990, veröffentlicht am 17. Juni 1992, Anmelder: Hoechst AG, Erfinder: Georg Grötsch.
  9. Patentanmeldung EP0294773A2: Polymermischungen auf der Basis von Polyarylethersulfonen. Angemeldet am 8. Juni 1988, veröffentlicht am 14. Dezember 1988, Anmelder: BASF AG, Erfinder: Gerhard Heinz et Al.
  10. chemconserve.com: Bisphenol S (Technical Information) (Memento vom 4. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 76 kB).
  11. a b D. M. Goldinger, A. L. Demierre, O. Zoller, H. Rupp, H. Reinhard, R. Magnin, T. W. Becker, M. Bourqui-Pittet: Endocrine activity of alternatives to BPA found in thermal paper in Switzerland. In: Regulatory Toxicology and Pharmacology 71, 2015, S. 453–462, doi:10.1016/j.yrtph.2015.01.002. PMID 25579646.
  12. Europäische Chemikalienagentur (Hrsg.): The use of bisphenol A and its alternatives in thermal paper in the EU during 2014–2022. 2020, ISBN 978-92-9481-591-0, doi:10.2823/592282.
  13. Coronavirus: Bundesrat beschliesst befristete Erleichterungen im Umweltbereich. Bundesrat/UVEK/BAFU, 5. Juni 2020, abgerufen am 24. Juni 2020.
  14. Kyunghee Ji, Seongjin Hong, Younglim Kho, Kyungho Choi: Effects of Bisphenol S Exposure on Endocrine Functions and Reproduction of Zebrafish. In: Environmental Science & Technology. Band 47, Nr. 15, 6. August 2013, S. 8793–8800, doi:10.1021/es400329t.
  15. ChemSec: Bisphenol S (Memento vom 4. Mai 2018 im Internet Archive), Februar 2018.
  16. Europäische Chemikalienagentur (ECHA): Substance Evaluation Conclusion and Evaluation Report.
  17. Community Rolling Action Plan (CoRAP) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA): 4,4'-sulfonyldiphenol Vorlage:Linktext-Check/Apostroph, abgerufen am 28. November 2023.
  18. Identifizierung besonders besorgniserregender Stoffe. ECHA, abgerufen am 24. September 2022 (deutsch).
  19. Ziyun Xu, Lei Tian, Lan Liu, Cynthia Gates Goodyer, Barbara F. Hales, Stéphane Bayen: Food Thermal Labels are a Source of Dietary Exposure to Bisphenol S and Other Color Developers. In: Environ. Sci. Technol. 2023, doi:10.1021/acs.est.2c09390.
  20. Bisphenol S (BPS). OEHHA, 29. Dezember 2023, abgerufen am 2. Januar 2024 (englisch).