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Cartel de Esmeralderos

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Provinz Boyacá in Kolumbien
Typische Landschaft in Boyacá
Smaragd aus der Muzo-Mine
Kolumbianischer Smaragd

Das Cartel de Esmeralderos („Smaragd-Kartell“) ist eine halbkriminelle Vereinigung kolumbianischer Smaragdschürfer in der Gegend des Magdalena Medio, einer Subregion und ausgedehntem Tal in den Anden in Zentralkolumbien, gebildet vom Magdalena-Fluss und der Stadt Honda.[1] Das Kartell agiert insbesondere in der Smaragdregion in der Provinz Boyacá,[2] zwischen Puerta Boyacá und Chiquinquirá.[3]

Wirtschaftliche Bedeutung

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Smaragdexporte aus Kolumbien erlösen ein Handelsvolumen von 150 bis 400 Mio. US-Dollar pro Jahr, wobei in Kolumbien 60 Prozent der weltweiten Smaragde gefördert werden.[4] Andere Quellen schätzen den jährlichen Handelsumsatz der kolumbianischen Smaragde auf 1,5 Mrd. USD.[5] Durch die sagenhaften Gewinne im Smaragdhandel ausgelöst, war diese Zone stets Schauplatz erbitterter Kämpfe.[6]

Muzo-Indianer als Hüter der Minen

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Bereits im 16. Jahrhundert kamen spanische Konquistadoren mit den großen Edelsteinvorkommen in der Gegend um Muzo und Somondoco in Berührung, als sie erstmals grüne Smaragde als Geschenke von den Chibcha-Indianern erhielten.[7] Die nebligen Bergwälder waren vom Indianerstamm der kriegerischen Muzo bewacht, die von den Spaniern unterworfen und versklavt wurden.[8] Im feuchtschwülen tropischen Klima mussten die Indios unter unmenschlichen Bedingungen und geschwächt von Krankheiten wie Malaria, Durchfall etc. in den Minen arbeiten.

Aufteilung der Minen

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1947 werden die Smaragdminen von der kolumbianischen Regierung an die Familienclans der Schürfer und örtlichen Kaziken übergeben.[9] Die Familien Murcia, Cañon, Rincón, Rojas, Gonzales und Pauna bekamen die Rechte an den Minen Pauna, Briceño, Buenavista, Maripí und Tununguá. Die ertragreicheren Minen von Muzo, Quípama, La Victoria, San Pablo de Borbúr, Otanche und Coper gingen an die Carranzas, Triana, Obando, López, Campos, Moreno, Molina und Bohórquez.

Im Smaragdkrieg oder „Guerra Verde“[10] von 1960 bis 1970 wurde um die Vorherrschaft der Smaragdminen der Tagebau-Förderstätten um Muzo, Coscuez, Chivor, Borbur, Somondonco und Otanche gekämpft. Die ersten Schürfarbeiten begannen unter Efraín Gonzalez Téllez,[11][12][13] einem Veteranen aus dem Bürgerkrieg von 1948 bis 1952, und Humberto Ariza Ariza („El Ganso Ariza“),[11] einem Totschläger aus Bogotá. Téllez, welcher in der kolumbianischen Presse oft als Robin Hood bezeichnet wurde,[11] war oberster Richter in den gesetzlosen und extrem gewalttätigen Provinzen Boyacá und Santander. Téllez sagte einmal über die Gewalttätigkeiten der Minenregion: «Nos odiábamos. El problema es que aún no sabemos por qué nos matábamos» ... «Yo perdí a toda mi familia. Eran cerca de 40 personas».[14] Téllez stammte aus der Provinz Santander und sammelte während der Violencia der 1950er Jahre als Offizier der Konservativen viel Erfahrung in moderner Kriegsführung und Folter. Unter seiner Führung sammelt sich ein Heer von 15.000 gesetzlosen Bandoleros, welche die Region um Muzo in ein Kriegsgebiet verwandeln.

1965 wurde Gonzalez Téllez in Bogotá erschossen. Daraufhin versuchte das Militär in einer großangelegten Operation unter dem Antiguerrilla-Spezialisten José Joaquin Matallana Kontrolle über das Schürfgebiet zu erlangen.[11] Zwei Heeresbataillone rückten in die Region ein, um die „Mafia der Armen“ unter Téllez’ Nachfolgern und Ariza zu vernichten. Die Kämpfe kosteten rund 1200 Menschen das Leben, davon soll allein Ariza nach dem Tod von Téllez an die 800 Morde begangen haben, um seine Macht in den Smaragdminen zu manifestieren. Die Auswirkungen des Smaragdkrieges waren bis in die Kreise der Edelsteinhändler in Bogotá und Miami zu spüren.

Ecominas erhält die Schürfrechte

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1966 übernahm die staatliche Minengesellschaft Ecominas wieder die Kontrolle über die Smaragdregion.[15] 1971 ließ die Regierung die Minen schließen, bis 1973 auf Erlass des kolumbianischen Präsidenten Misael Pastrana Borrero die Bergbaugesellschaften Esmeralcol und Tecminas die Schürfrechte für diese umkämpfte Bergregion erhielten.[16] Beide Unternehmen nahmen Kontakte zu Drogenhändlern auf. Die Minenregion um Muzo, Coscuez und Quimpama wurde verstärkt zum Sammelpunkt von Guaqueros (rechtlose Geröllsammler, auf der untersten Stufe der Minenhierarchie mit dem Status von Leibeigenen), Mineros (Minenarbeiter), Smaragdhändlern, Kokainhändlern, rechte Todesschwadronen und linksorientierte Guerillas. Bereits in den 1970er Jahren wurde die Gegend von zunehmender Gesetzlosigkeit beherrscht.[17]

Übernahme durch die Paramilitares und zweiter Smaragdkrieg

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1973 zog sich das Heer aus der Gegend zurück und überließ die Schürfrechte Gilberto Molina und Luis „El Pekinés“ Murcia. Molina und Carranza leiteten die ertragreichen Minen von Muzo und Quipama und die Murcia-Familie die legendären Minen von Coscuez.[17]

In den 1980er Jahren begann Gonzalo Rodríguez Gacha vom Medellín-Kartell damit, im Medio-Magdalena-Tal paramilitärische Gruppierungen gegen linksgerichtete Bauernbewegungen aufzubauen, und versuchte mit brutaler Waffengewalt, die Herrschaft im Smaragdgebiet von Boyacá zu gewinnen.[18] 1988 töteten die von Gacha beauftragten sicarios, gedungene Mörder, in einem blutigen Massaker 18 Personen, inklusive Frauen und Kinder. 1989 wurde Pedro Julio Yaya, ein Verbündeter von Victor Carranza aus der Lokalpolitik, lebendig in einem Plastiksack geschnürt, über dem Rio Itocó zur Abschreckung aus 300 Metern Höhe aus einem Flugzeug geworfen. Auf einer Finca von Victor Carranza wird ein Massengrab mit 50 namenlosen Opfern gefunden. Im selben Jahr ließ Gacha seinen ehemaligen Patron und Förderer Gilberto Molina und 18 Partygäste auf seiner Finca „La Paz“ von einem paramilitärischen Kommando töten.[19]

1990/1991 endete der Konflikt vorerst mit über 5000 Toten in mehr als 30 Jahren kriegerischer Auseinandersetzung.[17]

Victor Carranza, Juan Beetar und Gilberto Molina als Sieger

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Als Sieger in diesem Konflikt gingen die Überlebenden des Cartel de Esmeralderos hervor:[20] Juan Beetar, ein Rechtsanwalt aus Bogotá,[21] Gilberto Molina und der „Smaragdzar“ Victor Carranza, geboren 1940, der bereits mit 10 Jahren in den Bergwerken arbeitet hatte.[22] Carranza ist Besitzer der Mine von Muzo, ihm werden Kontakte zur AUC nachgesagt. Wegen der starken paramilitärischen Präsenz in dieser Region konnte die FARC hier nicht Fuß fassen. Carranza besaß die drittgrößte Privatarmee Kolumbiens, die im Departamento Meta gegen die linksgerichtete Union Patriota eingesetzt wird. Carranza ist an den Bergbaugesellschaften Tecminas, Coexminas de Muzo und Esmeracol de Coscuez beteiligt und tätigt Geschäfte mit dem Diamantenkonzern De Beers.[17]

  • Joseph E. Pogue: The Esmerald Deposits of Muzo, Colombia. In: Transactions of the American Institute of Mining Engineers, Evanston, Illinois, 1916.
  • Jeanette Erazo Heufelder: Der Smaragdkönig. Victor Carranza und das grüne Gold der Anden, Malik Verlag, München 2005, ISBN 3-89029-301-8.

Einzelnachweise

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  1. Juan Carlos Garzón: Desmovilización de las Autodefensas del Meta y Vichada@1@2Vorlage:Toter Link/www.verdadabierta.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 7. April 2017.
  2. Paramilitarismo como política contrainsurgente de estado (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive). Abgerufen am 5. April 2024.
  3. Vientos de guerra verde
  4. Carlos Miguel Barber Kuri, Karla Rosa Dávila Ramírez: The Emerald Industry in Colombia. (PDF; 209 kB) In: Journal of Business Case Studies (JBCS), Jg. 4, (2008), Nr. 10. The Clute Institute, Oktober 2008, S. 7, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. August 2014; abgerufen am 18. August 2014 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cluteinstitute.com
  5. All is not green that glisters. In: The Economist, 19. Februar 1998.
  6. Fighting Colombia's Green War: Treasure of the emerald forest.
  7. Chibchas Spanish God Bochica Earth Gold Chibchacum Colombia (Memento vom 2. September 2009 im Internet Archive). Abgerufen am 5. April 2024.
  8. Colombian Emerald from Muzo.
  9. Las esmeraldas colombianas.
  10. span.: Grüner Krieg
  11. a b c d Los Jinetes de la Cocaína.
  12. El mito de Efraín González
  13. Claudia Steiner: Un bandolero para el recuerdo: Efraín González también conocido como „El siete colores“. In: Antropología, crítica cultural y crisis de sentido en el mundo contemporáneo, Heft 2, Enero-Junio de 2006, S. 229–252 (online), abgerufen am 7. April 2017.
  14. „Wir hassen uns. Das Problem ist, dass wir nicht einmal mehr wissen, warum wir uns töten. Ich habe meine ganze Familie verloren, es waren fast 40 Personen.“
  15. The Green Elephant. In: Time vom 17. Juni 1974.
  16. Luis Ernesto Rodríguez Alarcón: Are the Characteristics of the New Colombian Mining Code Sufficiently Competitive in Attracting Investment to the Mineral sector? In: Mineral and Energy Raw Materials Report, Jg. 19 (2004), S. 32–43.
  17. a b c d Colombians Concentrate On Emeralds Gem Dealers Forming Private Auction House. In: Sun-Sentinel, ISSN 0744-8139, 15. März 1992.
  18. Autodefensas Campesinas de Meta y Vichada (Memento des Originals vom 8. April 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.verdadabierta.com, abgerufen am 7. April 2017.
  19. Emerald Magnate Slain At Home in Colombia. In: New York Times, 1. März 1989.
  20. Jaime Barrera, Milton Mahecha: Estudio administrative para determiner la situación actual de la empresa Coexminas Ltda.
  21. Una gema buscada por la fiscalía. In: El Tiempo, 27. Februar 1998.
  22. Einer ist noch reicher als der Reichste, 20 Minuten Online.