Co-Parenting

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Unter Co-Parenting oder Co-Elternschaft[1] (zusammengesetzt aus der lateinischen Vorsilbe co = zusammen und dem englischen Wort parenting = Elternschaft) versteht man eine postmoderne Form der Familiengründung, bei der sich Erwachsene gezielt zusammentun, um ein Kind aufzuziehen, ohne dabei gleichzeitig eine Partnerschaft einzugehen.

In der Familienpsychologie besitzt der Begriff Co-Parenting eine andere Bedeutung. Dort beschreibt er ganz allgemein die Art und Weise, wie Eltern bei der Erziehung eines Kindes miteinander kooperieren.[2]

Co-Parenting als Familienform

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Das Verständnis für Co-Parenting als eine von der Ehe unabhängige Dimension der Elternschaft entstand in den 1960er-Jahren in den USA.[3] Aktuell wird es zunehmend auch in Europa von der Wissenschaft rezipiert.[4][5] Der Reiz des Co-Parenting besteht für viele Betroffene in der Hoffnung, dass durch die fehlende Liebesbeziehung bestimmte Partnerschaftsstreitigkeiten vermieden werden können und eine Entkopplung von Kinder erziehen und romantischen Gefühlen stattfindet. Co-Parenting soll stattdessen auf einer freundschaftlichen Basis stattfinden.[6] Wenn Co-Elternteile eine romantische Beziehung zu einer dritten Person außerhalb des Co-Parenting haben oder sich eine solche anbahnt, kann das die Lage verkomplizieren. Es kann dann zu Zeitkonflikten, Eifersucht oder einer generellen Konkurrenzsituation zwischen der Co-Elternschaft und der romantischen Beziehung kommen.[7]

Die Kontaktaufnahme mit anderen potentiellen Co-Eltern erfolgt meist über einschlägige Webseiten.[8] Die meisten Mitglieder von Co-Elternschaftsplattformen sind queer, wobei der Anteil heterosexueller Mitglieder zunimmt.[9] Das Internet stellt hier ein gern genutztes Hilfsmittel dar, da Märkte und staatliche Institutionen Menschen, die mit ihren Familienmodellen außerhalb des Mainstreams leben, oftmals nicht bedienen.[10][11] Einige Frauen berichten allerdings, dass es auch über Internetseiten schwierig sei, einen geeigneten männlichen Partner zum Co-Parenting zu finden.[12]

Co-Parenting wird in den jeweiligen Familien in den verschiedensten Konstellationen gelebt. Eine Konstellation, die häufiger vorkommt, ist hierbei eine heterosexuelle Frau, die zusammen mit einem homosexuellen Mann ein Kind betreut. In diesem Fall lässt sich beobachten, dass sich die Co-Eltern stark am Ideal der Kleinfamilie orientieren und Geschlechterrollen eher traditionell interpretiert werden.[13][14] Neben eher an der Kleinfamilie orientierten Co-Parenting-Arrangements existieren aber auch Familien mit mehr als zwei Elternteilen.

Trotz der großen Bandbreite innerhalb der sich die Lebensrealität von Familien, die Co-Parenting praktizieren, bewegt, lassen sich dennoch einige Aspekte bestimmen, die vielen Konstellationen gemein sind. So geben Betroffene beispielsweise sehr oft an, Co-Parenting als eine Beziehungsform zu verstehen, die auf Langfristigkeit und Verbindlichkeit zielt.[15] Darüber hinaus werden Kinder in Co-Elternschaften mehrheitlich durch künstliche Befruchtung gezeugt, sofern sie zu Beginn der Co-Elternschaft noch nicht vorhanden sind.[16] Schließlich lässt sich feststellen, dass auch in Co-Parenting-Beziehungen Frauen praktisch und mental die größere Verantwortung für Care-Arbeit tragen (siehe hierzu auch Mental Load).[17]

Rechtliche Lage

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Co-Eltern sind in aller Regel nicht miteinander verheiratet. Dadurch ergeben sich einige Nachteile für Co-Elternschaften, da bestimmte Rechte nicht wahrgenommen werden können. So sind Co-Elternteile etwa nicht dazu berechtigt, sich gegenseitig in Gesundheitsangelegenheiten zu vertreten. Darüber hinaus entfällt auch die Unterhaltspflicht infolge einer Ehe. Co-Elternteile sind folglich nicht automatisch dazu verpflichtet, durch Unterhaltszahlungen die Existenz anderer Co-Elternteile und/oder der betreuten Kinder zu sichern. Ebenso entfallen rechtliche Privilegierungen wie z. B. das Ehegattensplitting für Co-Eltern.

Beim Co-Parenting kommt es häufig vor, dass bestimmte Co-Elternteile ausschließlich als soziale Eltern fungieren und weder den Status als biologische noch als rechtliche Eltern genießen. Dies ist beispielsweise immer dann der Fall, wenn mehr als zwei Personen zusammen Co-Parenting betreiben, da das deutsche Familienrecht aktuell immer nur zwei Elternteile anerkennt.[18] Damit entfällt für Co-Elternteile, die ausschließlich soziale Elternteile sind, die Wahrnehmung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie des Sorgerechts für das von ihnen betreute Kind. Belange des Kindes, die diese Rechte berühren, müssen daher oftmals auf Vertrauensbasis geregelt werden. Christine Wimbauer bezeichnet Co-Eltern deshalb als „Alltagsjongleur*innen“.[19] Sie müssen aufgrund fehlender rechtlicher Absicherung wesentlich mehr Aufwand zur Organisation des Familienalltags betreiben als Menschen, die in traditionellen Kleinfamilien leben.

Auch im Erbrecht genießen Co-Eltern-Familien nicht dieselben Vorteile wie Kleinfamilien. Soziale Kinder sind beispielsweise nicht als Erben vorgesehen. Co-Eltern können ihre sozialen Kinder zwar dennoch in ihrem Testament als Erben einsetzen, aber die Freibeträge sind wesentlich geringer: Während rechtlich anerkannte Kinder nach § 16 ErbStG bei Erbschaften einen Freibetrag von 400.000 € geltend machen können, liegt der Freibetrag bei sozialen Kindern lediglich bei 20.000 €.

Darüber hinaus sind soziale Eltern nach § 1 (4) BEEG von der Inanspruchnahme von Elterngeld ausgeschlossen und können auch keine Elternzeit nehmen. Ebenso ist die Anerkennung der Kindererziehungszeit rechtlichen Eltern vorbehalten.

In den Niederlanden wurde ein Gesetzesentwurf diskutiert, der es bis zu vier Menschen erlaubt, sich das Sorgerecht für ein Kind zu teilen. In diesem Kontext bekannt geworden ist eine Familie aus vier Menschen, einem schwulen und einem lesbischen Paar, die gemeinsam für ihren Sohn sorgen. Dies geschieht auf Basis eines formalen Abkommens, wobei in diesem Fall allerdings aufgrund des fehlenden Gesetzes nur zwei der Eltern das amtliche Sorgerecht innehaben.[20] Die Ausweitung des Sorgerechts auf vier Personen kam nicht zustande, es ist laut Art. 253 s. a.[21] aber möglich, dass sich eine Person, die nicht mit einem Kind verwandt ist, das Sorgerecht mit einem biologischen Elternteil teilt.

In Israel ist Co-Parenting relativ weit verbreitet.[22] Dort gibt es auch das Alternative Parenting Center, eine Organisation, die sich darauf spezialisiert hat, Menschen das Co-Parenting zu ermöglichen. Co-Eltern wird dort die Ausarbeitung rechtlich bindender Verträge, die verschiedene rechtliche Angelegenheiten in Bezug auf das Zusammenleben der Co-Eltern und das zu betreuende Kind regeln, angeboten.[23]

  • Christine Wimbauer: Co-Elternschaft. In: Lisa Yashodhara Haller, Alicia Schlender (Hrsg.): Handbuch feministische Perspektiven auf Elternschaft. Verlag Barbara Budrich, Opladen/Berlin/Toronto 2022, ISBN 978-3-8474-2367-6, S. 549–561.
  • Christine Wimbauer: Co-Parenting und die Zukunft der Liebe. Über post-romantische Elternschaft. transcript, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5503-2 (ssoar.info [PDF] freier Volltext).
  • Desirée Bender, Sandra Eck: Displaying Co-Elternschaft – normative Darstellungs- und Orientierungsmuster und ihre Überschreitung. In: Almut Peukert, Julia Teschlade, Christine Wimbauer, Mona Motakef, Elisabeth Holzleithner (Hrsg.): Elternschaft und Familie jenseits von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit. GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft. Sonderheft 5. Verlag Barbara Budrich, Opladen/Berlin/Toronto 2020, S. 44–59.
  1. Co-Elternschaft als neues Familienmodell - Vater, Mutter, Mutter, Kind. Abgerufen am 10. Dezember 2018.
  2. Daniela Teubert, Martin Pinquart: Coparenting: Das elterliche Zusammenspiel in der Kindererziehung. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht. Band 56, Nr. 3, 2009, ISSN 0342-183X, S. 161–171.
  3. James P. McHale, Regina Kuersten-Hogan: Introduction: The Dynamics of Raising Children Together. In: Journal of Adult Development. Band 11, Nr. 3, ISSN 1068-0667, S. 163–164, doi:10.1023/B:JADE.0000035798.74058.ef (springer.com [abgerufen am 12. Februar 2017]).
  4. Neue Familienform „Co-Parenting“: Keine Liebesbeziehung, aber ein Kinderwunsch. Pressemeldung der Paris Lodron Universität Salzburg. 6. Juli 2022, abgerufen am 2. Juni 2023.
  5. Co-Parenting: Forscherin für rechtliche Regeln für neue Familienform. In: Der Standard. 14. November 2022, abgerufen am 13. Juni 2023.
  6. Lisa Breit: Co-Parenting: Mama und Papa sind Freunde. In: Der Standard. 19. Januar 2022, abgerufen am 31. August 2023.
  7. Christine Wimbauer: Co-Parenting und die Zukunft der Liebe. Über post-romantische Elternschaft. transcript, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5503-2, S. 206 (ssoar.info [PDF; abgerufen am 31. August 2023] freier Volltext).
  8. Jenny Becker: Allein zusammen erziehend. In: Die Zeit. 5. Januar 2017 (Online).
  9. Vasanti Jadva, Tabitha Freeman, Erika Tranfield, Susan Golombok: 'Friendly allies in raising a child': a survey of men and women seeking elective co-parenting arrangements via an online connection website. In: Human Reproduction. Band 30, Nr. 8, 2015, S. 1896–1906, hier S. 1897, doi:10.1093/humrep/dev120 (englisch, oup.com).
  10. Anja Sokolow: Zukunftsforscher: Partner zum Kinderkriegen? Letzte Chance Internet. In: DIE WELT. 2. April 2016 (welt.de [abgerufen am 5. März 2020]).
  11. Lydia Ottlewski: Building and Strengthening Community at the Margins of Society through Social Enterprise. In: Sustainability. Band 13, Nr. 21, 31. Oktober 2021, doi:10.3390/su132112046 (englisch, mdpi.com).
  12. Sonja Hartwig: Kinderwunsch: "Zu mir sagen Leute: Keine Kinder? Dann wolltest du es nicht wirklich!" In: Die Zeit. 2. Februar 2017, abgerufen am 26. Februar 2017.
  13. Dorit Segal-Engelchin, Pauline I. Erera, Julie Cwikel: The Hetero-Gay Family: An Emergent Family Configuration. In: Journal of GLBT Family Studies. Band 1, Nr. 3, 2005, S. 85–104, doi:10.1300/J461v01n03_04 (englisch, org.il [PDF]).
  14. Dorit Segal-Engelchin, Pauline I. Erera, Julie Cwikel: Having It All? Unmarried Women Choosing Hetero-Gay Families. In: Affilia. Band 27, Nr. 4, 2012, S. 391–405, doi:10.1177/0886109912464534 (englisch, researchgate.net).
  15. Alicia Schlender: Who Cares? Sorgearbeit in Co-Elternschaften. In: Anna Buschmeyer, Claudia Zerle-Elsäßer (Hrsg.): Komplexe Familienverhältnisse. Wie sich das Konzept 'Familie' im 21. Jahrhundert wandelt. Westphälisches Dampfboot, Münster 2020, ISBN 978-3-98634-116-9, S. 184–213, hier S. 193.
  16. Luise Rau: Co-Parenting: Elternschaft ohne Liebesbeziehung. In: utopia.de. 27. Januar 2021, abgerufen am 28. August 2023.
  17. Alicia Schlender: Who Cares? Sorgearbeit in Co-Elternschaften. In: Anna Buschmeyer, Claudia Zerle-Elsäßer (Hrsg.): Komplexe Familienverhältnisse. Wie sich das Konzept 'Familie' im 21. Jahrhundert wandelt. Westphälisches Dampfboot, Münster 2020, ISBN 978-3-98634-116-9, S. 184–213.
  18. Sachstand. Gesetzliche Regelungen der Elternschaft. Ein Überblick über Regelungen der Elternschaft und die Möglichkeit einer Mehrelternschaft in verschiedenen Rechtsordnungen. Deutscher Bundestag, 2018, S. 9, abgerufen am 30. August 2023.
  19. Christine Wimbauer: Co-Parenting und die Zukunft der Liebe. Über post-romantische Elternschaft. transcript, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5503-2, S. 190 (ssoar.info [PDF; abgerufen am 31. August 2023] freier Volltext).
  20. Twee moeders, twee vaders: volgt nu ook de wet? Nederlandse Omroep Stichting, 6. Dezember 2016, abgerufen am 26. Februar 2017 (niederländisch).
  21. Art. 1:253sa BW | BW1 Artikel 253sa, auf burgerlijkwetboekonline.nl
  22. Lissy Kaufmann: Co-Parenting. „Wir teilen uns ein Kind“. In: deutschlandfunkkultur.de. 3. Februar 2017, abgerufen am 31. August 2023.
  23. Michael Dempster: Mix and Match: Profile of a modern Israeli family. In: The Jerusalem Post. 2. Juni 2017, abgerufen am 31. August 2023 (englisch).