Collectio Sanblasiana

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Die Collectio Sanblasiana (auch Collectio Italica) ist eine umfangreiche kanonische Sammlung, die wahrscheinlich in Italien (Rom?) im 6. Jahrhundert entstanden ist. Sie enthält vor allem Kanones von Synoden und Dekretalen. Die Sanblasiana ist eng verwandt mit der Collectio Colbertina und der Diessensis prima.

Der übliche Titel als Sanblasiana, Collectio Sancti Blasii oder auch „Sammlung der Handschrift von St. Blasien“ geht auf Friedrich Maassen zurück und leitet sich vom zwischenzeitlichen Aufenthaltsort der heute im Stift St. Paul im Lavanttal befindlichen Handschrift im Kloster St. Blasien her. Eckhard Wirbelauer hat 1993 die Umbenennung der Sammlung in Collectio Italica nach ihrem Entstehungsort vorgeschlagen.

Quellen, Inhalt und Gliederung

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Beginn der Collectio Sanblasiana in der Handschrift Köln, Dombibliothek, Cod. 213, fol. 1r.

Die Sammlung ist teils nach Rechtsquellen, teils chronologisch geordnet; es gibt keine durchgehende Zählung nach Kapiteln oder anderen Sinnabschnitten. Inhalt und Gliederung schwanken von Handschrift zu Handschrift. Alle Handschriften sind, entweder im Haupttext oder in zeitnahen Glossen, von der Collectio Dionysiana beeinflusst; die Ergänzungen müssen aber nicht aus Entstehungszeit der Sammlung stammen, sondern könnten auf die Entstehungszeit der Handschriften zurückgehen.[1]

Eckhard Wirbelauer teilt die Sammlung in fünf Abschnitte ein:[2] Zuerst Synodalkanones (von Nicäa bis Chalcedon, aber nicht in chronologischer Reihenfolge), dann die unechten Symmachianischen Dokumente, dann drittens echte Briefe der Päpste von Siricius bis Leo I., dann theologische Erörterungen zu grundlegenden Fragen des Glaubens sowie fünftens Anhänge, in denen unter anderem Schreiben Gelasius’ I. enthalten sind. Wirbelauer interpretiert die Sammlung als ein Dokument aus dem Streit zwischen Symmachus und Laurentius, und zwar als „Werk eines gemäßigten Symmachus-Anhängers“.[3]

Elliot teilt die Sammlung, wie sie in der Kölner Handschrift (Sigle: C2) enthalten ist, in 34 Kapitel ein.

Vier der sieben von Elliot untersuchten Handschriften der Sanblasiana enthalten auch das Decretum Gelasianum.

Die Sanblasiana scheint im Frühmittelalter einen erheblichen Einfluss gehabt zu haben, sowohl in Italien als auch nördlich der Alpen. Sie wurde zur Kompilation jüngerer Sammlungen (Collectio Colbertina und Diessensis prima) herangezogen und ist in sieben Handschriften erhalten. Elliot unterscheidet dabei einen italienischen (λ) und einen nordeuropäischen Überlieferungszweig (κ).

Maassen hatte die heute in Sankt Paul aufbewahrte Handschrift ins sechste Jahrhundert datiert und sie als der Urfassung am ähnlichsten bezeichnet. Diese Frühdatierung ist in der jüngeren Forschung aufgegeben worden. Elliot hat argumentiert, dass die Maassen unbekannte Handschrift aus der Sammlung Phillipps (olim Cheltenham MS 17849) der verlorenen Urfassung näher sein könnte.[4]

Die erhaltenen Handschriften stammen aus dem achten bis neunten Jahrhundert und sind ungewöhnlich aufwändig hergestellt worden, zumal im Vergleich zu anderen Abschriften kanonistischer Sammlungen. Elliot nennt die Handschriften Paris, BnF, lat. 3836 und Köln, Dombibliothek, Cod. 213 die mit Abstand spektakulärsten und wertvollsten kanonistischen Handschriften des Frühmittelalters („by far the most spectacular and precious canon law manuscript to survive from the early medieval West“).[5]

Auffällig ist, dass die Kopisten sogar Glossen mitkopierten und anscheinend bemüht waren, das Layout ihrer unmittelbaren Vorlage nachzuahmen.

Es gibt keine vollständige gedruckte Ausgabe der Sammlung. Die Konzilskanones der Sanblasiana wurden unter anderem von Cuthbert Turner, Eduard Schwartz und Charles Munier für ihre Editionen von Beschlüssen ökumenischer Konzilien herangezogen; auch Hubert Wurm, Klaus Zechiel-Eckes, Eckhard Wirbelauer, Wolfgang Stürner, Glen L. Thompson und Michael Elliot haben unterschiedlich umfangreiche Teile der Sammlung transkribiert oder ediert.[6] Die vollständigste Transkription hat Michael Elliot vorgenommen, der 2017 auf Basis umfangreicher Kollationierung auch ein Stemma codicum vorgeschlagen hat, das weitgehend das von Turner (auf schmalerer Basis entwickelte) Modell bestätigt hat.[7]

  • Collectio Sanblasiana. In: Clavis canonum. Wiki zur MGH-Datenbank Clavis canonum.
  • Michael Elliot: Collectio canonum Sanblasiana: Manuscripts, Contents, Tradition. In: academia.edu. 16. Mai 2017, archiviert vom Original am 1. Mai 2024; abgerufen am 1. Mai 2024 (englisch).

Einzelnachweise

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  1. Michael Elliot: Canon Law Collections in England ca. 600–1066: The Manuscript Evidence. PhD thesis, University of Toronto 2013, S. 243.
  2. Eckhard Wirbelauer: Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498–514). Studien und Texte (= Quellen und Forschungen zur antiken Welt. Band 16). tuduv, München 1993, S. 123.
  3. Eckhard Wirbelauer: Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498–514). Studien und Texte (= Quellen und Forschungen zur antiken Welt. Band 16). tuduv, München 1993, S. 127.
  4. Michael Elliot: Canon Law Collections in England ca. 600–1066: The Manuscript Evidence. PhD thesis, University of Toronto 2013, S. 241–244.
  5. Michael Elliot: Collectio canonum Sanblasiana: Manuscripts, Contents, Tradition. In: academia.edu. 16. Mai 2017, archiviert vom Original am 1. Mai 2024; abgerufen am 1. Mai 2024 (englisch).
  6. Michael Elliot: Collectio canonum Sanblasiana. In: Anglo-Saxon Canon Law. 20. August 2012, abgerufen am 2. Mai 2024 (englisch).
  7. Michael Elliot: Collectio canonum Sanblasiana: Manuscripts, Contents, Tradition. In: academia.edu. 16. Mai 2017, archiviert vom Original am 1. Mai 2024; abgerufen am 1. Mai 2024 (englisch).