DISCERN-Instrument

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das DISCERN-Instrument ist ein Instrument, das den Nutzern von Gesundheitsinformationen helfen soll, die Qualität von schriftlichen Informationen über gesundheitsbezogene Behandlungsentscheidungen zu beurteilen.[1]

Es gibt eine Fülle von schriftlichen Patienteninformationen über Behandlungsalternativen von den verschiedensten Anbietern. Nicht alle diese Informationen haben eine gute Qualität, und nur ein kleiner Anteil basiert auf hochwertigen wissenschaftlichen Nachweisen. Viele der verfügbaren Publikationen enthalten ungenaue oder verwirrende Empfehlungen, und es kann schwierig zu entscheiden sein, welche Informationen genutzt und welche verworfen werden sollten.

DISCERN ist ein Instrument bzw. Hilfsmittel, das entwickelt wurde, um Nutzern von Patienteninformationen zu helfen, die Qualität von Patienteninformationen über Behandlungsalternativen einzuschätzen.[2] Es wurde 1998 von einer Forschergruppe um an der Universität Oxford (England) entwickelt und 1999 publiziert.[3][4] Im selben Jahr wurde die deutschsprachige Version von Magnus Lerch und Marie-Luise Dierks von der Medizinischen Hochschule Hannover erarbeitet und gemeinsam mit dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin im Internet veröffentlicht.[5] DISCERN wurde ursprünglich für den Gebrauch bei gedruckten Patienteninformationen entwickelt. Das Instrument wird aber ebenso erfolgreich für die Bewertung von Patienteninformationen im Internet genutzt.[6]

Kurzübersicht über die DISCERN-Kriterien[7]
Eine qualitativ gute Publikation über Behandlungsalternativen wird:
1. Klare Ziele haben
2. Ihre Ziele erreichen
3. Für den Nutzer bedeutsam sein
4. Ihre Informationsquellen klar benennen
5. Das Erstellungsdatum der Informationen klar benennen
6. Ausgewogen und unbeeinflusst sein
7. Zusätzliche Informationsquellen aufführen
8. Auf Bereiche von Unsicherheit hinweisen
9. Die Wirkungsweise eines Behandlungsverfahrens beschreiben
10. Den Nutzen eines Behandlungsverfahrens beschreiben
11. Die Risiken eines Behandlungsverfahrens beschreiben
12. Die Folgen einer Nicht-Behandlung beschreiben
13. Die Auswirkungen von Behandlungsverfahren auf die Lebensqualität beschreiben
14. Verdeutlichen, dass mehr als ein mögliches Behandlungsverfahren existieren könnte
15. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung (shared decision-making) unterstützen

Die DISCERN-Fragen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

DISCERN besteht aus 15 Schlüsselfragen sowie einer Bewertung der Gesamtqualität. Jede der 15 Schlüsselfragen repräsentiert ein eigenes Qualitätskriterium, das heißt ein entscheidendes Merkmal qualitativ guter Informationen über Behandlungsalternativen.

Die Fragen von DISCERN sind in drei Abschnitte unterteilt:

  1. Abschnitt 1 (Fragen 1–8) befasst sich mit der Zuverlässigkeit der Publikation und soll beurteilen helfen, ob die Publikation vertrauenswürdige Informationen für eine Entscheidungsfindung liefert.
  2. Abschnitt 2 (Fragen 9–15) konzentriert sich auf bestimmte Einzelheiten der Information über Behandlungsalternativen.
  3. Abschnitt 3 (Frage 16) beinhaltet die abschließende Bewertung der Gesamtqualität am Ende des Instruments.

Die Bewertungsskala

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jede Frage wird auf einer 5-Punkt-Skala, die von Nein (1) bis Ja (5) reicht, bewertet. Die Bewertungsskala soll verdeutlichen, ob das Qualitätskriterium der jeweiligen Frage vorhanden ist oder von der Publikation „erfüllt“ wird.

Nein Teilweise Ja
1 2 3 4 5

Allgemein gilt Folgendes:

  • Ja (5) sollte vergeben werden, wenn die Antwort der bewertenden Person(en) auf die Frage eindeutig „Ja“ ist: Qualitätskriterium wird vollständig erfüllt.
  • Teilweise (2–4) sollte vergeben werden, wenn die Publikation nach der Meinung der bewertenden Person(en) das Qualitätskriterium in der Frage in einem gewissen Ausmaß erfüllt. Wie hoch oder niedrig „Teilweise“ eingeschätzt wird, hängt davon ab, wie hoch die bewertende Person die Mängel beurteilt.
  • Nein (1) sollten vergeben werden, wenn die Antwort auf die Frage eindeutig „Nein“ ist: das Qualitätskriterium wird überhaupt nicht erfüllt.[8]

Abschnitt 1: Ist die Publikation zuverlässig?

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Sind die Ziele der Publikation klar?
  2. Erreicht die Publikation ihre selbstgesteckten Ziele?
  3. Ist die Publikation für Sie bedeutsam?
  4. Ist die Publikation für Sie bedeutsam?
  5. Ist klar angegeben, wann die Informationen, die in der Publikation verwendet und wiedergegeben werden, erstellt wurden?
  6. Ist die Publikation ausgewogen und unbeeinflusst geschrieben?
  7. Enthält die Publikation detaillierte Angaben über ergänzende Hilfen und Informationen?
  8. Äußert sich die Publikation zu Bereichen, für die keine sicheren Informationen vorliegen?

Abschnitt 2: Wie gut ist die Qualität der Informationen zu Behandlungsalternativen?

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Beschreibt die Publikation die Wirkungsweise jedes Behandlungsverfahrens?
  2. Beschreibt die Publikation den Nutzen jedes Behandlungsverfahrens?
  3. Beschreibt die Publikation die Risiken jedes Behandlungsverfahrens?
  4. Beschreibt die Publikation mögliche Folgen einer Nicht-Behandlung?
  5. Beschreibt die Publikation, wie die Behandlungsverfahren die Lebensqualität beeinflussen?
  6. Ist klar dargestellt, dass mehr als ein mögliches Behandlungsverfahren existieren kann?
  7. Ist die Publikation eine Hilfe für eine „gemeinsame Entscheidungsfindung“ (das sogenannte shared decision-making)?

Abschnitt 3: Gesamtbewertung der Publikation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Bewerten Sie abschließend auf der Grundlage der Antworten auf alle vorausgehenden Fragen die Publikation hinsichtlich ihrer Gesamtqualität als Informationsquelle über Behandlungsalternativen.

Zu allen Fragen gibt das Instrument ausführliche Hinweise zur Bedeutung einer Frage, ihrer Bewertung sowie Leitlinien für die Bewertung der Frage.

Beispiel: Anleitung zur Bewertung von Frage 16

Worum es in der Frage geht und warum sie wichtig ist
Die Frage 16 ist eine "intuitive Zusammenfassung" Ihrer Antworten auf die vorhergehenden 15 Fragen. Alle Publikationen werden Mängel aufweisen, und es ist unwahrscheinlich, dass eine einzelne Publikation bei allen Fragen eine hohe Wertung erreicht. Dennoch sollten Sie nach der Bearbeitung aller Fragen von DISCERN ein gewisses Gefühl für die Gesamtqualität der Publikation entwickelt haben, das Ihnen bei der Entscheidung helfen wird, ob die Publikation eine nützliche und geeignete Informationsquelle über Behandlungsalternativen ist.

Bewertung der Frage
Die folgenden Leitlinien sollen Ihnen bei der Bewertung dieser Frage helfen, aber Ihre persönliche Einschätzung ist ebenfalls sehr wichtig. Es mag Sie ermutigen zu wissen, dass während der Entwicklung und Überprüfung des DISCERN-Instruments die Nutzer unabhängig voneinander sehr ähnliche Entscheidungen über die Gesamtqualität der Publikationen, die sie zu bewerten hatten, getroffen haben, obwohl keine besonderen Anweisungen für diese Frage vorgegeben wurden. DISCERN soll Ihnen helfen, Ihre Kritikfähigkeit zu entwickeln; also - vertrauen Sie Ihrer eigenen Meinung!

Leitlinien für die Bewertung der Frage

  • Hoch (5): Die Publikation wurde bei der Mehrzahl der Fragen hoch (4 oder höher) bewertet. Eine hohe Bewertung der Gesamtqualität weist die Publikation als qualitativ "gut" aus - sie ist eine nützliche und geeignete Informationsquelle über Behandlungsalternativen.
  • Mittel (3): Die Publikation wurde bei ähnlich vielen Fragen hoch und niedrig bewertet, oder die Mehrzahl der Fragen wurde im mittleren Bereich (3) bewertet. Eine mittlere Bewertung der Gesamtqualität weist die Publikation als qualitativ "recht ordentlich" aus - sie ist eine nützliche Informationsquelle über Behandlungsalternativen, hat aber einige Mängel. Zusätzliche Informationen oder Hilfen werden unbedingt nötig sein.
  • Niedrig (1): Die Publikation wurde bei der Mehrzahl der Fragen niedrig (2 oder weniger) bewertet. Eine niedrige Bewertung der Gesamtqualität weist die Publikation als qualitativ "mangelhaft" aus - sie hat ernsthafte Mängel und ist keine nützliche oder geeignete Informationsquelle über Behandlungsalternativen. Sie ist wahrscheinlich ohne jeglichen Nutzen und sollte nicht verwendet werden.“
[9]

DISCERN wurde in verschiedene Sprachen übersetzt und wird weltweit eingesetzt.[10][11][12][13][14][15][16]

Unter anderem diente das Instrument als Grundlage für weitere Bewertungsinstrumente, so zum Beispiel für die Qualitätskriterien für verlässliche Gesundheitsportale des Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz (siehe Programm Verlässliches Gesundheitswissen).

  • discern.de, Website des deutschen DISCERN-Projektteams, Hannover und Berlin Mai 2005
  • www.discern.org.uk, Website des englischen DISCERN-Projektteams, Oxford Oktober 1999

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Sylvia Sänger, Guido Noelle, Anette Huth, Ramona Christ, Jens Nickel, Günter Ollenschläger: Patienteninformation im Web: Patienten stärken durch vertrauenswürdige Information. In: Dtsch Arztebl. Band 100, 40 (SUPPLEMENT: Praxis Computer), S. 15–17 (aerzteblatt.de).
  2. Magnus Lerch, Marie-Luis Dierks, Günter Ollenschläger, Sylvia Sänger: DISCERN-Online. Qualitätskriterien für Patienteninformationen. In: discern.de. Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinische Hochschule Hannover, Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, 8. Mai 2005, abgerufen am 9. Oktober 2024.
  3. Sasha Shepperd, Deborah Charnock: DISCERN: Why DISCERN? In: Health Expectations. Band 1, Nr. 2, November 1998, ISSN 1369-6513, S. 134–135, doi:10.1046/j.1369-6513.1998.0112a.x, PMID 11281867, PMC 5139898 (freier Volltext) – (wiley.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  4. D. Charnock, S. Shepperd, G. Needham, R. Gann: DISCERN: an instrument for judging the quality of written consumer health information on treatment choices. In: Journal of Epidemiology & Community Health. Band 53, Nr. 2, 1. Februar 1999, ISSN 0143-005X, S. 105–111, doi:10.1136/jech.53.2.105, PMID 10396471 (bmj.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  5. Marie-Lusie Dierks, Magnus Lerch, Günter Ollenschläger: DISCERN - ein Instrument zur Bewertung der Qualität von Gesundheitsinformationen. In: Public Health Forum. Band 7, Nr. 4, 1. Oktober 1999, ISSN 1876-4851, S. 16–17, doi:10.1515/pubhef-1999-1659 (degruyter.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  6. D. Charnock: Learning to DISCERN online: applying an appraisal tool to health websites in a workshop setting. In: Health Education Research. Band 19, Nr. 4, 20. Mai 2004, ISSN 1465-3648, S. 440–446, doi:10.1093/her/cyg046 (oup.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  7. DISCERN-Online - Qualitätskriterien für Patienteninformationen - Kurzübersicht. 6. Oktober 2024, abgerufen am 9. Oktober 2024.
  8. DISCERN-Online - Qualitätskriterien für Patienteninformationen - Allgemeine Anleitung. Abgerufen am 9. Oktober 2024.
  9. Hinweise zur Frage 16, DISCERN online. Abgerufen am 9. Oktober 2024.
  10. S Sänger, J Nickel, A Huth, G Ollenschläger: Gut informiert über Gesundheitsfragen, aber wie? - Das Deutsche Clearingverfahren für Patienteninformationen - Zielsetzung, Hintergrund und Arbeitsweise -. In: Das Gesundheitswesen. Band 64, Nr. 07, Juli 2002, S. 391–397, doi:10.1055/s-2002-32812 (thieme-connect.de [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  11. S. Janssen, F. B. Fahlbusch, L. Käsmann, D. Rades, D. Vordermark: Radiotherapy for prostate cancer: DISCERN quality assessment of patient-oriented websites in 2018. In: BMC Urology. Band 19, Nr. 1, 28. Mai 2019, ISSN 1471-2490, S. 42, doi:10.1186/s12894-019-0474-4, PMID 31138209, PMC 6537434 (freier Volltext) – (biomedcentral.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  12. Dana Saleh, Jolene H. Fisher, Steeve Provencher, Zhiying Liang, Christopher J. Ryerson, Jason Weatherald: A Systematic Evaluation of the Quality, Accuracy, and Reliability of Internet Websites about Pulmonary Arterial Hypertension. In: Annals of the American Thoracic Society. Band 19, Nr. 8, August 2022, ISSN 2329-6933, S. 1404–1413, doi:10.1513/AnnalsATS.202103-325OC (atsjournals.org [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  13. Vishak Ms, Adwaith Krishna Surendran, Nandini B Krishnan, Kalaiarasi Raja: Digital Health Literacy: Evaluating the Readability and Reliability of Cochlear Implant Patient Information on the Web. In: Indian Journal of Otolaryngology and Head & Neck Surgery. Band 76, Nr. 1, Februar 2024, ISSN 2231-3796, S. 987–991, doi:10.1007/s12070-023-04341-9, PMID 38440512, PMC 10908950 (freier Volltext) – (springer.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  14. Denise Jia Yun Tan, Tsz Ki Ko, Ka Siu Fan: The Readability and Quality of Web-Based Patient Information on Nasopharyngeal Carcinoma: Quantitative Content Analysis. In: JMIR Formative Research. Band 7, 27. November 2023, ISSN 2561-326X, S. e47762, doi:10.2196/47762, PMID 38010802, PMC 10714271 (freier Volltext) – (jmir.org [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  15. Theresa Steeb, Lydia Reinhardt, Matthias Harlaß, Markus Vincent Heppt, Friedegund Meier, Carola Berking: Assessment of the Quality, Understandability, and Reliability of YouTube Videos as a Source of Information on Basal Cell Carcinoma: Web-Based Analysis. In: JMIR Cancer. Band 8, Nr. 1, 11. März 2022, ISSN 2369-1999, S. e29581, doi:10.2196/29581, PMID 35275067, PMC 8956995 (freier Volltext) – (jmir.org [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  16. Julia Brütting, Theresa Steeb, Lydia Reinhardt, Carola Berking, Friedegund Meier: Exploring the Most Visible German Websites on Melanoma Immunotherapy: A Web-Based Analysis. In: JMIR Cancer. Band 4, Nr. 2, 13. Dezember 2018, ISSN 2369-1999, S. e10676, doi:10.2196/10676, PMID 30545808, PMC 6315239 (freier Volltext) – (jmir.org [abgerufen am 9. Oktober 2024]).