Der Montag Morgen

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Der Montag Morgen

Titelschriftzug Der Montag Morgen
Beschreibung Berliner Wochenzeitung
Fachgebiet Politik, Wirtschaft, Kultur
Sprache Deutsch
Verlag Morgen-Verlag, Neue Berliner Zeitungs Gesellschaft (Deutschland)
Hauptsitz Berlin
Erstausgabe 1923
Einstellung 1933
Gründer Stefan Großmann,
Leopold Schwarzschild
Chefredakteure Stefan Großmann,
Leopold Schwarzschild,
Carl von Ossietzky
Herausgeber Stefan Großmann,
Leopold Schwarzschild
ZDB 90672-4

Der Montag Morgen (M. M.) war eine deutsche Wochenzeitung, die von 1923 bis 1933 in Berlin als Montagszeitung erschien. Sie wurde von Stefan Großmann und Leopold Schwarzschild herausgegeben. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Wochenzeitung Montag-Morgen in Wien[1] oder der Wochenausgabe Montag Morgen des Brünner Tageblatts in Brünn (Brno).[2]

Zeitungstyp, Inhalt und Gestaltung

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Der Montag Morgen, wie im Titellogo von den Berlinern meist M. M. genannt, war eine Wochenzeitung, die trotz des Namens bereits am Sonntag erschien. Sie gehörte zu einem besonderen Marktsegment auf dem Berliner Zeitungsmarkt. So gut wie alle Berliner Tageszeitungen erschienen mit einer großen Sonntagsausgabe, am Montag jedoch nicht, oder ihr Verlag brachte eine kleine oder illustrierte oder anders gestaltete Ausgabe heraus.[3] Zu den Berlin-typischen Montagszeitungen gehörten auch Berliner Montagspost (Montag-Morgen-Ausgabe der Ullstein-Zeitungen), Der Montag (Untertitel später: Die illustrierte Montagszeitung Ausgabe des Berliner Lokal-Anzeigers, Verlag Scherl im Hugenberg-Konzern), Die Welt am Montag, sowie die Deutsche Montagszeitung.

Die bekannten Publizisten Stefan Großmann und Leopold Schwarzschild arbeiteten bereits erfolgreich bei Das Tage-Buch zusammen, als sie 1923 Der Montag Morgen gründeten. Großmann schwebte „eine große Zeitung der jungen Leute“ vor.[4]

Die Zeitung war konzern- und parteiunabhängig und führte eine spitze Feder. Einige der bekanntesten Journalisten, Publizisten und Literaten der Epoche zählten zu ihren Autoren, darunter Erich Kästner, Carl von Ossietzky, Heinrich Mann, Thomas Mann, Willy Haas, Kurt Reinhold und Hans Sahl. Der politische Teil wurde stark von Leopold Schwarzschild geprägt, der rund hundert Artikel für den M. M., meist Leitartikel, verfasste.[5]

Politik, Wirtschaft, Lokales und Feuilleton waren die Schwerpunkte, daneben gab es einen Sport- und Auto-Teil. Der ausführliche Kulturteile hatte Sparten wie „Filme der Woche“, „Theater der Woche“, Tonträger in „Die Platte – Was man hören sollte“, Gedichte in „Der blaue Montag“, Witze und „Dummheiten der Woche“. Zu den Texten, die in der Gegenwart wieder aufgelegt worden sind, zählen Erich Kästners von 1928 bis 1930 publizierte humorvolle Montagsgedichte.[6]

Meist erschien die Zeitung mit 12 Seiten. Das Layout war vierspaltig. Nur selten brachte die Zeitung Fotos. Zeichnungen waren meist die einzigen Illustrationen. Das Anzeigenaufkommen war klein. Die Werbekunden stammten vor allem aus dem Kultur- und Unterhaltungssektor (Theater, Film, Veranstaltungen) und aus der Autobranche in der Automobil-Beilage.

Der M. M. war populär aufgemacht, teilweise boulevardesk. Auch wenn es selten Illustrationen gab, gaben die großen Schlagzeilen und sehr kurzen Texte und Textkästen dem Blatt eine bildartige Gestalt. Der Inhalt hatte die Tendenz, Kritik und investigative Recherchen reißerisch oder skandalisierend zu entwickeln und polemisch zu kommentieren. Die Publizistikwissenschaftlerin Ulrike Dulinski zählt den MM daher zur Berliner Boulevardpresse und zum Sensationsjournalismus.[7]

Politische Haltung und Konflikte

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Die politische Haltung wurde unterschiedlich wahrgenommen. Oft wird sie als nicht doktrinär links oder linksliberal beschrieben. Sie stand deutlich links von der Deutschen Demokratischen Partei, ohne zur Publizistik der Sozialdemokratie zu zählen. Auf der nationalistischen Rechten wurde die Zeitung als „Kampfblatt“ wahrgenommen. In der Tat stand sie für einen kämpferischen Journalismus, und sie zog dabei eine Vielzahl politischer Angriffe als auch Presserechts- und Strafverfahren auf sich.

Walther Oschilewski zählt den M. M. zu den „gradlinigen Blättern des demokratischen Republikanismus“.[8] Der Publizistikforscher Karsten Schilling umschreibt das Blatt als „republikanisch, linksliberal, modern, feste Unterteilung des Inhalts in diverse Beilagen und Sparten, Schwerpunkt auf lokaler Berichterstattung“ sowie als „klein aber überaus fein“ und „wahres für Kinder der Weimarer Republik“.[9] Der frühere britische Presseoffizier Peter de Mendelssohn nannte den M. M. in seinem Geschichtswerk Zeitungsstadt Berlin „die journalistisch weitaus beste der Berliner Montagszeitungen“, aber auch „ein echtes Kind der polemikbesessenen Zwanziger Jahre“.[10] Der Literaturwissenschaftler und Kästner-Experte Remo Hug hebt ebenfalls die Polemik hervor: „Polemische, aggressive linksdemokratische Wochenzeitung; republikanisch, antifaschistisch, pazifistisch. Erklärte Feinde: die Nationalisten, die Großindustriellen, die Hochfinanz und die Hugenberg-Presse.“[11]

Zu den wichtigen politischen Köpfen zählte Carl von Ossietzky. Er löste Großmann im April 1924 als für Politik verantwortlicher Redakteur im Impressum ab; im Mai wurde er auch Mitverantwortlicher beim Tage-Buch. Ossietzky wurde im Januar 1925 mit Strafantrag bedroht, weil ein Artikel Außenminister Gustav Stresemann enge Kontakte zum Stahlhelm vorgeworfen hatte. Der Autor hatte dafür keinen Beweis. Der Antrag wurde zurückgenommen, nachdem der M. M. sich von der Behauptung öffentlich distanzierte und die Prozesskosten übernahm. Wegen des prominenten Prozesses blieb Ossietzky noch bei der Zeitung, obwohl zum März 1925 kündigen wollte. Berthold Jacob zufolge fühlte sich Ossietzky im Verlag nicht wohl, weil ihm die Herausgeber zu wenig Spielraum ließen und es auch zu politischen Differenzen kam. Er wechselte 1926 zur Zeitschrift Weltbühne, wo er sein Profil entscheidend schärfte.[12][13]

Ossietzkys Freund Berthold Jacob betrieb die Berliner Zeitungskorrespondenz Zeit-Notizen und belieferte auch den M. M. Seine Enthüllung „Kronprinzensohn in der Reichswehr“ löste am 26. September 1926 die so genannte Prinzenaffäre um eine Manöverteilnahme von Prinz Wilhelm von Preußen aus, die Reichswehrminister Otto Geßler (DDP) massiv unter Druck setzte und in deren Folge der Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, zum Rücktritt gezwungen wurde.[14]

1928 schied Großmann aus gesundheitlichen Gründen aus. In der Weltwirtschaftskrise war Schwarzschild, der Alleinherausgeber geworden war, Mitte 1931 gezwungen, den M. M. zu verkaufen, um das wesentlich bedeutendere Tage-Buch erhalten zu können.[15] Großmann kehrte 1932 als Redaktionsleiter und Autor zurück. Im März 1933, nach Adolf Hitlers Regierungsantritt und Beginn der Diktatur, entging er der Verhaftung aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands, er wurde aber ausgewiesen. Die Zeitung zog sich auf Lokalberichterstattung zurück. Am 19. Juni 1933 verbot die nationalsozialistische Regierung durch das Geheime Staatspolizeiamt die Zeitung auf der Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933.[16]

Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg

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1946 wurde kurzzeitig versucht, den Titel wiederzubeleben. Als die SPD-nahe Tageszeitung Telegraf mit der Lizenz Nr. 19 der britischen Militärregierung am 22. März 1946 auf den Markt kam, wählte Verleger Arno Scholz für die illustrierte Montagsausgabe den Namen Der Montag Morgen. Damit knüpfte er klar an den Vorgänger in der Weimarer Republik an. Von 1948 bis 1950 hieß sie Telegraf am Montag, dann von 1950 bis 1954 wieder Der Montag Morgen. 1950 hatte diese gesondert ausgewiesene Ausgabe laut IVW eine verkaufte Auflage von 74.000 Exemplaren.[17] Scholz stellte diese Ausgabe seiner Zeitung 1954 ein.

Bekannte Mitarbeiter

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  • R. J. Bornstein
  • Peter Brie
  • Axel Eggebrecht (1899–1991), Theater- und Filmkritiker 1923–1925
  • Stefan Großmann (1875–1935), Herausgeber und Chefredakteur 1923–1928, 1932–1933
  • Willy Haas (1891–1973), Publizist, Filmkritiker und Drehbuchautor
  • (Dr.) Arnold Hahn
  • Berthold Jacob (1898–1944), Journalist und Pazifist
  • Erich Kästner (1899–1974), Schriftsteller, Publizist, Drehbuchautor und Kabarettdichter
  • Heinrich Mann (1871–1950), Schriftsteller
  • Thomas Mann (1875–1955), Schriftsteller
  • (Dr.) Hugo Nathanson
  • Carl von Ossietzky (1889–1938), Journalist, Schriftsteller und Pazifist
  • Kurt Reinhold
  • Hans Sahl (1902–1993), Theater- und Filmkritiker ab 1925
  • Leopold Schwarzschild, Herausgeber und Chefredakteur 1923–1931
  • Karl Tschuppik (1876–1937), leitender Redakteur 1927–1933
  • Horst Walther
  • Erich Weinert (1890–1953), Schriftsteller
  • Wolfgang Zunk, Redakteur, um 1926
  • Behmer, Markus (1997). Von der Schwierigkeit, gegen Illusionen zu kämpfen. Der Publizist Leopold Schwarzschild. Leben und Werk vom Kaiserreich bis zur Flucht aus Europa. Lit: Münster.
  • De Mendelssohn, Peter (1959). Zeitungsstadt Berlin: Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse. Ullstein, Berlin, S. 267–268.
  • Kästner, Erich (2022). Die Montags-Gedichte. Atrium: Hamburg. [Gedichte der Rubrik „Der blaue Montag“, 1928–30]
  • Oschilewski, Walther Georg. (1975). „Montag Morgen, 1923 bis 1933“, in: Ders., Zeitungen in Berlin. Im Spiegel der Jahrhunderte. Berlin, Haude & Spener, S. 165f.
  • Schilling, Karsten (2011). „MM Der Montag Morgen“, in: Ders., Das zerstörte Erbe: Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait. BoD: Norderstedt, S. 368–374.

Einzelnachweise

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  1. ZDB-ID 3018025-9
  2. ZDB-ID 8211553
  3. Bömer, Karl (1928, 12. Mai). „Die Geschichte der Berliner politischen Presse in drei Jahrhunderten (1617-1928).“ Zeitungs-Verlag [Pressa-Sondernummer Die deutsche Zeitung – Ihr Werden, Wesen und Wirken], S. 5–17, hier S. 15.
  4. De Mendelssohn, Peter (1959). Zeitungsstadt Berlin: Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse. Ullstein, Berlin, S. 268.
  5. Behmer, Markus (2000). „Leopold Schwarzschild“. In: USA. Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Band 3 Teil 2. K. G. Saur, Berlin, S. 440–467, hier S. 445.
  6. Kästner, Erich (2022). Die Montags-Gedichte. Atrium: Hamburg. Kästner, Erich (2016). Die Montags-Gedichte. Mit einem Vorwort von Marcel Reich-Ranicki. Kommentiert von Jens Hacke. dtv: München.
  7. Dulinski, Ulrike (2003). Sensationsjournalismus in Deutschland. UVK, Universitätsverlag Konstanz, S. 146.
  8. Oschilewski, Walther Georg. (1975). „Montag Morgen, 1923 bis 1933“, in: Ders., Zeitungen in Berlin. Im Spiegel der Jahrhunderte. Berlin, Haude & Spener, S. 165.
  9. „MM Der Montag Morgen“, in: Schilling, Karsten (2011). Das zerstörte Erbe: Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait. BoD: Norderstedt, S. 368, 374.
  10. De Mendelssohn, Peter (1959). Zeitungsstadt Berlin: Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse. Ullstein, Berlin, S. 268.
  11. Hug, Remo (2006). Gedichte zum Gebrauch – Die Lyrik Erich Kästners. Königshausen & Neumann: Würzburg, S. 73
  12. Kraiker, Gerhard; Suhr, Elke (1994). Carl von Ossietzky. Rowohlt: Reinbek.
  13. Koplin, Raimund (1964). Carl von Ossietzky als politischer Publizist. Verlag Annedore Leber, Berlin.
  14. Der Montag Morgen (1926, 27. September). „Kronprinzensohn in der Reichswehr“, S. 1.
  15. Behmer, Markus (2000): Leopold Schwarzschild. In: USA. Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Band 3 Teil 2. K. G. Saur, Berlin, S. 440–467, hier S. 443.
  16. Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, 19. Juni 1933, S. 2, online, abgerufen am 28. Juni 2024.
  17. Informationsstelle zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW). Auflagenmeldungen 3. Vierteljahr 1950. Wiesbaden, online, abgerufen am 28. Juni 2024.