Diskussion:Die Chinesische Mauer
Stil der Farce
[Quelltext bearbeiten]Bei der Lektüre des Artikels entsteht (vermutlich von den Autoren unbeabsichtigt) der Eindruck von Tragik. Die Chinesische Mauer weist jedoch große Schnittmengen mit Friedrich Dürrenmatts später entstandenem Drama Die Physiker auf, nicht nur hinsichtlich des Themas (Verhalten der Menschen im Zeitalter einer möglichen Vernichtung der Menschheit), sondern auch wegen der Vorliebe für Groteskes.
Das Groteske ist nicht nur eine Widerspiegelung der Verrücktheit der „Mutually Assured Destruction“, d.h. der Bereitschaft der Befürworter der Strategie der atomaren Abschreckung, das Ende der Menschheit zu riskieren, sondern auch des Spielwitzes von Max Frisch, der in einer Vielzahl von Gags zum Ausdruck kommt.
Diese Gags, die bei aller Ernsthaftigkeit des Themas doch immer wieder ein Augenzwinkern ins Spiel bringen, kommen IMHO in der Darstellung des Inhalts noch zu kurz. -- CorradoX 16:35, 5. Jan. 2012 (CET)
- Hallo Corradox,
- dem Artikel fehlen sicher noch Abschnitte zum Stil und zur Interpretation. Ich habe mich für den ersten Entwurf nur auf Inhalt, Entstehungsgeschichte und Rezeption beschränkt. In einem solchen Stil-Abschnitt müsste man natürlich das parodistische Element oder die Frage Komödie/Tragödie/Farce etwas beleuchten. Wenn Du da Sekundärliteratur hast, um einen solchen Stilabschnitt zu schreiben, kannst Du das gerne machen. Ansonsten könnte ich auch noch mal kramen.
- Ich wäre allerdings nicht glücklich darüber, den Inhalt, bei dem ich mich bemüht habe, möglichst knapp alle relevanten Handlungsstränge wiederzugegeben, noch mit vielen Gags anzureichern. Und ich finde auch, dass Deine Ergänzung zur Einleitung dort nicht hinpasst, weil das doch für die Kurzzusammenfassung des vorigen Abschnitts viel zu unwesentlich und ablenkend. Deswegen würde ich den Abschnitt gerne wieder herausnehmen.
- Viele Grüße! --Magiers 17:01, 5. Jan. 2012 (CET)
- Hallo Magiers,
- Du hast Recht: Fragen der Konzeption oder des Stils gehören nicht in die Einleitung und auch nicht in die Zusammenfassung des Inhalts, sondern in einen eigenen Abschnitt. Insbesondere müssten dort die Definitionselemente des Artikels Farce (Theater) auf das konkrete Stück angewandt sowie dramentheoretische Äußerungen Frischs ausgewertet werden.
- Einen eigenen Abschnitt verdienen auch die literarischen Vorlagen, mit denen Frisch sich spielerisch befasst hat. Das Birchler-Zitat am Ende des Abschnitts „Frühere Fassungen“ z.B. müsste ausgebaut werden. Meine Aussage zur „Don Carlos“-Parodie könnte in dem neuen Abschnitt eingebaut werden.
- Viele Grüße! -- CorradoX 18:45, 5. Jan. 2012 (CET)
- Ich habe jetzt mal einen Form-Abschnitt gebastelt, der hoffentlich die wichtigsten Aspekte antippt. Das ist immer nicht ganz einfach mit der Sekundärliteratur: Jeder tippt immer nur einzelne Punkte an, und man muss ziemlich kramen, bis man alles beisammen hat (deswegen hatte ich mich ja auch davor gescheut - und scheue mich jetzt immer noch vor der Interpretation...) Viele Grüße! --Magiers 21:25, 5. Jan. 2012 (CET)
- Deine neuen Abschnitte empfinde ich als ausgesprochen gelungen. Allerdings habe ich, weil ich mir vorerst nicht anders zu helfen wusste, wieder einen neuen Aspekt in einen Abschnitt eingebaut, wohin er nicht optimal passt. Letztlich geht es darum, den Dunstkreis der 1940er bis 1960er Jahre zu verlassen und die Frage zu stellen, ob und inwieweit der „Heutige“ überhaupt „heutig“ ist, d.h. Fragen behandelt, die Menschen im Jahr 2012 interessieren.
- Die Fährte, die mich auf Die Chinesische Mauer geführt hat, ist die Vorgabe im niedersächsischen Zentralabitur im Fach Deutsch für das Jahr 2012, nach der sich alle Abiturienten in Niedersachsen mit Dürrenmatts Drama Die Physiker befassen müssen. Es ist offensichtlich, dass es große Schnittmengen zwischen beiden Dramen gibt (vor allem in Gestalt des Umstandes, dass die maßgeblichen Figuren von „Irrsinn“ befallen sind).
- In diesem Artikel müsste genauer herausgearbeitet werden, welche Aktualität eigentlich die Befassung mit dem Thema „Gefahr des Untergangs der Menschheit“ heute besitzt. Zu denken gibt mir in diesem Zusammenhang die Behauptung von Naturwissenschaftlern, auch mir persönlich gegenüber, wir lebten längst nicht mehr im Atomzeitalter (interessanterweise gibt es zu diesem Thema keinen Artikel in der deutschsprachigen WP).
- Die Aufgabe ist insofern schwierig, als es eine Renaissance des Stücks (noch) nicht gibt. Es wird immer noch recht selten von deutschsprachigen Theatern aufgeführt. --CorradoX 17:58, 6. Jan. 2012 (CET)
- Hallo Corradox,
- erst einmal danke für Dein Lob. Ich möchte Dich aber bitten, solche unbelegten Ergänzungen nicht in den Artikel einzubauen. Ich versuche mich immer sehr strikt an die Sekundärliteratur zu halten und mir meine eigenen Interpretationen zu verkneifen, damit alles sauber belegt ist. Jetzt steht etwa mit dem Beleg von Waldmann etwas von Kalter Krieg, Kapitalismus und Kommunismus im Artikel, wovon Waldmann nie gesprochen hat. Durch solche unbelegten Ergänzungen und eigenen Interpretationen entsteht am Ende ein Mischmasch, bei dem niemand mehr sagen kann, wie verlässlich er ist und woher die Aussagen im Einzelnen stammen. Gerade der Interpretationsabschnitt im Artikel zu Die Physiker ist dazu ein schönes Beispiel, siehe z.B. Diskussion:Die_Physiker#Lesenswert-Kandidatur vom 16.11. - 23.11.2008 (gescheitert)
- Dass dagegen noch etwas zur heutigen Sicht auf das Stück gesagt werden sollte, da gebe ich Dir völlig recht. Die Stern-Aussage ist da schon mal ein Anfang, und es gibt sicher auch noch Aussagen in der neueren Sekundärliteratur. Gerade auch der Vergleich mit den Physikern wäre da interessant, denn das Dürrenmatt-Stück ist ja im Gegensatz zur Chinesischen Mauer nach wie vor recht zeitlos. Aber wie gesagt: Reinschreiben möchte ich in den Artikel wirklich nur Belegtes. Und wenn man zu manchen Themen keine Aussagen findet, dann möchte ich lieber darauf verzichten.
- Gruß --Magiers 18:52, 6. Jan. 2012 (CET)
- Sorry, aber das geht auch nicht. Da machst Du aus einem Artikel der nichts mit Frisch zu tun hat, ein eigenes Essay über die heutige Wirkung des Stückes. Mal abgesehen von der Frage, ob sie überhaupt stimmen (Ende des Atomzeitalters - was ist mit Fukushima?, und hat das Stück wirklich "jeglichen Bezug zur Lebenswelt heutiger Zuschauer verloren"?), sind solche Aussagen bestenfalls Meinungen, die dann in den Artikel können, wenn sie ein relevanter Kritiker gemacht hat, aber nicht wir. Gruß --Magiers 19:36, 6. Jan. 2012 (CET)
Studententheater-Verfilmung
[Quelltext bearbeiten]Die Verfilmung des Studententheaters habe ich unter Weblinks verschoben. Eine Erwähnung im Text halte ich nicht für gerechtfertigt. Diese abgefilmte Laienaufführung ist ja doch etwas anderes als die Filmfassungen der Fernsehsender, die bisher im Artikel stehen. Unter Weblinks ist das aber m.E. gerechtfertigt, weil sich vielleicht doch der ein oder andere Leser das Stück so zu Gemüte führen möchte. Gruß --Magiers 21:43, 6. Jan. 2012 (CET)
Dicker Brocken „Gesamtinterpretation“
[Quelltext bearbeiten]@ Magiers
Mir scheint, dass neben dem sehr griffigen „Sintflut“-Zitat für eine Gesamtinterpretation noch eine zentrale Äußerung des Heutigen (als Sprachrohr Frischs) in der 3. Szene berücksichtigt werden müsste. Dort sagt der Heutige: „[D]ie anderen haben sie [die Wasserstoffbombe] auch. Und das ist das Gute daran, mit Verlaub; denn wer den anderen verbrennen will, weil er etwas anderes glaubt, verbrennt sich selbst.“
Das Zeitkolorit dieser Aussage ist unübersehbar: Der Heutige lobt die Strategie der atomaren Abschreckung, weil sie diejenigen, die nicht selbst brennen wollen, an der Entfachung des Weltenbrands hindert. Ein Transfer dieser Botschaft auf die Gegenwart (2012), auf die zivile Nutzung der Atomenergie oder gar auf das Thema Klimaschutz erscheint mir als problematisch.
Mit der These, mit dem 11. September 2001 sei das Atomzeitalter zu Ende gegangen, sympathisiere ich zwar nicht; sie scheint mir aber auch nicht abwegig zu sein: Wie will man Glaubensfanatiker, die Tausende anderer in ihren Suizid verwickeln, „abschrecken“? Wem soll man glaubhaft und zielführend mit „Massiver Vergeltung“ (d.h. dem Einsatz von Atomwaffen) drohen, wenn Terroraktionen religiöser Fanatiker begangen worden sind?
Möglicherweise erliegt Frisch derselben Atompsychose wie Dürrenmatt: Die Existenz von Atombomben, das hat sich gezeigt, führt keineswegs dazu, dass diejenigen, deren Restlebenserwartung mehr als zehn Jahre beträgt, nicht mehr damit rechnen können, eines natürlichen Todes zu sterben. Das Verschwinden der entsprechenden Zwangsvorstellung könnte ein Indiz dafür sein, dass das Atomzeitalter tatsächlich zu Ende ist.
Allerdings gehören entsprechende (natürlich zu belegende!) Erörterungen in den dringend zu verfassenden Artikel Atomzeitalter, wohin hier, in diesem Artikel, ein Link verweisen sollte. --CorradoX 12:46, 7. Jan. 2012 (CET)
- Hallo Corradox,
- dass das Stück unter einem gewissen "Atomschock" entstanden ist, ist klar und kommt im Artikel bei der Entstehungsgeschichte ja auch zum Ausdruck. Ich denke aber, Du verengst das Stück hier zu sehr. Die Wasserstoffbombe wird konkret an einer Handvoll Stellen angesprochen, das Stück selbst spielt aber in einem ganz anderen historischen Szenario und zeigt ja auch gerade die Austauschbarkeit der Epochen, den historischen Kreislauf. Die grundsätzliche Möglichkeit, der Menschheit, sich selbst auszulöschen, ist heute vielleicht nicht mehr neu, aber sie ist weiter ungebrochen vorhanden, sogar in ganz anderem Zusammenhängen als bloß in einem Krieg. Wenn man alle Stücke nur auf ihren zeitgenössischen Bezug verengen würde, warum spielt man die Klassiker dann heute noch? Übrigens halte ich auch die Physiker nicht für überholt, denn im Gegensatz zu Frischs Stück, das an manchen Stücken formal verstaubter wirkt und (wie Frisch halt so ist) sich auch oft nicht zwischen privater und politischer Absicht entscheiden kann, ist Dürrenmatts Stück formal wesentlich klarer und aus meiner Sicht dadurch zeitloser.
- Bei der Stelle zur militärischen Abschreckung bin ich nicht überzeugt, dass sie sehr zentral wäre. Ich finde über google books genau eine Stelle, an der sie interpretiert wird, und dort im Sinne, dass der Heutige hier "in die Psychologie des spanischen Königs steigt".
- Ich habe ja die letzten Tage mal quer durch die Sekundärliteratur gelesen. Weltanschauliche Einwände gegen das Stück habe ich dabei eigentlich kaum gefunden, auch nichts, dass es in diesem Sinne heute überholt wäre. Wenn Du da etwas findest, habe ich nichts dagegen, das aufzunehmen. Einwände sehe ich aber weniger gegen Frischs Intentionen, sondern eher die Frage, ob sie dramatisch wirksam umgesetzt sind. Ein Interpretationsabschnitt würde aber, nach meinem ersten Überblick, kaum gegen Frischs Meinungen Stellung beziehen, sondern sie eher ausbreiten.
- Gruß --Magiers 14:47, 7. Jan. 2012 (CET)
Nicht-aristotelisches Theater
[Quelltext bearbeiten]Es ist offensichtlich, dass Frisch sich von Brecht und Wilder formal zu seinem unkonventionellen Stück hat inspirieren lassen. Ein drittes Vorbild sollte man noch ergänzen: Ludwig Tieck und sein bereits 1797 veröffentlichtes Drama Der gestiefelte Kater. Typisch für dieses Stück ist die gehäuft vorkommende „Pseudo-Spontaneität“ von Figuren, die scheinbar „aus der Rolle fallen“, aber eben nur scheinbar, da alles, was im Text steht, nicht wirklich spontan sein kann.
So ist es in Die Chinesisches Mauer überaus merkwürdig, dass ein Conférencier wie der Heutige, der das Publikum durch das Stück führen soll, völlig unvorbereitet Philipp II. begegnet und es sich nicht verkneifen kann, „spontan“ von seinem Besuch im Schlafzimmer des Königs zu erzählen. Dass er sich durch Kellner, die ihrem Dienst nachgehen, aus dem Konzept bringen lässt, ist nicht minder merkwürdig, ebenso seine Rede von vier Freiheiten (Posa fordert nur eine Freiheit, nämlich die Gedankenfreiheit). Der Heutige kann nur froh sein, dass äußere Umstände ihn daran hindern, die übrigen drei Freiheiten genau zu benennen.
Eine spielerische Note à la Tieck erhält die Szene auch dadurch, dass der Heutige sich nicht darum bemüht, dass seine Zuhörer verstehen, was er meint. Auch die meisten Leser/Zuschauer dürften nicht verstehen, was er in Szene 3 mit dem „christlichen Verfahren“ meint, das er kurz anspricht, aber nicht erläutert, bevor er zur Beschimpfung der Anwesenden übergeht (wobei kein Zuschauer verstehen dürfte, warum auch Romeo und Julia „nicht wiederkehren“ sollten).
Auch dass die Verbindung der einzelnen Szenen dem "and now"-Prinzip (Neil Postman) des Fernsehzeitalters folgt (zwei aufeinander folgende Beiträge müssen, wie in Nachrichtensendungen, nichts miteinander zu tun haben), ist bereits bei Tieck angelegt: Zwei Liebende nach dem Vorbild von Romeo und Julia treten in seinem Stück nur deshalb auf, weil das Publikum so etwas mag und ihm das Unmotivierte des Auftritts nicht auffällt. -- CorradoX 11:00, 8. Jan. 2012 (CET)
- Zu Tieck habe ich mal etwas gegooglet: [1]. Es gibt eigentlich zwei Stellen, an der ein Bezug hergestellt wird. In Die verkehrte Welt heißt es, Dramatiker wie Frisch hätten über Wilder die Mittel von Tieck kennengelernt und in Max Frisch: Beiträge zu einer Wirkungsgeschichte (das ist der Aufsatz von Waldmann, der schon in der Lit-Liste steht) wird Tieck neben z.B. Pirandello nur kommentarlos erwähnt. Auf der Basis würde ich Tieck nicht unbedingt ergänzen. Die theatralischen Mittel, die Frisch verwendet, lagen ja wirklich in der Zeit und sind für sein Werk auch typisch - der direkte Bezug zu Wilder und Brecht wird jedenfalls wesentlich häufiger angesprochen.
- Und dass die Liebenden nur wegen dem Publikum auftreten - da muss ich Dir widersprechen. Genau diese Liebenden sind das Typische für Frisch Frühwerk: Überwinden der gesellschaftlichen Missstände, gegenüber denen er ohnmächtig bleibt, im Privaten. Deswegen hatte die erste Fassung auch das Ende einer Liebesszene zwischen dem Heutigen und der Prinzessin, in der sie sich "lieben und erkennen". Später hat Frisch das wohl auch als kitschig und unpassend für das politische Stück entfernt. Romeo und Julia sind aber dazu noch ein Überbleibsel und nicht nur Ausrichtung am Publikumsgeschmack. Gruß --Magiers 11:40, 8. Jan. 2012 (CET)
Stern
[Quelltext bearbeiten]Ich habe die Wertung aus dem Stern wieder aus dem Artikel genommen. Dort war zu lesen: "Nahezu in Vergessenheit geraten ist "Die Chinesische Mauer" (1946), in dem Frisch die menschheitsvernichtende Gefahr der Atombombe in den Mittelpunkt rückt."[1]
- ↑ Regina Weinrich:Max Frisch zum 100. Geburtstag – Kein stiller Eidgenosse 14. Mai 2011
Unser Artikel Max Frisch sagt schon seit langem: "Die Chinesische Mauer (1946) setzt sich mit der Möglichkeit auseinander, dass die Menschheit sich mittels der gerade erfundenen Atombombe selbst ausrotten könnte. Das Stück sorgte für öffentliche Diskussion, ist heute im Vergleich zu Friedrich Dürrenmatts Die Physiker (1962) und Heinar Kipphardts In der Sache J. Robert Oppenheimer (1964) jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten."
Ehrlich gesagt halte ich es für wahrscheinlich, dass die Wertung und insbesondere die Formulierung "in Vergessenheit geraten" also nur aus der Wikipedia übernommen wurde. Und damit liefert sie den ähnlichen Wertungen der Frisch-Biografen Hage und Waleczek, die auch die Quelle für den Biografie-Abschnitt in Max Frisch ist, nichts zusätzliches hinzu, so dass die eigene Erwähnung m.E. nicht gerechtfertigt ist. Gruß --Magiers 22:28, 9. Feb. 2012 (CET)