Frank van Gheel-Gildemeester

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Frank van Gheel-Gildemeester (* 5. Februar 1881 in Kattendijke in den Niederlanden; † 1952 ebenda) war ein niederländischer Philanthrop und Quäker. Sein Name ist eng verbunden mit seiner Auswanderungs-Hilfsaktion Gildemeester. Er war Delegierter der Amerikanischen Hilfsaktion für Central-Europe des Amerikanischen Präsidenten.

Leben und Wirken

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Frank van Gheel Gildemeester wurde 1881 in Kattendijke in den Niederlanden als Sohn einer wohlhabenden niederländischen Familie geboren. Sein Vater, Francis Van Gheel Gildemeester (1855-1929) war ein einflussreicher protestantischer Pfarrer und Hofprediger im Haag, seine Mutter war Catherine Quirine (1853-1927).[1]

Während des Ersten Weltkriegs lebte Frank Van Gheel Gildemeester in Chicago und trat 1915 dem Quäkertum (Society of Friends) bei. Im Jahr 1918 wurde er im Rahmen der Hilfsmission vom Amerikanischen Präsidenten Herbert Hoover nach Wien geschickt und widmete sich dort seiner Arbeit für die Freilassung politische Gefangener. Nach eigenen Angaben, arbeitete er in verschiedenen Hilfsorganisationen und bemühte sich um die Befreiung tausender Deutscher aus französischer und russischer Gefangenschaft.[2]

Nach der deutschen Besetzung Österreichs am 12. März 1938, als sich das Leben der 165.000 jüdischen Wiener Bürger zusehend dramatisch verschlechterte, trat Gildemeester als Gründer der „Gildemeester Auswandererhilfsaktion für Juden“ in Erscheinung. Seine Organisation erregte erstmals wenig Aufmerksamkeit, bis er sie im September 1938 in „Auswanderungs-Hilfsaktion Gildemeester“ umbenannte, mit dem erklärten Ziel, wohlhabenden Juden zu helfen, die 100.000 Reichsmark oder mehr besaßen und Österreich verlassen wollten. Sie mussten bereit sein von ihres Vermögens für die Aktion zu spenden. Im Gegenzug sollte die Aktion dazu verwendet werden, die Auswanderung armer „nichtarischer” Familien über den gebildeten Gildemeester-Fonds zu finanzieren. Fragebögen waren eine weitere wichtige Einnahmequelle, da sie pro Stück 60 Mark kosteten und jeder Interessent diesen ausfüllen musste. Frank van Gildemeesters Stellvertreter war der jüdische Industrielle Arthur Kuffler (* Wien 1. August 1869; † 24. Dezember 1940 ebenda). Bis März 1938 war Kuffler Direktor der Pottendorfer Spinnerei und Vertreter des Textilkonzerns Mautner AG in Prag sowie anderer Textil-Unternehmen in der Tschechoslowakei und Ungarn. Er brachte hohe Eigeninitiative in die Aktion ein und verfügte über ein Netzwerk von sehr guten Kontakten. Ein weiterer bekannter Mitarbeiter war Emil Gottesmann (* 1903 in Wien; † unbekannt) kaufmännischer Angestellter bzw. Handelsvertreter. Mitglied des Republikanischen Schutzbundes, nach 1934 für die illegalen Revolutionären Sozialisten tätig. Im November 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert und von dort am 29. September 1944 nach Auschwitz bis er im Jahr 1945 die Befreiung aus einem Nebenlager von Dachau erlebte.[3]

Wir von der "Gildemeester" haben die Leute beraten, und wenn jemand auswandern wollte, haben wir ihm in der Prinz-Eugen-Straße die notwendigen Formulare und Dokumente verschafft. Durch unsere Hilfe konnten viele auswandern, nach Shanghai, Kolumbien, Italien, der Schweiz. Hauptsächlich nach Übersee, nach Shanghai sind sehr viele ausgewandert. [...]

Emil Gottesmann: Dokumentationsarchiv der österreichischen Wiederstandes[4]

Im Sommer 1938 entwickelte die Aktion-Gildemeester auch einen Plan, um Land in der äthiopische Provinz Harrar für die massenhafte Umsiedlung jüdischer Bürger zu kaufen. Dieses sollte von den ersten 13.000 Auswanderern bezahlt werden. Ein Jahr später, als Frank von Gildemeester noch mit der italienischen Regierung über den Landkauf verhandelte, kam das NS-Regime zu dem Schluss, dass sich viel Geld verdienen ließe, wenn es die Auswanderung seiner nichtarischen Bürger selbst in die Hand nehmen würde. Dies, zusammen mit der Tatsache, dass Adolf Eichmann genug hatte von Gildemeesters ständigen Kämpfen für die Rechte von Flüchtlingen, sollte dies das Ende der Aktion Gildemeester bedeuten.

Das Ende der Aktivitäten Gildemeesters

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Im November 1939 wollte Frank van Gheeel Gildemeester seine Organisation unter dem Namen „Gildemeester Europäische Auswanderungs-Hilfsaktion in ein neutrales Land“ neu eröffnen und hatte ein Flugblatt dafür entwickelt. Auf dem Flugblatt war zu lesen, dass alle jüdisch und nichjüdischen Hilfsorganisationen unter anderem den „im Deutschen Reich verhungernden Nichtariern“ zu unterstützen. Daraufhin wurde ihm von der Zentralstelle für jüdische Auswanderung sogenannte Gräuelpropaganda vorgeworfen, die finanzielle Unterstützungen entzogen und seine Aktion Gildemeester, ab 1. Januar 1940, in die eigene „Auswanderer-Hilfsaktion für nichtmosaische Juden“ in ihrer Zentrale neu umorganisiert.

Frank van Gheel Gildemeester musste daraufhin als unerwünschte Person Wien verlassen, sein Weg führte über Lissabon in sein Heimatland nach Amsterdam, wo er 1952 starb.[5][6]

1946 schätzten die Salzburger Nachrichten, dass dank der Gildemeester-Aktion 26.000 österreichische und deutsche Juden erfolgreich emigriert waren. Nach sorgfältigen Berechnungen kam Peter Berger auf eine noch höhere Zahl, etwa 30.000. Obwohl einige Historiker Gildemeesters Motive bestritten und ihn als „Profiteur“ dargestellt haben, legt Peter Berger überzeugend dar, dass Gildemeester, auch wenn der Anschein gegen ihn gesprochen haben mag, nie finanziell von der Hilfsarbeit profitiert hat.

  • Hans Adolf Schmitt spricht über Frank Van Gheel Gildemeester, "den einige Zeitgenossen als Philanthropen identifizierten, während andere ihn als Erpresser betrachteten, der in erster Linie Juden schützte, die für seine Dienste bezahlen konnten". (In Quakers and Nazis: Inner Light and Outer Darkness (Quäker und Nazis: Inneres Licht und äußere Finsternis), New York: Columbia University Press, 1997, S. 137)
  • Norman Bentwich wird mit den Worten, in B. A. Seijs, Studies over Jodenvervolging, Assen, Van Gorcum & Co, 1974, S. 18, zitiert: „Gildemeester war ein wohlmeinender, aber exzentrischer Holländer. […] Ein Sozialarbeiter, der sich die Gunst der Nazis erworben hatte, als er sich während des sozialdemokratischen Regimes mit den österreichischen Nazis anfreundete.“

Zu Historikern, die Gildemeester ablehnend gegenüberstehen gehört Hans Safrian in, Die Eichmann-Männer, Wien, Europa Verlag, 1993 und Theodor Venus und Alexandra-Eileen Wenck in, Die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester. Eine empirische Studie über Organisation, Form und Wandel von Arisierung und jüdische Auswanderung in Österreich 1938–1941, Wien: Oldenbourg, 2004; Hans Schmitt, Quäker und Nazis: Inneres Licht und äußere Finsternis, New York: Columbia University Press, 1997.[6]

Frank van Gheel Gildemeister hatte acht Geschwister.

  • Pauline Catherine (* 1878; † unbekannt)
  • Philippine Elisabeth Henriette (* 1879; † unbekannt)
  • George (* 1882; † unbekannt)
  • Catharina (* 1883; † unbekannt)
  • Paulina Albertina (* 1884; † unbekannt)
  • Jacob Marius Christiaan (* 1887; † unbekannt)
  • Johanna Agatha (* 1889; † unbekannt)
  • Anna Agatha (* 1892; † unbekannt)[7]

Einzelnachweise

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  1. Vorfahren (und Nachkommen) von Francis van Gheel Gildemeester. In: Genealogisch bestand van Leo Hendriks»Francis van Gheel Gildemeester (1855-1929). genealogieonline, abgerufen am 29. Juli 2024.
  2. Christina Gschiel, Leonhard Weidinger, Ulrike Nimeth: Schneidern und sammeln die Wiener Familie Rothberger. Böhlau, Wien Köln Weimar 2010, ISBN 978-3-205-78414-2, S. 184 (google.de).
  3. Emil Gottmann: Emil Gottesmann: Aktion Gildemeester. Dokumentationarchiv der österreichischen Wiederstandes, abgerufen am 29. Juli 2024.
  4. Emil Gottesmann: Aktion Gildemeester
  5. Christina Gschiel, Leonhard Weidinger, Ulrike Nimeth: Schneidern und sammeln die Wiener Familie Rothberger. Böhlau, Wien Köln Weimar 2010, ISBN 978-3-205-78414-2, S. 203 (google.de).
  6. a b Gertjan Cobelens: Loyalität unter Beschuss: Die verdeckten Bemühungen des WRI im Zweiten Weltkrieg. In: Satyagraha Foundation for Noviolence Studies. Abgerufen am 29. Juli 2024 (englisch).
  7. Vorfahren (und Nachkommen) von Francis van Gheel Gildemeester. In: Familienstammbaum Driessen»Dr. Francis van Gheel Gildemeester (1855-????). genealogieonline, abgerufen am 9. Januar 2024.