Gabriele Herz

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Gabriele Herz, geb. Berl (* 26. April 1886 in Wien; † 14. Februar 1957 in Rochester/New York) war eine österreichische Lehrerin und Autobiografin, Ehefrau des deutschen, jüdischen Verlegers Emil Herz und Überlebende des Holocaust.[1][2]

Gabriele Herz wurde am 26. April 1886 als Gabriele (Yella) Berl als zweite Tochter eines Tuchfabrikanten in eine gutbürgerliche jüdische Familie in Wien geboren. Dort besuchte sie die Schule bis zum Abitur und arbeitete dann als Privatlehrerin für Französisch und Englisch. Auf Besuch bei ihrer verheirateten Schwester Marta in Berlin, lernte sie den jungen Lektor Emanuel Emil Herz kennen, den sie am 14. Juni 1910 heiratete. Zu diesem Zeitpunkt war Emil Herz schon in leitender Position beim Berliner Ullstein-Verlag tätig und stammte aus einer Familie in Warburg/Westfalen, aus der etliche jüdische Gelehrte und Rabbiner hervorgegangen sind. Mit der Eheschließung fand Gabriele Herz Zugang zum Kern des assimilierten jüdischen Bürgertums in Berlin. Die Familienvilla in Dahlem war ein Treffpunkt für viele Autoren des Ullstein-Verlags und andere Freunde aus den Kreisen der Berliner Intellektuellen, darunter Erich Maria Remarque, Lion Feuchtwanger und Max Reinhardt.[2]

Direkt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 begann die schrittweise Unterwanderung des Ullstein-Verlags durch die Nazis. Ende März 1934 wurde Emil Herz, inzwischen Direktor, zum Rücktritt gezwungen und mit anderen jüdischen Mitarbeitern aus dem Verlag gedrängt. Über den Jahreswechsel 1935–36 starteten Gabriele Herz und ihr Ehemann eine Erkundungsreise nach Palästina. Da Emil Herz dort schwer erkrankt war und dort auch keine Perspektive für sich und seine Familie gesehen hat, reisten sie nach einigen Wochen wieder nach Deutschland zurück. Emil Herz wollte eigentlich gar nicht auswandern, aber seine Frau ergriff die Initiative und fuhr anschließend alleine für mehrere Monate nach Italien, um in Meran Aufenthaltsmöglichkeiten zu erkunden. Im Mai 1936 kehrte sie zurück und unternahm eine zweite Reise nach Italien von Juni bis September. Nach Rückkehr von ihrem zweiten Italienaufenthalt wurde sie am 1. Oktober 1936 von der Berliner Gestapo verhaftet. Gabriele Herz kannte die schon 1935 erlassene Verordnung, dass nach Deutschland zurückkehrende politische Flüchtlinge und "Nicht-Arier", die länger als drei Monate im Ausland waren, als Verdächtige in Schutzhaft zu nehmen sind, nicht.[3]

Sie galt nun als „Remigrantin“, also als „unerwünschte Rückkehrerin“. Bei ihr kam verschärfend hinzu, dass ihr Mann einen als liberal geltenden Verlag geleitet hatte. Die Gestapo verhängte eine Haftzeit von drei Monaten. Allerdings wurde Gabriele Herz, wie oft in diesen Fällen, über die Dauer der Haftzeit im Unklaren gelassen. Insbesondere Jüdinnen waren erheblich länger in Haft, als ursprünglich angeordnet. So auch Gabriele Herz. Während dieser Untersuchung wurden die Remigranten zur ideologischen Unterweisung in sogenannten Schulungslagern gefangengehalten. Da es solche speziellen Lager nicht gab, wurden männliche Remigranten im KZ Dachau und weibliche im KZ Moringen interniert. Die Freilassung war vom Ergebnis der Gestapoüberprüfung und von guter Führung während der Untersuchung abhängig.[2]

Nachdem Gabriele Herz einige Tage im Polizeipräsidium am Alexanderplatz, das seit 1933 von der Gestapo genutzt wurde, festgehalten wurde, wurde sie in ein Frauengefängnis in Hannover überstellt, von dem sie dann in das KZ in Moringen gebracht wurde. Emil Herz trieb währenddessen die Emigrationsplanung für sich und seine Frau weiter und bemühte sich verzweifelt um die Entlassung seiner Frau. Nach sechs Monaten wurde Gabriele Herz am 17. März 1937 aus der Haft entlassen. Sie musste sich dazu verpflichten, Deutschland innerhalb von zwei Wochen zu verlassen.

Flucht aus Deutschland

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Ende März 1937 flohen Gabriele und Emil über die Schweiz nach Florenz. Ihre beiden minderjährigen Kinder Elisabeth (20 Jahre alt) und Arthur (16 Jahre alt) blieben zurück. Anfang 1938 floh auch Arthur nach Florenz und im Oktober 1938 flohen Gabriele, Emil und Arthur aus Italien nach Lugano. Anfang 1939 emigrierten Gabriele, Emil, Arthur und endlich auch Elisabeth nach Havanna auf Kuba. 1940 erhielten sie ein US-Visum und gelangten nach Rochester im Bundesstaat New York, wo sie dann dauerhaft blieben. Auch den beiden älteren Kindern gelang die Flucht: Gertrud nach Shanghai und Erwin nach England. In Rochester arbeitete Gabriele Herz als Putzfrau in einem Krankenhaus und verdiente den Unterhalt für die Familie, da ihr Mann am Grauen Star erkrankte und keiner bezahlten Tätigkeit nachgehen konnte.[2][4]

In den folgenden Jahren dokumentierte und verarbeitete Gabriele Herz ihre Erlebnisse während ihrer Haft in Moringen. Veröffentlicht wurden ihre Memoiren erst im Jahre 2006, also fast 50 Jahre nach ihrem Tod unter dem Titel „The Women's Camp in Moringen - A Memoir of Imprisonment in Germany 1936-1937“. Die deutsche Fassung erschien im Jahre 2009.[2] Eine Frage blieb für Gabriele Herz immer offen: „Wie kann eine Nation, die sich solch enormer Errungenschaften rühmen kann, die einen Bach und einen Beethoven, einen Schiller und einen Goethe, einen Kant und einen Hegel hervorgebracht hat, so tief sinken und sich widerstandslos den Geboten einer einzigen Person unterwerfen? Aber Hitler ist wahrscheinlich kein isoliertes Phänomen, sondern die Personifizierung, die ultimative Manifestation des deutschen Masseninstinkts. Vielleicht ist die deutsche Kultur nur eine dünne Kruste, unter der ein Vulkan kaum unterdrückter wilder Triebe wütet. Ich suche immer noch nach einer zufriedenstellenden Erklärung für diesen angeborenen Widerspruch, für diesen dramatischen und gefährlichen Konflikt im Charakter einer großen Nation. Ich finde keine.“[3][5]

Veröffentlichungen

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  • Gabriele Herz: The Women's Camp in Moringen - A Memoir of Imprisonment in Germany 1936-1937. Berghan, 2006, ISBN 978-1-84545-077-9
  • Gabriele Herz: Im Judensaal des Frauenkonzentrationslagers Moringen. in Informationen. Studienkreis Deutscher Widerstand, Nr. 51, März 2000, 25. Jg.

Einzelnachweise

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  1. Kurzbiographie, in: biografiA - biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen, abger. am 23. Juni 2024
  2. a b c d e Jane Caplan: Gabriele Herz „Schutzhaft“ im Frauen-Konzentrationslager Moringen 1936-1937. In: Giesela Bock (Hg.): Genozid und Geschlecht. Jüdische Frauen im nationalsozialistischen Lagersystem. Frankfurt, New York 2005, S. 22–43
  3. a b Gabriele Herz: “The Women's Camp in Moringen - A Memoir of Imprisonment in Germany 1936-1937”, Translated by Hildegard Herz and Howard Hartig, Edited and with an Introduction by Jane Caplan, 200 pages, publishes January 2006, ISBN 978-1-84545-077-9
  4. Gabriele Herz: Im Judensaal des Frauenkonzentrationslagers Moringen. in Informationen. Studienkreis Deutscher Widerstand, Nr. 51, März 2000, 25. Jg., Seite 12.
  5. Marjorie Barkin Searl, Friends of Mount Hope Cemetery Rochester, abger. am 23. Juni 2024