Gaza-Landungsbrücke

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Montagearbeiten an der Offshore-Schiffsanlegestelle (RRDF) im April 2024

Die Gaza-Landungsbrücke, eine schwimmende Offshore-Schiffsanlegestelle der US-Navy (Roll-On/Roll-Off Distribution Facility, RRDF)[1] für Hochsee- und Küstenschiffe, wurde im April 2024 als Komponente eines Joint Logistics Over-the-Shore-Projekts (JLOTS-Projekt) von den Streitkräften der Vereinigten Staaten im Mittelmeer, mehrere Kilometer vor der Küste des Gazastreifens errichtet, am Meeresgrund verankert und am 16. Mai 2024 in Betrieb genommen. Handelsschiffe mit großem Tiefgang, die Humanitäre Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung Gazas geladen haben, können dort anlegen. Nach dem Anlegen wird die auf Transportpaletten befindliche Hilfsgüterlieferung gelöscht. Die mit den Paletten beladenen Sattelauflieger werden dann von LKW's auf Leichter des US-Militärs gefahren und zum Strand von Gaza gebracht. Dort können diese Schiffe an einer schwimmenden Pier, der Trident Pier[2], anlegen und die LKW's ihrer Ladung an Land fahren. Die Hilfsgüter werden dort zwischengelagert und anschließend von UN-Hilfsorganisationen in das Kriegsgebiet gebracht. Dort soll sie an die Zivilbevölkerung Gazas verteilt werden.[3] Die Trident Pier brach bereits nach weniger als zwei Wochen bei hohem Seegang auseinander und ist aktuell nicht in Betrieb.[4][5]

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die provisorische Hafenanlage, welche die schwimmende Gaza-Landungsbrücke auf See und die Trident Pier zum Löschen der Ladung am Strand von Gaza umfasst, liegt südwestlich von Gaza-Stadt und nördlich einer Straße, welche die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) während des laufenden Gazakrieges gebaut haben.[6]

Zweck und Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gaza-Landungsbrücke – schwimmende Offshore-Schiffsanlegestelle der US-Navy (RRDF) vor der Küste von Gaza (©️ U.S. Central Command)[7]
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Humanitäre Hilfsgüter, wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente, werden zunächst auf dem Luft- oder Seeweg nach Zypern gebracht, dort untersucht und anschließend mit Handelsschiffen nach Gaza gebracht. Trotz der unmittelbaren Lage der vom israelischen Staatsgebiet umgebenen Enklave gibt es an der Küste Gazas keinen Hafen, der großen Handelsschiffen einen Liegeplatz mit genügend Tiefgang bietet. Auf Grund des niedrigen Fahrwassers ist es diesen deshalb nicht möglich humanitäre Hilfsgüter in größerem Umfang nach Gaza zu bringen. Das JLOTS-Projekt der US-Streitkräfte ermöglicht dies in mehreren Schritten. Dazu muss zunächst auf der schwimmende Offshore-Schiffsanlegestelle, der Gaza-Landungsbrücke, das Umladen der auf Transportpaletten befindlichen Hilfsgüter auf LKW's mit Sattelauflieger erfolgen.[7][8][9][10][8][11]

Luftaufnahme des Trident-Piers am Stand von Gaza kurz nach der Fertigstellung am 16. Mai 2024

Die LKW's samt Ladung werden von speziellen Leichtern – RoRo-Schiffe der US-Navy mit geringem Tiefgang, die jeweils etwa beladene 15 LKW's aufnehmen können – zu der am Strand verankerten 550 m langen Trident Pier gebracht. Nach dem Anlegen fahren die LKW's mit ihrer Ladung von Bord und bringen diese an Land, wo die geladenen Hilfsgüter bis zum Weitertransport zwischengelagert werden. Nach Schätzungen des US-Militärs können so bis zu 90 Lkw-Ladungen/pro Tag an Land gebracht werden, später soll der Umfang der Hilfslieferungen auf bis zu 150 Ladungen/pro Tag erweitert werden.[7][8][9][10][8][11]

Bau und örtliche Bedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Benavidez

Mehrere Schiffe des US-amerikanischen Militärs waren am Bau der Gaza-Landungsbrücke beteiligt, darunter das RoRo-Schiff USNS Benavidez, ein Schiff der Bob-Hope-Klasse, das vom Military Sealift Command betrieben wird,[6] die USAV General Frank S. Besson Jr., ein Logistikschiff des US-Militärs und mehrere andere Militärschiffe, so die USAV SP4 James A. Loux (LSV-6), USAV Montorrey (LCU-2030), USAV Matamoros (LCU-2026) und die USAV Wilson Wharf (LCU-2011).[6][12] Britisches Militär unterstützte den Bau logistisch.[13] US-amerikanische Soldaten sollen den Boden Gazas jedoch nicht betreten.[14]

Der Trident Pier wurde ebenso wie die Gaza-Landungsbrücke von Spezialkräften des US-amerikanischen Militärs errichtet und anschließend von den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) am Strand von Gaza verankert.[6] Für die Anlieferung der Hilfsgüter aus Zypern mieteten die USA als erstes Schiff die Sagamore an.[15]

Anfang Mai 2024 wurde bekannt, dass sich die Montage der Gaza-Landungsbrücke verzögert hatte; die Arbeitsbedingungen auf See waren wegen zu hohem Seegang für eine Fortsetzung der Montagearbeiten zu ungünstig. US-Militärschiffe schleppten die noch in Bau befindliche Offshore-Plattform in den israelischen Hafen Ashdod, wo die Montage abgeschlossen werden konnte. Nachdem der Seegang nachgelassen hatte, wurde die fertige Gaza-Landungsbrücke zum vorgesehenen Standort auf See geschleppt und dort am Meeresboden verankert.[15]

Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwischen dem Gazastreifen und Israel gibt es mehrere Grenzübergänge, von denen jedoch in jüngerer Vergangenheit nur noch zwei genutzt wurden: Der Grenübergang in Erez im Norden Gazas war dem Personenverkehr vorbehalten, während der Grenzübergang in Kerem Schalom im Süden für den Warenumschlag genutzt wurde.[16] Infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden beide Grenzübergänge teilweise zerstört und von Israel abgeriegelt. Der an der Südgrenze Gazas liegende Grenzübergang in Rafah ist der einzige Grenzübergang zu Ägypten. Nach israelischen Luftangriffen auf die palästinensische Seite des Grenzübergangs im Oktober 2023 wurde dieser bis auf Weiteres geschlossen.[17]

Die 320 Millionen US-Dollar teure provisorische Hafenanlage, welche aus der RRDF auf Hoher See und dem Trident Pier am Strand von Gaza besteht, wurde im Rahmen eines JLOTS-Projeks des US-Militärs in Zusammenarbeit mit dem israelischen Militär errichtet. Die Militäroperation war von US-Präsident Joe Biden am 7. März 2024 im Rahmen seiner „State of the Union“-Rede als eine „Notfall“-Mission zur Ermöglichung humanitärer Hilfslieferungen angekündigt worden.[18][14] Zu diesem Zeitpunkt war der für Gazas Norden relevante Grenzübergang in Erez noch geschlossen, so dass auf dem Landweg keine Hilfsgüter mehr in den Norden des zweigeteilten Gazastreifens zur Linderung der im Verlauf des Gazakrieges eingetretenen humanitären Katastrophe geliefert werden konnten. Erst nach Neuöffnung des Grenzübergangs am 1. Mai 2024 konnten wieder Hilfslieferungen über diesen Grenzübergang in das Kriegsgebiet gebracht werden.[19]

Am 17. Mai 2023 teilte das Zentralkommando der Vereinigten Staaten (CENTCOM) mit, dass im Rahmen multinationaler Anstrengungen über den vom US-amerikanischen Militär eingerichteten maritimen Korridor humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bereitgestellt werden soll; diese wird Spenden von Hilfsorganisationen aus verschiedenen Ländern umfassen. Am Tag zuvor waren die Arbeiten am schwimmenden Pier und zu dessen Verankerung an der Küste abgeschlossen worden.[20]

Erstmals seit Kriegsbeginn passierten am 19. Mai 2024 LKW's mit Hilfsgütern den neu geöffneten Grenzübergang. Zwei Tage zuvor waren im Hafen von Aschdod zum ersten Mal seit Ausbruch des laufenden Gazakrieges Hilfsgüter gelöscht worden.[21][22]

„Ein Lastwagen transportiert am 19. Mai 2024 humanitäre Hilfsgüter über den Trident Pier zum Strand von Gaza. (Foto: US Army Central via Reuters)“[23]
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Obwohl die Trident Pier bereits knapp zwei Wochen nach Inbetriebnahme bei hohem Seegang auseinanderbrach, besteht die US-Regierung darauf, dass über die provisorische Hafenanlage in den Küstengewässern Gazas auch weiterhin humanitäre Hilfslieferungen für den Norden Gazas abgewickelt werden sollen, obwohl diese ab 19. Mai 2024 auch auf den Landweg über den am 1. Mai 2024 neu geöffneten Grenzübergang in Erez erfolgen.[24][23][25] Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA (NSC), John Kirby, erklärte gegenüber Reportern: „Es war nie beabsichtigt, das zu ersetzen, was man vor Ort durch Lastwagen und die Öffnung der Grenzübergänge tun kann.“[23] Zweifel daran ob die provisorische Hafenanlage der US-Armee wesentlich dazu beiträgt, dass mehr Hilfslieferungen als bisher Gaza erreichen, um die humanitäre Katastrophe dort zu lindern, versuchte John Kirby zu zerstreuen: „Auf jeden Fall, und ich glaube, sie haben bisher mehr als tausend Tonnen allein von der provisorischen Anlegestelle geholt, was in Anbetracht des Wetters und der Komplexität des Vorgangs - der Stopp an mehreren Knotenpunkten, den man durchführen muss, um vom Schiff zur Anlegestelle zum Lkw auf den Boden zu gelangen - immer noch ein beeindruckender Rekord ist.“[23]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entwicklungen des Projekts stellen das US-Militär in Gaza vor logistische und organisatorische Herausforderungen. Sicherheitsprobleme verzögerten die Lieferung von Hilfsgütern. Das Pentagon hatte eine kontinuierliche Versorgung über die schwimmende Anlegestelle im Gazastreifen geplant. Ende Mai 2024 teilte das US-amerikanische Verteidigungsministerium mit, dass bisher nur wenig Hilfe den belagerten Streifen erreicht hat. Erschwerend käme hinzu, dass US-Truppen nicht vor Ort sein können, um das begonnene Projekt zu unterstützen. Lastwagen wurden von Menschenmengen umringt und geplündert, ehe sie das Lagerhaus erreichen konnten. Das geplante Ziel, täglich 90 Lastwagen anzuliefern und schließlich auf 150 zu erhöhen, konnte bisher nicht annähernd erreicht werden. Nach Angaben des Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) sollen in der Woche nach der Eröffnung der provisorischen Hafenanlage etwa 70 LKW's die für die angelieferten Hilfsgüter an Land vorgesehenen Lagerhäuser erreicht haben.[26][27]

Am 16. Mai 2024 wurden die provisorischen Hafenanlagen in Betrieb genommen, doch bereits wenige Tage danach durch hohen Seegang beschädigt und außer Betrieb gesetzt.[28] Eine Pentagon-Sprecherin sagte am 28. Mai, die Anlage müsse nun aus ihrer Verankerung gelöst und wieder in den Hafen von Aschdod geschleppt werden; dort werde das amerikanische Militär Reparaturarbeiten von mindestens einwöchiger Dauer vornehmen. Danach werde die Landungsbrücke erneut vor der Küste Gazas verankert.[4][5]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gaza floating pier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Construction of JLOTS Pier Begins in Mediterranean. In: Defense Visual Information Distribution Service (DVIS). 30. April 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  2. Trident Pier Emplacement. In: Defense Visual Information Distribution Service (DVIS). 16. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  3. Trident Pier Emplacement. In: Defense Visual Information Distribution Service (DVIS). 16. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  4. a b USA setzen Gaza-Hilfslieferungen über provisorischen Pier aus. In: Der Spiegel. 28. Mai 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 29. Mai 2024]).
  5. a b David Smith: US aid to Gaza stalls after temporary pier breaks apart in heavy seas. In: The Guardian. 28. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 29. Mai 2024]).
  6. a b c d Jon Gambrell: US military ships are working to build a pier for Gaza aid. It’s going to cost at least $320 million. In: apnews.com, 30. April 2024, abgerufen am 6. Mai 2024.
  7. a b c Images show US military building floating pier off Gaza. Pentagon says it will cost $320 million. In: cnn.com. 30. April 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  8. a b c d USA beginnen Bau von Anlegestelle vor Küste Gazas. Wie der provisorische Hafen funktionieren soll. In: tagesschau.de. 26. Mai 2024, abgerufen am 26. Mai 2024.
  9. a b Update on the Construction of the Joint Logistics Over-the-Shore Capability in Mediterranean Sea. In: centcom.mil. 3. Mai 2024, abgerufen am 29. Mai 2024.
  10. a b Schwimmender Hafen im Gazastreifen: So missglückten die ersten Hilfslieferungen in das Kriegsgebiet. So funktioniert die Hilfslieferung über den Seeweg. In: nzz.ch. 25. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  11. a b USA stellen temporären Hafen fertig. In: tagesschau.de. 16. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  12. Army Watercraft Depart for Gaza Port Mission, Navy Preparing East Coast Reserve Ship to Sail. 12. März 2024
  13. Danica Kirka: British troops may be tasked with delivering Gaza aid, BBC report says. In: apnews.com, 27. April 2024.
  14. a b A. B. C. News: Biden announces 'emergency' US military mission to build pier off Gaza fast to deliver aid. Abgerufen am 27. Mai 2024 (englisch).
  15. a b US military pauses construction of pier off Gaza due to bad weather. 1. Mai 2024
  16. Nach Beschuss: Israel schließt Grenzübergang zu Gaza. In: israelnetz.com. 2. November 2014, abgerufen am 28. Februar 2024.
  17. Krieg im Nahen Osten – Welche Bedeutung der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen hat. In: deutschlandfunk.de. 19. Oktober 2023, abgerufen am 17. Dezember 2023.
  18. Dan Lamothe, Alex Horton, Karen DeYoung: Pentagon says Gaza pier anchored, but U.N. casts doubt on distribution. In: Washington Post. 17. Mai 2024, ISSN 0190-8286 (washingtonpost.com [abgerufen am 27. Mai 2024]).
  19. Krieg im Nahen Osten – Welche Bedeutung der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen hat. In: deutschlandfunk.de. 19. Oktober 2023, abgerufen am 17. Dezember 2023.
  20. Erste Hilfslieferungen erreichen provisorischen Hafen vor Gaza. In: www.zeit.de. 17. Mai 2024, abgerufen am 24. Mai 2024.
  21. Erste Hilfsgüter passieren Grenzübergang Erez. In: aerzteblatt.de. 19. April 2024, abgerufen am 30. Mai 2024.
  22. Israel öffnet Grenzübergang Erez für Hilfslieferungen – Verhandlungen über Waffenruhe dauern an. In: deutschlandfunk.de. 1. Mai 2024, abgerufen am 1. Juni 2024.
  23. a b c d David Smith: US aid to Gaza stalls after temporary pier breaks apart in heavy seas. In: The Guardian. 28. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 29. Mai 2024]).
  24. Erste Hilfsgüter passieren Grenzübergang Erez. In: aerzteblatt.de. 19. April 2024, abgerufen am 30. Mai 2024.
  25. Israel öffnet Grenzübergang Erez für Hilfslieferungen – Verhandlungen über Waffenruhe dauern an. In: deutschlandfunk.de. 1. Mai 2024, abgerufen am 1. Juni 2024.
  26. Helene Cooper, Adam Rasgon: U.S. Military Faces Reality in Gaza as Aid Project Struggles. In: www.nytimes.com. 23. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  27. UN suspends Rafah aid distribution and warns US pier may fail. In: The Guardian. 21. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 25. Mai 2024]).
  28. Pier für Gaza-Hilfe durch hohen Seegang beschädigt, US-Militärschiffe in Aschdod gestrandet. Spiegel, 25. Mai 2024

Koordinaten: 31° 29′ 51″ N, 34° 24′ 29″ O