Gericht Engelrod

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Das Gericht Engelrod (auch: Amt Engelrod[1]) war ein Amt der Herrschaft Riedesel.

In der Frühen Neuzeit waren Ämter eine Ebene zwischen den Gemeinden und der Landesherrschaft. Sie konnten auch historische Bezeichnungen wie „Zehnt“ oder „Gericht“ tragen. Die Funktionen von Verwaltung und Rechtsprechung waren hier nicht getrennt. Dem Amt stand ein Amtmann (oder Zentgraf) vor, der von der Landesherrschaft eingesetzt wurde.

Das Gericht Engelrod war Teil eines Lehens, das die Herren von Riedesel von den Landgrafen von Hessen erhalten hatten.[2] Die Lehnsherrschaft und spätere Oberhoheit wechselte mit den entsprechenden Erbteilungen und Veränderungen in der Landgrafschaft:

  • bis 1567: Landgrafschaft Hessen. Nach dem Tod des Landgrafen Philipp I. von Hessen wurde die Landgrafschaft zwischen seinen vier überlebenden Söhnen aus seiner legitimen, ersten Ehe geteilt. Sein zweitgeborener Sohn Ludwig IV. erhielt
  • ab 1567 die Landgrafschaft Hessen-Marburg und auch die Oberhoheit über das Riedeselsche Lehen. Als Ludwig IV. ohne männlichen Erben starb, unterstand das Riedeselsche Lehen
  • ab 1604, nachdem das Erbe Ludwig IV. zwischen seinen beiden Neffen, den Landgrafen von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, aufgeteilt worden war, Hessen-Darmstadt und verblieb letztendlich auch nach dem jahrzehntelangen Streit um die Erbschaft dort.

1803 konsolidierte die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt ihre angestammten und die mit dem Reichsdeputationshauptschluss gewonnenen Gebiete, die nördlich des Mains lagen, in einem neu geschaffenen Fürstentum Oberhessen (ab 1816: Provinz Oberhessen). Mit der Auflösung des Alten Reichs und dem Beitritt zum Rheinbund 1806 erhielt die Landgrafschaft den Status eines Großherzogtums, aber auch die staatliche Hoheit über die gesamten Riedeselschen Lande.[3] Diese staatliche Hoheit reichte hier aber zunächst nicht weit, denn die Hoheitsrechte der Herren von Riedesel, nun Standesherren, blieben bestehen. Ihre Rechte wurden darüber hinaus durch die Bundesakte[4] geschützt. In der Verwaltungsreform von 1821 gelang es dem Staat dann, das Gericht Engelrod in die eigene Struktur zu integrieren: Es wurde aufgelöst, die bisher dort wahrgenommene Verwaltung dem neu gegründeten Landratsbezirk Herbstein, die Rechtsprechung dem Landgericht Lauterbach zugeordnet.[5]

Zur Gericht Engelrod gehörten die Orte[6]:

Im Bereich des Gerichts Engelrod galten als Partikularrecht die Riedesel’schen Verordnungen, die hier das Gemeine Recht überlagerten.[7] Da es im Großherzogtum Hessen nie zu einer Rechtsvereinheitlichung kam, wurde diese Situation erst zum 1. Januar 1900 von dem einheitlich im ganzen Deutschen Reich geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst.

  • L. Ewald: Beiträge zur Landeskunde. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landes-Statistik (Hg.): Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen. Jonghaus, Darmstadt 1862.
  • Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893.

Einzelnachweise

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  1. Engelrod, Vogelsbergkreis'. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 17. April 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Ewald, S. 53f.
  3. Art. 24 Rheinbundakte.
  4. Art. 14 Bundesakte.
  5. Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (414) (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
  6. Ewald, S. 54; Schmidt, S. 9, Anm. 23.
  7. Schmidt, S. 103.