St. Gudula (Rhede)

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Blick auf St. Gudula
St. Gudula Rhede
Detail des Fußbodens von Philipp Baum

Die katholische Pfarrkirche St. Gudula ist ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude in Rhede, einer Stadt im Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen.

Geschichte und Architektur

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Im 12. Jahrhundert gründete die Familie von Rhete eine Eigenkirche. Die gotische Hallenkirche wurde bis in das 19. Jahrhundert immer wieder ausgebaut. Aus Platzgründen wurde das Gebäude abgerissen und von 1898 bis 1901 nach Plänen von Hilger Hertel ein neues errichtet. Die Einweihung erfolgte am 12. Juni 1901. Die neugotische, dreischiffige Backsteinhalle mit drei Chorapsiden hat einen polygonalen Zentralraum. Der Turm ist 77,5 Meter hoch.

Patrozinium der hl. Gudula

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Die Heimat der hl. Gudula ist Belgien, wo sie um 650 geboren wurde. Besonders geprägt wurde sie von ihrer Taufpatin, der hl. Äbtissin Gertrud von Nivelles. Als strenge Einsiedlerin widmete sich Gudula ganz dem fürbittenden Gebet und den vielen Menschen, die von weither kamen, um Rat und Trost zu suchen. Sie starb am 8. Januar 712. Der Graf von Löwen holte 1047 ihre Gebeine nach Brüssel in die Hauptkirche Kathedrale St. Michael und St. Gudula (Brüssel).

In der Pfarrkirche von Eibingen bei Rüdesheim wird der Schädel der heiligen Gudula aufbewahrt. Er wurde der hl. Hildegard von Bingen geschenkt.

Dargestellt wird Gudula als einfach gekleidete Frau mit einer brennenden Kerze in einer Laterne. Meistens trägt sie ein Buch.[1]

Innenraum (2022)
Blick aus dem Chorraum

Besonderen Reiz erhält die Kirche durch ihre komplett erhaltene bauzeitliche, neugotische Ausstattung, zumeist heimischer Künstler (unter anderem Bildhauer Stracke in Bocholt), und es darf als besonderes Verdienst der Gemeinde und ihrer Verantwortlichen nicht zu gering bewertet werden, dass die Ausstattung und Fenster auch in der Zeit nach dem Konzil, wo vielerorts vor allem Ausstattungen des Historismus aus den Kirchen rigoros entfernt wurden, erhalten geblieben ist.

  • Taufbecken, Hochaltar mit Passionsszenen, Marien- und Josefsaltar, Chorgestühl für die Geistlichkeit und die Patronatsfamilie der Fürsten zu Salm-Salm, Kommunionbank, Beichtstühle und Kirchenbänke, künstlerischer Plattenbelag des Chores und Wandsockel, gemalte Kreuzwegstationen von der Hand der Maler Windhausen aus Roermond.
  • Altartisch mit Ambo (Lesepult) und Priestersitz auf einer Altarinsel nach den Plänen von Ernst Rasche aus Mülheim an der Ruhr. Als Symbol des Lebensbaumes ein Ornament aus Blüten. Das Reliquiengrab auf der Vorderseite enthält die Reliquien des hl. Didakus aus Alcalá de Henares in Spanien (Franziskaner, † 12. November 1463).[2]
  • Bislang wenig beachtet wurden die sehr qualitätvollen Chorpfeilerfiguren und ein riesiger Hl. Christophorus außen am Turm, die aufgrund ihrer bildhauerischen Qualität und ihrer Nähe zu mittelalterlichen Werken, mit an der Spitze neugotischer Bildnisplastik im nordwestdeutschen Raum stehen, und selbst Bildhauerwerke der Kölner Dombauhütte dieser Zeit übertreffen; der Bildhauer ist bislang unbekannt.
  • Siebenarmige Leuchter im Chorraum, Apostelleuchter, Altarleuchter und großer Einbauschrank in der Sakristei ergänzen das umfangreich erhaltene Inventar.
  • Von herausragender Bedeutung ist die komplett erhaltene, qualitätvolle neugotische Verglasung von Kirche, Taufkapelle und Sakristei, geschaffen in den Jahren 1901 bis 1913 in den Werkstätten der Firma Derix in Kevelaer.
  • Unter der heute sichtbaren Wandfarbe hat sich die komplette bauzeitliche Ausmalung der Kirche erhalten; eine freigelegte Probeachse am Josefsaltar ist sichtbar.
  • Der Fußbodenbelag des Chorraumes und ein Einzelbild des Hl. Georg zu Pferde von Philipp Baum (Villeroy & Boch).

Von der Ausstattung der 1898 niedergelegten Vorgängerkirche haben sich wichtige Stücke erhalten und wurden bereits 1901 und bei der jüngsten Innenrenovierung wieder in den Kirchenraum integriert.

  • Romanischer Taufstein, Bentheimer Typ, bald vor 1200, beschädigt, heute als Weihwasserbecken unter der Orgel.
  • Ein Eichenholzrelief mit der Darstellung des Todes Mariens westfälische Werkstatt vom Anfang des 16. Jahrhunderts als Mittelrelief des Marienaltares mit neugotischer Fassung.
  • Zwei spätgotische Apostelstatuetten aus Baumberger Sandstein, farbig gefasst, wohl aus einem ehemaligen Altarzusammenhang.
  • Figur der Pfarrpatronin St. Gudula, Brüssel oder Mechelen um 1520.
  • Kleine Pieta, westfälisch, Holz, ungefasst, um 1430/50.
  • Barocke Altargemälde der ehemaligen Seitenaltäre, um 1670/80 von der Hand des Malers Hermann Veltmann, tätig in Coesfeld, Schaffenszeit: 1676–1723. Ein Altarauszug aus St. Gudula Rhede befindet sich im Museum „Alte Kirche“ in Reken.
  • Barocke stehende Anna, ungefasst, von einem ehemaligen Altar.
  • Aus dem Coesfelder Jesuitenkloster Porträts von Jesuitengenerälen (Leihgaben im Kirchenmuseum Reken), wohl über das in der Säkularisation aufgelöste Kloster Varlar bei Coesfeld (Patronatskloster) nach Rhede gelangt.
  • Eine als Leihgabe bislang im Gudulakloster bewahrte sitzende Marienfigur mit Kind von beachtlicher Größe, die bereits in Nachrichten des 17. Jahrhunderts erwähnt wird und zu der sich ein silberner Rosenkranz und eine Metallkrone erhalten haben, wird zurzeit wissenschaftlich auf ihr Alter untersucht (neugotisch oder mittelalterlich) und geprüft, ob es sich um das bislang als verschollen geltende, über Jahrhunderte „verehrte Marienbild“ der Gemeinde handelt, oder um eine spätere Nachschöpfung.[3]
  • Spitze des spätgotischen Sakramentshauses mit plastischer Christusfigur (Baumberger Sandstein) aufgestellt in einem Bildstock zwischen Rhede und Krechting.

Im kleinen Kirchenschatz:[4]

  • Zwei Kaseln mit spätgotischen Stickereien (Köln um 1450/1460 und Brabant um 1500) sowie zwei Dalmatiken mit Kölner Borten um 1450/1460.
  • Gute neugotische Kelche als Leihgaben in der Krankenhauskapelle
  • Ein wenig beachteter Kelch eines Salm-Salmschen Hauskaplans vom Anholter Künstler Franz Nadorp in der Kirche Vardingholt.
  • Neugotische Turmmonstranz.
  • Eine barocke Sonnenmonstranz, wohl Lucas Böemer Münster, Ende des 17. Jahrhunderts.
  • Ein Rokoko-Ziborium aus vergoldetem Silber.
Die Orgel auf der Ostempore

Die Orgel wurde 1998 von der Firma Orgelbau Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer) erbaut.[5] Das Schleifladen-Instrument hat 52 Register (3.576 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.[6] Für 14 Register wurden Pfeifen der Vorgängerorgeln von Fa. Horstenke (1874) und Breil (1902 + 1937) sowie aus Lagerbeständen von Seifert genutzt.[7] Ausgestattet ist die Orgel mit einer elektronischen Setzeranlage und einem Registercrescendo.[6]

I Hauptwerk C–g3
1. Prinzipal 16′
2. Prinzipal 8′
3. Konzertflöte 8′
4. Gamba 8′
5. Oktave 4′
6. Flauto 4′
7. Superoktave 2′
8. Kornett V (ab c0) 8′
9. Mixtur major IV 2′
10. Mixtur minor III-VI 113
11. Trompete 8′
12. Trompete 4′
II Schwellpositiv C–g3
13. Bordun 16′
14. Prinzipal 8′
15. Gedackt 8′
16. Quintade 8′
17. Oktave 4′
18. Rohrflöte 4′
19. Prinzipal 2′
20. Quinte 113
21. Sifflet 1′
22. Sesquialter II 223
23. Mixtur IV 113
24. Zimbel III 1′
25. Cromorne 8′
26. Clarinette 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
27. Salicet 16′
28. Flute harmonique 8′
29. Bordun 8′
30. Gamba 8′
31. Vox coelestis (ab c0) 8′
32. Traversflöte 4′
33. Fugara 4′
34. Quinte 223
35. Piccolo 2′
36. Terz 135
37. Harmonica III 223
38. Fagott 16′
39. Tuba 8′
40. Oboe 8′
41. Vox humana 8′
42. Trompete 4′
Tremblant
Pedal C–g1
43. Subbass 32′
44. Prinzipalbass 16′
45. Subbass 16′
46. Oktavbass 8′
47. Gedacktbass 8′
48. Oktave 4′
49. Bombarde 32′
50. Posaune 16′
51. Trompetenbass 8′
52. Trompete 4′
  • Koppeln
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Suboktavkoppel: I/I
    • Superoktavkoppeln: II/I, III/II, III/III
Chororgel

Die Chororgel wurde maßgeblich in Eigenarbeit der Gemeinde aus zwei Instrumenten gebaut, insbesondere unter Verwendung von Pfeifenmaterial der alten Hauptorgel. Die Chororgel hat 28 Register auf drei Manualen und Pedal.[8]

I Hauptwerk C–a3
1. Quintade 16′
2. Prinzipal 8′
3. Gedackt 8′
4. Oktave 4′
5. Koppelflöte 4′
6. Schweizerpfeife 2′
7. Scharff III 1′
8. Sesquialter II 223
9. Trompete 8′
10. Krummhorn 16′
Tremulant
II Schwellwerk C–g3
11. Hohlflöte 8′
12. Rohrflöte 8′
13. Prinzipal 4′
14. Nasat 223
15. Prinzipal 2′
16. Sifflet 1′
17. Terzian II 135
18. Oboe 8′
Tremulant
III. Manual C–g3
19. Holzflöte 8′
20. Gedackt 8′
21. Aeoline 8′
22. Gemshorn 4′
23. Prinzipal 2′
24. Krummhorn 8′
Tremulant
Pedal C–g1
25. Subbaß 16′
26. Flöte 8′
27. Oktave 4′
28. Posaune 16′
  • Koppeln: I 4′/I, II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P

Der Turm beherbergt sieben Läuteglocken. Glocken 1 bis 6 wurden 1951 bzw. 2006 von der Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock gegossen. Von historischer Bedeutung ist die Johannesglocke (Nr. 7), die 1492 von Gerhard van Wou gegossen wurde.[9]

Nr. Name Gussjahr Gießer, Gussort Ø (cm) Gewicht (kg) Nominal Anmerkungen
1 Christusglocke 2006 Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock 155 2.349 c1 +1 Festtagsglocke
2 Marienglocke 1951 132 1.432 es1 Sonntags- und Totenglocke
3 Josefsglocke 1951 115 1.007 f1
4 Gudulaglocke 1951 102 659 g1
5 Schutzengelglocke 1951 81 355 b1 Angelusglocke
6 Liudgerglocke 2006 82 372 c2
7 Johannesglocke 1492 Gerhard van Wou 58 118 e2 +8

Historischer Holzglockenstuhl (1951 aufgesetzter Eisenglockenstuhl bei der letzten Sanierung entfernt), eventuell unter Verwendung historischer Hölzer des Glockenstuhls der Vorgängerkirche.

  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen, Band 2. Westfalen, Deutscher Kunstverlag, München 1969
  • Wilhelm Rave: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band 46. Kreis Borken, 1954.
  • Ursula Ninfa: Bau- und Kunstwerke im Westmünsterland. Borken, 1999.
  • Ursula Ninfa: Geschichte der Stadt Rhede. Hrsg. Heimatverein Rhede, 2000.
  • Josef H. Dalhaus u. a.: 100 Jahre Sankt Gudula 1901 – 2001. Rhede 2001.
  • Heinz-Günther Wessels: Kirchenführer Kath.Pfarrkirche St. Gudula Rhede. 2001
  • Damberg-Muschiol: Das Bistum Münster 805–2005. Münster 2005.
Commons: St. Gudula (Rhede) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Kirchenführer St.Gudula Rhede. Hrsg. von der Katholischen Kirchengemeinde St. Gudula Rhede, 2001, S. 5.
  2. Kirchenführer St.Gudula Rhede. Hrsg. von der Katholischen Kirchengemeinde St. Gudula Rhede, 2001, S. 13.
  3. Hölzerne Madonna muss in die Röhre. In: Westfälische Nachrichten. 6. Oktober 2012, abgerufen am 28. November 2018.
  4. Georg Dehio; Dorothea Kluge; Wilfried Hansmann; Ernst Gall: Nordrhein-Westfalen. In: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band 2. Deutscher Kunstverlag, München, Berlin 1969, OCLC 272521926, S. 482.
  5. Chronik der Orgeln. Katholische Kirchengemeinde St. Gudula Rhede, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 28. November 2018.
  6. a b Die Seifert Orgel in St. Gudula. Katholische Kirchengemeinde St. Gudula Rhede, archiviert vom Original am 8. August 2017; abgerufen am 28. November 2018.
    Rhede St. Ursula: Disposition. (pdf, 2,3 MB) orgelbau-seifert.de, 3. Juli 2013, abgerufen am 28. November 2018.
  7. Romantic and Virtuoso Works for Organ • Volume 3: St. Gudula, Rhede. 25. April 2013, abgerufen am 16. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).
  8. Rhede, St. Gudula. In: orgelsite.nl. 8. Dezember 2017, abgerufen am 28. November 2018.
  9. Josef H. Dalhaus: Kirchort Sankt Gudula Rhede: Historische Pfarrkirche in der Stadtmitte am Markt. Katholische Kirchengemeinde St. Gudula Rhede, archiviert vom Original am 18. August 2017; abgerufen am 28. November 2018.

Koordinaten: 51° 50′ 26″ N, 6° 41′ 49″ O