Hartmann & Hauers

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Haus Wielandstraße 5 Ecke Glockseestraße, um 1900 Sitz von Hartmann & Hauers

Hartmann & Hauers war eine 1868 gegründete Chemiefabrik mit Sitz in Hannover.[1] Das Unternehmen zählte zu den ältesten der Holzverkohlungsindustrie[2] und war unter anderem spezialisiert auf die Herstellung von Essigsäure und essigsauren Salzen sowie Zinnober, Kreosot und Guajacol.[1]

Geschichte und Beschreibung

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Die Fabrik chemischer Produkte und Farbewaaren Hartmann & Hauers stellte ab 1869 zunächst im Haus Holzmarkt 4 in Hannover Backpulver für den Großhandel her nach der Rezeptur des Chemikers Justus von Liebig. Einer der frühen Abnehmer wurde das hannoversche Unternehmen Meine & Liebig.[3]

Wenige Jahre nach der Reichsgründung pachteten Hartmann & Hauers,[4] Inhaber Fritz Eberhard Bernhard Hartmann und der Chemiker Johannes Rudolf Hauers,[5] im Jahr 1873 von der Johann-Jobst-Wagenerschen Stiftung die Grundstücke Nummer 39 und 40 in der Glocksee mit der zeitgleich erteilten Erlaubnis, die dort noch stehenden Gebäude auf eigene Rechnung abzureißen. Nach dem Abriss 1875 und dem Erwerb der Grundstücke im Jahr 1877[4] ließen die beiden Unternehmer neben der Fabrik auch ein Kontorhaus errichten,[5] das heute das älteste erhaltene Gebäude in der Wielandstraße Ecke Glockseestraße darstellt.

Nachdem noch Mitte der 1870er Jahre das „echte Kreosot“ aufgrund mangelnder Anbieter nur selten und oftmals nicht in ausreichender Menge erhältlich war, wurde Hartmann & Hauers einer der ersten Hersteller des aus dem Teer des Buchenholzes gewonnenen Stoffes gegen die Fäulnis von Fleisch.[6]

Linden-Hannover. Blick von der Ihmenbrücke“ auf die Fabrikschlote an der Glockseestraße, an der die chemische Fabrik Hartmann & Hauers zur Holzverkohlungs-Industrie zählte;
sogenannte „Mondscheinkarte“, Nr. 128 von F. Astholz jun., um 1898

Insbesondere mit der Produktion des Ende des 19. Jahrhunderts erfundenen und durch das Kaiserliche Patentamt geschützte Testalin, ein „Schutzmittel für Stein- und Cement-Arbeiten gegen Witterungseinflüsse“, hatte das Unternehmen großen Erfolg.[7] Zusammen mit einem von Hartmann & Hauers entwickelten Verfahren erhielt die um Jahrhundertwende prosperierende Bauwirtschaft[8] sowie die Kunstgewerbe-Industrie ein langanhaltendes Mittel gegen Erosion[8] und Verschmutzungen wie etwa Ruß insbesondere von Sandstein, Tonelementen, Kalk- und Tuffstein-Formen und ähnlichem.[9] Schon 1897 hatte die Firmeninhaber zahlreiche Lizenznehmer in den größeren Städten des Deutschen Reichs wie etwa in Bremen, Hamburg, Magdeburg oder Leipzig.[7]

Dankschreiben aus „Con(stantin)ople“ vom Dezember 1914 an die „Herren Hartmann + Hauers G.m.b.H“ für deren Bericht über den Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg befand sich das in der Wielandstraße 5 ansässige Unternehmen Ende 1919 in Liquidation.[10]

Wielandstraße 5

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Haustür mit Haustein im angeschrägten Sockelgeschoss, Sandsteinbogen, darüber Klinker mit Zierband; Tür mit geschnitzten Blüten und schmiedeeisernem Ziergittern

Nach der Umfunktionierung des auch schlicht die „Villa“ genannten Gebäudes in der Wielandstraße 5 durch die Niedersächsischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung (NSI) zu Bildungszwecken stellte ein Architekt im September 2018 fest, dass wohl eine Baugenehmigung als Wohnraum vorliege, eine Nutzung als Büro- oder gar Hörsaalgebäude jedoch nicht genehmigt sei. So soll in den Plänen zwar von einer Bibliothek im ersten Stock die Rede sein, das Stockwerk jedoch als Seminarraum für rund 60 Studenten genutzt werden. Für diese Umwandlung sei nicht überprüft worden, ob möglicherweise tragende Wände entfernt wurden. Ein Sachverständiger für Brandschutz habe sieben baurechtswidrige Fakten festgestellt. Da die der Geschäftsführer und der Präsident der privat geführten NSI die Stellungnahme der Sachverständigen ignoriert hätten, sollen Mitarbeiter des NSI die Papiere dem Bauamt Hannover überreicht haben.[11]

Bereits zuvor hatte das städtische Bauamt in Braunschweig im März 2015 dem NSI große Teile der Nutzung eines Gebäudes in der Braunschweiger Wendenstraße „mit sofortiger Wirkung“ untersagt.[11]

  • Thomas Nagel: Bauen ohne Genehmigung? / Gutachten spricht von fehlenden Rettungswegen und sofortigem Handlungsbedarf, in: Neue Presse (NP) vom 4. Dezember 2018, S. 9
  • Thomas Nagel: Das Lehrgebäude: „Eine latente Gefahr“ / Bauantrag für ungenehmigte „Villa“ an Wielandstraße soll folgen, in: NP vom 5. Dezember 2018, S. 18
Ganzsache der Osmanischen Post, 1914 adressiert an die Herren Hartmann & Hauers G.m.b.H.

Archivalien von und über Hartmann & Hauers finden sich beispielsweise

Commons: Hartmann & Hauers – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Otto Wenzel (Hrsg.): Adressbuch und Waarenverzeichnis der chemischen Industrie des Deutschen Reichs. 3. Jahrgang, Verlag von Rudolf Mückenberger, Berlin 1892, S. 149 (Google-Books).
  2. Chemiker-Zeitung. 43 Jahrgang, 1919, S. 47 (books.google.de Vorschau).
  3. Backpulverfabriken. In: Ludwig Hoerner: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe-ABC 1800–1900. Reichold, Hannover 1995, ISBN 3-930459-09-4, S. 23 f.
  4. a b Sabine Paehr: Die Entwicklung der sozialen Fürsorge im 19. Jahrhundert am Beispiel der Johann-Jobst-Wagener’schen Stiftung in Hannover. Magisterarbeit 2007 am Historischen Seminar der Universität Hannover, S. 101, 103 (wagenersche-stiftung.de Digitalisat).
  5. a b Adreßbuch. Stadt- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover und der Stadt Linden, Abtheilung I, Teil 3: Alphabetisches Verzeichniß der Behörden und Anstalten, der Einwohner und Handelsfirmen, Hannover: Klindworths Verlag, 1894, S. 592; Digitalisat der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek über den Viewer der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
  6. Kreosotum / Kreosot. Buchenholztheerkreosot. Kreosōtum fagĭnum. Créosote. Creasote, in: Hermann Hager (Hrsg.): Commentar zur Pharmacopoea Germanica, Band 2, Springer Verlag Berlin Heidelberg GmbH, 1884; Neudruck, ISBN 978-3-642-51793-8, S. 181 f., hier: S. 182 (google.de).
  7. a b D.R.-P. Nummer 68 607; Zentralblatt der Bauverwaltung. Band 17, 1897, S. 497 und passim (Google-Books).
  8. a b o. V.: Steinconservirungsmittel „Testalin“. In: Polytechnisches Journal. 297, 1895, Miszelle 5, S. 119–120. Textdigitalisate des Polytechnischen Journals stehen unter der Lizenz Creative Commons by-nc-sa 3.0. Rechteinhaber: Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kulturwissenschaft.
  9. Patentschrift Nr. 68607 / Klasse 80: Thon- und Steinwaaren-Industrie, Teil-Digitalisat über die Auktionsplattform delcampe.net, zuletzt abgerufen am 1. Juli 2024.
  10. Adressbuch. Stadt- und Geschäfts-Handbuch Hannover Linden. Abteilung III: Alphabetisches Verzeichnis der Einwohner und Handelsfirmen (Redaktionsschluss 10. Oktober 1919). Druck und Verlag von Berthold Pokrantz (Wagenerstraße 17), Hannover 1920, S. 220 (dfg-viewer.de Digitalisat).
  11. a b Thomas Nagel: Bauen ohne Genehmigung? / Gutachten spricht von fehlenden Rettungswegen und sofortigem Handlungsbedarf. In: Neue Presse. 4. Dezember 2018, S. 9.
  12. Angaben über das Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen

Koordinaten: 52° 22′ 14″ N, 9° 43′ 17″ O