Hornstaader Gruppe

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Die Hornstaader Gruppe ist eine archäologische Kultur des mitteleuropäischen Jungneolithikums. Sie ist am Bodensee verbreitet von 3919 bis ca. 3870 v. Chr.[1], wo sie von der Pfyner Kultur abgelöst wird. Sie kann als die Initialphase der Pfyner Kultur bezeichnet werden.[2] Eponymer Fundort ist die Feuchtbodensiedlung Hornstaad-Hörnle in Gaienhofen, DE.[3]

Charakteristika

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Gefäße aus Hornstaad-Hörnle im Museum Gaienhofen

Die Hornstaader Gruppe wird definiert über die produzierte Keramik und Schmuckgegenstände. Zum typischen Schmuckinventar gehören Kalkröhrenperlen und Muscheln, Glisperlen und Kettenschieber aus rotem Gestein.[2]

Die Menschen lebten in Feuchtbodensiedlungen, welche auf Pfählen in den Strandplatten konstruiert wurden. Die Gebäude sind durchschnittlich ca. 27 m2 groß und waren vermutlich Allzweckhäuser, mit Wohn- und Arbeitsräumen, wo zum Beispiel Getreide gemahlen wurde. In ihrer Organisation ist keine Struktur erkennbar.[2]

Weiträumige Fernkontakte konnten insbesondere in Hornstaad-Hörnle-IA nachgewiesen werden: Rohmaterialien aus den Südvogesen, fertige Steinbeile aus dem Basler Raum, Keramik, wie sie in den Lutzengüetle, Schussenrieder und Michelsberger Keramikgruppen aus dem heutigen Süddeutschland produziert wird. Der gefundene Schmuck wie Kalkröhrenperlen, Perlen vom Typ Glis oder Kettenschieber aus rotem Geröll ist typisch für diverse Kulturgruppen aus der heutigen Schweiz: das Cortaillod, Typ Chamblandes, die Schaffhausener oder Wauwiler Gruppe aus dem Alpenvorland und Jurabogen. Man kann die Hornstaader Gruppe als multikulturellen, hochmobilen Komplex sehen, mit diversen Einflüssen aus verschiedenen Himmelsrichtungen.[2]

Die Landschaft wurde wohl brandgerodet, um neue Ackerflächen zu schaffen.[4] Dominante Getreidearten sind Hartweizen in Hornstaad-Hörnle IA, und Einkorn in Sipplingen-Osthafen. In Sipplingen wurde es wahrscheinlich nur als Sommergetreide angebaut.[5]

Kontext und Entwicklung

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Vor der Hornstaader Gruppe gab es noch keine Feuchtbodensiedlungen am Bodensee. Sie folgt auf die Mineralbodensiedlungen der Epirössener und Michelsberger Kultur, wobei letztere die Hornstaader Gruppe überdauert.

Die Siedlungen der Hornstaader Gruppe tauchen innerhalb weniger Jahre auf.[2] Die ältesten Siedlungen stammen aus den Jahren 3917 bzw. 3919 in Hornstaad-Hörnle sowie Sipplingen-Osthafen. In Sipplingen ist belegt, dass die Bäume aus früheren Wuchsbeständen stammen, die Siedlungsaktivitäten um 3950 belegen.[5] Ein weiterer Hinweis auf Siedlungskontinuität sind Eschen, die in den 3960ern geschlagen wurden vom Pfahlfeld des Orkopfs.[6]

Im Norden auf der Schwäbischen Alp gibt es die Schussenrieder Kultur, insbesondere um den Federsee herum. Einzelne Keramikfragmente finden sich auch am Bodensee.[7] Direkt südlich des Bodensees in Richtung Alpenvorland findet sich sogenannte Lützengüetle-Keramik. Im schweizerischen Mittelland findet man die Hinterlassenschaften der Cortaillod-Kultur.[8]

Gegen Ende entwickelt sich die Hornstaader Gruppe zur Pfyner Gruppe.[1]

Liste von Fundstellen

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  • Hornstaad-Hörnle IA
  • Sipplingen-Osthafen Schicht 1/2
  • Nußdorf-Seehalde
  • Konstanz-Hinterhausen I

Einzelnachweise

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  1. a b Zeitliche und kulturelle Dimension. Abgerufen am 25. Juni 2024.
  2. a b c d e Robin Peters: Zwischen Wachstum und Krise. Die Pfyner Kultur am Bodensee. In: Thomas Link, Joanna Pyzel (Hrsg.): Kulturkontakt und Kommunikation. Fokus Jungsteinzeit. Berichte der AG Neolithikum 5. 2017.
  3. Pfahlbau Fundstätte – Hornstaad Hörnle am Bodensee. Abgerufen am 23. Juni 2024.
  4. Prähistorische Landnutzung am Bodensee. Abgerufen am 23. Juni 2024.
  5. a b André Billamboz, Ursula Maier, Irenäus Matuschik, Adalbert Müller, Welmoed Out, Karlheinz Steppan, Richard Vogt, Jehanne Affolter, Annemarie Feldtkeller: Die jung- und endneolithischen Seeufersiedlungen von Sipplingen „Osthafen“ am Bodensee: Besiedlungs- und Wirtschaftsdynamik im eng begrenzten Naturraum des Sipplinger Dreiecks. In: Irenäus Matuschik, Christian Strahm (Hrsg.): Vernetzungen. Aspekte siedlungsarchäologischer Forschung. Festschrift für Helmut Schlichtherle zum 60. Geburtstag. 2010, S. 253–286.
  6. Simone Benguerel, Hansjörg Brem, Renate Ebersbach, Jutta Hoffstadt, Michael Kaiser, Almut Kalkowski, Joachim Köninger, Urs Leuzinger, Tanja Märkle, Martin Mainberger, Elena Marinova, Sebastian Million, Bernhard Muigg, Oliver Nelle, Helmut Schlichtherle, Matthias Schnyder, Willy Tegel, Richard Vogt, Bernd Wahl, Martin Wessels, Lucia Wick: Der Orkopf. Eine Fundstelle auf der Landesgrenze. In: Amt für Archäologie des Kantons Thurgau (Hrsg.): Archäologie im Thurgau 20. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland. Band XIV, 2020, S. 87–90.
  7. Sabine Hopert, Helmut Schlichtherle, Gunter Schöbel, Helmut Spatz, Peter Walter: Der "Hals" bei Bodman. Eine Höhensiedlung auf dem Bodanrück und ihr Verhältnis zu den Ufersiedlungen des Bodensees. In: Hansjörg Küster, Amei Lang, Peter Schauer (Hrsg.): Archäologische Forschungen in urgeschichtlichen Siedlungslandschaften. Festschrift für Georg Kossack zum 75. Geburtstag. 1998, S. 91–154.
  8. Werner E. Stöckli: Geschichte des Neolithikums in der Schweiz. In: Neolithikum. Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter. Band 2, 1995, S. 31–33.