Johann Benjamin Groß

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Johann Benjamin Groß

Johann Benjamin Groß (* 12. September 1809 in Elbing; † 1. September 1848 in Sankt Petersburg) war ein deutscher Violoncellist und Komponist.

Johann Benjamin Groß wuchs in Elbing (heute Elbląg) in Ostpreußen auf und erhielt ersten Musikunterricht bei seinem Vater, dem Glöckner Georg G. Groß. Seine Mutter Dorothea war eine geborene van Bergen. In Berlin erhielt er dann seine Cello-Ausbildung beim Kammermusiker Ferdinand Hansmann, einem Schüler von Jean-Pierre Duport.

1824 bekam Groß seine erste Anstellung im Orchester des Königstädtischen Theaters bei Berlin. 1830 wurde er 1. Solocellist des Gewandhausorchesters in Leipzig und verkehrte in den Musikerkreisen um Felix Mendelssohn Bartholdy, Friedrich Wieck, dessen Tochter Clara und Robert Schumann. 1833 war er kurzzeitig Cellist im Orchester des Magdeburger Theaters. Sein Freund, der Kunstmäzen Baron Karl Eduard von Liphart, holte ihn danach nach Dorpat (heute Tartu) im heutigen Estland an seine von Ferdinand David geleitete Quartettkapelle, die sich nach einer sehr produktiven Phase 1834 auflöste.

1835 ging Groß nach St. Petersburg und wurde 1. Cellist des kaiserlichen Hoforchesters im Range eines „kaiserlichen Kammermusikus“. Die Geigenvirtuosen Heinrich Wilhelm Ernst und Henri Vieuxtemps schätzten ihn als Quartettcellisten. Zudem wirkte er als Cellolehrer und komponierte über 40 Musikwerke insbesondere für sein Instrument. Am 1. September 1848 starb er in St. Petersburg an Cholera.

Groß war seit 1835 verheiratet mit Catharina von Witte aus Reval (heute Tallinn), mit der er drei Töchter hatte, von denen eine früh starb. Die beiden anderen Töchter waren Amalie und Dorothea Maria. Tochter Dorothea Maria, (* 1838 in Reval) zog später nach Lübeck und heiratete 1860 dort den Hanfgroßhändler Gottlieb Johannes Ferdinand Dahlberg, mit dem sie vier Kinder hatte. Einer ihrer Söhne ging in die Vereinigten Staaten, wo er in eine Pianisten-Familie heiratete und selbst als Musiker angesehen war.

Groß stand 1837–1840 im Briefwechsel mit Robert Schumann und war ein Davidsbündler.

Der Hamburger Komponist F. H. Thrun schrieb über ihn in einem Nachruf: J. B. Groß gehörte zu jenen stillen, innerlichen Künstlernaturen, die selten in der großen Welt zu großem Ansehen gelangen, aber im engeren Kreise wahrhafter Künstler und Kunstfreunde starke und dauernde Sympathien erregen. In seinen Compositionen, größtenteils dem Felde der höheren Kammermusik angehörend, wehte ein ernster, poetischer Geist; sie war dem großen Haufen nicht leicht verständlich und leicht zugänglich, werden aber der Achtung ächter Kenner nie ermangeln. sondern in immer erhöheterem Grade derselben theilhaftig werden. Als Virtuose auf dem Violoncell fehlte ihm freilich jene coquette Leichtigkeit, jenes Prunken mit wohlfeilen Effekten, wodurch ein moderner Kunstreisender ein Salonpublikum in Staunen versetzt; er spielte eben, wie er komponierte: correct, poetisch, sinnig…

Wiederentdeckung

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Nachdem das kompositorische Schaffen von Groß über lange Zeit in Vergessenheit geraten war, wurden einzelne Werke 2004 im Rahmen des Schumann-Festes in Düsseldorf wieder aufgeführt. 2009/10 fanden weitere Aufführungen statt in Paris, Gent, Kopenhagen, Wien, Leipzig, bei den Bruchsaler Schloßkonzerten (Ausstrahlung SWR) am 12. Februar 2009 und im Musikinstrumenten-Museum Berlin anlässlich seines 200ten Geburtstages am 21. Juni 2009. In Köln fanden weitere Konzerte am 21. November 2010 (Ausstrahlung WDR) und 10. Dezember 2010, eine weitere am 20. Februar 2011 in Stuttgart, am 24. November 2011 die Wieder-Aufführung eines Cello-Konzertes in seiner Heimatstadt Elbing. Erste CD-Einspielungen seiner Werke sind 2009 (ebl.laborie) und 2011 (ars production) erfolgt. Das Verdienst um seine Wiederentdeckung liegt bei dem ehemaligen Cellisten der Düsseldorfer Symphoniker, Alfred Lessing, der den Notenfundus rekonstruiert hat und bei Christophe Coin, dem derzeit wichtigsten Interpreten von Groß. Zuletzt wurde ein bisher unbekannter Notenfundus in der Handschriftenabteilung des Instituts zur Geschichte der Künste in St. Petersburg ausgehoben. Die Noten von Groß werden wieder- bzw. neu verlegt beim PAN-Verlag GmbH, Basel/Kassel (Herausgeber Folckert Lüken-Isberner) und beim Kammermusikverlag.

Anlässlich des 210ten Geburtsjahres fand das Schlusskonzert des 14. Goldberg Festivals in Gdańsk am 1. September 2019 statt. Dabei wurden ausschließlich Werke von Groß aufgeführt.[1]

  • Cellokonzert in Form eines Concertino op. 14 d-Moll
  • Larghetto und Variationen für Violoncello mit Orchesterbegleitung op. 28
  • Cellokonzert op. 31
  • Cellokonzert op. 38 C-Dur
  • Cellokonzert (1834)
  • Ballade für Violoncello mit Orchesterbegleitung op. 40
  • Vier Männerchöre op. 27
  • Männerchor op. 29

Cello und Klavier

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  • Sonate für Klavier und Violoncello op. 7
  • Divertissement für Violoncello mit Klavierbegleitung op. 8
  • Rhapsodien für Violoncello und Klavier op. 12
  • Lyrische Stücke für Cello mit Klavierbegleitung op. 26
  • Serenade für Violoncello und Klavier op. 32
  • Rhapsodie für Violoncello und Klavier op. 33
  • Drei Solos für Violoncello mit Klavierbegleitung op. 43
  • Duo brillant nach Motiven aus Meyerbeers Oper „Die Hugenotten“ für Klavier und Violoncello op. 36
  • Capriccio über ein Thema aus Méhuls Oper „Joseph in Ägypten“ für Violoncello und Bass op. 6
  • Zwei leichte Duette ohne Daumen-Einsatz mit Bezeichnung der Lagen für zwei Violoncelli op. 5
  • Vier amüsante und leichte Stücke ohne Daumenlage für 2 Violoncelli op. 10
  • Execitien in Form von Variationen über die russische Volkshymne „Schütze den Kaiser Gott“ für 2 Violoncelli op. 34
  • 24 leichte Duos für zwei Violoncelli op. 42

Weitere Kammermusik

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  • Streichquartett Nr. 1 op. 9
  • Streichquartett Nr. 2 op. 16
  • Konzertvariationen über ein Thema aus Meyerbeers Oper „Die Hugenotten“ mit Streichquartett op. 30
  • Streichquartett Nr. 3 op. 37
  • Streichquartett Nr. 4 op. 39
  • Variationen über eine Barcarole op. 24
  • Etüde für Violoncello ohne Daumenaufsatz op. 42
  • Elemente des Violoncellspiels, op. 36
  • Souvenir de la Pologne für Gitarre und Cello (1834)
  • Lieder op. 1
  • Lied op. 2
  • Lieder op. 25
  • Lieder op. 26
  • Lieder op. 35
  • Russisches Lied
  • Bernhard R. Appel: Johann Benjamin Groß (1809–1848). Anmerkungen zu Leben und Werk in: Bernhard R. Appel, M. Wendt: Robert Schumann, das Violoncello und die Cellisten seiner Zeit. Mainz 2007.
  • Folckert Lüken-Isberner: Johann Benjamin Gross, ein kleiner Groß-er unter den Frühromantikern In: Ensemble, Magazin für Kammermusik, Staccato-Verlag, Düsseldorf 2010.
  • Folckert Lüken-Isberner: Persönliche Aufzeichnungen über Johann Benjamin Groß (unveröffentlichtes Manuskript), Kassel 2009.
  • Folckert Lüken-Isberner: Johann Benjamin Gross, Cello-Virtuose und Komponist (1809-1848), Pan Verlag Kassel, 2023, ISBN 978-3-907073-68-1
  • Felix Mendelssohn Bartholdy: Schreiben vom 6. März 1833 an Breitkopf & Härtel. Berlin 1833.
  • F. H. Thrun: Nachruf zum Tode von Johann Benjamin Groß. In: Hamburger Korrespondent, Hamburg 1848.
  • Helmut Scheunchen: Lexikon deutschbaltischer Musik. Verlag Harro von Hirschheydt, Wedemark-Elze 2002. ISBN 3-7777-0730-9. S. 94 f.

Einzelnachweise

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  1. Programm 01.09.2019. In: Webauftritt des Feswtiwal Goldbergowski Gdańsk. Abgerufen am 6. Oktober 2019 (polnisch).