Klosterhof im Schnee

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Klosterhof im Schnee (Carl Friedrich Lessing)
Klosterhof im Schnee
Carl Friedrich Lessing, 1829
Öl auf Leinwand
61 × 75 cm
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Klosterhof im Schnee ist ein Hauptwerk des Malers Carl Friedrich Lessing aus dem Jahr 1829. Das Gemälde zeigt mittelalterliche Mönche oder Nonnen bei der Bestattung eines Ordensmitglieds und vermittelt im Duktus Schwarzer Romantik Gedanken und Gefühle an Vergänglichkeit, Tod, Trauer und Hoffnung.

Beschreibung und Bedeutung

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Das in eher tristen Tönen gehaltene Bild zeigt einen schemenhaften Trauerzug von Ordensleuten durch den Narthex und das geöffnete Kirchenportal eines romanischen Marienklosters im Winter. Offen bleibt, ob es Mönche oder Nonnen sind, die ihr Ordensmitglied zur Bestattung in der Kirchengruft begleiten.[1] Prägend für die Szene sind der verschneite Klosterhof im Vordergrund und seine grotesken Details. Zu sehen ist ein aus einem Pfeiler herausragender Drachenkopf als Wasserspeier, dessen Wasser zu Eis erstarrt ist. Schneebedeckte, hockende Atlanten, die als Bauplastik den Treppenaufgang des Narthex flankieren, wirken wie eine im Frost kauernde Ehrenwache und unterstreichen den Bildgedanken von Trauer, Tod und Kälte. Auch das Marienbildnis über dem Hauptbogen der Vorhalle ist eingeschneit und wirkt erstarrt. Bizarr streben die teilweise morschen Äste einer seltsam verwachsenen Fichte in den Hofraum, dessen alte Gemäuer deutliche Spuren der Verwitterung zeigen. Mit dem Ausdruck von Verfall, Unwirtlichkeit und Dystopie liegen lose, grob behauene Felsbrocken auf dem verschneiten Hof umher. Spirituelle Zeichen von Hoffnung und Heil vermitteln kontradiktisch ein schwaches Licht aus einer Schale und ein gotisches Altarretabel, die über dem aufgebahrten, schwarzbehangenen Sarg im Kircheninnern aufleuchten.

Entstehung und Rezeption

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Jacob van Ruisdael: Der Judenfriedhof, 1653, Gemäldegalerie Alte Meister
Narthex der Stiftskirche St. Suitbertus in Kaiserswerth, Zeichnung aus Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz

Das Gemälde entstand auf der Grundlage einer lavierten Vorzeichnung im Winter 1828/1829[2][3] in Düsseldorf. Dorthin war Carl Friedrich Lessing 1826 seinem Lehrer Wilhelm Schadow aus Berlin als Meisterschüler gefolgt, bald nachdem dieser sein Direktorat an der Kunstakademie Düsseldorf angetreten hatte. Schon unter akademischer Anleitung von Heinrich Dähling in Berlin hatte Lessing 1826 das Bild eines Kirchhofes mit Gräbern gemalt und ausgestellt.[4] Damit folgte er poetisch-schauerromantischen Bildthemen wie Abtei im Eichwald, Hünengrab im Schnee und Klosterfriedhof im Schnee, mit denen Caspar David Friedrich zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgetreten war und in Berlin einen Trend zur Grabes-, Friedhofs- und Ruinenromantik befruchtet hatte. Gemäß seiner literarischen Neigung für Sujets der Spätromantik interessierten Lessing damals ferner Bildmotive des mittelalterlichen Ritter- und Mönchtums, wobei er wie etwa im Gemälde Das Felsenschloss (1828) zur Darstellung von Landschaften und Architekturen das Schroffe, Bizarre und abenteuerlich Anmutende suchte. Für die Darstellung des Narthex als zentrale Architekturstaffage seiner Komposition könnte Lessing im romanischen Vorbau der Basilika St. Suitbertus in Kaiserswerth ein Vorbild gefunden haben. Das bizarre Baumgeäst in seinem Bild, das er bereits in seinem Friedhofsbild von 1826 gezeigt hatte, erinnert hingegen an das Gemälde Der Judenfriedhof (1653) von Jacob van Ruisdael in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden.[5]

Die Komposition bildet einen Auftakt zu einer Serie von elegischen Trauer- und Schmerzbildern, mit denen die Düsseldorfer Malerschule in der Kunstwelt seinerzeit Aufsehen erregte. Von düsterer Stimmung ist insbesondere auch das Gemälde Das trauernde Königspaar geprägt, das Lessing bald darauf vollendete. Im August 1829 stellte Lessing seinen Klosterhof im Schnee in Düsseldorf aus.[6] Als der 22-jährige Künstler seine Komposition 1830 in Berlin ausstellte, fand sie lobende Beachtung.[7][8] Gedeutet wurde sie als bekenntnishaftes Werk in der Nachfolge Friedrichs und Carl Blechens,[9] als „Naturnachahmung gefärbt durch jugendlich-sentimental schwermüthiges Gefühl“.[10] Den Berliner Kunstsammler Atanazy Raczyński begeisterte der Detailrealismus des Gemäldes.[11] Der Schweizer Kunstschriftsteller Wilhelm Füssli fühlte sich in den Klosterhof „gleichsam durch eine geheime Macht“ hineingezogen.[12] Ein Kopie davon malte Caspar Scheuren,[13] druckgrafische Reproduktionen schufen Friedrich Unzelmann (für Raczyńskis Buch[14]), Andreas Borum und Albert Henry Payne. Glaubhaft ist, dass auch Johann Wolfgang von Goethe das Klosterbild Lessings gesehen hat, entweder die endgültige Fassung oder eine Studie. So überlieferte der Historiker Friedrich Christoph Förster in einer 1873 erschienenen Publikation folgende Kunstkritik des Dichters:[15]

„Da hat mir ein junger Maler aus Berlin, dessen Name ihn schon zu Anstrengungen für eine bedeutende Zukunft auffordert – er unterzeichnet sich Lessing – eine Landschaft mit einer Staffage zugesandt, welche ein entschiedenes Talent verrät, für poetische Erfindung wie für Composition und Ausführung, und dennoch befinde ich mich mit dem Künstler ebensowenig, wie mit seinem Gemälde in Übereinstimmung. Weshalb verlassen wir unsere enge Studierzelle oder den lärmenden Gesellschaftssaal und eilen aus dem dumpfen Gewühle der Stadt vor das Tor hinaus in Freie? Wir suchen Erholung, Erheiterung, wollen einen frischen Atemzug tun. Wohin führt uns nun aber Ihr Berliner Maler? In eine Winterlandschaft und nicht etwa in eine jene heitern holländischen, wo wir Damen und Herren sich lustig auf spiegelglatter Eisfläche schlittschuhlaufend umhertummeln sehen – o ich selbst war zu meiner Zeit ein tüchtiger Schlittschuhläufer! – nein, hier führt uns der Maler in eine Winterlandschaft, in welcher ihm Eis und Schnee noch nicht genug zu sein scheint; er überbietet, oder wir können sagen, er überwintert den Winter noch durch die widerwärtigsten Zugaben. Da sehen Sie: einen in warmen Tagen uns mit einem kühlen Labetrunk versorgenden Brunnen, aus dessen Löwen- oder Drachenrachen das festgefrorene Wasser wie eine Zunge von Eis heraushängt, fest an den Boden angefroren. Dann weiter: dunkle Tannen, deren Zweige unter der Last des Schnees brechen; ich sehe sie lieber auf dem Weihnachtstische mit hellen Lichtern besteckt, von frohen Kindergesichtern umgeben. Und nun die Staffage: ein Zug von Mönchen, noch dazu Barfüßer, im Schnee, giebt einem abgeschiedenen Bruder, der im Sarge liegend auf schwarzbehangner Bahre nach der Gruft in einem verfallenen Kloster getragen wird, das Geleit. – Das sind ja lauter Negationen des Lebens, und der freundlichen Gewohnheit des Daseins, um mich meiner eigenen Wort zu bedienen. Zuerst also die erstorbene Natur, Winterlandschaft; den Winter statuiere ich nicht;[16] dann Mönche, Flüchtlinge aus dem Leben, lebendig Begrabene; Mönche statuiere ich nicht; dann ein Kloster, zwar ein verfallenes, allein Klöster statuiere ich nicht; und nun zuletzt, nun vollends noch ein Todter, eine Leiche; den Tod aber statuiere ich nicht.“

1829 erwarb der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen das Bild für 150 Taler. Im gleichen Jahr gelangte es durch Verlosung an den Kölner Erzbischof Ferdinand August von Spiegel.[17][18] Aus dessen Nachlass kam es 1835 in die Sammlung des heutigen Wallraf-Richartz-Museums. Eine weitere Fassung des Gemäldes, die um 1828 entstanden ist,[19] gelangte in die Sammlung des Bergischen Museums Schloss Burg an der Wupper.[20]

Eine lavierte Vorzeichnung (29,5 × 36,2 cm) zu dem Bild befindet sich in der Sammlung des Cincinnati Art Museum.[21] Sie war 1880 unter dem Titel Normannischer Klosterhof im Schnee, mit Nonnenprozession in der Lessing-Gedächtnis-Ausstellung in Berlin zu sehen und befand sich im Besitz von Otto Lessing, der den künstlerischen Nachlass seines Vaters geerbt hatte und diesen bald an den US-amerikanischen Sammler Joseph Longworth veräußerte. Jener überließ im Jahr 1882 915 Zeichnungen, 4 Tuschkartons, 15 Ölbilder an das Cincinnati Art Museum, darunter auch die Vorzeichnung Lessings.

Eine Abwandlung des Motivs schuf Lessing in der Mitte der 1870er Jahre. Hierzu fertigte er 1875 eine Vorzeichnung[22] und bis 1876 ein neues Ölgemälde (97 × 142,5 cm), das in die Sammlung des Cincinnati Art Museum gelangte und von dort 1946 in den Kunsthandel gegeben wurde.[23]

  • Rolf Andree: Katalog: Klosterhof im Schnee, 1830. In: Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 388, Nr. 154.
  • Wend von Kalnein (Hrsg.): The Hudson and the Rhine. Die amerikanische Malerkolonie in Düsseldorf im 19. Jahrhundert. Kunstmuseum Düsseldorf, Düsseldorf 1976, Nr. 83.
  • Carl von Lorck: Goethe und Lessings „Klosterhof im Schnee“. In: Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte. Wallraf-Richartz-Jahrbuch, IX (1936), S. 205–222.
  • Lessing, Karl Friedrich. In: Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte. Fr. v. Boetticher’s Verlag, Dresden 1891, Band 1, S. 844 ff. (S. 844 f.: I. Ölgemälde: Nr. 3; S. 852: II. Aquarelle und Zeichnungen: Nr. 142).

Einzelnachweise

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  1. Während etwa der Dichter Johann Wolfgang von Goethe in den abgebildeten Ordensleuten Mönche sah, erblickten beispielsweise der Dichterjurist Friedrich von Uechtritz, ein Freund Lessings, und der Kunsthistoriker Anton Springer darin Schwestern. – Vgl. Anton Springer: Geschichte der bildenden Künste im neunzehnten Jahrhundert. F. A. Brockhaus, Leipzig 1858, S. 100 (Google Books)
  2. Friedrich von Uechtritz: Blicke in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben. Schreiner, Band 1, Düsseldorf 1839, S. 323–326 (Digitalisat)
  3. Die Kunstschule zu Düsseldorf. In: Jacob Nöggerath: Gemeinnützige und unterhaltende Rheinische Provinzial-Blätter. Neue Folge, zweiter Jahrgang, 3. Band, J. P. Bachem, Köln 1835, S. 191 (Google Books)
  4. Der Kirchhof, 1826, Cincinnati Art Museum – Vgl. Vera Leuschner: Der Landschafts- und Historienmaler Carl Friedrich Lessing (1808–80). In: Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-80530409-9, S. 87
  5. Wolfgang Hütt: Die Düsseldorfer Malerschule 1819–1869. VEB E. A. Seemann Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1984, S. 87
  6. Johann Josef Scotti: Die Düsseldorfer Maler-Schule, oder auch Kunst-Akademie in den Jahren 1834, 1835 und 1836, und auch vorher und nachher. Schreiner, Düsseldorf 1837, S. 133 (Digitalisat)
  7. Correspondenznachrichten. In: Blätter für literarische Unterhaltung. Ausgabe Nr. 332 vom 28. November 1830, S. 1327 f. (Google Books)
  8. Miszellen. In: Friedens- und Kriegs-Kurier. Ausgabe Nr. 337 vom 3. Dezember 1830 (Google Books)
  9. Rolf Andree: Klosterhof im Schnee, 1830. In: Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 388, Nr. 154
  10. Hermann Becker: Deutsche Maler. Von Asmus Jakob Carstens an bis auf die neuere Zeit kritisch geschildert. Verlag Reissner, Leipzig 1888, S. 355 (Digitalisat)
  11. Atanasius Raczinski: Geschichte der neueren deutschen Kunst. Berlin 1836–41, Band 1: Düsseldorf und das Rheinland. Mit einem Anhange: Ausflug nach Paris. Berlin 1836, S. 126 ff. (Digitalisat)
  12. Wilhelm Füssli: Die wichtigsten Städte am Mittel- und Niederrhein. 2. Band über rheinische Kunst: Schilderungen von Mainz, Wiesbaden, Frankfurt, Coblenz, Bonn, Cöln, Aachen und Düsseldorf. Verlag des literarischen Comtoirs, Zürich und Winterthur 1843, S. 479 (Google Books)
  13. Klosterhof im Schnee, Datenblatt eines Gemäldes von Caspar Scheuren im Portal stiftung-volmer.de
  14. Atanasius Raczinski: Geschichte der neueren deutschen Kunst. Berlin 1836–41, Band 1: Düsseldorf und das Rheinland. Mit einem Anhange: Ausflug nach Paris. Berlin 1836, S. 165 (Digitalisat)
  15. Hermann Kletke (Hrsg.): Nach seinem Tode erschienen Erinnerungen aus seinem Leben unter dem Titel: Kunst und Leben. Aus Friedrich Försters Nachlaß. Berlin 1873, zitiert nach Carl von Lorck: Goethe und Lessings „Klosterhof im Schnee“. In: Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte. Wallraf-Richartz-Jahrbuch, IX (1936), S. 205
  16. Gemäß Grimms Wörterbuch (Band 17, Sp. 1057 ff.) wohl in der Bedeutung „erlaube ich nicht“, „gestatte ich nicht“ oder „nehme ich nicht an“, hier unter Berücksichtigung von zeitgenössischen Sittlichkeitsvorstellungen vielleicht am besten mit „akzeptiere ich nicht als etwas Darstellungswürdiges“ zu verstehen.
  17. Hermann Püttmann: Die Düsseldorfer Malerschule und ihre Leistungen seit der Errichtung des Kunstvereines im Jahre 1829. Ein Beitrag zur modernen Kunstgeschichte. Verlag von Otto Wigand, Leipzig 1839, S. 220 (Google Books)
  18. Uta Kaiser: Sammler, Kenner Kunstschriftsteller. Studien zur „Geschichte der neueren deutschen Kunst“ (1836–1841) des Athanasius Graf Raczyński. Georg Olms Verlag, Hildesheim 2017, ISBN 978-3-487-15536-4, S. 174, Fußnote 42 (Google Books)
  19. Klosterfriedhof im Schnee, Objektdatenblatt im Portal smb.museum-digital.de, abgerufen am 30. Mai 2024
  20. Siehe Abb. 3 in Michael Jaeger: Fausts Kolonie. Goethes kritische Phänomenologie der Moderne. 2. Auflage, Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-2716-7, S. 80 (Google Books)
  21. Cincinnati Art Museum, Nr. 1882/91 (= Art Catalogue of the Cincinnati Museum Association, Cincinnati 1882, Nr. 66)
  22. Lessing, Karl Friedrich. In: Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte. Fr. v. Boetticher’s Verlag, Dresden 1891, Band 1, S. 852 ff., Nr. 142 (Digitalisat)
  23. Carl Friedrich Lessing – Winterlicher Klostergang mit Nonnen, Objektdatenblatt im Portal neumeister.com, abgerufen am 1. Juni 2024