Leonhardskapelle (Münsterlingen)

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Leonhardskapelle

Die römisch-katholische Leonhardskapelle ist ein Kirchenbau in der Gemeinde Münsterlingen (bis 1994 Landschlacht) im Schweizer Kanton Thurgau.

Die früheste Erwähnung der Kapelle findet sich in der Konstanzer Chronik (Historia civitatis et episcopatus Constantiensis) von Gebhard Dacher († 1471) aus den Jahren 1458 bis 1471.[1] Dort wird berichtet, die Kapelle in Landschlacht sei bereits zur Zeit Bischofs Salomons III. von der Kirche in Altnau abhängig und damit dem Bistum Konstanz zugehörig gewesen.[2] Die Richtigkeit der Angabe ist nicht überprüfbar.

Spätestens ab 1505 wurde auf Anweisung der Konstanzer Diözese der Kirchdienst in Landschlacht durch den Pfarrer in Altnau versehen.[3]

Vorromanischer Bau

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Ein erster Bau am Ort erfolgte nach Ausweis archäologischer Bewertung der 1943/1944 ergrabenen Fundamentreste im 10. oder 11. Jahrhundert.[4][5][6] Er könnte zur Manse – bestehend aus Mühle, Herrenhof und Kapelle – gehört haben, die Ludwig der Fromme 817 dem Kloster St. Gallen zusprach.[7] Der vorromanische Kirchraum lag unterhalb des heutigen Chores und wurde zuletzt nicht als fast quadratischer Kultraum, sondern als Chor eines nach Westen anschliessenden Kirchbaus gedeutet.[8]

Ob dieser erste Bau bereits das Leonhardspatrozinium trug, ist ungewiss.[6]

Romanischer Bau

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Das romanische Kirchenschiff entspricht im Wesentlichen dem heutigen Schiff. Allerdings besass die Kapelle in dieser Zeit einen eingezogenen Chor, dessen Dimensionen mit etwa 3 × 3,5 m über denen des Vorgängerbaus lag.[8] Die dendrochronologische Untersuchung ergab eine Fertigstellung des Daches um 1150.[9]

Heutiger Baukörper

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Die Kapelle präsentiert sich als einschiffiger, ungewölbter Bau mit Glockenreiter auf einem Satteldach. Das westliche Vordach wurde 1944 anhand von Spuren eines Vorgängers erneuert.[10]

Der romanische Westteil aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, in dem sich der Kapelleneingang befindet, besteht aus Feldsteinen. Die östliche Hälfte, der höher gelegte Chorbereich, ist eine gotische Erweiterung mit Masswerkfenstern aus der Zeit um 1400.[8]

Innenraum mit Wandmalereien (Blick nach Osten)
Innenraum mit Wandmalereien (Blick nach Südosten)

Nachdem das Abreissen der Kapelle 1907 durch den neu gegründeten Thurgauer Heimatverein abgewendet werden konnte, wurden unter dem weissen Putz mittelalterliche Wandmalereien entdeckt, die 1909 freigelegt wurden.[10]

Bereits im 11. Jahrhundert hatte man begonnen, die Kirche auszumalen.

Aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts stammt ein Zyklus mit Bildern der Passion Christi.[11][12] Zwischen einem Wein- und Eichblattfries sind noch sechs von einstmals sieben oder acht Medaillons erhalten. Die Bildzone wird durch Arkaden gegliedert. Regine Abegg verwies auf eine Reihe weiterer Passionszyklen in den Galluskapellen in Arbon und Oberstammheim, in der Sebastianskapelle in Buch, der evangelischen Kirche in Nussbaumen und der Oswaldskapelle in Breite. Sie stellte die besondere Position des Landschlachter Zyklus heraus: «In der Reihe ähnlicher, sicher voneinander abhängiger Passionszyklen aus der 1. Hälfte des 14. Jh. im Bodenseeraum [...] ist derjenige in Landschlacht vielleicht der früheste, sicher aber der künstlerisch bedeutendste.»[13] An der Süd- und Westwand befinden sich ebenfalls Szenen aus der Passion, die der Zeit zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert entstammen, aufgrund ihres Erhaltungszustandes aber nicht näher datierbar sind.[14]

1432 wurde ein Leonhardszyklus im gotischen Chor von den Konstanzer Bürgern Heinrich Ehinger und Berchtold Vogt in Auftrag gegeben und auf diese Weise dem Patron der Kirche bildlich die Ehre erwiesen; die Stifter sind durch ihre Wappen identifizierbar.[15][16] Die Malerwerkstatt stammte aus Konstanz oder der Umgebung.[17]

  • Regine Abegg, Peter Erni: Zwischen Bodensee und Bürglen (= Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Band 9). Bern 2018.
  • Wolf-Dieter Burkhard: St. Leonhard in Landschlacht. Nebst einem Kommentar (= Heimat am See. Band 3). Landschlacht 1988.
  • Wolf-Dieter Burkhard: Die St. Leonhardskapelle in Landschlacht und ihre gotischen Wandmalereien. Altnau 1996.
  • Wolf-Dieter Burkhard: St. Leonhard in Landschlacht. Neue Fakten, Thesen, Spekulationen. Landschlacht 2021.
  • Peter Erni: Heinrich Ehinger und Berchtold Vogt. Zwei prominente Konstanzer als Stifter des Leonhardzyklus in der Kapelle Landschlacht. In: Silvia Volkart (Hrsg.): Umbruch am Bodensee. Vom Konstanzer Konzil zur Reformation (= Der Thurgau im späten Mittelalter. Band 3/4). Zürich 2018, S. 78–87.
  • Josef Hecht: Der romanische Kirchenbau des Bodenseegebietes. Von seinen Anfängen bis zum Ausklingen. Basel 1928, S. 388–391.
  • Josef und Konrad Hecht: Die frühmittelalterliche Wandmalerei des Bodenseegebietes. 2 Bände. Thorbecke, Sigmaringen 1979.
  • Franz Hofmann: Frühmittelalter und Romanik am westlichen Bodensee (= «Kunstschätze» des Hegau-Geschichtsvereins. Band 7). Hilzingen 2017.
  • Friedrich Wielandt, Franz Beyerle: Die St. Leonhardskapelle zu Landschlacht und ihre neuentdeckten Wandgemälde. In: Schau-in’s-Land. 38 (1911), S. 88–104 und 39 (1912), S. 25–36.
Commons: Leonhardskapelle (Münsterlingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Cod. Sangallensis 646 ist die älteste Abschrift der Chronik. Die Handschrift ist mit kolorierten Federzeichnungen geschmückt und befindet sich spätestens seit dem späten 18. Jahrhundert in St. Gallen.
  2. Cod. Sang. 646, fol. 23v.
  3. Manfred Krebs (Bearb.): Die Protokolle des Konstanzer Domkapitels (= Beihefte zur Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins). Karlsruhe 1952–1959, Nr. 2351.
  4. Hermann Holderegger: Nachrichten. Kanton Thurgau. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte. 5 (1943), S. 187, 254 und 6 (1944), S. 125.
  5. Karl Keller-Tarnuzzer: Die Kapelle zu Landschlacht. In: Thurgauer Zeitung. 3. Juni 1944.
  6. a b Regine Abegg, Peter Erni: Zwischen Bodensee und Bürglen (= Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Band 9). Bern 2018, S. 383 (Regine Abegg).
  7. Friedrich Schaltegger (Red.): 724–1000 (= Thurgauisches Urkundenbuch. Band 1). Frauenfeld 1924, Nr. 31.
  8. a b c Regine Abegg, Peter Erni: Zwischen Bodensee und Bürglen. In: Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, 2018, S. 384, abgerufen am 3. September 2024.
  9. Amt für Archäologie des Kantons Thurgau Frauenfeld, MUEN 002/DC1–17.
  10. a b Regine Abegg, Peter Erni: Zwischen Bodensee und Bürglen (= Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Band 9). Bern 2018, S. 385 (Regine Abegg).
  11. Jürgen Michler: Gotische Wandmalerei am Bodensee. Friedrichshafen 1992, S. 28 f., 183 (um oder nach 1310).
  12. Wolf-Dieter Burkhard: Die St. Leonhardskapelle in Landschlacht und ihre gotischen Wandmalereien. Altnau 1996 (1. Viertel des 14. Jhds.).
  13. Regine Abegg, Peter Erni: Zwischen Bodensee und Bürglen (= Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Band 9). Bern 2018, S. 387 (Regine Abegg).
  14. Jürgen Michler: Gotische Wandmalerei am Bodensee. Friedrichshafen 1992.
  15. Die Datierung ergibt sich aus einer fragmentarisch erhaltenen Inschrift über der Bestattungsszene: «anno d(o)m(in)i m ccc xxxii depicta est».
  16. Peter Erni: Heinrich Ehinger und Berchtold Vogt. Zwei prominente Konstanzer als Stifter des Leonhardzyklus in der Kapelle Landschlacht. In: Silvia Volkart (Hrsg.): Umbruch am Bodensee. Vom Konstanzer Konzil zur Reformation (= Der Thurgau im späten Mittelalter. Band 3/4). Zürich 2018, S. 78–87.
  17. Regine Abegg, Peter Erni: Zwischen Bodensee und Bürglen (= Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Band 9). Bern 2018, S. 389 (Regine Abegg).

Koordinaten: 47° 37′ 32,1″ N, 9° 14′ 40,9″ O; CH1903: 735751 / 276554