Maria Isabel Aboim Inglês

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Maria Isabel Hahnemann Saavedra de Aboim Inglês (* 7. Januar 1902 in Mercês, Lissabon; † 7. März 1953 in Campo Grande, Lissabon) war eine portugiesische Feministin, Aktivistin gegen die portugiesische Diktatur und Hochschullehrerin.[1][2]

Aboim Inglês wurde als Maria Isabel Hahnemann Saavedra in einer bürgerlichen Familie in Lissabon geboren. Sie war die Tochter von Elisa Augusta Hahnemann und Juan (oder João) Saavedra, einem spanischen Republikaner und Atheisten, der die portugiesische Staatsbürgerschaft angenommen hatte.[3] Ihr Großvater mütterlicherseits, João Hahnemann, war deutscher und portugiesischer Abstammung, ein Verwandter der Morgados von São Jacinto und Cousin des ersten Conde de São João de Ver.[4] Sie hatte zwei Geschwister, Maria Cristina Hahnemann Saavedra de Sousa Marques und Delfim Hahnemann Saavedra.[5]

Aboim Inglês wurde von ihrer Mutter katholisch erzogen, bekannte sich aber als Jugendliche wie ihr Vater zum Atheismus. Sie erhielt eine Schulbildung am Liceu Pedro Nunes, wo sie auch einen Ergänzungskurs in Literatur absolvierte.[6]

Während ihrer Schulzeit lernte sie Carlos Lopes de Aboim Inglês (1899–1942) kennen, später Chemie- und Bergbauingenieur, Freimaurer und antifaschistischer Aktivist, den Sohn von António Lobo de Aboim Inglês, einem Ingenieur und Landwirtschaftsminister in der Regierung von António Joaquim Granjo während der Ersten Portugiesischen Republik,[7] den sie im Alter von 20 Jahren heiratete.[8] Nach der Trauung zog sie nach Beja, wo ihr Mann arbeitete, und später nach Alcântara. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor: Maria Isabel (* 1923), Maria Luísa (* 1924), später Malerin, Margarida (* 1926), später Agronomin, Carlos (* 1930), später Führer der Kommunistischen Partei Portugals,[9][10] und António Hahnemann Saavedra de Aboim Inglês (* 1931).

Erst nach der Geburt ihres fünften Kindes besuchte Aboim Inglês die Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Lissabon und schloss 1936 ein Studium der historisch-philosophischen Wissenschaften ab. Aufgrund ihres ausgezeichneten Abschlusses wurde sie noch im selben Jahr von Professor João António de Matos Romão eingeladen, als seine Assistentin für experimentelle Psychologie zu arbeiten, aber aufgrund des Alters ihrer Kinder und der Befürchtung, ihre Ausbildung nicht mit der vorgeschlagenen Stelle vereinbaren zu können, lehnte sie das Angebot ab. Zwei Jahre später legte sie eine Arbeit zum Lizenziat mit dem Titel A Influência dos Descobrimentos na Sociedade Portuguesa („Der Einfluss von Entdeckungen auf die portugiesische Gesellschaft“) vor.[11]

Aboim Inglês gründete 1938 mit Unterstützung ihres Mannes in Lissabon das Colégio Feminino Fernão de Magalhães, das eine säkulare, fortschrittliche und soziale Bildung förderte und in der Schülerinnen aus verschiedenen Schichten der portugiesischen Gesellschaft in durchmischten Klassen zusammenkamen.[12]

Drei Jahre später, 1941, erhielt Aboim Inglês erneut einen Ruf an die Philosophische Fakultät der Universität Lissabon, diesmal von Professor Francisco Vieira de Almeida, als Assistenzprofessorin für antike Philosophie und Psychologie. Sie nahm die Stelle an und arbeitete zunächst als Assistenzprofessorin und dann als ordentliche Professorin.[13] Auf Einladung von Francisco Gentil Martins unterrichtete sie zudem zwischen 1947 und 1949 einen Soziologiekurs an der Fachschule für Krankenpflege des Instituto Português de Oncologia de Lisboa.[14]

Als Feministin und Antifaschistin schloss sie sich in den 1930er Jahren dem von der Ärztin Adelaide Cabete geleiteten Conselho Nacional das Mulheres Portuguesas an, einer Organisation, die sich der Verteidigung der sozialen und politischen Rechte der Frauen widmete.[15][16] Später schloss sie sich auch der Associação Feminina Portuguesa para a Paz an, wo sie mit Virgínia Moura, Francine Benoît, Maria Lúcia Vassalo Namorado, Manuela Porto und Elina Guimarães zusammenwirkte.

Aboim Inglês scheute sich nicht, gegen das diktatorische Regime des Estado Novo aufzutreten. 1945 trat sie dem Movimento de Unidade Democrática bei, wo sie als erste Frau Mitglied des Zentralkomitees wurde. 1949 war sie außerdem Mitglied der Kommissinonen für Frauen und Soziales und der Zentralkomitees des Movimento Nacional Democrático Feminino[17] und des Movimento Nacional Democrático.[18] In ihrem Haus hielt sie regelmäßig Treffen mit Regimegegnern ab, darunter Bento de Jesus Caraça, Francisco Ramos da Costa, Luís Hernâni Dias Amado, Mário Soares, Maria Lamas, Gustavo Soromenho, Luís da Câmara Reys, Manuel Mendes, Mário de Azevedo Gomes, Maria Palmira Tito de Morais oder Manuel Alfredo Tito de Morais.[19][20] Der Dichter José Gomes Ferreira bezeichnete sie als „die Unbeugsame“. 1945 wurde sie trotz der Unterstützung einiger Professoren aus der Fakultät für Literatur entlassen und am 13. Dezember 1946 zum ersten Mal unter dem Vorwurf, Kommunistin zu sein, verhaftet, aber am nächsten Tag gegen Kaution freigelassen.[13]

Zwei Jahre später, im Januar 1948, wurde Aboim Inglês zusammen mit anderen Mitgliedern des Zentralkomitees des Movimento de Unidade Democrática zum zweiten Mal wegen subversiver Aktivitäten und Propaganda verhaftet, nachdem mehr als 1.500 Flugblätter mit Propaganda über die Bewegung verteilt worden waren.[16] Nach zwei Monaten Haft wurde sie freigelassen.[21][22]

Nur ein Jahr später wurde das von ihr geleitete Colégio Feminino Fernão de Magalhães aufgrund ihrer Beteiligung an der Präsidentschaftskampagne von José Norton de Matos und nach Drohungen der PIDE gewaltsam geschlossen und ihre Diplome annulliert, so dass sie an keiner Bildungseinrichtung des Landes mehr unterrichten durfte.[23][24] Bei dieser Gelegenheit wurden auch ihr Sohn Carlos und dessen Frau inhaftiert, so dass sie ihre Enkelin Margarida, die damals vier Jahre alt war, unter ihre Vormundschaft nehmen musste. Auch ihre Töchter Maria Luísa und Margarida erhielten Berufsverbot als Lehrerin bzw. als Staatsbedienstete. Aboim Inglês war gezwungen, einen anderen Weg zu finden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und eröffnete noch im selben Jahr ein Nähatelier, gab Nachhilfeunterricht und begann, Werke zu übersetzen, die, um nicht von den Verlegern boykottiert zu werden, nicht unter ihrem Namen veröffentlichte.[25]

Im Jahr 1952 wurde sie zusammen mit dem gesamten Zentralkomitee des Movimento de Unidade Democrática erneut verhaftet.[26][27]

Sie hielt Kontakt zu Professoren, Schriftstellern und Journalisten, die vom faschistischen Regime verfolgt und überwacht wurden und nach Brasilien geflohen waren, wie Soeiro Pereira Gomes, Manuel Rodrigues Lapa, Agostinho da Silva und Jaime Cortesão. 1953 wurde sie eingeladen, an einer brasilianischen Universität Philosophie zu lehren. Das Regime verweigerte ihr jedoch ohne Vorwarnung kurzfristig einen Pass, nachdem sie bereits einen Großteil ihres Besitzes versteigert hatte. Als sie dagegen appellierte soll António de Oliveira Salazar selbst den Vorgang mit den Worten Ela é mulher, que vá coser meias! („Sie ist eine Frau, soll sie Strümpfe nähen!“) kommentiert haben.[28]

1958, als sie als Zeugin für die Verteidigung mehrerer politischer Gefangener aussagte, wurde sie wegen „Respektlosigkeit“ zu einer Geldstrafe verurteilt, wobei sie eine dreitägige Haftstrafe im Gefängnis im vormaligen Convento das Mónicas, und noch im Gericht inhaftiert wurde.[29] 1960 wurde sie während eines Gefängnisbesuchs bei ihrem Sohn Carlos, der eine achtjährige Haftstrafe wegen seiner Mitwirkung im Partido Comunista Português verbüßte, im Gefängnis von Caxias von den Wärtern angegriffen. Ein Jahr später wurden ihr die politischen Rechte entzogen und sie wurde daran gehindert, bei den Wahlen zur Nationalversammlung als Kandidatin der demokratischen Opposition anzutreten.[30]

Am 7. März 1963 war Aboim Inglés am Steuer ihres Wagens unterwegs, als sie einen Schwächanfall erlitt und den Wagen anhalten musste. Sie starb kurz darauf im Hospital de Santa Maria in Campo Grande an einem Schlaganfall. Sie ist auf dem Cemitério de Benfica begraben.[31][32]

Nach der Nelkenrevolution wurde ihr am 30. Oktober 1987 posthum der Rang eines Großoffiziers des Ordem da Liberdade verliehen.[33] In mehreren portugiesischen Gemeinden, darunter Almada (in der Gemeinde Sobreda), Amadora (in Alfornelos), Odivelas (in Pontinha), Moita (in Alhos Vedros) und im Lissaboner Stadtteil Belém sind Straßen nach ihr benannt.

Einzelnachweise

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  1. Rosa María Ballesteros García: El movimiento feminista portugués: del despertar republicano a la exclusión salazarista, 1909–1947. Universidad de Málaga, Málaga 2001, ISBN 978-84-7496-867-5.
  2. Mário Matos e Lemos: Oposição e eleições no Estado Novo. Assembleia da República, Lissabon 2012, ISBN 978-972-556-593-3.
  3. Livro de registo de batismos da paróquia de Mercês (1902). Arquivo Nacional da Torre do Tombo, S. 25, assento 91, abgerufen am 9. Juni 2024.
  4. Manuela de Sousa Marques: A família Haneman em Portugal. In: Páginas de Crítica Literária. Private Website, 2015, abgerufen am 9. Juni 2024.
  5. Manuela de Sousa Marques: Manuela, uma viajante pelas letras. In: Páginas de Crítica Literária. Private Website, 2015, abgerufen am 9. Juni 2024.
  6. Helena Pato: Maria Isabel Aboim Inglês. Jornal Tornado, 23. Juni 2019, abgerufen am 11. Juni 2024.
  7. Alberto Laplaine Guimarãis: Os presidentes e os governos da República no século XX. Caixa Geral de Departmentósitos, Lissabon 2001, ISBN 978-972-27-1047-3.
  8. Sara Marques Pereira, Maria de Deus Manso und Marília Favinha: Feminino ao sul: história e historiografia da mulher. Hrsg.: Universidade de Évora Centro Interdisciplinar de História, Culturas e Sociedades. Livros Horizonte, Lissabon 2008, ISBN 978-972-24-1613-9.
  9. Fichas da PIDE de membros do MUD e do MUD Juvenil: Carlos Hahnemann Saavedra de Aboim Inglês, Seite 4. In: Casa Comum. Fundação Mário Soares, abgerufen am 17. Juni 2024.
  10. Diário 049, p. 1779. In: Debates Parlamentais. Assembleia da República, 9. März 1978, abgerufen am 17. Juni 2024.
  11. Vidas com Sentido (31) – Maria Isabel Aboim Inglez. Fundação Mário Soares e Maria Barroso, 26. Februar 2015, archiviert vom Original am 15. Juli 2021; abgerufen am 17. Juni 2024.
  12. João Esteves: Maria Isabel Aboim Inglez (I). In: Silêncios e Memórias. 16. Januar 2014, abgerufen am 17. Juni 2024 (Privater Blog).
  13. a b Comissão para a Igualdade e Direitos das Mulheres (Hrsg.): Notícias, Edições 45-55. Lissabon 1998, S. 5, 9 (portugiesisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. Filipa Melo: Francisco Gentil: uma luta apaixonada. Publico, 23. April 2001, abgerufen am 17. Juni 2024.
  15. Isabel Freire, Vanda Gorjão und Anne Cova: Cem anos de lutas femininas e feministas em Portugal: o exemplo das pioneiras. Público, 27. September 2020, abgerufen am 17. Juni 2024 (portugiesisch).
  16. a b Manuela Tavares: Feminismos: Percursos e Desafios. Leya, Lissabon 2012, ISBN 978-972-47-4350-9 (google.pt).
  17. Maria João Avillez: Soares, ditadura e revolução. Público, Lissabon 1996, ISBN 978-972-8179-11-3.
  18. Helena Pereira de Melo: Os direitos das mulheres no Estado Novo. Leya, Lissabon 2018, ISBN 978-972-40-7379-8.
  19. Documentos relativos a Maria Isabel Aboim Inglês, 1952–1960. Arquivo de Ciência e Tecnologia, abgerufen am 18. Juni 2024.
  20. Isabel Soares: Mário Soares, o homem e o político. Perspectivas & Realidades, Lissabon 1976.
  21. Alexandre Babo: Recordações de um caminheiro. Escritor, 1993, ISBN 978-972-9484-27-8.
  22. Isabel Aboim Inglês. Museu do Aljube, 7. März 2023, abgerufen am 18. Juni 2024.
  23. Rose Nery Nobre de Melo: Mulheres portuguesas na resistência. Seara Nova, Lissabon 1975.
  24. Fernando Rosas und José Maria Brandão de Brito: Dicionário de história do Estado Novo: M–Z. Bertrand Editora, Lissabon 1996, ISBN 978-972-25-1017-2.
  25. Maria Isabel Aboim Inglês, faleceu, faz hoje 53 anos. Ruas com História, 7. März 2016, abgerufen am 18. Juni 2024.
  26. Gina de Freitas: A força ignorada das companheiras. Plátano Editora, Santa Marta de Corroios 1975.
  27. Mário Soares: Portugal amordaçado: depoimento sobre os anos do fascismo. Arcádia, Lissabon 1974.
  28. Margarida Tengarrinha: Maria Isabel Aboim Inglez: «A Indomável». In: Faces de Eva. Estudos sobre a Mulher. Nr. 43, Juni 2020, S. 213–221, doi:10.34619/t5zb-m173 (scielo.pt).
  29. Amilcar Gomes Duarte: A resistência em Portugal. Editôra Felman-Rêgo, São Paulo 1962.
  30. José Ricardo: Romanceiro do povo miúdo: memórias e confissões. Edições Avante!, Lissabon 1991, ISBN 978-972-550-192-4.
  31. Isabel César Anjo und Alberto Pedroso: Biografia de Maria Isabel Aboim Inglês. O Leme, 1984, archiviert vom Original am 18. Juli 2021; abgerufen am 18. Juni 2024.
  32. Livro de registo de óbitos da 7.ª Conservatória do Registo Civil de Lisboa, Seite 204, Eintrag 404. Arquivo Nacional da Torre do Tombo, 1963, abgerufen am 18. Juni 2024.
  33. Cidadãos Nacionais Agraciados com Ordens Portuguesas. Presidência da República Portuguesa, abgerufen am 18. Juni 2024.