Muton

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Muton ist eine historische, heute nicht mehr gebräuchliche Einheit in der Genetik für den kleinsten Chromosomenabschnitt, dessen Veränderung eine Mutation auslöst. Sie entspricht einem Nukleotid.

Der Begriff wurde 1955 von Seymour Benzer bei seinen Untersuchungen am Escherichia-Phagen T4 geprägt.[1] Benzer störte sich am klassischen Begriff des Gens, wie von Wilhelm Johannsen definiert. Das Gen entsprach danach sowohl einer funktionalen Einheit (als Basis eines Merkmals), als kleinster Baustein einer Rekombination und als kleinste Einheit einer möglichen Mutation. Forschungen, unter anderem Benzers eigene Resultate, erwiesen nun, dass diese nicht identisch sein konnten.[2]

Benzer schlug als Ersatz drei neue Begriffe vor: Die kleinste mögliche Einheit einer Mutation sei ein „Muton“, die kleinste einer Rekombination nannte er „Recon“, die kleinste funktionale Einheit sei ein „Cistron“ (der Name geht zurück auf den cis-trans-Komplementationstest, maßgeblich entwickelt durch den Genetiker und Nobelpreisträger Edward B. Lewis). Zum Zeitpunkt von Benzers Arbeit war die DNA bereits als Erbmolekül erkannt worden, die Struktur der Basenpaare durch die berühmte Arbeit von Watson und Crick (Molecular Structure of Nucleic Acids: A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid, 1953) bekannt, aber der Genetische Code wurde erst kurze Zeit später entschlüsselt. Benzer vermutete in der Originalarbeit aufgrund seiner Ergebnisse, dass das Muton nicht länger als ca. 5 Basenpaare sein könne. Später wurde dann klar, dass es genau einem Basenpaar entspricht, vor allem aufgrund der Ergebnisse von Charles Yanofsky Ende der 1950er Jahre.[3] Yankovsky zeigte außerdem, dass auch das Recon genau ein Basenpaar lang ist, also dem Muton materiell entspricht.[4]

Während der Begriff Cistron in der Fachsprache, wenn auch eher selten verwendet, erhalten blieb (meist wird das Cistron mit dem Gen gleichgesetzt), haben sich die Begriffe Muton und Recon nicht etablieren können. Dies könne einfach daran gelegen haben, dass sie in Übersetzungen, etwa ins Französische, schlicht missverständlich waren.[5] Möglicherweise waren sie für die praktischen Zwecke der Forschung auch einfach zu eng definiert.[6] Obwohl der Begriff also aufgegeben wurde, markiert Benzers Unterscheidung einen wichtigen Erkenntnisfortschritt.[7]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Seymour Benzer: The elementary units of heredity. In William D. McElroy & Bentley Glass: The chemical basis of heredity. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1957.
  2. vgl. Petter Portin (2002): Historical Development of the Concept of the Gene. Journal of Medicine and Philosophy 27 (3): 257-286.
  3. Petter Portin, Adam Wilkins (217): The Evolving Definition of the Term “Gene”. Genetics 205: 1353–1364. doi:10.1534/genetics.116.196956
  4. Petter Portin (2015): The Development of Genetics in the Light of Thomas Kuhn’s Theory of Scientific Revolutions. Recent Advances in DNA and Gene Sequences 9: 14-25.
  5. Sydney Brenner (1995): Loose ends: Molecular biology by numbers ..... one. Current Biology 5 (8): 964.
  6. Hans-Jörg Rheinberger: Begriffsgeschichte epistemischer Objekte. In Ernst Müller und Falko Schmieder (Herausgeber): Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften. Zur historischen und kulturellen Dimension naturwissenschaftlicher Konzepte. De Gruyter, 2008, ISBN 9783110208092.
  7. Niklas Markus Gericke, Mariana Hagberg (2007): Definition of historical models of gene function and their relation to students’ understanding of genetics. Science & Education 16: 849–881. doi:10.1007/s11191-006-9064-4