Otto-Ton

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Otto-Ton hieß ein Tonverfahren, das der österreichische Filmpionier, Regisseur und Erfinder Hans Otto Löwenstein in den späten 1920er-Jahren vorstellte. Es handelte sich um ein Nadeltonsystem, d. h. der Ton wurde auf Grammophonplatten aufgezeichnet und bei der Vorführung abgespielt.

Den „Zweck des Otto-Tonfilmes“ erklärte Löwenstein, der unter Vermeidung seines Nachnamens immer nur als ‚Hans Otto‘ firmierte, programmatisch in einer ganzseitigen Anzeige, die er im Namen der „Eaglewerke Wien, Hans Otto, Robert Garai“ in das österreichische Fachblatt Das Kino-Journal am 19. Oktober 1929[1] einrückte. Darin heißt es:

„Allen, auch den mittleren und kleineren Kinos, gute Tonfilmaufführungen zu ermöglichen, einen international praktischen Tonfilm zu schaffen, stumme Filme einwandfrei synchronisieren zu können, war der Zweck unserer vielmonatigen schweren Arbeit.“

Die Otto-Tonfilm-Apparatur wurde hergestellt von den Eagle-Radiowerken Wien unter Leitung von Ing. Z. Dezsö und L. Marchfeld. Den Weltvertrieb hatte Robert Garai, Wien VII., Lindengasse 53.[2]

Ein Aufsatz in Das Kino-Journal am 9. Oktober 1929[3], gezeichnet „H. Schn.“, stellt ausführlich den „Otto-Ton“, die Wiener Erstaufführungen sowie „Wesen, Zusammensetzung und Bedeutung des Ersten Wiener Tonfilmprogrammes“ dar.

Ähnlich wie die Amerikaner mit ihrem (allerdings lichtton-basierten) Movietone-System[4] stellte er damit zunächst Filme her, die lediglich eine orchestrale Musikbegleitung, aber noch keine Dialoge hatten. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Synchronisierung von (Grammophon-)Musik und Filmhandlung.[5]

So entstanden die ersten österreichischen Nadeltonfilme „G’schichten aus der Steiermark“[6] und „Ruhiges Heim“[7], die Ende August 1929 im Grazer Ringkino[8] uraufgeführt wurden.[9] In den Ohren eines Berichterstatters klangen sie „überraschend naturgetreu“ (Offenthaler).

Den ersten österreichischen ‚Sprech- und Tonfilm‘ mit Dialogen und Gesang produzierte Löwenstein aber schon im Jahr darauf.

Bei „Stürmisch die Nacht“ (1930), dessen Titel ein verkürztes Zitat[10] aus dem beliebten Lied Asleep in the Deep (in Deutschland unter dem Titel „Seemannslos“ bekannt) ist, führte Curt Blachnitzky Regie, Löwenstein hatte als „Hans Otto“ die Produktionsleitung. Darin konnte man Maria Ney und Walter Jankuhn singen hören, begleitet von Charly Gaudriot und seinem Wiener Jazzorchester.[11]

Der Film wurde allerdings nicht mehr mit Löwensteins ‚Otto-Ton‘, sondern mit dem weiter entwickelten Lichtton-System „Selenophon“ vertont, kam aber noch in Kopien für Licht- und Nadelton in den Verleih.[12] In Wien wurde er mutmaßlich noch 1930, in Berlin erst am 5. April 1931 aufgeführt.

Die „Ottoton“ wie die „Trianon / Wien“ ging im Folgenden in der „Selenophon“-Licht- und Tonbildgesellschaft m.b.H. auf.

Abbildungen:

  • Photo von Hans Otto Löwenstein in Uniform.
  • Photo aus Mein Film Nr. 239 (1930), S. 3, mit dem Mitarbeiterstab des Tonfilms “Stürmisch die Nacht” von Hans Otto Löwenstein (im Bild rechts vorne).
  • Titelseite des Illustrierten Film-Kurier zu „Stürmisch die Nacht“ (1930)
  • Seite im Illustrierten Film-Kurier mit den credits zu „Stürmisch die Nacht“ (1930)
  • Foto von den Aufnahmen zu "Stürmisch die Nacht" (1930)
  • Uwe Harten: Art. „Löwenstein, Hans Otto (Pseud. Hans Otto)“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14. März 2004, abgerufen am 17. August 2024), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d7e1.
  • Löwenstein, Hans Otto: Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd101189369X.html [17.08.2024].
  • Eva Offenthaler: Ein Vertreter des frühen österreichischen Films: Hans Otto Löwenstein. Institut Österreichisches Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation, online bei oeaw.ac.at.
  • Operetten-Legende „Walter Jankuhn“: „Stürmisch die Nacht“ 30/31, online bei jankuhn.2fix.de.

Einzelnachweise

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  1. zu sehen bei ANNO, S. 25
  2. vgl. Anzeige in Das Kino-Journal vom 19. Oktober 1929, ANNO, S. 21–22 : "Das erste österreichische Tonfilm-Programm. Otto-Tonfilm."
  3. ANNO, S. 7
  4. vgl. James zu Hüningen im Lexikon der Filmbegriffe
  5. In dem Artikel ist zu erfahren, dass es sich bei ‚Otto-Ton‘ um ein „Plattensystem für schnell spielende Platten“ handelt, d. h. keine aktweise aufzulegenden 40-cm-Tonfilmplatten mit 33 ⅓ Umdrehungen in der Minute, sondern reguläre Grammophonplatten mit 78 U/min. Vorgeführt werden sie „mit Hilfe eines Dreitellerspieltisches“, eine „Synchronvorrichtung verbindet den Plattentisch mit dem Vorführungs-Apparat und sorgt für die Uebereinstimmung zwischen Platte und Film (es wird mit 24 Bildern Geschwindigkeit vorgeführt)“. Da im Gegensatz zu den amerikanischen Apparaturen „keine automatische Verbindung zwischen Platte und Film hergestellt“ wird, muss jede Platte vom Vorführer, der hier ‚Tonmixer‘ genannt wird, „rechtzeitig eingesetzt“ werden, will sagen: Von Hand aufgelegt. Der Verfasser fährt fort: „Und hier ist der Punkt, weshalb man wahrscheinlich dem Otto-Tonfilm die Berechtigung zur Bezeichnung als "Tonfilm" anzweifeln dürfte.“
  6. vgl. filmportal.de; das mit Standbildern illustrierte Filmprogramm „Geschichten aus der Steiermark. Ein Drama aus den Bergen in 6 Akten.“ ist enthalten in der Fachzeitschrift Das Kino-Journal vom 19. Oktober 1929, anzusehen bei ANNO, S. 27–30
  7. „Ruhiges Heim“, Tonlustspiel in 2 Akten mit Annie Burg, Mizzi Griebl, E. Kersten und Eugen Preiss. Das mit Standbildern illustrierte Filmprogramm ist abgeb. in der Fachzeitschrift Das Kino-Journal vom 19. Oktober 1929, anzusehen bei ANNO, S. 23–24
  8. RINGLICHTSPIELE, Graz (Steiermark), Joanneumring 22, vgl. allekinos.com
  9. „Die Premiere von „G’schichten aus der Steiermark“ fand am 23. August 1929 in Graz statt. Verwendet wurde das Nadeltonverfahren Ottoton des Regisseurs Hans Otto Löwenstein. Ein Großteil der ersten österreichischen Kurztonfilme dieses Jahres beschränkte sich noch auf das Einsetzen von Geräusch- und Musikeffekten.“ (Offenthaler)
  10. die vollständige Liedzeile lautet „Stürmisch die Nacht und die See geht hoch / Tapfer noch kämpft das Schiff“, vgl. ingeb.org
  11. vgl. filmportal.de
  12. vgl. jankuhn.2fix.de : „Österreichische Medien preisen den Film “Stürmisch die Nacht” allerdings als ihren bereits “1930” veröffentlichten “ersten österr. Tonfilm” (inkl. Sprache und Musik), insbesondere weil Herr LÖWENSTEIN und die TRIANON/Wien maßgeblich an der Entwicklung der Tonverfahren beteiligt waren (Selenophon-Verfahren)“. Eine Darstellung dieses Verfahrens, veröffentlicht von Dr. Rudolf Kalmar im „Wiener Magazin“, Oktober 1929, ist abgeb. bei grammophon-platten.de (user 'Formiggini', Fr Aug 22 2014, 22:25)