Peter Hujar

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Peter Hujar (* 11. Oktober 1934 in Trenton (New Jersey); † 26. November 1987 im Westchester County) war ein amerikanischer Fotograf ukrainischer Abstammung.

Hujar wurde als Sohn der ukrainischen Eltern Rose Kubela und Joseph Hujar geboren. Zu Hause wurde Ukrainisch gesprochen, Englisch lernte Hujar erst in der Schule.[1] Nachdem der Vater die Familie bereits vor der Geburt des Sohnes verlassen hatte, wuchs Hujar auf der Farm seiner Großeltern auf. Nach dem Tod der Großmutter zog er als Zwölfjähriger nach Manhattan zur Mutter und ihrem zweiten Ehemann, die in einem Einzimmerappartement leben. Kurz darauf bekam Hujar seine erste Kamera geschenkt und fand in den Tieren auf der Farm des Großvaters sein erstes Motiv, das er sein Leben lang verfolgen würde. Von 1950 bis 1953 besuchte er eine Hochschule für Kunst und Design, die School of Industrial Art. Seine Englischlehrerin Daisy Aldan nahm sich seiner an und förderte ihn, nahm ihn sogar kurzzeitig bei sich auf, bevor er für das letzte Schuljahr eine eigene Unterkunft für sich hatte. Nach dem Schulabschluss arbeitete er zunächst in einem Buchladen, bis er 1955 eine Anstellung bei einem Fotografen fand, in dessen Dunkelkammer, die ersten Abzüge Hujars entstanden, die erhalten sind. In einem Arbeitsbuch begann er ihm wichtige Fotoshootings zu notieren.[2]

Er bewegte sich in der New-Yorker Bohème des East Village bzw. der Lower East Side und freundete sich mit seinem späteren Lebensgefährten Paul Thek, mit Linda Rosencrantz und Joseph Raffaele an. 1958 begleitete er Raffaele, der ein Stipendium erhalten hatte, für zwei Jahre nach Italien. 1962/1963 verbrachte Hujar erneut für längere Zeit in Italien, wo die Bilder der Katakomben von Palermo entstanden. 1964 war er an den Screen Tests Andy Warhols beteiligt, die als The 13 Most Beautiful Boys kompiliert gezeigt wurden.

1966/1967 war Hujar an einer Meisterklasse des Fotografen Richard Avedon und Marvin Israel beteiligt, wonach er von Alexei Brodowitsch bei der Zeitschrift Harper’s Bazaar eingeführt wurde.[3] Für das Magazin arbeitete er bis um 1970 regelmäßig als Modefotograf. Es entstanden im Auftrag Musiker- und Autorenportraits für Buch- und Plattencover, etwa das für Susan Sontags Against Interpretation (1966) und für Alben von Moondog, Booker T. & the M.G.’s und Billy Joel. Das von Steve Lawrence ins Leben gerufene, übergroß und ohne jeglichen Text von 1969 bis 1971 erschienene Tabloid Newspaper zeigte über 40 Fotografien Hujars, teilweise als Werbung für zum Beispiel die Pace Gallery oder die Plattenfirmen Columbia (Moondog, sowie Johnny Winter und Janis Joplin im Madison Square Garden) und Elektra (Iggy Pop).[4] Ein anhaltender künstlerischer Austausch verband ihn mit Diane Arbus und Robert Mapplethorpe.[3][5]

Mit dem Einzug in ein eigenes Studio ab Ende 1969 wandte sich Hujar zunehmend der schwulen Szene von Manhattan zu. 1969 entstand so auch das Bild Orgasmic Man.[6][7] Insbesondere 1975 und danach fotografierte er Künstler wie Paul Thek, Andy Warhol, Robert Wilson, John Waters, William S. Burroughs und Diana Vreeland. Eines seiner bekanntesten Bilder, Candy Darling on Her Deathbed, erschien erstmals am 26. März 1974 aus Anlass ihres Todes in der New York Post (allerdings beschnitten).[4] Auch David Wojnarowicz, den er 1981 kennenlernte und wichtig für seine letzten Lebensjahre wurde, portraitierte er mehrmals.[8]

Hujar war zu Lebzeiten wenig erfolgreich und lebte zeitweise an der Armutsgrenze. Bei Künstlerkollegen fand er jedoch große Anerkennung. Richard Avedon setzte sich für ihn ein und Nan Goldin bewunderte ihn, vor allem auch seine Fotografien von Tieren, die wie regelrechte Portraits wirken.[9] Susan Sontag schrieb das Vorwort zu seinem einzigen Fotobuch, Portraits in Life and Death, das 1976 bei Da Capo erschien. Anfang der 1980er Jahre versucht Marvin Heiferman vergeblich Hujars Arbeiten privaten und öffentlichen Sammlungen zu vermitteln. Hujar begibt sich 1980 nach Paris zur Eröffnung einer Ausstellung seiner Bilder und portraitiert Lotte Eisner, Brion Gysin und June Newton, der Frau Helmut Newtons, bei denen er unterkommt, bevor er nochmals nach Italien reist. Größere Anerkennung erhielt Hujar 1982 durch eine von Jean-Christophe Ammann kuratierte Ausstellung in der Kunsthalle Basel, die neben Fotografien von Larry Clark und Robert Mapplethorpe 55 Bilder Hujars zeigte. Es blieb die umfangreichste Werkschau zu Lebzeiten, womit er zu jenen amerikanischen Künstlern zählt, deren Bedeutung zuerst in Europa institutionell etabliert wurde.

1987 starb Hujar an den Folgen einer Aids-Erkrankung.[3]

Stil und Arbeitsweise

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Hujar arbeitete zeitlebens immer nur in schwarz/weiß, nie in Farbe, und benutzte (wie auch Avedon, Arbus, Mapplethorpe und andere) eine 6×6-Mittelformatkamera mit Lichtschacht, seine unterhalb der Augenhöhe aufgenommenen Bilder sind (fast) ausnahmslos quadratisch.

Hujars Blick auf seine Motive war empathisch und konzentriert. Bildhintergründe sind entweder nicht vorhanden oder nur spärlich. Einige seiner Modelle berichten, dass Hujar nicht versuchte, Einfluss auf die Art und Weise zu nehmen, wie sie sich in Szene setzten. Er soll ihnen auch nicht geholfen haben ihre Scheu zu überwinden.Ref? Hujars Bilder seien formal klassisch, meint der Nachlassverwalter Hujars, Stephen Koch, es sei jedoch ein „spannungsgeladener Klassizismus [...] ein Klassizismus ohne Wohlbehagen: Klassizismus ohne Trost. Dies ist ein Klassizismus, der in die Hölle starrt. Und das ist es, was diesen Bildern ihre wunderbare Integrität, Intelligenz und Kraft gibt.“[10]

Werk in öffentlichen Sammlungen

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Seine Werke sind vor allem in amerikanischen Sammlungen und dort vor allem in seiner Heimatstadt New York zu finden: zuvorderst in der Morgan Library & Museum, das 2013 ein Konvolut von 100 Fotografien Hujars und den gesamten Nachlass an Kontaktabzügen, Korrespondenzen u. a vom Hujar-Archiv erwarb und eine erste Auswertung mit der Wanderausstellung Speed of Life und in einer begleitenden Publikation präsentierte. Das Metropolitan Museum of Art, das MoMA und das Whitney Museum of American Art sind außerdem zu nennen. Zudem haben das Museum of Fine Arts, Boston, das Art Institute of Chicago und das San Francisco Museum of Modern Art Werke Hujars, in Europa unter anderem die Tate Modern in London und in Deutschland das Essener Folkwang Museum.

Ausstellungen (Auswahl)

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Abgesehen von Hujars einzigem eigenen Buch von 1976, Portraits in Life and Death, und Kertess Monografie Animals and Nudes (2002), sind alle Publikationen aus Anlass von Ausstellungen entstanden, außer dem Baseler Katalog von 1981 alle posthum.

  • Peter Hujar: Portraits in Life and Death, mit einem Vorwort von Susan Sontag, Da Capo Press, New York 1976, ISBN 0-306-70755-1 (englisch).
  • Peter Hujar, Ausstellungskatalog Kunsthalle Basel, hrsg. von Peter Weiermair, Texte von Jean-Christophe Amann und Dieter Hall, Allerheiligenpresse, Innsbruck 1981[sic!].
  • Peter Hujar, Essays von Stephen Koch und Thomas Sokolowski, Gespräche mit Fran Lebowitz und Vince Aletti. Grey Art Gallery & Study Center, New York University, 1990, ISBN 0-934349-07-X (englisch).
  • Urs Stahel und Hripsimé Visser (Hrsg.): Peter Hujar - Eine Retrospektive, Vorwort von Urs Stahel, Essays von Max Kozloff, Hripsimé Visser und Stephen Koch, sowie Texte von Jean-Christophe Amann, Nan Goldin, Marvin Heiferman, John Heys u. a., Scalo, Zürich 1994, ISBN 3-9803851-0-8.
  • Klaus Kertess: Peter Hujar – Animals and Nudes, Twin Palms, Santa Fe 2002, ISBN 0-944092-95-0 (englisch).
  • Robert Nickas: Peter Hujar – Night, Matthew Marks Gallery, New York, und Fraenkel Gallery, San Francisco 2005 (englisch).
  • Peter Hujar: Love & Lust, Texte von Jeffrey Fraenkel, Vince Aletti und Stephen Koch, Fraenkel Gallery, San Francisco 2014.
  • Peter Hujar: Lost Downtown, Text von Vince Aletti, Pace/MacGill Gallery, New York, und Steidl, Göttingen 2016, ISBN 978-3-95829-106-5 (englisch).
  • Peter Hujar: Speed of Life, Texte von Joel Smith, Philip Gefter und Steve Turtell, Chronologie und Bibliografie, Fundación Mapfre und Aperture, Madrid und New York 2017, ISBN 978-84-9844-610-4 (spanisch), ISBN 978-1-59711-414-1 (englisch).
  • Peter Hujar: Rialto, Rodovid Press, 2024, ISBN 978-617-7482-65-8 (englisch).

Einzelnachweise

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  1. Peter Hujar: Rialto - Announcements - e-flux. Abgerufen am 30. September 2024 (englisch).
  2. Joel Smith mit Martha Scott Burton: Peter Hujar: Speed of Life. Fundación Mapfre und Aperture, Madrid und New York 2017, Chronology, S. 229–238 ff.
  3. a b c Valérie Duponchelle: Peter Hujar, entre Éros et Thanatos – À Paris, le Jeu de Paume expose cette figure de l'avant-garde new-yorkaise et du monde gay. In: Le Figaro. Nr. 23.412. Paris 22. November 2019, S. 32 (lefigaro.fr). (Zahlschranke)
  4. a b Joel Smith mit Martha Scott Burton: Peter Hujar: Speed of Life. Fundación Mapfre und Aperture, Madrid und New York 2017, Exhibitions and Bibliography, S. 239 ff.
  5. Einen Austausch, der Hujar in ästhetischer Hinsicht beeinflusst hätte, bestreiten Nan Goldin und der Kritiker des New Yorker und Freund Vince Aletti, vor allem bzgl. Mapplethorpe. An Evening with Nan Goldin and Vince Aletti: Remembering Peter Hujar. Goldin und Aletti in einem halbstündigen Gespräch mit Jeffrey Fraenkel aus Anlass der Ausstellung Love & Lust in der Fraenkel Gallery im Februar 2014 mit Bildern Hujars und Goldins Serie von neun Selbstportraits.
  6. a b c Peter Hujar. In: Pace Gallery. Abgerufen am 19. Dezember 2022 (englisch).
  7. Das Foto erhielt Popularität durch seine Verwendung als Cover für Hanya Yanagiharas Bestseller A Little Life, das auch für die deutsche Ausgabe, Ein wenig Leben, übernommen wurde. Vanessa Peterson: Ecstasy or agony: the story behind the 'visceral' photo on the cover of A Little Life. In: The Booker Prizes (Features). 23. März 2023, abgerufen am 6. Oktober 2024 (englisch).
  8. "Peter Hujar – Biographie," in: Urs Stahel, Hripsimé Visser (Hrsg.): Peter Hujar - Eine Retrospektive, Scalo, Zürich 1994, S. 199.
  9. a b An Evening with Nan Goldin and Vince Aletti: Remembering Peter Hujar. Goldin und Aletti in einem halbstündigen Gespräch mit Jeffrey Fraenkel in der Fraenkel Gallery im Februar 2014 (englisch).
  10. Stephen Koch, Klassizismus ohne Trost, in: Urs Stahel und Hripsimé Visser (Hrsg.): Peter Hujar – Eine Retrospektive, Scalo, Zürich 1994, S. 197.
  11. Peter Hujar: Speed of Life. In: Wexner Center for the Arts. Abgerufen am 29. Mai 2021.
  12. Hannah Silver: A snapshot of the bohemian downtown: Peter Hujar’s early photography on show in New York. Features. In: Wallpaper. 25. Mai 2024, abgerufen am 30. September 2024 (englisch).