Präsidentschaftswahl in Polen 2020

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Präsidentschaftswahl in Polen
28. Juni 2020 (erster Wahlgang)
12. Juli 2020 (zweiter Wahlgang)
Recht und Gerechtigkeit
Andrzej Duda
Stimmen 10.440.648
  
51,03%
Platforma Obywatelska
Rafał Trzaskowski
Stimmen 10.018.263  
  
48,97%
Wahlergebnisse nach Powiat
Karte der Wahlergebnisse nach Powiats
Präsident der Dritten Polnischen Republik
Vor der Wahl
Andrzej Duda
PiS
Stimmzettel vom 28. Juni 2020
Warteschlange in Tomaszów Mazowiecki, wenige Minuten nach dem Öffnen der Wahllokale
Wahlurne

Die siebte Präsidentschaftswahl in Polen seit dem Beginn der Dritten Republik fand am 28. Juni und 12. Juli 2020 statt.[1] Im ersten Wahlgang erreichte der Amtsinhaber Andrzej Duda 43,5 % der Stimmen und verfehlte die absolute Mehrheit. Damit wurde eine Stichwahl am 12. Juli 2020 zwischen ihm und seinem stärksten Herausforderer Rafał Trzaskowski nötig, der 30,5 % der Stimmen erreichte.[2] In der Stichwahl setzte sich Duda mit 51 % der Stimmen durch.

Der erste Durchgang der Wahl war für den 10. Mai 2020 geplant, wurde jedoch aufgrund der COVID-19-Pandemie in Polen verschoben.[3] Zuvor hielt die Regierungspartei PiS lange Zeit am geplanten Termin fest, allerdings in Form einer reinen Briefwahl.[4]

Neben dem amtierenden Staatspräsidenten Andrzej Duda (unterstützt von der Regierungspartei PiS) stellte jede der im Sejm vertretenen Fraktionen einen Kandidaten zur Wahl, namentlich Rafał Trzaskowski (KO), Władysław Kosiniak-Kamysz (PSL), Robert Biedroń (Wiosna) und Krzysztof Bosak (Konfederacja). Darüber hinaus traten außerparlamentarische bzw. unabhängige Kandidaten wie beispielsweise Szymon Hołownia an.

Bis zu ihrem Rückzug am 15. Mai 2020 war Małgorzata Kidawa-Błońska Präsidentschaftskandidatin der KO. Der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski wurde daraufhin ihr Ersatzkandidat. Nach der Neuaufstellung der KO setzte sich Trzaskowski in Umfragen schnell an die zweite Stelle hinter Amtsinhaber Duda.

Foto Name Alter Ausbildung/Karriere Parteizugehörigkeit Wahlslogan Beleg
Robert Biedroń 44 EU-Parlamentarier Wiosna
(außerdem unterstützt von
SLD, Razem und PPS)
Bezpieczna Polska w Zjednoczonej Europie
(„Sicheres Polen im Vereinten Europa“)
[5]
Krzysztof Bosak 38 Mitglied des Sejm Konfederacja
(außerdem unterstützt von RN)
Naprzód Polsko!
(„Vorwärts Polen!“)
[6]
Andrzej Duda 48 amtierender Präsident parteilos
(unterstützt von PiS)
Niech żyje Polska!
(„Es lebe Polen!“)
Szymon Hołownia 43 Journalist, Fernsehmoderator parteilos Prezydent różnych Polaków; Dość partyjniactwa; Kościół i władza na swoje miejsce; Pokolenia, nie kadencja

(„Präsident von verschiedenen Polen; Schluss mit den Parteien; Kirche und Herrscher auf ihre Plätze; Generationen, nicht Legislaturen“)

[7]
Marek Jakubiak 61 Unternehmer FdR [8]
Władysław Kosiniak-Kamysz 38 Mitglied des Sejm PSL
(außerdem unterstützt von
Kukiz’15, ŚR und UED)
Nadzieja dla Polski
(„Hoffnung für Polen“)
[9]
Mirosław Piotrowski 54 Historiker, Dozent, Publizist RPE Nowoczesny konserwatyzm; Prezydent bezpiecznego jutra

(„Moderner Konservatismus; Präsident eines sicheren Morgen“)

[10]
Paweł Tanajno 44 Unternehmer parteilos
(unterstützt von DB)
Więcej wolności i suwerenności obywateli to źródło dobrobytu dla każdego i dla całego państwa

(„Mehr Freiheit und Souveränität der Bürger ist die Quelle des Wohlstandes für jeden einzelnen und den ganzen Staat“)

[11]
Rafał Trzaskowski 48 Stadtpräsident Warschaus PO
(außerdem unterstützt von
iPL, .N und Zieloni)
Silny prezydent, wspólna Polska

(„Starker Präsident, gemeinsames Polen“)

[12]
Waldemar Witkowski 66 Vorstandsvorsitzender einer Wohnungsbaugenossenschaft UP Człowiek ważniejszy od kapitału

(„Der Mensch ist wichtiger als das Kapital“)

[13]
Stanisław Żółtek 64 Unternehmer KNP [14]

Die beiden aussichtsreichsten und schließlich in der notwendig gewordenen Stichwahl gegeneinander angetretenen Kandidaten, Duda und Trzaskowski, repräsentieren die beiden politischen Hauptlager, in die die polnische Gesellschaft gegenwärtig gespalten ist.[15] Duda, Kandidat der PiS und weiterer Parteien des konservativen Spektrums, hat seine Anhängerschaft schwerpunktmäßig eher im Süden und Osten Polens, vor allem auf dem Land und in den Kleinstädten, während die Anhängerschaft Trzaskowskis, Kandidat der PO und des Mitte-Links-Lagers, vor allem in den Großstädten und eher im Westen und Norden Polens konzentriert ist. Die staatlichen Medien (Rundfunk und Fernsehen) befanden sich weitestgehend unter Kontrolle der PiS-Regierung. Wahlbeobachter der OSZE kritisierten die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP, der weitgehend als Wahlkampf-Vehikel für Amtsinhaber Andrzej Duda fungiert und sehr wenig und meist negativ über dessen Herausforderer Rafal Trzaskowski berichtet habe. Der Nationale Rundfunkrat KRRiT sei seiner Aufgabe der Kontrolle der Berichterstattung über den Wahlkampf nicht nachgekommen. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte eine einseitige Berichterstattung des Senders.[16]

Duda gilt als Repräsentant traditioneller Werte – Familie im konservativen Sinn und Betonung der gesellschaftlichen Rolle der katholischen Kirche – und gibt sich eher EU-skeptisch, während Trzaskowski Exponent einer liberaleren Richtung ist. Der Wahlkampf war zum Teil durch eine ausgesprochen derbe, beleidigende und diffamierende Sprache gekennzeichnet.[17] Auch gewisse antideutsche Klischees wurden durch Duda bemüht, nachdem er von der zum Teil in Besitz des deutschen Springer-Verlags befindlichen Boulevardzeitung Fakt kritisiert worden war. Duda warf daraufhin dem Springer-Verlag versuchte Wahlbeeinflussung vor und sprach vom „nächsten deutschen Angriff in diesen Wahlen“.[18] Nachdem Zeitungen in Deutschland sich mehrfach für Trzaskowski als den „besseren Präsidenten Polens“ ausgesprochen hatten, ließ das polnische Außenministerium den Geschäftsträger der deutschen Botschaft einbestellen und protestierte gegen „Manipulationen und Lügen“ (so eine spätere Twitter-Meldung), mit denen anscheinend auf den demokratischen Wahlprozess Einfluss genommen werden solle.[19]

Kritiker warfen Duda im Wahlkampf homophobe Äußerungen vor. Nachdem Trzaskowski als Warschauer Stadtpräsident die Schirmherrschaft für die Gleichheits-Parade in seiner Stadt übernommen und die Diskussion von LGBT-Themen an Warschauer Schulen erlaubt hatte, wurde er von PiS-Anhängern als „Schwulenfreund“ angegriffen. Duda erklärte die „LGBT-Ideologie“ für „schlimmer als den Kommunismus“[20] und stellte in Wahlkampfreden klar, dass er es als Präsident nicht erlauben werde, dass „Kinder in der Grundschule mit Ideologie und Sexualisierung indoktriniert werden“.[17] PiS und Duda positiv ausgelegt wird seitens der Wählerschaft das von der PiS-Regierung initiierte Wohlfahrts- und Sozialprogramm mit deutlich erhöhtem Kindergeld und Sozialleistungen. Dies hat ihr den Ruf verschafft, eine Partei zu sein, die sich um die Bedürfnisse der „kleinen Leute“ und nicht nur der „pro-westlichen städtischen Eliten“ kümmert.[15]

Mehrheiten im ersten Wahlgang nach Kreisen (Powiat)
Mehrheiten im zweiten Wahlgang nach Kreisen (Powiat)
Kandidaten Parteien 1. Wahlgang 2. Wahlgang
Stimmen % Stimmen %
Andrzej Duda Prawo i Sprawiedliwość 8.450.513 43,5 10.440.648 51,0
Rafał Trzaskowski Platforma Obywatelska 5.917.340 30,5 10.018.263 49,0
Szymon Hołownia Parteilos 2.693.397 13,9
Krzysztof Bosak Konfederacja 1.317.380 6,8
Władysław Kosiniak-Kamysz Polskie Stronnictwo Ludowe 459.365 2,4
Robert Biedroń Wiosna 432.129 2,2
Stanisław Żółtek Kongres Nowej Prawicy 45.419 0,2
Marek Jakubiak Federacja dla Rzeczypospolitej 33.652 0,2
Paweł Tanajno Demokracja Bezpośrednia 27.909 0,1
Waldemar Witkowski Unia Pracy 27.290 0,1
Mirosław Piotrowski Ruch Prawdziwa Europa 21.065 0,1
Gesamt 19.425.459 100 20.458.911 100
Ungültige Stimmen 58.301 0,3 177.724 0,9
Wähler 19.483.760 64,5 20.636.635 68,2
Wahlberechtigte 30.204.792 30.268.543
Quelle: Staatliche Wahlkommission

Die Wahlbeteiligung war mit 68,2 Prozent vergleichsweise hoch, was für ein gestiegenes politisches Interesse sprach. Der Wahlausgang zeige – so der Tenor der Kommentare mehrerer großer deutschsprachiger Medien – dass Polen ein innerlich tief gespaltenes Land sei. Die Spaltung gehe mitten durch die Gesellschaft: West- und Nordpolen gegen Süd- und Ostpolen, Städte gegen Provinz, Alt gegen Jung. Auch bei der letzten Präsidentschaftswahl habe diese Spaltung bestanden und der damals gewählte Duda habe es nicht geschafft, die aufgerissenen Gräben zuzuschütten, vor allem weil er nicht aus dem Schatten seines politischen Ziehvaters Jarosław Kaczyński habe heraustreten können. Ob Duda in seiner zweiten Amtszeit dazu in der Lage sei, bleibe abzuwarten. Es sei jedoch zu befürchten, dass die Aktionen der PiS-Regierung gegen das Justizsystem und gegen unabhängige private Medien weitergehen würden.[21] Gegner der PiS-Regierung äußerten die Befürchtung, dass Polen nun „denselben Weg“ gehen würde „wie Ungarn oder sogar Weißrussland“.[22]

Klage gegen die Wahl

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Am 16. Juli 2020 reichte die Bürgerplattform (PO) beim obersten Gericht Polens Beschwerde gegen das Wahlergebnis ein. Die PO forderte eine Annullierung der Wahl, da gegen die Prinzipien der Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl verstoßen worden sei. Duda sei durch den „gesamten Staatsapparat“ unterstützt worden, was rechtswidrig gewesen sei. Zum Beleg dokumentierte die PO Beschwerden von 2000 Wählerinnen und Wählern, die über Probleme mit der Anmeldung zur Wahl, einen verspäteten Versand der Wahlunterlagen und Hindernisse bei der Stimmenabgabe im Ausland berichteten.[23]

Für die Beschwerden war die im Rahmen der umstrittenen Justizreform gegründete Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten zuständig. Am 3. August 2020 erklärte sie die Wahl für gültig. Insgesamt gingen 5.847 Wahlbeschwerden ein und damit die meisten seit der Präsidentschaftswahl 1995 (damals ungefähr 600 Tausend).[24] Davon wurden 93 Beschwerden zwar als berechtigt, aber ohne Auswirkung auf das Wahlergebnis angesehen. Auch ein ungleicher Zugang der Kandidaten zu den Massenmedien wirke sich nicht auf die Gültigkeit der Wahl aus, solange ein rechtlicher und faktischer Medienpluralismus gewährleistet ist.[25]

Einzelnachweise

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  1. Polnische Präsidentenwahl findet nun am 28. Juni statt. In: derStandard.at. Abgerufen am 3. Juni 2020 (österreichisches Deutsch).
  2. Państwowa Komisja Wyborcza: Presidential Election The Republic of Poland 2020: Results of first round of voting. In: Państwowa Komisja Wyborczae. Państwowa Komisja Wyborcza, 30. Juni 2020, abgerufen am 30. Juni 2020 (englisch).
  3. Polen verschiebt umstrittene Präsidentschaftswahl. In: tagesschau.de. Abgerufen am 10. Mai 2020.
  4. Rechtsnationale PiS setzt für den Sieg auf Briefwahl. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 10. Mai 2020.
  5. Robert Biedroń: poglądy, PROGRAM WYBORCZY i polityczny: wybory 2020. In: Słuchaj Radio ZET. 7. Mai 2020, abgerufen am 7. Juni 2020 (polnisch).
  6. Krzysztof Bosak. Program wyborczy kandydata Konfederacji. 20. April 2020, abgerufen am 7. Juni 2020 (polnisch).
  7. Szymon Hołownia kandyduje na prezydenta. Kim jest? Abgerufen am 7. Juni 2020.
  8. Jakubiak kandydatem na prezydenta. Zebrał podpisy. 25. März 2020, abgerufen am 7. Juni 2020.
  9. Władysław Kosiniak-Kamysz: PROGRAM WYBORCZY I POLITYCZNY [WYBORY 2020]. In: radiozet.pl. 6. Mai 2020 (radiozet.pl [abgerufen am 7. Juni 2020]).
  10. Jest kolejny kandydat na prezydenta. Opozycja nie może go zlekceważyć. 26. März 2020, abgerufen am 7. Juni 2020.
  11. Anna Piątkowska-Borek: Kim jest Paweł Tanajno, kandydat na prezydenta Polski i współorganizator protestu przedsiębiorców? 24. Mai 2020, abgerufen am 7. Juni 2020 (polnisch).
  12. Trzaskowski: Wszystko wymaga nowej polityki. Polska pogrążyła się w totalnym chaosie. Abgerufen am 7. Juni 2020.
  13. Kandydaci w wyborach Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej w 2020 r. Abgerufen am 1. Juli 2020 (polnisch).
  14. Wybory prezydenckie 2020. Stanisław Żółtek - program, postulaty, partia. Abgerufen am 7. Juni 2020 (polnisch).
  15. a b Adam Easton: Duda vs Trzaskowski: The fight for Poland's future. BBC News, abgerufen am 12. Juli 2020 (englisch).
  16. OSZE kritisiert Wahlberichterstattung. tagesschau.de, 29. Juni 2020, abgerufen am 12. Juli 2020.
  17. a b Peter Oliver Loew: „Das ist eine Schande und ein Gestank“: Emotionen im polnischen Präsidentschaftswahlkampf. Kommentierte Auszüge aus einer Rede Andrzej Dudas in der oberschlesischen Provinz. Deutsches Polen-Institut, abgerufen am 12. Juli 2020.
  18. Monika Sieradzka: Antideutsche Töne im polnischen Wahlkampf. Deutsche Welle, 10. Juli 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
  19. Polens Regierung bestellt deutschen Top-Diplomaten ein. Deutsche Welle, 8. Juli 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
  20. Polish election: Andrzej Duda says LGBT 'ideology' worse than communism. BBC News, 14. Juni 2020, abgerufen am 12. Juli 2020 (englisch).
  21. Bartosz Dudek: Kommentar: Wahlen in Polen - Der Riss durchs Land wird tiefer. Deutsche Welle, 13. Juli 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
  22. Viktoria Grossmann: Nur das Misstrauen vereint die Polen. Tagesanzeiger, 16. Juli 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
  23. Opposition will Präsidentenwahl für ungültig erklären lassen. Zeit online, 16. Juli 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
  24. Szef PKW: Świat docenia to, co osiągnęliśmy. In: rmf24.pl. 7. August 2020, abgerufen am 16. August 2020 (polnisch).
  25. Sąd Najwyższy stwierdził ważność wyboru Andrzeja Sebastiana Dudy na Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. In: sn.pl. 3. August 2020, abgerufen am 16. August 2020 (polnisch).