Radrennbahn Treptow

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Radrennbahn Treptow
Nudeltopp
Daten
Ort Treptow, Elsenstraße 23–26[1]
Koordinaten 52° 29′ 30,1″ N, 13° 27′ 34,2″ OKoordinaten: 52° 29′ 30,1″ N, 13° 27′ 34,2″ O
Eigentümer Magistrat von Berlin
Baubeginn 1896
Eröffnung 18. Juni 1899
Erweiterungen 1905: zwei zusätzliche Stehtribünen
Abriss 1926
Oberfläche zunächst Sandbahnen,
ab etwa 1900 Beton
Architekt unbekannt
Kapazität 3500
Spielfläche offene ovale Fahrbahnen mit Steilkurven
Veranstaltungen

zusätzlich zum Bahnradsport auch Boxen oder Leichtathletik (im Innenring)

Lage
Radrennbahn Treptow (Berlin)
Radrennbahn Treptow (Berlin)

Die Radrennbahn Treptow bestand von 1898 bis 1926 in Treptow (1920 nach Berlin eingemeindet). Sie befand sich im Sportpark Treptow an der Elsenstraße in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Treptow. Die Bahn wies als Besonderheit sehr steile Kurven mit einem Neigungswinkel von 50,5 Grad bei einer Länge von 312 Metern auf. Die Kurven galten als die steilsten Kurven aller europäischen Radrennbahnen.[2][3]

1898 bestand auf dem Gelände bereits eine kürzere Bahn mit Lehmbelag. Diese Bahn wurde anlässlich der Gewerbeausstellung in Berlin 1896 als Radlehrbahn errichtet, auf der jedoch keine Wettkämpfe stattfanden. In Kontext der Gewerbeausstellung wurde das Gelände durch neue Verkehrsverbindungen mit der Stadtmitte und den nördlich und westlich gelegenen Bezirken Berlins verbunden. Die Große Berliner Pferde-Eisenbahn AG erhielt die Konzession für mehrere neue Linien nach Treptow, die alle elektrisch betrieben wurden und eine gute Erreichbarkeit der Station Treptow ermöglichten.[4] Der frühere Radrennfahrer Wilhelm Johow leitete 1898 einen Umbau ein. Die Länge der Bahn betrug nun 313 Meter, der Belag war aus Zement, die Kurven steil. Die Bauweise führte bei den radsportinteressierten Besuchern, die die Bahn dank der sehr guten Erreichbarkeit gut annahmen, zum Spitznamen „Nudeltopp“.[5] Am 18. Juni 1899 fand das Eröffnungsrennen vor ausverkauftem Haus statt. Erste Sieger wurden Guus Schilling im Hauptfahren (Sprint) der Berufsfahrer und Hans Lutze im Hauptfahren der Amateure.[6]

Die Bahn bot 3.500 Zuschauern Platz. Im Innenraum fanden auch Boxwettkämpfe und andere Veranstaltungen statt. 1904 und 1905 wurde die Bahn durch die Firma Boswau & Knauer modernisiert, um den höheren Geschwindigkeiten der Schrittmachermaschinen gerecht zu werden.[7][8] Die Steherrennen wurden zum Publikumsmagneten.

In ihrer Hochzeit trainierten bis zu 100 Bahnfahrer auf der Anlage. Nach zeitgenössischen Quellen begannen später bekannte Fahrer wie Cesare Moretti, Carl Hellemann, Arthur Stellbrink und Bruno Demke hier ihre radsportliche Laufbahn.[2]

Während des Ersten Weltkrieges wurden Bahnrennen im Wesentlichen auf der Treptower Bahn ausgetragen, viele Fahrer erhielten dafür Freistellungen vom Wehrdienst.[9]

Dank der hohen Resonanz beim Publikum organisierten die Veranstalter eine Vielzahl an Rennen, darunter auch publikumsoffene Trainingstage. 1921 führte die Publikumsresonanz dazu, dass zwei weitere Stehtribünen errichtet wurden. 1923 wurde das 25-jährige Jubiläum der Bahn mit einer feierlichen Radgala begangen. Am 12. Januar 1926 fuhr Walter Rütt unter dem Beifall tausender Zuschauer seine Abschiedsrunde auf der Bahn. Kurz darauf eröffnete Rütt die mit seinem Vermögen errichtete Rütt-Arena an der Hasenheide.[10]

1926 kündigte die Stadt Berlin nach Beschwerden einer anliegenden Behörde über den Lärm, der von der Rennbahn ausging, den Pachtvertrag. Wenig später wurde sie abgerissen. Das Gelände wurde in den 1930er Jahren sportlich für Eishockeyspiele und Fußball genutzt.[3] Der größte Teil des Geländes wird heute von einem Garten-Center genutzt und ist im aktuellen Berliner Flächennutzungsplan für eine eventuelle Verlängerung der Stadtautobahn vorgesehen.

Eröffnungsrennen über 20 km am 29. März 1914. V. l. n. r.: Schrinner (NL), Schulze, Jenske, Pawke.[11]

Alle damaligen Disziplinen des Bahnradsports wurden auf der Treptower Bahn veranstaltet: Steherrennen, Sprint, Vorgabefahren, Handicaps, Prämienfahren, Tandemrennen. Um die Jahrhundertwende standen auch noch Mehrsitzer-Vorgabefahren mit Fünf- und Dreisitzern auf dem Programm.[12] Auf der Bahn wurden der Große Preis von Deutschland im Sprint, die Großen Preise von Berlin im Sprint und im Steherrennen, das Goldene Rad von Berlin für Steher, die berühmte Stunde von Treptow und andere Rennen ausgefahren. Dazu gehörte auch eine international besetzte Meisterschaft von Treptow.

Auf der Bahn kam es zu mehreren Todesfällen. 1909 verunglückte der Trainer Tim Johnson aus den USA tödlich, als er von einer Schrittmachermaschine gerammt wurde.

1914 stürzte Willi Hamann bei einem Rennen und verstarb wenige Tage später im Krankenhaus. 1916 verunglückte der einheimische Schrittmacher Max Bauer bei einem Sturz tödlich.[13][14][15]

1924 wurde eine Trainingsschule für Bahnfahrer auf der Rennbahn begründet.

Arno Arndt: Das Laufmädel. In: Berliner Sport (= Großstadt-Dokumente. Nr. 10). Hermann Seemann Nachf., Berlin [u. a.] 1905, S. 88 ff. (zlb.de).

Einzelnachweise

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  1. Elsenstraße 23 bis 26 > Baustellen. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1901, Teil III, S. 144 (Eigentümer Fiskus, also die Stadt Berlin, nahe gelegen ein Exerzierplatz, Parzellen 9–22).
  2. a b Wolfgang Gronen, Walter Lemke: Geschichte des Radsports, Geschichte des Fahrrades. Fuchs-Verlag, Hausham 1987, S. 249.
  3. a b Es brodelte im „Nudeltopp“. Abgerufen am 11. August 2023.
  4. Regina Richter, Frauke Rother, Anke Scharnhorst: Hier können Familien Kaffe kochen. Treptow im Wandel der Geschichte. be.bra Verlag, Berlin 1990, S. 44.
  5. Nudeltopf. Abgerufen am 11. August 2023.
  6. Fredy Budzinski: Aus der Geschichte der Berliner Sommerbahnen. In: Sport-Album der Rad-Welt. Verlag der Rad-Welt, Berlin 1929, S. 45.
  7. Arno Arndt: Berliner Sport (= Großstadt-Dokumente. Nr. 10). Hermann Seemann Nachf., Berlin [u. a.] 1905, S. 89 (zlb.de [abgerufen am 27. Juli 2024]): „Die Kurven sind himmelhoch und so steil, daß einem das Herz in die Unaussprechlichen fällt, im Gedanken, daß hier Radler hinaufstrampeln können, ohne sich Genick und Beine zu brechen. Im Innenraum breitet sich grüner Rasen, und wenn die Radler nicht in die Pedale treten, hasten sich hier unten die Läufer ab, deren es in Berlin eine große sportgewandte Gilde vom Fach der Leichtathleten gibt.“
  8. Harry Nutt: Raserei im Nudeltopp. Hundert Jahre Berliner Radsportgeschichte im Heimatmuseum Treptow. In: Die Tageszeitung: taz. 29. August 1997, ISSN 0931-9085, S. 22 (taz.de [abgerufen am 20. Juli 2024]).
  9. Toni Theilmeier: Die wilde, verwegene Jagd. Aufstieg des professionellen Stehersports in Deutschland bis 1910. MAXIME Verlag Maxi Kutschera, Langenhagen 2009, ISBN 978-3-931965-23-5, S. 121.
  10. Bezirksamt Neukölln von Berlin (Hrsg.): Kriengeldreher und Strampelbrüder. Berlin 1997, S. 18.
  11. Alfred Schrinner. In: Renners in de grote oorlog wiki. Abgerufen am 26. Juli 2024 (niederländisch).
  12. Geschichten um das Radfahren in Berlin. Abgerufen am 11. August 2023.
  13. Einstige Radrennbahnen in Berlin. Abgerufen am 11. August 2023.
  14. Fredy Budzinski: Sport-Album der Rad-Welt. Verlag der Rad-Welt, Berlin 1909, S. 51.
  15. Fredy Budzinski: Sport-Album der Rad-Welt. Verlag der Rad-Welt, Berlin 1918, S. 63.